Geschichte der Gesellschaft zum Kämbel in der Haue

Page 1

Die Geschichte der Gesellschaft zum Kämbel in der Haue

1956 - 2016

Der nachfolgende Text ist eine Abschrift aus den 'Kamelspuren' 2016/17, verfasst aus Anlass des 60-Jahr-Jubiläums der Gesellschaft zum Kämbel in der Haue.

DER HAUSKAUF

Die Geschichte ist mittlerweile bekannt, sie ist es aber wert, immer wieder erwähnt zu werden. Der Kauf unseres Hauses im März 1956 ist wohl einer der wichtigsten und wegweisendsten Momente in der Geschichte unserer Zunft. Es war wie so oft bei grossen, einschneidenden Ereignissen: Meist per Zufall ergibt sich eine unverhoffte Chance, die es gilt zu erkennen und zu ergreifen. Dr. Hans Steiner, dazumal 1. Zunftschreiber, erkannte die Chance, als er hörte, dass das Haus 'Zur Haue' am Limmatquai zu kaufen sei. Da ein rascher Entscheid nötig war und die Zeit drängte, erwarb Hans Steiner die Liegenschaft am 10. März 1956 mit einem bis am 1. Juni limitierten übertragbaren Kaufrecht zuerst auf seinen eigenen Namen. Die 330'000 Franken Anzahlung wurden ihm glücklicherweise von seinem Arbeitgeber, der Neuenburger Versicherung, in Form eines Darlehens zur Verfügung gestellt. Zusammen mit Dr. Nik Rappold als Präsident, dem damaligen Zunftmeister Dr. Hans Glarner und den Zünftern Notar Emil Bühler, Emil Kofmehl, Dr. Robert Lang, Ruedi Nägeli und Heinrich Hatt-Bucher fand dann am 25. Mai 1956 die konstituierende Generalversammlung der Genossenschaft «Gesellschaft zum Kämbel in der Haue» statt. Diese GV erteilte dem Vorstand den Auftrag, von Herrn Walter Beckert «die Liegenschaft Limmatquai 52 zu höchstens Fr. 810'000 zu erwerben».

So viel zur Gründungsgeschichte, so wie sie Hans Steiner in seiner Schrift von 1962 beschrieb und wie es aus den damaligen Protokollen hervorgeht. Ein wahrhaftiger 'Krimi'!

E RS t E Umb AUAR b E it E n - S AA lb AU

Die Geschichte der Haue ist zu einem grossen Teil eine Geschichte vom Bauen, Sanieren und Investieren. Schon kurz nach dem Kauf des Hauses machte sich der Vorstand Gedanken über die künftige Nutzung der bestehenden Räumlichkeiten. Rasch wurde den Gründern bewusst, dass sie zur Realisierung der diversen Ideen vor allem auf entsprechende Einnahmen angewiesen sind. So wurden schon kurz nach dem Kauf des Hauses die ersten Wohnungen zu Büros umgebaut, da damit mehr Mietzinseinnahmen erzielt werden konnten. Der erste Büromieter war Dr. Nik Rappold selbst, der 1959 die Räumlichkeiten im 1. Obergeschoss bezog. Die Kosten für die Umbauarbeiten übernahm er selbst. Kaum waren die ersten Büros fertiggestellt, wurden im Vorderhaus die Ofenheizungen durch eine Zentralheizung ersetzt. 1960 begann man dann bereits, sich über den Einbau eines Zunftsaales Gedanken zu machen. Erste grobe Abklärungen wurden ja noch in aller Eile schon vor dem Hauskauf getroffen, ob der Einbau eines Zunftsaales aber

