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reformiert Berichte und Bilder aus der Evangelisch-reformierten Kirche

ZUK UNF T? 3 reformiert 2020 20202019Juni Juli August


Foto: Ulf Preuß

Seite 4: Der Trompeter Jörg Martens stellt seinen Bibelvers vor. Seite 8: Zukunft? Leben nach dem Zweiten Weltkrieg.

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Seite 4 Mein Bibelvers Seite 6 Was bleibt - was kommt? Über Zukunft und Hoffnung Seite 8 Keine Zeit für Zukunftspläne Über die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg

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Foto: Stadtarchiv Emden

Seite 16 Leider hat sich keine Hoffnung erfüllt Leben im Zentrum der Krisenregion Nahost Seite 18 Personen / Aktuelles / Impressum Seite 20 Ausblick

Seite 10 „Wie geht es dir?“ hat eine neue Tiefe Seelsorge im Krankenhaus verändert sich Trauern in Zeiten von Corona Seite 14 Neue Formate für Glauben und Gemeinschaft Digitale Konferenz trifft sich zu Hackathon

Die Mitgliedszeitschrift ,reformiert’ wird an alle Haushalte der Evangelisch-reformierten Kirche kostenlos verteilt. Möchten Sie auch ,reformiert’ lesen? Tel. 0491 / 91 98 212, E-Mail: presse@reformiert.de Möchten Sie unsere Zeitschrift unterstützen? Spenden Sie auf folgendes Konto: Evangelisch-reformierte Kirche Stichwort: reformiert Sparkasse LeerWittmund IBAN: DE94 2855 0000 0000 9060 08 SWIFT-BIC: BRLADE21LER Spendenquittung wird zugesandt

Titelgrafik: Designagentur projektpartner


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Grafik: Jannik Preuß

Foto: Ole Cordsen

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Seite 12: Digitale Gottesdienste haben Zulauf - am Ostersonntag aus der Großen Kirche Leer

Liebe Leserin, lieber Leser, das hat es auch noch nie gegeben: Fast alle Geschichten, die wir Ihnen in dieser Ausgabe erzählen, sind ohne persönliche Kontakte entstanden. Ohne dass die Autorinnen und Autoren die Menschen, über die sie berichten, besucht haben. Das gehört bei uns nämlich in aller Regel zur sorgfältigen Recherche hinzu. Aber: In Corona-Zeiten ist eben vieles anders.

Was bringt die Zukunft? Bleibt etwas von den Erfahrungen, die wir in der Corona-Zeit gesammelt haben? Wann haben wir (endlich) wieder die Möglichkeit, so zu leben und zu arbeiten, wie wir es gewohnt sind und für richtig halten?

Seite 14: Videokonferenzen sind derzeit auch bei der Recherche notwendig.

Um diese Fragen kreisen auch die Geschichten dieser Ausgabe.

Und so stellen auch wir uns die Frage, die das Thema dieser Ausgabe bildet:

Ihr

3 3 reformiert 2020 Ulf Preuß

Pressesprecher der Evangelisch-reformierten Kirche


Mein Bibelvers JĂśrg Martens, Kundenberater einer Krankenkasse

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Foto: Ulf PreuĂ&#x;


Sei mir ein rettender Fels, eine Burg, die mich schützt! Bei dir allein bin ich in Sicherheit. Altes Testament, Psalm 71, Vers 3

Beim Bibelvers musste ich nicht lange überlegen: Dieser Vers aus Psalm 71 begleitet mich schon sehr lange. Ich habe viele Menschen erlebt, die für mich einen rettenden Fels darstellen: Die mir geholfen oder mich unterstützt haben, das zu tun, was richtig und wichtig war und ist. Ich weiß genau, dass Gott in diesen Menschen für mich wirkt. Das gilt nicht nur für mein privates und berufliches Leben, sondern gerade auch in der Posaunen- und Bläserarbeit. Als Posaunenchorleiter eines 112 Jahre alten Posaunenchors habe ich ein großes Erbe antreten dürfen. Dort sind mir Menschen anvertraut, für die ich eine große Verantwortung trage. Gerade auch in der Jungbläserarbeit, die existenziell für unsere Posaunenarbeit ist. Vor allem in diesen doch merkwürdigen Zeiten ist ein rettender Fels für uns alle unheimlich wichtig!

