8 minute read

«Da kam ich ins schwitzen»

Im vierten Stock von Ramstein hat es letztes Jahr Veränderungen gegeben. In den umgebauten Räumlichkeiten finden die Ramstein Optiker*innen ihren kleinen Rückzugsort. Der grosse offene Raum wird dominiert von einem riesigen Glasfenster, das in die Glockengasse und auf seine Dächerlandschaft hinausblickt. In der Mitte des Raumes steht ein eindrucksvoll langer Massivholztisch, an dem es sich gemütlich lunchen lässt. Wären da nicht die verschiedenfarbigen Eames Chairs … man hätte den Eindruck einer Rittertafel.

Fast etwas unscheinbar erscheint da die Glastür auf der Seite, die sich zu einem kleineren trapezförmigen Raum öffnet: dem Magic Place! Andreas Bichweiler hat diesen Raum so benannt, weil jede Besprechung, und sei sie noch so knifflig, sich hier drin in eine gute Richtung entwickelt. Die drei behaglichen Sessel und die Nierentische zaubern eine wohnliche Atmosphäre, auf die man sich gerne einlässt. Vielleicht liegt es aber auch am alten Lällekönig, der auf Augenhöhe am Restaurant Gifthüttli den Passanten die Zunge rausstreckt. «Hösch, nimm nit alles so ärnscht!»

Advertisement

Der perfekte Raum für das Interview von Dieter Kohler mit den Chefredaktoren der Basler Zeitung und der bz Basel. Entsprechend entspannt, offen und humorvoll war das Gespräch der beiden Meinungsmacher der Region, die Sie zusammen auf unserer neuen Plakatkampagne sehen werden. Aber lesen Sie selbst.

DIETER KOHLER im Gespräch mit MARCEL ROHR und PATRICK MARCOLLI

DIETER KOHLER: Es ist nicht alltäglich, dass die beiden Chefredaktoren der zwei grossen Zeitungen am Ort auf einem Bild zu sehen sind. Was bedeutet Ihnen dieses Bild?

MARCEL ROHR: Es war eine neue Erfahrung, man muss zum Beispiel auf Kommando eine Pose einnehmen. Einmal lachen, dann wieder ernst sein. Das ist gar nicht so einfach, Brust raus, Bauch rein, richtig harte Arbeit. Ich kam sogar ins Schwitzen. Aber es war spannend, dies kennenzulernen.

PATRICK MARCOLLI: Ich habe gelernt, auf Befehl den Kiefer zu entspannen (lacht). Wir waren mehr Model als Journalisten. Ich glaube, das Ergebnis ist gut geworden.

MR: Ich bin auch sehr zufrieden. Ich habe mich gefreut, mit Patrick zusammen auf dem Bild zu sein. Aus gemeinsamer Arbeit respektieren wir uns gegenseitig, ohne beste Freunde zu sein. Und so ist jetzt auch das Foto geworden.

Die Medienszene ist nicht frei von Eitelkeit. Sie zusammen auf einem Bild, geht das eigentlich?

PM: Genau, man sagt ja auch JournalICH-mus (beide lachen). Ich habe mir kurz überlegt, ob ich mein einziges weisses Hemd, das ich sonst nur am Zunftabend trage, anziehen soll, ich bin dann aber doch beim T-Shirt geblieben und trage meine normale Lederjacke.

MR: Spasseshalber sagte ich im Vorfeld auf meiner Redaktion: Für wen der beiden Chefredaktoren ist es wohl die grössere Ehre, neben dem anderen zu stehen? Natürlich ist es für beide eine grosse Ehre, aber die BaZ hat schon eine etwas grössere Reichweite und eine etwas grössere Auflage … (schmunzelt).

PM: (mit breitem Lachen): … und wir bei der bz Basel haben das bessere Image, und so gleicht es sich dann aus …

MR: (lacht): … das hast jetzt Du gesagt!

Und wer ist der Schönere von Ihnen beiden?

PM und MR im Chor: Da kriegen Sie uns nicht!

Ramstein will Leute zusammenbringen. Wie wichtig ist Ihnen dieser Aspekt?