3

tatsächlich realisiert werden konnte, stand noch in keiner Weise fest. Es sollte genau zehn Jahre dauern, bis der Saal im Zwischengeschoss dann Wirklichkeit wurde. Verbunden mit dem Saalbau war auch der Einbau eines Liftes, was natürlich wiederum erhebliche Mehrkosten verursachte. Ziel war es, diese Ausgaben aus den laufenden Mietzinsen finanzieren zu können. Gegenüber der Familie Beckert, die zu jener Zeit immer noch im Haus wohnte, fühlte man jedoch eine moralische Verpflichtung, sie durch die Mietzinserhöhungen nicht zu vertreiben. 1967 konnten mit allen Wohnungsmietern dann aber faire Lösungen gefunden werden und kurz danach wurde mit der SKA ein Mietvertrag für 10 Jahre abgeschlossen. Zwischenzeitlich konkretisierten sich die Ideen für den Saalbau. Die drei Architekten und Mitzünfter Gian Fenner, Arnold von Waldkirch und Dr. Armin Meili wurden eingeladen, sogenannte 'Projekt-Skizzen' für den Einbau eines Saales einzureichen. Auf Empfehlung einer Fachjury wurde dann Architekt Meili, dem ehemaligen Direktor und kreativen Kopf der «Landi 39», der Auftrag für die Weiterbearbeitung seiner Projektidee vergeben. Der Kostenvoranschlag für den Saalbau betrug rund 1 Mio. Franken, für die Liftanlage gut 100'000 Franken. Ein ganz spezieller Diskussionspunkt war die Idee, im Zunftsaal ein Cheminée einzubauen. Ebenfalls ernsthaft diskutiert wurde, ob vom Zunftsaal ein direkter Durchgang zur Älpli-Bar gemacht werden sollte! Nach etlichen Verzögerungen konnte im Juni 1970 dann die Generalversammlung der Gesellschaft erstmals im eigenen Zunftsaal durchgeführt werden. Erster Zunftwirt wurde Mitzünfter Caspar Manz.

Di E tR in KS t U b E

Die Idee, anstelle der im Erdgeschoss liegenden Läden eine 'kleine Stube' einzurichten, die den Zünftern zu geselligem Zusammensein als Stammlokal und als Treffpunkt der Zünftersfrauen am Sechseläuten dienen würde, schwirrte schon lange in den Köpfen herum. 1973 präsentierte Gian Fenner erste Studien bzgl. Umwandlung der Räumlichkeiten in ein Café. Man konnte sich dazumal nicht vorstellen, in einem mit Wirtschaften bereits reich dotierten Gebiet die Bewilligung für ein Lokal mit Alkoholausschank zu erhalten. Offensichtlich gab es im Umkreis von 300 Metern schon damals 83 Beizen und seit 20 Jahren wurde keine neue Bewilligung erteilt. Einmal mehr wollte gut Ding Weile haben. Einerseits war die Begeisterung für die Idee eines Cafés grösstenteils vorhanden, andererseits bestanden aber auch Bedenken bezüglich der Wirtschaftlichkeit des Projektes. Auch eine Offensive des Saffran-'Leiters', Herr Wagner, gab zu Diskussionen Anlass. Dieser hatte die Idee, mit einem Durchbruch der Brandmauer eine durch die Saffran bewirtete grosse Gaststube zu schaffen. Seit der ersten Studie verstrichen fast 5 Jahre, bis die Generalunternehmung Karl Steiner mit der Erstellung einer

4

Skizze für eine sogenannte Imbissecke beauftragt wurde. Und immer lag natürlich auch die Frage des Alkoholausschankes noch in der Luft. Im Juni 1979 erteilte der Regierungsrat dann tatsächlich die Bewilligung für einen Umbau in ein Lokal mit Alkoholausschank. Der Realisierung einer ‘mittelalterlichen Ratsherren- und Trinkstube’ lag somit nichts mehr im Wege. Die Trinkstube sollte den Namen «Zur Haue» erhalten, in Erinnerung an diejenige der Grempler und Salzleute im 15. Jahrhundert an derselben Stelle. Zur künstlerischen Ausgestaltung wurden die Zunft und alle Zünfter aufgerufen, in irgendeiner Weise etwas beizusteuern, sei es durch Barspenden oder durch Naturalien. Nebst Hirschgeweihleuchter, Bilderschmuck und kunstvoll bemalter Facettendecke kam auch der wertvolle, restaurierte Stammtisch wieder zu Ehren. Insgesamt bezifferte sich die Schlussabrechnung für Gaststube, Küche und Toiletten auf eine runde Million Franken. Am Hauptbott 1980 wurde die Trinkstube offiziell eingeweiht und der Haueherr Dr. Nik Rappold wurde in Anerkennung seiner immensen Dienste für die Haue zum Ehrenzünfter ernannt.

W E it ERE R E novAtion E n U n D S A ni ERU n GE n

An der darauffolgenden Haue-GV trat Nik Rappold nach 25 intensiven und wegweisenden Jahren als Haue-Präsident zurück. In der Würdigung des mittlerweile 80-jährigen Gründungspräsidenten erwähnte Zunftmeister Ruedi Hegetschweiler, dass die Mietzinseinnahmen in seiner Amtszeit um 350 Prozent auf mittlerweile rund 180 000 Franken erhöht werden konnten und die Gesellschaft ein überaus gesundes Unternehmen darstelle. Dies war auch nötig, denn weitere grosse Investitionen standen bevor. Unter dem neuen Haueherr Dr. Robert Lang wurden diverse Renovationsarbeiten durchgeführt. Unter anderem wurde der Innenhof neu gestaltet, Fassaden renoviert und in der Gaststube ein Luftkühlung installiert. Robert Lang geht wohl auch in die Geschichte ein als der Haueherr, der die kürzesten und effizientesten Generalversammlungen durchführte. Für die Versammlung 1986, seine 5. und die 30. seit der Gründung unserer Gesellschaft, benötigte Brigadier Lang genau 20 Minuten, von 18.30 bis 18.50 Uhr. Leider erlag Robert Lang nur 10 Tage nach dieser Generalversammlung seiner schweren Krankheit, die er mit grosser Würde getragen hatte.

An einer ausserordentlichen GV im Oktober 1986 wurde Rudolf Hans Fürrer zum 3. Haueherr gewählt. Auch auf ihn warteten grosse Projekte, so der Einbau einer Klimaanlage und die Sanierung der Decke im Zunftsaal, sowie die Suche nach einer neuen Verwaltung, nachdem gegen die alte wegen Unterschlagung Strafklage erhoben werden musste. Für die Gesellschaft resultierte daraus ein schmerzlicher finanzieller Verlust. Da das Dach des Hauses nicht mehr dicht und das Gebälk

5

teilweise baufällig geworden war, wurde 1991 für die Sanierung ein Kredit von 1,3 Mio. Franken beschlossen. Zur Finanzierung dieses, seit der Gründung grössten Bauvorhabens, waren 29 Gesellschafter bereit, zusätzliche Anteilscheine zu zeichnen.

Di E l E tzt E n 20 J

1995, anlässlich seines 80. Geburtstages, übergab Rudolf H. Fürrer das Präsidium an seinen Nachfolger Fred Wüthrich, der ab 1979 bereits 13 Jahre lang als Aktuar im Haue-Vorstand tätig war. Als Abschiedsgeschenk überreichte Rudolf Fürrer seinem Nachfolger einen neu geschmiedeten Haueherr-Becher. Auch Fred Wüthrich machte sich unverzüglich daran, weitere wichtige Projekte in Angriff zu nehmen. Das Dachgeschoss wurde ausgebaut, damit dieses unter anderem zur Aufbewahrung unserer Fahrhabe besser genutzt werden konnte. Zudem musste ein neuer Pächter gefunden werden, nachdem das 'Bahnhofbuffet' nach nur knapp drei Jahren den Pachtvertrag wieder kündigte. Mit dem Ehepaar Irma und Sepp Schrotter wurde ein Pächterehepaar gefunden, das uns während neun Jahren mit viel Freude und Herzblut in der Haue verwöhnte. An der 40. Generalversammlung 1996 konnte Fred Wüthrich zudem über weit greifende Massnahmen informieren, um unserem Haus vermehrt das Image eines Zunfthauses zu verleihen. An der Fassade und unter den Bögen wurden neue Zunftwappen angebracht sowie die Schriftzüge 'Zunft zum Kämbel'. Um die Saalküche im Zwischengeschoss zu einer professionellen Küche auszubauen, wurden erhebliche Investitionen in neue Geräte getätigt. Auch die Büroräumlichkeiten wurden laufend saniert und erweitert, für das Zunftarchiv eine wunderschöne Zunftbibliothek installiert und die Toiletten im Erdgeschoss umgebaut.