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Jörg Martens ist 46 Jahre alt und lebt in Ochtelbur (Ostfriesland), einem Nachbarort von Simonswolde, wo er auch geboren wurde. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter. Schon seit 1988 – als 14-Jähriger – spielt er im Posaunenchor der Kirchengemeinde Simonswolde Trompete. 2004 hat er dann die Chorleitung in Simonswolde übernommen. Letztes Jahr konnten die Bläser ihren 111. Geburtstag feiern. Von 2015-2017 hat Jörg Martens die Chorleiterausbildung unserer Landeskirche bei Landesposaunenwartin Helga Hoogland absolviert. Sein Chor zählt heute 19 Stammbläser und sieben Jungbläser.


THEMA

Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen. Der erste Brief des Paulus an die Korinther, Kapitel 13, Vers 13

HOFF NUNG

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Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken; denn er ist treu, der sie verheißen hat. Der Brief an die Hebräer, Kapitel 10, Vers 23


THEMA

Was bleibt – was kommt? Über Zukunft und Hoffnung Was bringt die Zukunft? Diese Frage stellen sich viele Menschen in Krisenzeiten. So mancher Zukunftsforscher sieht in der aktuellen Corona-Zeit sogar viel Innovationspotential. Matthias Horx sieht das „Virus als Innovationsbeschleuniger“. Er meint, dass wir uns derzeit „innerlich mit der Zukunft in Verbindung setzen“ und „eine Brücke zwischen Heute und Morgen schaffen“. Dass es dabei mit Online vorangeht, ist noch am Offensichtlichsten. Horx sieht aber auch, dass die Menschen näher zusammenrücken. Die ortsnahe Produktion boomt: eine Lokalisierung des Globalen. Und das bleibt!? Und der Zukunftsforscher behauptet, dass die Satellitenbilder ohne Smog über den Industriegebieten etwas mit uns machen werden. Was bleibt – was kommt?

Der interessante Text von Matthias Horx ist online zu lesen: www.horx.com

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THEMA

Keine Zeit für Die Hamburgerin Sigrid von Bergen über „Plötzlich war es ganz still“, erinnert sich Sigrid von Bergen an das Ende des Zweiten Weltkriegs. „Vorher hatten ständig die Kanonen geknattert, die Engländer hatten schon auf der anderen Seite der Elbe Stellung bezogen. Und dann war das alles auf einmal vorbei.“ Im Mai 1945 stand die junge Hamburgerin ein Jahr vor dem Abitur. Doch Normalität bedeutete das Kriegsende zunächst keineswegs. „Ich erinnere mich nicht, dass ich Pläne für die Nachkriegszeit geschmiedet hätte“, blickt sie zurück. „Das tägliche Leben verlangte uns so viel ab, dass wir gar nicht weiterdenken konnten als bis zum nächsten Tag.“ Endlich Frieden. Und: Endlich wieder ohne Angst offen die Meinung sagen können. „Ich habe aufgeatmet, als der Krieg vorbei war“, sagt Sigrid von Bergen, deren Eltern nicht mit den Nazis sympathisiert hatten. „Doch die Freude währte nicht lange, denn was dann folgte, war eine mühsame und karge Zeit. Die Entbehrungen, die wir erlebt haben, kann heute niemand mehr nachvollziehen.“ Ihre Familie hatte den Krieg überlebt – der kleine Bruder war noch zu jung, um eingezogen zu werden, der Vater schon zu alt. Doch im weiteren Verwandtenkreis erlebte sie das Leid mit: „Von meinen 15 Vettern ist nur einer zurückgekehrt“, erzählt sie. Mit dem Kriegsende wurde sie auch zum ersten Mal mit der entsetzlichen Wahrheit über die Gräueltaten der Nazis konfrontiert. „Mein Vater hat vieles gewusst, aber er hat uns nicht damit belasten wollen. Hinzu kam auch die Befürchtung, wir Kinder könnten uns verplappern, wenn wir zu viel wüssten.“ Als Arzt mit, wie sie es ausdrückt, „ein paar Tropfen jüdischen Blutes“, hatte der Vater jüdische Patienten während der Nazizeit kostenlos behandelt, er hatte mitbekommen, dass viele von ihnen plötzlich verschwanden. „Ich war entsetzt, als ich davon erfuhr.“ Trotz der Wirren nach dem Krieg stand für sie bald fest, dass sie nach dem Abitur Biologie und Chemie studieren wollte. Doch die Studienplätze waren zunächst den Kriegsheimkehrern vorbehal-

FLE BEL

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Fotos: Phillip Reis

Die Hamburgerin Sigrid von Bergen stand im Mai 1945 ein Jahr vor dem Abitur.


