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GESELLSCHAFT & MENSCHEN

Integration und Emanzipation

als Eckpfeiler der Gesellschaft

Die Taistnerin Laura Volgger wurde mit dem Förderpreis für die beste wissenschaftliche Arbeit 2020 zu Geschlechterfragen und Gleichberechtigung ausgezeichnet. Darin geht es gegen Rollenklischees, Stereotype und Vorurteile in Bezug auf Migration und Geschlecht.

Jährlich vergibt das Land Südtirol – die

Zuständigkeit dafür obliegt dem Landesbeirat für Chancengleichheit – Förderpreise für wissenschaftliche Arbeiten zu Geschlechterfragen und Chancengleichheit als Ansporn für Studierende, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Unlängst wurden, notgedrungen in einer Online-Preisvergabe, die besten Arbeiten des Jahres 2020 ausgezeichnet. Sowohl der für Chancengleichheit zuständige Landeshauptmann Arno Kompatscher als auch die Präsidentin des Landesbeirates für Chancengleichheit Ulrike Oberhammer und die Vizepräsidentin Donatella Califano sowie die Mitglieder der Bewertungskommission gratulierten den vier Preisträgerinnen und zeigten sich angesichts der qualitativ hochwertigen Arbeiten zu aktuellen Themen beeindruckt. „Das Land Südtirol unterstützt wissenschaftliche Arbeiten und Forschungsarbeiten auf vielfältige Weise. Es ist wichtig, dass sich Studierende mit den zeitaktuellen Themen befassen und uns immer wieder Denkanstöße für unser gesellschaftliches Handeln liefern – insbesondere auch, um dem Ziel der Chancengleichheit zwischen Frau und Mann näher zu kommen, für dessen Erreichung wir noch ein gutes Stück des Weges vor uns haben“, so der Landeshauptmann bei der Preisverleihung.

„Integration und Emanzipation durch Selbstorganisation. Frauenorganisationen weiblicher Zugewanderter in Nordtirol und Südtirol seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges im regionalen Vergleich mit einer empirischen Untersuchung ausgewählter aktiver Vereine. Mit einer Aufbereitung des Themas „Rollenklischees, Stereotypen und Vorurteile in Bezug auf Migration und Geschlecht“ für das Unterrichtsfach Geschichte und Politische Bildung“

So lautet der Titel der Diplomarbeit, eingereicht am Institut für Zeitgeschichte der Philosophisch-Historischen Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, für die der erste Preis (mit einem Preisgeld

Laura Volgger aus Taisten wurde mit dem Förderpreis für wissenschaftliche Arbeiten zur Chancengleichheit ausgezeichnet.

von 3.000 Euro) verliehen wurde – verfasst von der Pustertalerin Laura Volgger. Wie wichtig sind Selbstorganisationen, sprich Zusammenschlüsse, Initiativen und Vereine von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zur Wahrung und Vertretung ihrer Interessen auch im Hinblick auf eine bestmögliche Eingliederung in die Gesellschaft – und gerade auch für Frauen? Bei der Arbeit von Laura Volgger handelt es sich um die erste deutschsprachige historische Auseinandersetzung mit Migrantinnenselbstorganisationen in Nord- und Südtirol und deren Rolle für den Integrations- und Emanzipationsprozess. Laura Volggers Motivation, sich diesem Thema anzunehmen, ist dabei eine sehr persönliche. Die Arbeit in und mit unterschiedlichsten Institutionen und mit Schulen, vor allem aber ein Volontariat in einer Innsbru-