2005 ging es erneut darum, einen neuen Pächter zu finden, nachdem sich Schrotters entschieden, in Zukunft etwas kürzer zu treten. Die schon Jahre zuvor andiskutierte Idee, die Haue an die Hotelfachschule Belvoirpark zu verpachten, wurde nun Realität. Die HF stellte für die Leitung der Haue einen Geschäftsführer ein, für die grossen Feste wie Sechseläuten und Rechenmahl erhielt das Haue-Team tatkräftige Unterstützung von Köchen und Studenten (bzw. Studentinnen) der Hotelfachschule. Für uns eine äusserst ideale und sehr sympathische Lösung.

An der Generalversammlung 2010 durfte ich von Fred Wüthrich das Amt des Haueherr übernehmen, ein Amt, mit dem ich schon seit längerer Zeit immer etwas geliebäugelt hatte. Die Würdigung der Leistungen meines Vorgängers anlässlich meiner Wahl fiel mir nicht leicht, hatte Fred Wüthrich in den 15 Jahren als Haueherr doch so viel geleistet und bewegt, dass dies kaum in Worte zu fassen war. Er übergab mir auch gleich ein bereits in die Wege geleitetes erstes grosses

6

Projekt, nämlich die Umbauten für Brandschutzmassnahmen, um die feuerpolizeilichen Anforderungen zu erfüllen. Nach dem Brand des Zunfthauses zur Zimmerleuten im November 2007 natürlich ein Thema, das uns allen auch aus Gründen der Personensicherheit sehr am Herzen lag. Zusammen mit dem Einbau eines neuen Liftes, der uns bis heute immer mal wieder etwas Sorgen bereitet, wurden 2011 rund eine Million Franken in diese Sicherheitsmassnahmen investiert. Schon bald nach Amtsübernahme fiel mir bei der Durchsicht der Mietverträge auf, dass diese schon seit längerer Zeit nicht mehr aktualisiert wurden und vor allem auch die Mietzinse teilweise erheblich von den ortsüblichen Ansätzen abwichen. Wie wir feststellten, waren sich die Büromieter dessen auch selber bewusst, was es uns erleichterte, neue Mietverträge mit aussergewöhnlichen Mietzinserhöhungen durchzusetzen. Dies war auch der Moment, um die Verwaltung unserer Liegenschaft einem neuen, kleinen Team, der Steinhof Immobilien AG, anzuvertrauen. 2012 wurden eine neue Gasheizung und eine neue Kühlanlage im Keller installiert. In den Jahren darauf folgten nebst laufenden, kleineren Unterhaltsarbeiten die Erneuerung der Blitzschutzanlage, Ersatz und Sanierung der Fenster zum Lichthof, Erneuerung der Elektroanlage und die Sanierung des Daches über dem Lichthof. Im Zusammenhang mit der schon länger anstehenden und dringend notwendigen Fassadensanierung hatte ich mir zum Ziel gesetzt, unser Haus noch deutlicher als Zunfthaus in Erscheinung treten zu lassen. Durch die Schaffung eines neuen Schriftzuges, der nun stolz an der renovierten Fassade erstrahlt und eines, dem früheren Wirtshausschild angeglichenen Schildes unter den Bögen, soll die Verbindung zwischen 'Haue' und 'Kämbel' noch klarer zum Ausdruck kommen und so auch den Pächtern helfen, Trinkstube und Zunftsaal besser positionieren zu können.

Ich freue mich auf ein paar weitere Jahre als Haueherr, denn ich weiss:

Au in zuekunft git’s viel z baue: Hoch läbi de Chämbel, hoch läbi d Haue!

7

Das Zunfthaus zur Haue, aufgenommen vom Dach des Zunfthauses zum Kämbel am Münsterhof (Sommer 2017)

12/2017

Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
Geschichte der Gesellschaft zum Kämbel in der Haue by Rudolf M. Fuerrer - Issuu