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eben Touristenlokalen und Billigsouvenirshops harrt hier eine Konditorei in einem modernistisch gestalteten Eckhaus aus, die auf eine lange Tradition zurückblickt. „Wollen Sie die neuen Minzblätter probieren?“, fragt die aufmerksame deutschsprachige Angestellte. Die frischen Minzblätter auf dunkler Schokolade wandern dann zusammen mit Espressopralinen, Orangenstäbchen, Maracujakonfekt, dem essbaren Ring und den „roten Lippen“ aus handgemachter Schokolade in den Beutel. Die wenigsten Besucher wissen, dass Barcelona nicht die Stadt der Tapas, sondern der Schokolade ist. Im neuen Schokoladenmuseum (www.pastisseria.cat/es/ PortadaMuseu) erfährt man, dass die ersten Schiffe, die die Kakaobohnen nach Europa brachten, in Barcelona anlegten. Und am Hafen entstanden die ersten Manufakturen für Schokolade, damals in flüssiger Form. Von dieser Tradition kündet noch heute die Spezialität „Churros con Chocolate“, eine Art frittierter Kringel, die noch heiß in dickflüssige Schokolade getunkt werden.

Eine bislang unentdeckte Perle, ebenfalls abseits der touristischen Trampelpfade, ist das Hospital de la Santa Creu i Sant Pau. Der riesige Komplex oberhalb der Sagrada Familia, im Stadtviertel Eixample gelegen, fungierte bis vor wenigen Jahren noch als städtisches Krankenhaus. Nun wird die gesamte Anlage, die zum Weltkulturerbe der Unesco zählt, restauriert. In zwei Jahren 174

sollen hier die United Nations University sowie das European Forest Institute einziehen. Bei täglichen Führungen (10 Euro) erfährt man, wie fortschrittlich der katalanische Architekt Lluís Domènech i Montaner die verschiedenen Institute, die eher Villen gleichen, anlegte. Sämtliche Gebäude in der Gartenanlage sind durch unterirdische Gänge verbunden, um maximale Hygiene zu garantieren. Üppige Wandmosaike sollten die Genesung fördern. Montaner wählte den Ort an der Stadtgrenze Barcelonas damals, weil das städtische Hospital, eingezwängt in die engen, muffigen Gassen der Altstadt, nicht mehr den hygienischen Anforderungen der Medizin entsprach.

Fotos oben: Severin Koller Foto rechts: Felix Rachor

Krystian aus der Ukraine, der seit drei Jahren in Barcelona lebt und keine gültige Aufenthaltsgenehmigung hat, ist fast jede Nacht in der Stadt unterwegs, er bewegt sich in der Swing-Szene. Und auch wenn er fast immer mit dem gleichen T-Shirt und der gleichen ausgeleierten Jeans auftaucht und nicht gerade als Redetalent auffällt, ist er bei den Spanierinnen hoch begehrt – denn die Tanzschritte hat er drauf. Es gibt in Barcelona ungefähr sechs oder sieben Tanzschulen, die ausschließlich Swing, Lindy Hop und Balboa unterrichten. Jede Nacht treffen sich die Tänzer in irgendeiner Bar oder einem Club. „Am besten ist es im Apolo“, rät Krystian.


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