cker Frauenorganisation haben ihr einen unmittelbaren Kontakt mit Interkulturalität, Gleichberechtigungsfragen sowie Flucht- und Migrationserfahrungen ermöglicht und ihr die Notwendigkeit einer geschlechtsspezifischen Integrationsarbeit vor Augen geführt. „Es wurde mir zum persönlichen Anliegen, die wertvolle Arbeit jener Menschen und Netzwerke zu unterstreichen, die das interaktive Zusammenleben von Personen verschiedener Herkunft erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen. Ich wollte jenen Menschen eine Stimme geben, die in aktuellen Diskursen um Zuwanderung und Integration die wohl fundamentalste Hintergrundarbeit leisten und dieser durch den gewählten wissenschaftlichen Zugang Anerkennung und Respekt zollen“, so Volgger. Das ist ein Ausschnitt eines Zitates der Obfrau der türkisch-muslimischen Frauenvereinigung Lilie in InnsSich als Frauenvereine mit Migrations- bruck. Sie unterstreicht in diesem Zitat die Notwendigkeit, sich gegenseitig kennenzulernen und sich zu bezug aktiv für Gleichberechtigung begegnen. Sonst entstünden bestimmte Bilder im Kopf und Menschen werden vorschnell be- oder verurteilt und Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen, die Partizipationsmöglichkeiund in Kategorien gesteckt. Dieses Zitat stellt das Kernstück des aktuellen Romanprojektes von Volgger zu den Geschichten der Frauen dar. ten und die sozialen Netzwerke von Frauen Theaterausbildung in Innsbruck (2017-2019) genannt werden, merkte ich im Laufe meiin der Gesellschaft zu erweitern, die Ent- lebt und arbeitet die gebürtige Welsberger- ner Arbeit, dass sie wichtige transkulturelscheidungsfähigkeit der häufig aus patriar- Taistnerin aktuell in Berlin. PZ-Redakteu- le Fähigkeiten erlangt hatten, also Wissen chalen Gesellschaften stammenden Frau- rin Judith Steinmair hat sie zum Interview und Fähigkeiten aus ihrem Herkunftsland en sowie die Autonomie, Emanzipation und gebeten. mit jenen des Ankunftslandes verbanden. Unabhängigkeit weiblicher Zugewanderter Vorherrschende Vorurteile, immer dieselim alltäglichen Leben zu stärken und ganz PZ: Zunächst einmal Gratulation zum ben Stereotypisierungen, Klischees und Zuallgemein Diversität zu fördern und somit ersten Preis! Eine solche Anerkennung schreibungen, welche die Menschen in beauch gegen Rassismus und Diskriminierung löst – auch abgesehen vom Preisgeld- stimmte Rollen drängen, mussten unbedingt anzukämpfen, all diese großartigen Ansät- vermutlich Glücksgefühle aus? aufgebrochen werden. ze und Leistungen gepaart mit dem enor- Laura Volgger: Ja natürlich, die Freude ist Also machte ich es mir zum Ziel, den Mehrmen Engagement von Seiten dieser Orga- sehr groß, gleichzeitig geht damit aber auch wert von transkulturellen und transnationanisationen sehen wir als Landesbeirat für eine gewisse Verantwortung einher. len Netzwerken für die Gesamtgesellschaft Chancengleichheit als wichtige Schritte vor aufzuzeigen, da nicht nur ein gewisser Prodem Hintergrund einer ständig wachsen- In Ihrer Diplomarbeit beschäftigen Sie zentsatz von diesem Wissen profitiert, sonden ethnischen, sprachlichen und religiö- sich mit Migrantinnenselbstorganisa- dern alle. Denn wie vermessen wäre die Einsen Diversität und die daraus resultierende tionen in Nord- und Südtirol – warum stellung, dass nur „die Anderen“ von mir Erfordernis einer guten sozialen und beruf- haben Sie sich für dieses Thema ent- lernen können? lichen Eingliederung zugewanderter Men- schieden? schen, so ein Auszug aus der Laudatio mit Dass ich auf dieses Thema gestoßen bin, war Im Rahmen Ihrer Forschung haben Sie der Begründung der Bewertungskommis- teilweise Zufall. Wie Vieles im Leben Zufall sich mit diversen aktiven entsprechension für die Vergabe des ersten Preises an ist, zum Beispiel die Herkunft. Herkunft ist den Vereinen auseinandergesetzt – wie Laura Volgger für ihre Auseinandersetzung auch Zufall. Ich kam von einem Studienauf- lautet Ihr Fazit? Wie wichtig sind solmit diesem Thema. enthalt aus London zurück und suchte nach che Organisationen? Gibt es von SeiDer Anspruch der Diplomarbeit ist es, einen neuen Herausforderungen. Neben meinem ten der Öffentlichen Hand genügend Beitrag zur regionalgeschichtlichen Gleich- Studium begann ich, den Innsbrucker Ver- Unterstützung? berechtigungs- und Integrationsdebatte in ein Frauen aus allen Ländern ehrenamtlich Generell sind Vereine immer auch Vorbilder Nordtirol und Südtirol leisten zu wollen. Aus zu unterstützen, wo ich mit persönlichen – für die Mitglieder direkt, aber auch indiden gewonnenen Ergebnissen können kon- Geschichten von starken Frauen konfron- rekt für die Gesamtgesellschaft – von der krete Handlungsempfehlungen für regio- tiert wurde, die meine Arbeit nachhaltig be- Feuerwehr über den Schützenbund bis >> nale Verwaltungsstrukturen und Gemein- einflussten. den der beiden Länder formuliert werden, um zukünftige Integrations- und GleichbeDas Fremde hatte mich immer schon angezogen und mich interessierten der ReichINFOBOX rechtigungspraktiken bewusster und ef- tum der Erfahrungen dieser Menschen und Einreichtermin für die Förderpreise fektiver zu gestalten und Diskriminierun- die Herausforderungen, die mit der Entwick- für wissenschaftliche Arbeiten zur gen entgegenzuwirken. lung eines „Zugehörigkeitsgefühls“ verbun- Chancengleichheit 2021 ist der 28. den waren. Die Themenwahl ergab sich al- Februar 2021! Informationen bezügIM GESPRÄCH MIT LAURA VOLGGER so aus der praktischen Arbeit heraus, wo lich der Einreichung finden InteresNach ihrer Ausbildung in Innsbruck und ich eine Notwendigkeit sah. Während von sierte auf der Internetseite: www. London (Germanistik und Geschichte/So- Frauen mit Migrationsgeschichte in öffent- provinz.bz.it/chancengleichheit ziologie und Politische Bildung) und einer lichen Diskussionen vielfach nur Defizite

