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GESCHICHTE & HISTORIE

DER „STOCKERMÜLLER“ IN UNTERWIELENBACH

Das Schicksal eines Hauses

Dem Wanderer, der von Unterwielenbach kommend in Richtung Wielenberg geht, wird ein nördlich der Brücke über dem Wielenbach („Müllerbrücke“) umzäunter Garten ins Auge fallen. Niemand wird dabei auf den Gedanken kommen, dass hier einmal ein Haus gestanden hat. Nur den älteren Leuten dürfte dieses Haus noch in Erinnerung sein. „Stockermüller“ hat es geheißen, ein Haus, das sehr viel zu erzählen weiß.

Es mag wohl etwas befremdet oder sogar sonderbar wirken, wenn man das Haus „Stockermüller“ in Unterwielenbach mit einer alten und schon seit vielen Jahren nicht mehr bestehenden Mühle in Verbindung setzt. Historisch gesehen hat aber diese alte Mühle für das Zustandekommen und für den Namen dieses Hauses eine tragende Bedeutung. Die „Weichbrunn-Mühle“, „die Mühle im Loch“, „die Lochmühle“ wurde sie genannt, die bereits im Jahre 1569 aufscheint und im Besitz von Erhard Oberstainer, „Pöckh in Niederwielenbach“ war. Gemäß Kaufvertrag vom 19. 9. 1569 wird der Besitz angegeben als „die Baurecht der Behausung samt zweien Gärten, auf welchem einen Garten neben der Wüer (Wiere, Wassereitung) vor Jahren eine Schmitten gestanden, auch Mül und Stampf, alles beieinander in Niederwielenbach bei dem Weichprunnen und dem Rienzpach gelegen.“ Als Wert werden 500 Gulden für Behausung, Gärten, Mühle und Stampf angegeben. Wenn auch nicht mit Sicherheit feststellbar, so dürfte diese Mühle mit Stampf im Raum zwischen Unterwielenbach und Litschbach und wohl auf der heutigen zum Haus Stocker gehörenden Grundparzelle nahe an der Rienz gestanden sein. Der alte Flurname „Weichprunn-Wiese“ deutet darauf hin. Wie im Kaufvertrag angedeutet, gehörte zu dieser Mühle mit Stampf auch eine Schmiede (Schmiedewerkstatt). In der Folgezeit wechselte diese Behausung wiederholt den Besitzer. Vom Jahr 1714 bis 1757 scheint Abraham Gantschider als „Miller in der Lochmil in Niederwielenbach“ als Besitzer auf. Im Jahre 1758 wird sein Sohn Johann Gantschider als „Müllermeister in Niederwielenbach“ genannt.

DIE UNBILL DER NATUR

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde diese Mühlbehausung vom Hochwasser völlig ruiniert und musste abgetragen werden. Als Ersatz dieser zerstörten Behausung wurde dem Besitzer Johann Gantschider gestattet, auf Gemeindegrund eine neue Behausung zu erbauen, das Mühlrecht aber auf die dort

Eine Aufnahme vom Stockermüller um 1930. Fotosammlung von Johann Passler

befindliche Hausmühle des Ametz-Hofes zu übertragen. Im Steuerkataster 1775 heißt es: „Hans Gantschider habe eine Metzmühle mit zwei gehenden Steinen, Stampf und zwei Gärten unter der Landstraßen liegend und in Weichprunn genannt, besessen. Weil aber diese Metzmühle und Zugehörde von dem Gewässer völlig ruinieret und dergestalt irreparabel gemacht worden, dass hievon nichts mehr vorhanden ist, wurde ihm, Gantschider; gestattet, an Stelle der zerstörten Behausung auf Gemeindegrund eine neue Behausung zu erbauen, die Metzmühle aber wurde auf die bisherige „Ämbsen-Hausmühl übertragen…“ So erhielt Gantschider von der Ge-

