Das Haus zur Haue - Rundgang 1896

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Neudruck Dezember 2014, Text in Originalform belassen

Geehrte Herren Mitzünfter !

In meiner gedruckten Zunftschrift „Aus drei Jahrhunderten“ versuchte ich s. Z. Ihnen eine Geschichte unseres Zunfthauses von Anfang an bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts zu bieten. Heute möchte ich mir erlauben, meine Notizen, vorgetragen am Susermöhli 1896 über das Nachbarhaus „zur Haue“ gedruckt anzufügen.

Sonntag den 26. Juli, vormittags nach dem Gottesdienste, folgte ich der Einladung des gegenwärtigen Eigentümers, Herrn U. Beckert, zur Besichtigung seines Hauses von aussen und innen, von zu unterst bis zu oberst, und es war dies wohl der Mühe wert.

Ich erlaube mir, einige historische Daten vorauszuschicken.

Im 14. Jahrhundert befanden sich an der Stelle des Hauses zwei Häuser; das obere (anstossend an den Büchsenstein, vormals das „von Opfikon Tilli“) und das untere (anstossend an die Safran), –Wetzwiler-Haus; das obere gehörte einem Johannes, das untere 1389 einem Hartmann Wetzwiler.

Später wurden beide in eines zusammengezogen. Zwischen diesem und dem Haus zur Saffran (vor 1389 Schiff geheissen) muss aber einst noch ein schmales Haus, zum Mörtel genannt, gewesen sein, das 1413 einem Kaplan der Wasserkirche, Hans von Griessenberg, gehörte, 1416 aber Trinkstube der Gesellen zum Mörtel war, und 1419 von der Krämerzunft angekauft wurde.

In den Jahren 1440 – 80 kam in der Haue die Kämbelzunft zusammen. 1442 übernahmen nämlich die Salzleute, die vorher ihren Salzmarkt oben an der Marktgasse hatten, das Wetzwilersche Haus, und hiessen es nun „zur Haue“ – Salzhaue.

Es gieng dann wieder in Privatbesitz über. 1454 – 85 bewohnte es Peter Nüscheler,* der Gürtler, der als der erste Bürger dieses aus Reutlingen, Kgr. Württemberg, stammenden Geschlechtes 1476 in der Schlacht bei Murten mitkämpfte. Dann wechselten die Eigentümer bis 1532 Conrad Rollenbutz,* der Tuchherr, es kaufte. In den Jahren 1577 – 1583 erwarb allmälig Herr Salomon Hirzel,* Schultheiss, Gatte einer Enkelin des besagten Konrad Rollenbutz, das Haus zur Haue von den Rollenbutzschen Erben, zu denen auch ein Glasmaler Heinrich Nüscheler* gehörte.

alle mit * bezeichneten Bürger waren auf Saffran zünftig.

Der Sohn des Schultheissen S.H., auch ein Salomon Hirzel,* lies das Haus 1590 – 1629 renovieren und erwarb dazu wahrscheinlich noch ein Hintergebäude.

Dieser hochangesehene Mann, geb. 1580, ward 1610 Zwölfer, 1613 Zunftmeister zur Saffran. Er besorgte zu wiederholten Malen wichtige Missionen als Gesandter und stiftete den Hirzelschen Familienfond; 1637 erlangte er die Bürgermeisterwürde. 1641 kaufte H. die Herrschaft Altikon. Sein Hinschied erfolgte 1652. Sein Porträt ist noch mehrfach vorhanden.

Über 200 Jahre verblieb das Haus im Besitz der Hirzel, worunter zunächste Kaspar Hirzel, ein Sohn des Salomon, der auch zur Bürgermeisterwürde emporstieg, 1669.

1781 verkauften drei Geschwister, Jungfer Hirzel, das Haus an eine Frau Sprüngli geb. Albrecht, dann kam es in den Besitz von deren Tochtermann J. Rudolf Rordorf-Sprüngli,* Goldarbeiter, 1808.

Von den Nachkommen dieses Herrn Rordorf kaufte der jetzige Besitzer, Herr August Beckert, im Jahr 1878 das Haus und liess dasselbe innen und aussen gründlich renovieren, doch mit anerkennungswerter Schonung der historisch und künstlerisch wertvollen Bestandteile. Soviel über die Geschichte des Hauses.

Besehen wir uns jetzt das Gebäude.