hin zu religiösen, interkulturellen oder bildungsorientierten Vereinigungen. Sie vermitteln Einstellungen, Ansichten und Werte und wichtig ist, sich dieser Rolle in leitenden Positionen bewusst zu sein, da Vereine die Gesellschaft wesentlich prägen. Die Bedeutung und Leistung von Vereinen in der Integrationsarbeit kann nicht oft genug betont werden. Besonders vor dem Hintergrund, dass viele dieser untersuchten Selbstvereinigungen auf ehrenamtlicher bzw. Freiwilligenarbeit basieren. Eine Herausforderung für alle untersuchten Vereine stellt die Finanzierung und Deckung der Vereinskosten dar. Sie erfolgt durch das Ansuchen von Förderungen, die Teilnahme an kommunalen, regionalen oder nationalen Projekten, Mitgliedsbeiträge, Spenden sowie zum Teil durch Selbstfinanzierung. Vereine, Organisationen, Projekte und Initiativen, die sich der Förderung von Demokratie und Vielfalt widmen und gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Extremismus und andere Formen von Demokratie- und Menschenfeindlichkeit, gegen Gewalt, Hass und Radikalisierung arbeiten, werden wohl auch in Zukunft an Bedeutung gewinnen.

Im dritten Teil Ihrer Arbeit unterbreiten Sie zusätzlich einen Vorschlag für Lehrpersonen für einen integrativen und inklusiven Unterricht in der

Fächerkombination Geschichte und

Politische Bildung unter Bereitstellung konkreter didaktischer Unterlagen – inwiefern passt diese Aufbereitung zu den ersten beiden Teilen der

Diplomarbeit?

Das beste Wissen würde uns nichts nützen, wüssten wir es praktisch nicht umzusetzen. Ich sehe mich nicht als reine Theoretikerin, sondern finde es wichtig, die theoretischen Inhalte auch praktisch umgesetzt zu wissen. Vor dem Hintergrund zunehmender Wanderbewegungen stieg auch die Anzahl von Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern in Südtirol seit den 1990er-Jahren stark an. Trotzdem herrscht nach wie vor Unsicherheit im Umgang mit der Vielfalt im Klassenzimmer. Beispielhaft hierfür war wohl die Broschüre des Südtiroler Schulamtes an Grund-, Mittel- und Oberschulen („Muslimische Kinder und Jugendliche in der Schule. Informationen, Orientierungen und Empfehlungen“, 2019). Einmal mehr zeigte sich hier, dass sensible Themen wie Integration und Heterogenität von Bildungseinrichtungen viel Fingerspitzengefühl erfordern. Einerseits, um Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen sozialen, kulturellen und religiösen Hintergründen in die Klassengemeinschaft hereinzuholen und andererseits, um den Unterricht für heterogene Gruppen so zu gestalten, dass allen eine Teilhabe ermöglicht wird. Dass das sehr viel politischen, geschichtlichen oder sprachlichen Diskussionsstoff liefert, von dem nicht nur die Klasse, sondern vielfach auch deren Familien profitieren, davon bin ich überzeugt.

Welche Rolle spielt Ihres Erachtens nach eine frühzeitige Auseinandersetzung mit Themen wie Rollenklischees,

Stereotypen und Vorurteilen in Bezug auf Migration und Geschlecht – etwa im

Zuge des Schulunterrichts – um Rassismus und Diskriminierung vorzubeugen?

Kein Mensch wird rassistisch oder homophob geboren, sondern wird dazu gemacht. Das Denken und Handeln in bestimmten sozialen Kategorien (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit usw.) wird erst gelernt. Und wenn dieser Lernprozess von vornherein eine Auseinandersetzung mit extremistischen, rassistischen, homosexuellen- und transfeindlichen sowie anderen menschenfeindlichen Verhaltens- oder Denkmustern beinhaltet, ist das ganz im Sinne der demokratischen Bildung. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kinder interkulturellen Themen wie z.B. „Mehrsprachigkeit im Klassenzimmer“ sehr wertschätzend gegenüberstehen, da ihre eigenen Erfahrungen eingebunden, thematisiert, sichtbar gemacht werden. Und nur durch die aktive und bewusste gegenseitige Sensibilisierung der Schülerschaft für die Situation der anderen kann nachhaltige Integration gelingen. In diesem Sinne kann und soll Migration in der Schule vielmehr unter dem Blickpunkt des gemeinsamen ‚Voneinander-Lernens‘ betrachtet werden. Möglichst früh Unterrichtsmaterial zu verwenden, in dem eine geschlechtergerechte Sprache verwendet, verschiedene soziale und ethnische Schichten abgebildet und Rollenklischees nicht unnötig gefüttert werden, ist von großer Bedeutung und hier haben Südtirols Schulen sicher noch Aufholbedarf. Dass möglichst früh ein Schwerpunkt auf Chancengerechtigkeit, Toleranz und Vielfalt, auf kulturelle Ausdrucksformen, sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität gelegt wird, ist für die Erziehung zu Toleranz, Respekt und Demokratie zentral (Tipps für Unterrichtsmaterial s. Infobox – Anm. d. Red.).

Der Förderpreis des Landesbeirats für Chancengleichheit soll ein Ansporn für Student*innen sein, sich mit dem

Thema der Chancengleichheit zwischen Frau und Mann in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und mit anderen Geschlechterfragen auseinanderzusetzen, bzw. deren Diplomarbeiten können als Anregung zur

Verbesserung der Situation der Frau und der Chancengleichheit dienen.

Eine bedeutende Initiative, der Sie als

Preisträgerin zweifelsohne zustimmen werden, oder?

Zweifelsohne, ja. Chancengleichheit ist noch nicht erreicht und bestimmte gesellschaftliche Mechanismen halten wir für selbstverständlich, da sie immer schon präsent waren und wir keine Alternativen kennen. Vielfach fehlt die Diskussion, die Auseinandersetzung mit diesen Themen, die zu einer tieferen Reflexion unserer Kultur führen könnten. Dass diese Diskussion hierzulande von besonderer Relevanz ist, zeigte zuletzt etwa die Ärztin und Frauenrechtsaktivistin Monika Hauser, indem sie unterstrich, dass Frauen in Südtirol gefährdeter seien als im Rest Italiens, Opfer von verschiedenen Formen der Gewalt zu werden. Viele sind beispielsweise noch der Meinung, Frauen würden sexuelle Gewalt provozieren, etwa durch ihre Kleidung, manche halten Prügel in der Familie für in Ordnung. Ich stieß in meiner Recherche auf Daten, die mich einerseits verärgerten und mir andererseits zeigten: hier ist noch viel zu tun. Wenn man z.B. bedenkt, dass nur 11 % der Türkinnen in Tirol mehr als einen Pflichtschulabschluss besitzen, aber 23 % der Türken, also mehr als doppelt so viele, dann ist das schon ein markanter Unterschied, ein Gender-Gap. Oder dass in Österreich Frauen mit Migrationsgeschichte zu 27 % in Jobs arbeiten, für die sie überqualifiziert sind, Männer nur zu 18 %. Das sind zwar „nur“ Zahlen, aber die Frauen im Frauennetzwerk erzählten mir Geschichten hinter diesen Zahlen, die ich oft gar nicht wahrhaben wollte. Und bis diese Zahlen nicht ausgewogen sind, gilt es eben, weiterzumachen und an verschiedenen Fronten gegen Chancenungleichheit und für Gleichberechtigung anzukämpfen. Mit dem Wissen, dass wir dieses Ziel auch irgendwann zufriedenstellend erreicht haben werden. Wenn wir uns weiterhin dafür

einsetzen. // Interview: Judith Steinmair

INFOBOX

TIPPS FÜR BILDUNGSMATERIAL VON LAURA VOLGGER

Eine interessante Sammlung von Bildungsmaterial zur Prävention und Intervention bei Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, religiösem Fundamentalismus sowie zu interkulturellem Lernen, Diversität und Demokratiepädagogik findet sich unter www.vielfalt-mediathek.de //

DER EINZELHANDEL IN GEWERBEGEBIETEN

§RA Dr. Nausicaa Mall Schramm Tschurtschenthaler Mall Ellecosta Anwaltskanzlei www.schramm.it

Art. 33 des neuen Landesgesetzes für Raum und Landschaft Nr. 9/2018 bestätigt die Ausrichtung, dass der Einzelhandel in den Gewerbegebieten nur beschränkt zulässig ist.

In diesen Gebieten können erstens dort hergestellte Produkte (z.B. Handwerk) und damit verbundenes Zubehör verkauft werden. Weiters können in den Gewerbegebieten sog. sperrige Güter (Fahrzeuge und Baumaschinen, Maschinen und Produkte für die Landwirtschaft, Baumaterialien, Werkzeugmaschinen, Brennstoffe, Möbel, Getränke in Großhandelspackungen) verkauft werden, sowie Zubehörs-Artikel, wenn die Verkaufsfläche vorrangig den Hauptwaren vorbehalten ist. In den Gewerbegebieten ist außerdem der Einzelhandel mit landwirtschaftlichen Produkten zulässig.

Für die Ausübung des Einzelhandels in Gewerbegebieten, auch in Form von Einkaufszentren, mit anderen Waren als jenen, die oben angeführt sind, müssen im sog. Gemeindeplan für Raum und Landschaft eigene Flächen ausgewiesen werden. Die Ausweisung erfolgt gemäß einem in Art. 53 (welcher das Verfahren für die Genehmigung und Änderung des Gemeindeplans regelt) vorgegebenem Sonder-Verfahren, unter der Bedingung, dass innerhalb der historischen Ortskerne, der Wohngebiete und der Gebiete urbanistischer Neugestaltung der von den Auswirkungen betroffenen Gemeinden, keine Flächen in einem angemessenen Ausmaß zur Verfügung stehen.