meinde den Grund, auf dem dann die Stockermüller-Behausung errichtet wurde. Laut Vertrag vom 19. Jänner 1781 kaufte Johann Gantschider von Josef Haidacher, Äms (Ametz) in Niederwielebach die zum Ämsengut (Ametz-Hof) gehörende Hausmühle, behielt sich aber das Recht zur Mühlbenutzung bzw. das Mahlrecht zurück. Wann diese alte Ametz-Hausmühle abgebrochen und das neue Mühlgut (Stockmüller-Haus) errichtet worden ist, kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Sicher ist nur, dass das Mühl- bzw. Mahlrecht zu Gunsten des Ametz-Hofes auf dieses neu zu errichtende Mühlgut übertragen wurde. Nach dem Tod von Johann Gantschider ging der Besitz dieses neuen Mühlgutes an die Eheleute Balthasar Tschafert und Elisabeth geb. Gantschider über. In der Folgezeit dürften dann diese Eheleute die alte Ametz-Hausmühle abgebrochen und dazu ein neues Haus gebaut haben, das erst im Jahre 1839 fertig gestellt wurde. So geht das genannten „Stockermüller-Haus“ auf das Jahr 1839 zurück.

WECHSELNDE BESITZER

In der Folgezeit wechselte dieses Haus wiederholt den Besitzer Im Jahre 1890 ersteigerte Alois Hochgruber, ein Santersohn in Niederwielebach das Stockermüler-Anwesen, der dasselbe im Jahre 1898 an den gewesenen Hausergut-Besitzer in Wielenberg Stefan Fauster verkaufte. Im Jahre 1923 übergab Stefan Fauster den Besitz an seinen gleichnamigen Sohn Stefan weiter, der dieses Anwesen im Jahre 1933 an Anton Passler verkaufte. Gemäß Kaufvertrag vom 8. Juni 1955 wurde Vinzenz Schneider Besitzer dieses Stockmüller-Anwesens. Anton Passler baute ein neues Haus unterhalb der Staatsstraße. Der gesamte Besitz dieses Stockmüller-Anwesens wurde im Jahre 1961 an die Eheleute Anna Feichter, geb. Schneider und Franz Feichter übertragen. Am 4. November 1966 wurde das nur mehr aus Wohnhaus bestehende Haus Stockermüller durch die reißenden Fluten des Wielenbaches arg beschädigt und im folgenden Jahr ganz abgebrochen. Das heute noch bestehende und im Zerfall befindliche Futterhaus wurde in den folgenden Jahren dem Tischlerhof angegliedert.

WIE ERHIELT DIESES HAUS DEN NAMEN „STOCKERMÜLLER“?

Der oben genannte Abraham Gantschider war verheiratet mit Anna Flätscher, die Inhaberin des unteren Teiles des Hauses Stocker in Unterwielebach war. Das Haus Stocker wurde nämlich im Jahre 1726 in zwei Teile geteilt und im Jahre 1803 wieder vereint. Im Jahre 1798 übergab Anna Flätscher diesen Teil des Stockerhauses ihrem Sohn Johann Gantschider. Im Jahre 1758 übernimmt Johann Gantschider von seinem im Jahre 1757 verstorbenen Vater Abraham die genannte Mühlbehausung, der sich als „Müllermeister in Niederwielenbach“ bezeichnet. Als Sohn von Abraham Gantschider und Anna Flätscher war somit Johann Gantschider der Inhaber der Mühlbehausung „Mühle im Loch“ und ab 1798 auch Inhaber des unteren Teiles des Stocker-Hauses. Im Jahre 1798 wird Johann Gantschider als Stockermüller“ in Niederwielenbach geführt. So geht also der Name des Hauses „Stockermüller“ auf den „Stockersohn“ Johann Gantschider zurück, der einerseits Inhaber des unteren Teiles des Stockerhauses und andererseits Besitzer der genannten Mühle im Loch war. Aus dem Hausnamen „Stocker“ und aus der „Mühle“ entstand so der Name „Stockermüller“.