PM: In einem übertragenen Sinn hat das gemeinsame Bild eine tolle Bedeutung. Es zeigt, dass wir in Basel immer noch zwei Zeitungen haben, im Gegensatz zu den meisten anderen Schweizer Städten. Wir sind hier medial privilegiert. Ja, wir sind Konkurrenten, aber hier gibt es die Konkurrenz wenigstens noch, sodass die Leserschaft vergleichen und Qualität auswählen kann.

MR: Man darf nicht vergessen: Die Medienbranche ist brutal am Kämpfen. Es wird finanziell immer schwieriger. Es braucht enorm viel Energie, diese Arbeit auf diesem Niveau zu leisten. Es gibt keinen normalen Alltag mehr, sondern wir kämpfen jeden Tag. Früher war das besser. In dieser Situation schätze ich es, wenn wir unter Journalistenkollegen ab und zu ein Wir-Gefühl aufbauen und auch stärken können.

Wenn es so schwierig ist, Journalismus zu finanzieren, sollten Sie vielleicht fusionieren. Was meinen Sie?

MR: Das müssen nicht wir entscheiden, ob es das einmal gibt oder nicht. Grundsätzlich belebt Konkurrenz aber das Geschäft, und das ist gut so.

PM: Ich würde bei der finanziellen Situation nicht so schwarz malen. Wir durften in den letzten Jahren ausbauen, zum Beispiel im Online und in Kultur.

Die Corona-Pandemie hat den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf eine Probe gestellt. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

MR: Es war mitunter eine schwierige Zeit. In Kommentaren habe ich meine persönliche Enttäuschung ausgedrückt, dass nicht mehr Leute bereit waren, sich impfen zu lassen. Mir wurde dann vorgeworfen, ich trage zur Spaltung der Ge- sellschaft bei. Als Medium ist man täglich auf dem Prüfstand, und wir müssen uns fragen, was könnte eine Spaltung befördern und was nicht.

PM: Kritik bedeutet nicht automatisch Spaltung. Kritik kann auch zu einer Besserung einer Situation führen, was dann wieder gut ist für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wenn ich mit vielen anderen Ländern vergleiche, wo es praktisch keine freien Medien mehr gibt, so bin ich froh über das funktionierende Mediensystem in der Schweiz. Ein Gemeinwesen braucht Kritik und Korrektur, und hier sehe ich den konstruktiven Beitrag unserer Zeitungen für diese Region. So verstehe ich auch unser gemeinsames Bild.

Die Basler Zeitung (BaZ) trägt Basel im Titel und die bz Basel hat die Ursprünge im Baselbiet. Wie steht es mit der Zusammenarbeit von BS und BL?

MR: Es könnte besser sein. Bei den vielen Diskussionen um Abgeltungen und Verträge geht viel Energie verloren. Es herrscht ein beidseitiger Missmut.

PM: Es gehen sicher Synergien in vielen Bereichen verloren. Aber so sehr ich mir eine Wiedervereinigung wünsche, so ist diese Idee für Jahre, wenn nicht für Jahrzehnte vom Tisch. Wir müssen die Situation jetzt positiv umsetzen. Corona hat gerade in unserer Region gezeigt, wie schädlich es sein kann, wenn Grenzen aufgebaut werden, statt diese abzureissen.

Wie müsste ein Ramstein-Bild aussehen für das Zusammen von Stadt und Land?

PM: Noch einmal ein Bild von Marcel und mir (beide lachen).

MR: Ein Landschaftsbild vom RocheTurm aus, mit einem Weitblick. Ich liebe diese Region. Und die Stadt Basel ist grossartig. Man findet keine Stadt in Europa, die auf so kleinem Raum so unfassbar viel bietet.

Wieso wohnen Sie dann nicht in Basel, sondern im Fricktal?

MR: Weil ich das nicht will. Es ist ein ganz bewusster Entscheid, nicht hier zu wohnen. Ich will jeden Abend aus der Stadt hinaus fahren, um einen anderen Blick auf die Stadt zu haben.

Und stimmt die Basler Zusammenarbeit mit der Eidgenossenschaft?

MR: Der Basler per se kommt in der Restschweiz nicht sehr gut an. Die reiche Stadt Basel hat ein Imageproblem in der Schweiz. Die Nichtwahl von Eva Herzog in den Bundesrat ist ein Zeichen dafür.