Zuständig ist die Landesregierung, im Einvernehmen mit dem Rat der Gemeinden und nach Einholen der Stellungnahme der umliegenden Gemeinden. Das Einverständnis der betroffenen Gemeinde ist demnach nicht notwendig. Im Zuge der für die Ausweisung notwendigen Änderung des Gemeindeplanes muss an erster Stelle den Flächen für die Wiedergewinnung oder die urbanistische Neugestaltung wegen Vorhandenseins aufgelassener oder verfallener Strukturen, sowie an zweiter Stelle, den Flächen, auf denen andere Handelstätigkeiten ausgeübt werden, Vorrang gegeben werden. Der Ausweisung der Flächen im Gemeindeplan für Raum und Landschaft muss eine strategische Umweltprüfung(SUP) im Sinne des L.G. Nr. 17/2017 vorausgehen. Art. 52 Absatz 5 sieht weiters vor, dass, zusätzlich zur normalerweise für den Gemeindeplan für Raum und Landschaft erforderlichen Unterlagen, noch zusätzliche umfangreiche Dokumentation erforderlich ist (z.B. Studien über die Auswirkungen auf die Beschäftigung, auf das Handelsnetz, auf das soziale Umfeld und auf die Umwelt).

Insgesamt handelt es sich um ein kompliziertes Verfahren, welches professionell begleitet werden sollte. //

GEDANKEN ZUR AUFWERTUNG DES ANLAGEVERMÖGENS 2020

€Dr. Armin Knollseisen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Knollseisen & Partners www.knollseisen.com

Im Jahresabschluss 2020 besteht wiederum die Möglichkeit der Aufwertung des Anlagevermögens. Die Möglichkeit zur Aufwertung bestand bereits in den Vorjahren, jedoch ist sie aufgrund der Reduzierung der Ersatzsteuer auf 3% wieder interessant geworden.

Aus bilanztechnischer Sicht wird durch die Aufwertung des Anlagevermögens das Eigenkapital gestärkt. Die Vermögenssituation erscheint somit solider und kann vor allem bei Gesprächen mit den Banken von Vorteil sein. Steuerrechtlich ergeben sich höhere Abschreibungen ab dem Jahr 2021 und im Falle eines Verkaufs ergeben sich ab 2024 geringere Veräußerungserlöse.

In der Ausgabe der Pustertaler Zeitung vom 27. August 2020 haben wir bereits über die Voraussetzungen und Möglichkeiten berichtet.

Im Zuge der Erstellung des Jahresabschlusses sollte man unter anderem auch folgende Punkte abklären: • ob in den Folgejahren ausreichend Gewinne vorhanden sind, um die durch die Aufwertung entstehenden Abschreibungen aufzufangen, • sind im Anlagevermögen Güter, welche bereits zur Gänze abgeschrieben sind oder bei denen der Anschaffungswert unter dem Marktwert ist (z. B. bei Immobilienleasing), • ist die entsprechenden Liquidität für die Zahlung der Ersatzsteuer vorhanden, • ob die Anlagegüter zumindest bis 2024 im Betrieb verbleiben, denn im Falle eines Abgangs vor diesem Datum wird die Aufwertung und deren Auswirkung hinfällig, • für welche Art der Aufwertung man sich entscheiden will: handelsrechtlich oder steuerrechtlich, • ob die durch die steuerliche Aufwertung entstehenden Rücklage in Steueraussetzung mit einer zusätzlichen Zahlung von 10% „freigekauft“ werden soll; dies ist bei Firmen mit ordentlicher

Buchhaltung zu beachten, wenn in Zukunft Gewinne ausgezahlt werden sollen, • mit welcher der nachfolgenden Methoden die Aufwertung gemacht wird: Aufwertung des Anschaffungspreises auf den Marktwert, die Auflösung des Abschreibefonds oder die gleichzeitige

Aufwertung des Anschaffungspreises und des Abschreibefonds, • ob sich die Aufwertung auf die Bestimmungen der sogenannten „nicht operativen Gesellschaften“ auswirkt und somit zu zukünftigen steuerlichen Problemen führen kann.

Aufgrund der Komplexität der Bestimmungen ist es wichtig, sich bereits im Vorfeld mit den oben angeführten Punkten auseinanderzusetzen und diese gemeinsam mit seinem Berater zu prüfen, da die Neuauflage der Aufwertung im Normalfall zahlreiche Vorteile mit sich bringt. //

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