DAS BITTERE ENDE

Wie bereits oben angeführt, erhielt Johann Gantschider, der sich im Jahre 1798 als Stockermüllerr bezeichnet, von der Gemeinde einen Grund bei der Ametz-Mühle zur Errichtung einer Mühlbehausung. So kam er nun in Besitz des heutigen nördlich der „Müllerbrücke“ zwischen dem alten Fuhrweg nach Wielenberg und dem am orographisch linken Ufer des Wielenbaches, sich befindlichem Grund, der heute zum Teil von Amt für Wildbachverbauung besetzt wird und zum Teil als eingezäunter Garten besteht. Weiters kaufte Gantschider im Jahre 1781 die zum Ametz-Hof gehörende Hausmühle, wobei das Mahl- bzw. Mühlrecht weiterhin bei diesem Hof verblieb. Wann diese Mühle abgebrochen und das neue Haus mit Mühle und Wohnung erbaut wurde, ist nicht klar ersichtlich. Erst im Jahre 1839 soll der Bau dieser Mühlbehausung abgeschlossen worden sein. Den Großteil dieser Behausung nahm der „Mühlraum“ ein, in dem zwei Mühlen und ein Stampf untergebracht waren. Der Wohnraum bestand aus einer Stube, darauf eine Kammer, die Oberstube, und eine kleine „schwarze Küche“ mit offenem Herd. Oberhalb der Mühle waren noch zwei kleine Kammern, „Rumpelkammer“, wie diese bezeichnet wurden, von denen eine als Schlafkammer diente. Die andere war wirklich eine „Rumpelkammer“, die im Westen durch eine bloße Bretterwand abgegrenzt wurde, durch deren „Ritzen“ beim Betrieb der Mühlen das zum Mühlantrieb verwendete Wasser spritzte. Gegen Ende der 1930-er Jahre erweiterte Anton Passler dieses >>

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Stockermüller nach der Überflutung im November 1966 . Die Unwetterkatastrophe verursachte immens große Schäden im ganzen Land.

Gebäude gegen Westen hin durch den Anbau einer Küche und Speise („Goudn“). Dabei wurde das zum Anrieb der Wasserräder verwendete Wasser durch einen offenen Ablauf unterhalb dieser Küche wieder zurück in den Bach geleitet. Man kann sich wohl vorstellen, wie kalt es bei den damaligen „Isoliermethoden“ in dieser Küche war. Ein durchgehender Raureif an den Wänden im Winter war ein sichtbares Zeichen davon. Gegen Ende der 1950-er Jahre hörte der „Mühlbetrieb“ so allmählich auf, so dass die Mühlen und der Stampf kaum mehr Verwendung fanden. Nur das Mühlrecht des Ametz-Hofes bestand noch weiterhin, wovon die Inhaber dieses Hofes immer noch Gebrauch machten. Der auf Anton Passler folgende Besitzer dieses Hauses Vinzenz Schneider war nun bestrebt, diese Mühlen voll und ganz aufzugeben und den Mühlraum zu einem Wohnraum auszubauen. Aber das bestehende Mühlrecht des Ametz-Hofes verhinderte lange diesen Ausbau. Schließlich kam es zu einer Vereinbarung zwischen diesen beiden Besitzern: Der Inhaber des Ametz-Hofes errichtete im eigenen Hof eine Hausmühle, die von Vinzenz Schneider finanziert wurde. So wurde das Mahlrecht auf der Stockermüller-Behausung gelöscht und dem Ausbau des Mühlraumes zu einem Wohnraum stand nichts mehr im Wege. Anna Schneider, die Tochter von Vinzenz, führte mit ihrem Ehemann Franz Feichter Ende der 1950-er Jahre den Umbau aus, so dass aus diesem Mühlwesen nun nur mehr ein Wohnhaus wurde.

DIE ANGST VOR DEM WASSER

Es liegt wohl in der Natur der Dinge, dass dieses zwischen dem Wielenbach und dem alten Fuhrweg nach Wiegenberg liegende Haus stets schon einer großen „Wassergefahr“ ausgesetzt war. Und in der Tat hatte Anton Passler immer eine große Angst vor einer eventuell kommenden Überschwemmung. Öfters kam es vor, dass er bei einem drohenden Gewitter mit seiner ganzen Familie das Haus verließ und Schutz in der Scheune des nahen Futterhauses suchte. Der Schreiber dieses Berichtes, der in diesem Stockermüller-Haus das Licht der Welt erblickte, kann sich noch gut daran erinnern, wie Frau und Kinder mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen und zum Schutz in das Futterhaus verfrachtet wurden. Diese Angst vor der Wassergefahr des oft zum reißenden Wildbach gewordenen Wielenbaches mag wohl der Grund gewesen sein, dass er 1955 dieses Stockermüller-Haus verkauft und sich ein neues Haus gebaut hat. Vinzenz Schneider, so wird berichtet, sah aber in diesem Bach keine größere Gefahr. Man kann es wohl als ein kleines Wunder bezeichnen, dass dieses Haus bis zum Jahre 1966 von der Macht des Wielenbaches verschont geblieben war. Am 4. November dieses Jahres 1966 zeigte aber der Wielenbach, was er zu leisten imstande war. Durch die Wogen dieses reißenden Baches wurde das Haus völlig ruiniert. Anna Schneider, die „Milla Nanne“, wie man sie zu nennen pflegte, flüchtete sich auf den in der Stube dieses Hauses bestehenden Ofen und musste dabei erleben, wie die Wassermassen so allmählich in das Haus eindrangen und dasselbe zerstörten. Ihr Mann Franz Feichter wurde aber von den Fluten mitgerissen und fand darin seinen Tod. Nur mehr eine „Ruine“ blieb von diesem Haus übrig, das im darauf folgen Jahr gänzlich abgebrochen und dem Erdboden gleich gemacht wurde. Nur ein am Weg stehendes Kreuz mit der Inschrift, dass hier Franz Feichter durch die Wogen des reißenden Baches sein Leben verloren hat, ist noch ein sichtbares Zeichen dafür, dass hier das Stockermüller-Haus bestanden und ein bitteres Ende gefunden hat. Übrig geblieben ist das heute noch bestehende aber schon in Zerfall befindliche Futterhaus, das inzwischen zum Besitz des Tischlerhofes gekommen ist.

DER NAME „MILLA“

Mit diesem Haus verbunden ist heute noch der Name „Milla“ (Müller), der als Zuname von in Unterwielenbach lebenden Personen noch häufig gebraucht wird. Der Name „Milla Hansl“, „Milla Seppl“, Milla Tondl“, „Milla Michl“, „Milla Nanne“ u.a. wird heute noch öfters genannt. Dieser Name „Milla“ geht auf den Namen „Stockermüller“ zurück und wurde dann einfach in verkürzter Form als „Milla“ verwendet. Seinen Ursprung hat dieser Name in den verschiedenen Besitzern dieses Hauses. So spricht man vom „Milla Stefl“, der 1933 das Haus verkauft hat. Dieser Milla Stefl (Fauster Stefan) übersiedelte am 5. 1. 1934 nach Pergine, wo er am 14. 1. 1934 verstarb. Man spricht von der „Millerin“, der Gattin von Stefan Fauster, die im Jahre 1936 Besitzerin des Hauses „Binder“ oder „Beim Siberer“ in Unerwielenbach geworden ist. Vor einigen Jahren wurde dieses Haus abgerissen und daraus ein Haus mit mehreren Wohnungen errichtet. Die älteren Leute von Percha haben die „Millerin“ (Anna Fauster geborene Wilhelm, geb. am 24. 1. 1893 und gestorben am 30. 9. 1969) sicher noch gut in Erinnerung. Sie war ja lange Zeit die Schulaufräumerin in der Grundschule. Ihre Söhne waren Stefan (Stefl) Fauster (geb. 1922 und gest. 1942 in Russland) der „Milla Michl“ (geb. 1926, gest. 1999), das „Milla Anderle“ (geb. 1930, gest.1989) und der „Milla Hansl“ (geb. 1932 ausgewandert nach Deutschland, wo er heute noch lebt). Oft noch werden die Söhne von Milla Michl (Fauster Michael) noch unter dem Zunamen „Milla“ genannt. Der Name „Milla“ ist dann auch übergegangen auf die „Milla Kathl“ (geb. 1910, gest. 1989). Sie war die Gattin von Anton Passler (geb. 1904, gest. 1982), der 1933 das Haus Stockermüller gekauft hat. Da Anton vom Harrer-Hof in Wielenberg stammt, wird er meist als „Horra Tondl“ und nicht als „Milla Tondl“ bezeichnet. Wohl aber ist der Name Milla auf die „Passler Kinder“ übergegangen nämlich „Milla Nanne“, Milla Tondl“ (gest. 1976), „Milla Hansl“, „Milla Seppl“, „Milla Ida“ und „Milla Lois“. Vinzenz Schneider, der auf Anton Passler folgende Besitzer (geb. 1887, gest. 1968) wird als „Milla Mandl“ bezeichnet und seine Tochter Anna (geb. 1925) wurde die „Milla Nanne“ genannt. Sie war die letzte Besitzerin des Stockermüller-Hauses, die den Verfall dieses Hauses miterlebt, dann beim „Lasl“ in Percha gewohnt hat und am 10. 4. 2015 gestorben ist. So weist also der Zuname „Milla“ der genannten Pesonen an dieses Haus „Stockermüller“, hin, das schon lange nicht mehr besteht, dessen Name aber dadurch in Erinnerung geblieben ist. //