PM: Häufig wird von aussen übersehen, welche wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung Basel aufweist. Dann sind wir manchmal aber vielleicht auch selbstgenügsam. Eine beidseitige Auflockerung würde allen gut tun.

Was könnte zur Auflockerung beitragen?

PM: Weil es ein Jammern auf hohem Niveau ist, braucht es keine Sofortmassnahmen. Im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern haben wir weiterhin einen grossen Landeszusammenhalt – trotz vier verschiedenen Sprach- und Kulturteilen.

MR: Verglichen mit anderen Schweizer Regionen ist die finanzielle Lage in Basel unglaublich gut. Und Aussenstehende verstehen nicht, wie unbekümmert hier beispielsweise ein Neubau einfach 100 Millionen mehr kosten kann. Unsere weichen Kissen werden in der Restschweiz beneidet und führen bei uns zu einer gewissen Trägheit und vielleicht auch Überheblichkeit.

PM: Basel-Stadt hat sich vom Chemie-Underdog zur erfolgreichen Pharmastadt mit hoher Lebensqualität entwickelt, Stichwort: Rheinbord.

Erfolg macht misstrauisch?

MR: Zu einem gewissen Grad, Ja. Und dann darf man die sportlichen Erfolge des FCB nicht vergessen. Einerseits haben diese Erfolge Neid provoziert, andererseits hat eine ganze Region dank dem Sport Selbstvertrauen getankt. Die Nati-Spieler Xhaka, Sommer oder Shaqiri werden auch heute noch mit Basel assoziiert.

Jetzt sind die Plakate mit Ihnen beiden im öffentlichen Raum sichtbar. Wie reagieren Sie darauf?

PM: Als Chefredaktor ist man ohnehin eine halböffentliche Person. Mit dem Plakat wird diese Bekanntheit verstärkt, was ich nicht unbedingt gesucht habe. Aber ich bin selber schuld, mitgemacht zu haben. Die Idee war eben reizvoll. Alleine auf einem Plakat hätte ich wahrscheinlich nicht zugesagt, zu zweit ist es schon besser.

MR : Ich fühle mich geehrt, dabei zu sein, und das Verbindende der Aktion gefällt mir gut. Ich hoffe, dass alle Patrick Marcolli auf dem Bild erkennen (lacht spitzbübisch).

PM: … ich möchte nicht messen wollen, wer wen zuerst erkennt (lacht zurück).

Wieder kleine Neckereien! Mögen Sie sich gegenseitig?

PM : Man darf sich auch gegenseitig etwas provozieren. Das gehört dazu.

MR: Genau. Wir teilen beide die Liebe zum Journalismus und zur Region. Der Rest ist der tägliche Kampf um die bessere Zeitung.

MARCEL ROHR lancierte seine journalistische Karriere 1988 bei der Basler Wochenzeitung Doppelstab. Zwischen 1994 und 2005 leitete er während mehrerer Jahre das Fussballressort von Blick und SonntagsBlick. 2005 übernahm er die Sportredaktion der Basler Zeitung, ab 2008 fungierte er auch als Blattmacher. Im Dezember 2018 wurde er Chefredaktor der BaZ. Marcel Rohr ist geschieden und lebt mit der Journalistin Eva Tedesco im unteren Fricktal.

PATRICK MARCOLLI hat in Basel Geschichte und Anglistik studiert und arbeitete währenddessen als freier Mitarbeiter für die Nordschweiz und die Basler Zeitung. Danach war er Kulturredaktor bei der Basler Woche, gefolgt von 15 Jahren bei der BaZ, unter anderem als Leiter des Lokalressorts und Korrespondent in Berlin. Von 2014 bis 2018 führte er die Kommunikationsabteilung bei Herzog & de Meuron. Seit Herbst 2018 ist er Chefredaktor der bz Basel.

DIETER KOHLER ist selbständiger Journalist und Moderator. Bis 2021 leitete er das SRF-Regionaljournal Basel Baselland, davor war er u.a. Westschweiz- und Bundeshauskorrespondent und Interviewer der Sendung Samstagsrundschau. Er hat an der Uni Basel Geografie, Soziologie und Jus studiert, gefolgt von einer ETH-Weiterbildung in Raumplanung.

This article is from: