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mer eine schöne, freundliche Atmosphäre“, sprudelt sie. Die Kunden seien so etwas wie Familie, „manchmal bringen sie ihre Hunde mit“, und ja, man darf die alten Stücke an den Stangen gerne anprobieren. Manche kaufen, um sich anzuziehen, manche nur um zu sammeln, jugendliche Debutantinnen gibt es, auf der Suche nach einem Prachtstück wie dem 55er Dior New-Look Kleid etwa, mit der einzigartigen Silhouette, die Christian Dior berühmt machte. Mancher Designer kommt nur, um die Stoffe und Schnitte zu studieren, 50-60 Prozent der Teile werden ins Ausland exportiert: „Man kann die Hand mancher Meister der Haute Couture förmlich sehen“, erklärt sie. Taylor war für den Verkauf der Kleider des Herzogs und der Herzogin von Windsor genauso verantwortlich wie für den Sale der abundanten Haute-Couture-Sammlung von Prinzessin Lilian von Belgien – wo die 50er Jahre Dior-Ensembles samt Accessoires noch so aussahen, als hätte Mâitre Christian sie eben noch in der Hand, pardon, unter der Nadel gehabt. Aber es geht auch noch historischer: Dem Victoria & Albert Museum verkaufte sie die Hochzeitskleidung von James VII aus dem Jahre 1673. Nun in London allerdings hat sich Kerry Taylor auf Stars und große Namen spezialisiert. Es ist ein merkwürdiges Faktum der Auktionswelt, dass die Namen, die die Kleidung tragen, fast noch wichtiger sind, als die Kreationen selbst: Das Supermodel Jerry Hall gehört zu Taylors Kunden und Marie Helvin, sie bediente die Schauspielerin Leslie Caron mit ihren 50er Givenchy- und 60er Yves Saint Laurent-Kreationen. Und dann eben Audrey Hepburn – die größte Sammlung von Haute Couture, die je auf den Markt kam, was natürlich auch daran liegt, dass die reizende Audrey mit Hubert de Givenchy so eng befreundet war, wie kaum jemand sonst: 268.320,- Pfund spülte das in die Kassen, allein das Chantilly-Spitzen-Cocktailkleid, das die Schauspielerin in „How to steal a million“ trug, erzielte 60.000 Pfund. Schließlich das schwarze Verlobungskleid von Lady Diana, indem sie 1981 ihr gesellschaftliches Debut gab und sich vom scheuen Reh zur Prinzessin wandelte, brachte den Rekordpreis von 192.000 Pfund – soll keiner sagen, Kerry verstehe ihr Handwerk nicht: Damals war der Käufer ein Modemuseum in Chile. Kerry erzählt davon, wie das Korsett von Audrey Hepburn gerettet werden musste, in dem jene zum berühmten Roman Holiday Oscar hineinraschelte, „aus einer verstaubten Box“ - der Zustand war deplorabel bevor sie und ihr Team es restaurieren konnten. Und

dass sie das Internet liebe, „ein wundervolles Instrument“. Bald ziehe man um, nach Bimensy and Long Lane in ein „2000 square foot“ Lagerhaus, das kühler und leichter erreichbar sei. Wie aufgeregt vor jeder Auktion sie sei, „es ist eine Suche, eine Jagd, eine Entdeckung“ - es ist offensichtlich, dass hier ein Mensch seine Bestimmung gefunden hat. Für Dinge, die Trends, Moden und Zeiten überdauern, eigentlich ein schönes, zutiefst in britischer Tradition wurzelndes Konzept: „Ich habe gerade eine alte Dame besucht, die hatte Edwardianische Kleider, die Nähte, die Verarbeitung! Ein Kleid war für ein kleines Mädchen, hundert Jahre alt, wundervoll, simply marvellous!“ Die letzten Schlagzeilen machte das bedruckte Chiffonkleid der thailändischen Designerin Disaya, das Amy Winehouse auf dem 71


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