AM RANDE VERMERKT

sei noch, dass das genannte Haus „Stockmüller“ das Geburtshaus von den späteren Schuldirektoren und langjährigen Bürgermeistern von Niederdorf und Innichen Johann und Josef Passler war, die in diesem Haus das Licht der Welt erblickt und dort unter spärlichen Verhältnissen einen Großteil ihrer Kindheit verbracht haben. //

BILDUNG IM DORF DER BILDUNGSAUSSCHUSS

FASCHING UND FASTEN

Der flämische Künstler Pieter Bruegel d. Ä. war ein kritischer Beobachter seiner Zeit. Er schuf großartige Werke der Landschaftsmalerei und wurde bekannt für seine Darstellung des bäuerlichen Lebens, wie etwa für das weltberühmte Werk Bauernhochzeit. Seine herausragenden allegorischen Werke beziehen sich auf Sprichwörter und auf die Volkskultur.

P. Bruegel mochte es, seinen Zeitgenossen einen Spiegel vorzuhalten. Viele seiner Wimmel- und Jahreszeitenbilder erscheinen wie eingefrorene Zustände, als hätte Bruegel einen besonders scharfen Zoom auf die Lebenswirklichkeiten seiner Mitmenschen gerichtet. Ein Beispiel ist das früheste der Tafelbilder in der Sammlung des Kunsthistorischen Museums in Wien: „Kampf zwischen Fasching und Fasten“, aus dem Jahr 1559. Das Gemälde ist eines der „Wimmelbilder“ Bruegels. Auf dem großformatigen Bild wimmelt es von Figuren. Der Betrachter blickt von oben auf einen dicht bevölkerten Platz. Dieser ist zweigeteilt: Links werden die Bräuche des Karnevals dargestellt, rechts die Fastenzeit. Zwei Gasthäuser am linken Rand und eine Kirche mit einer Aschermittwochsprozession stehen sich als Gegenpole gegenüber, ebenso wie die beiden Figuren am unteren Rand, die sich mit Waffen bekämpfen. Ganz ernst kann man dieses Turnier natürlich nicht nehmen. Die Waffe des Betrunkenen, der den Karneval verkörpert, ist ein Bratenspieß, gespickt mit allerlei Fleisch. Frau Fasten, ganz in Grau, greift mit einer mit Heringen beladenen Brotschaufel an. Durch seine heitere Übertreibung wirkte „Pieter de grappige“ (Pieter der Lustige), wie Pieter Brueghel d. Ä. auch genannt wurde, nachhaltig auf die Lachmuskeln seiner Zeitgenossen.