Noch findet sich zu oberst auf dem Giebel der Façade des mit steinernen Vasen geschmückten Daches der liegende Hirsch in Stein, d.h. das Hirzel-Wappen, vermutlich seit 1620. Das Alliançe-Wappen am Erker wollte Herr Beckert dem Schweizerischen Landesmuseum (1879) verehren, doch es gieng leider beim Herunternehmen zu Grunde. Die Fenster der Façade sind teilweise beim Umbau versetzt worden. Die neuen Fresken, die Herr Beckert hatte anbringen lassen, leiden unter der Ungunst der Witterung.

Treten wir ein durch die rundbogige Hausthüre (neben dem jetzigen Südfrüchten-Laden, ehemals „Gaden“ geheissen, und schreiten durch den Gang in den Hof zu ebener Erde, der früher weiter war als jetzt. Wir erkennen vor uns eine nun zugemauerte, grosse, rundbogige Kellerthüre. Über ihr fand sich (nunmehr versetzt) in Steinfarben das Wappen des Bürgermeisters Salomon Hirzel und seiner zwei Gattinnen Keller zum Steinbock und Meyer von Knonau mit der Jahrzahl 1630.

Durch das Hinterhaus gelangen wir in einen zweiten Hof, an den oben das ehemalige Berichthaus, das Haus zum Goldstein, stösst. Über der Thüre zeigt sich uns wieder ein Familienwappen, dasjenige des Sohnes, B. M. Kaspar Hirzel-von Orelli, in Stein und in Farben, sowie die Jahreszahl 1620, die aber nicht zu dem Wappen gehört, das jünger ist. Über einem Fenster liest man in Stein, eingehauen die Jahreszahl 1548. Aus dem erstern oder vordern Hof, führt links eine steinerne Treppe mit hübschem Geländer auf eine Galerie. Hier befindet sich eine altertümliche Hausglocke mit schönen schmiedeisernen Verzierungen, die bis 1879 an der Façade des Hauses in der Höhe des zweiten Stockwerkes mit einem Glockenzug angebracht war. Von der Galerie aus gelangt man nach vornen in die Entresolzimmer, nach hinten in die Magazine. Eine Treppe höher befindet sich die erste Etage. Durch eine baulich stark veränderte Laube kommen wir in die hübsche Wohnstube mit dem Erker.

Alt darin ist noch das eichene Getäfel und, wohl noch aus dem 16. Jahrhundert stammend, die flache, hölzerne Decke mit an den Enden und in der Mitte verzierten, jetzt bunt bemalten Balken, sowie ein alter bemalter Ofen.

Gewiss stand ehemals in der Mitte ein grosser Tisch aus Eichenholz und neben der Türe ein Buffet; an den Wänden mögen Bänke angebracht gewesen sein, und durch farbige Wappenscheiben in den Fenstern und aus dem zierlichen Erker leuchtete das Sonnenlicht ins Innere.

Neben der Wohnstube befand sich wahrscheinlich einst die Schlafstube mit grossem Himmelbett und verschiedenen Schränken. Jetzt sind an deren Stelle zwei Zimmer ganz getäfelt und mit Holzdecken, ähnlich derjenigen der Wohnstube.

Von einem späteren Hauseigentümer, dem Goldschmied Rordorf, x 1808, erfahren wir hier, dass er auch Maler war, denn von ihm gemalt befinden sich an den Thüren des einen Entresolzimmers drei ins Holz eingerahmte Bilder in Öl: Ein stehender Ritter sich auf das Rordorf-Wappen stützend, ein solcher mit dem SprüngliWappen und die Ansicht der Haue, vermutlich aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts mit dem Brunnen am Fischmarkt und dem Pranger* (Schandpfahl, bei dem ein Delinquent steht).

Wir begeben uns nun wieder auf die Laube, bewundern das reiche, mit gewundenen polierten Stäben versehene Treppengeländer und * stand bis 1829.

bemerken an der Wand noch ein Ölgemälde des besagten Herrn Rordorf, eine militärische Scene aus dem Jahre 1799 darstellend: zwei höhere russische Offiziere zu Pferde, hinter ihnen Soldaten, die einen Zivilisten gefangen fortführen. (Ob vielleicht ein Erlebnis des Malers und Dichters J. M. Usteri?)

Wir steigen ins zweite Stockwerk. Daselbst sind noch zwei Zimmer mit alten hölzernen Decken und Getäfel, wovon das eine recht hübsch, mit gewundener Säule, aus dem 17. Jahrhundert stammt. Sonst ist es wie das dritte baulich geändert und modern gestaltet worden. Ebenso ist im Hinterhaus nichts mehr irgendwie Bemerkenswertes von früher her geblieben. Der innere Ausbau ist den gegenwärtigen Bedürfnissen überall angepasst worden.

Längst schon hatte, wenn ich etwa auf dem Lindenhof spazierte, das gewaltige, grossenteils noch aus Hohlziegeln bestehende Dach der Haue meine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Darum bat ich meinen freundlichen Begleiter, mich auf den Windenboden zu führen, wo ich unmittelbar unter Dache stand und dabei erfuhr, dass Herr Beckert nächstens dem Schweizerischen Landesmuseum einen solchen Hohlziegel mit eingebrannter Jahrzahl 1553 verehren werde, und ebenso zwei Feuerkübel mit dem Hirzel-Wappen, und mit der Jahrzahl 1693.

Zum Schlusse unserer Wanderung begaben wir uns nochmals in die Wohnstube. Ich setzte mich in den aussichtsreichen Erker und Herr Beckert holte aus einer Chatouille die ihm s. Z. von den Rordorfschen Erben überlassenen Hausschriften und Urkunden hervor. Es sind fast ausschliesslich Kaufbriefe, alle wohl erhalten, auf Pergament zierlich geschrieben und mit Siegeln von Wachs und Kapseln verwahrt. Sie datieren von 1487, 1502, 1553, 1556 – 83 und später. Mit verbindlichem Danke und dem Wunsche der Fortdauer guter Nachbarschaft zwischen Haue und Saffran empfahl ich mich, recht befriedigt von dem Gesehenen.

Notizen über

Die beiden Bürgermeister Salomon Hirzel und dessen Sohn Kaspar Hirzel.

Als Gesandter war Salomon Hirzel 67mal in Baden; einmal hatte er eine Mission zu Louis XIII., ein ander Mal zu Erzherzog Leopold von Österreich und endlich zum Herzog von Württemberg.

Seine erste Gattin, eine Keller zum Steinbock, schenkte ihm fünfzehn Kinder, von denen bei seinem Tode noch zehn am Leben waren. Ein Tochtermann war der spätere Bürgermeister Hans Konrad von Strebel, dessen Porträt, sowie dasjenige seiner Frau im Strebelschen Familienbuch enthalten sind. Der Patriarch zählte im Ganzen 136 teils lebende, teils vor ihm verstorbene Nachkommen.

Von seinem edlen Sinn und seinem grossen Reichtum giebt sein Testament Zeugnis. Nur an Liegenschaften in der Stadt finden wir:

Die gesamte

der Hinterlandschaft betrug über fl.

Der damalige Geldwert war wohl der fünffache von heutzutage.

Das Grabmal des bedeutenden Mannes befindet sich in der Grossmünsterkirche.

Einer seiner Söhne war Kaspar, geb. 1617, ein nicht minder angesehener Mann. Dieser war Zünfter zum Schaf. 1656 kaufte derselbe die Herrschaft Kesikon, 1657 wurde er Landvogt im Thurgau, 1665 Zunftmeister zum Schaf, und Obervogt zu Rümlang, 1669 Bürgermeister.

Auch Kaspar wurde zu zahlreichen, mitunter sehr wichtigen Missionen nach anderen Kantonen und nach dem Auslande verwendet. Seine Gattin war Katharina von Orelli. – Kaspar Hirzel starb 1691.

Das Haus zur Haue samt Schlegel, gewertet zu fl. 6 500 Die Häuser zur Treu (neben dem Rothaus) und zur Roten Fahne (Metzgergasse) sowie der Laden unter dem Kiel, gewertet zu „ 6 500 Das Haus zum Gutzgauch (Kukuk), später umgetauft in Adlerberg im Neumarkt „ 3 500 Das Haus zum Gewölbe am Weinplatz „ 5 000 Die Häuser zum Geissbühel und Räuel, wahrscheinlich in der Winkelwiese „ 2 600 Ein Haus in Stadelhofen „ 4 000 Dazu die Herrschaft Altikon mit Fabrik „ 9 000
Wertung
200 000

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Das Haus zur Haue - Rundgang 1896 by Rudolf M. Fuerrer - Issuu