THEMA

Zukunftspläne die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ten. „Das habe ich natürlich eingesehen“, sagt die Oberstudienrätin im Ruhestand. Schließlich aber klappte es doch noch. Sigrid von Bergen entschied sich für ein Lehramtsstudium in Biologie und Chemie. Anfangs zunächst schüchtern fand sie dank einer engagierten Ausbilderin und ihrer großen Liebe zu Kindern ihre Berufung. „Ich bin sehr gerne Lehrerin gewesen“, sagt sie. Nach dem Feuersturm 1943, bei dem weite Teile ihres Heimatstadtteils Hamburg-Hamm und auch ihr Elternhaus verbrannten, kam die damals 15-Jährige mit ihrer Familie zunächst bei Verwandten auf einem Gut in Mecklenburg-Vorpommern unter. „Das war eine schöne Zeit. Hier konnte ich zur Ruhe kommen und die Erlebnisse verarbeiten“, erinnert sie sich. Ihr kleiner Bruder allerdings habe sehr unter den schrecklichen Ereignissen gelitten. „Es war für ihn schlimm zu sehen, wie alles, auch seine Spielsachen, verbrannte.“ Wenig später ging es für ihre Schwester und sie zur „Kinderlandverschickung“ nach Bayern. Drei Stockbetten mit jeweils drei Etagen, neun Mädchen auf einem Zimmer. Trotz der Enge erinnert sich die heute 92-Jährige auch an diese Zeit gern zurück. Kurz vor Kriegsende aber schrieb die Schulleiterin an alle Eltern, sie sollten ihre Kinder zurück nach Hause holen. Sie befürchtete, nicht mehr für die Sicherheit der Mädchen garantieren zu können. Zurück in Hamburg wurde die Familie in wenigen Zimmern einer Villa in Blankenese einquartiert, einige Jahre nach Kriegsende konnten die Eltern die Eppendorfer Wohnung einer Verwandten kaufen, die nach Mexiko auswandern wollte. Doch zunächst blieben die Zeiten hart. Der eisige Winter 1946, als „Hungerwinter“ in die Geschichte eingegangen, der langsame Wiederaufbau der Städte, der Kampf um Lebensmittel, Schwarzmarkthandel – all das ließ einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft nicht zu. Der Begriff „Auf Sicht fahren“, in der CoronaKrise häufig verwendet, war in jenen Tagen eine Selbstverständlichkeit, ohne dass das Verhalten damals so genannt wurde. Sich jeden Tag an die

Gegebenheiten anpassen, improvisieren, flexibel sein – für hochfliegende Zukunftspläne blieb da kein Platz. Und auch nicht für Visionen. „Damals hätten wir uns niemals vorstellen können, dass wir in Deutschland ein paar Jahre später das Wirtschaftswunder erleben würden“, sagt die alte Dame. Es sei eine Zeit gewesen, die sie für ihr Leben geprägt habe, zieht sie Bilanz. „Ich habe in meinem Leben oft eine große Dankbarkeit empfunden – auch dafür, nie wieder einen Krieg erleben zu müssen“, sagt sie und: „Ich habe wirklich Glück gehabt.“ Glück, das ist für sie besonders auch die Erinnerung an eine liebevolle Kindheit, die sie ein Leben lang im Herzen bewahrt hat. „Wir waren nicht reich, aber eine wunderbare Familie.“ Von Anke Brockmeyer

EXI L

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Sigrid von Bergen mit Pastor Reiner Kuhn in der Hamburger Reformierten Kirche in der Ferdinandstraße.


THEMA

„Wie geht es dir?“ hat eine neue Tiefe Seelsorge im Krankenhaus verändert sich „Wenn ich als Seelsorger auf die Isolierstation komme, bin ich Besucher“, sagt Rolf Christian Wangemann, „die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen bleiben. Das ist der große Unterschied.“ Der 61-jährige Theologe ist seit 2018 für die Evangelisch-reformierte Kirche als Krankenhausseelsorger in der Euregioklinik in Nordhorn tätig. Wie im ganzen Land hat die Corona-Pandemie auch das Krankenhaus für die Grafschaft Bentheim eingenommen: Der Zugang ist streng abgeschirmt, Besuche sind nicht erlaubt. Große Schilder weisen den Weg für die Patienten. Vor dem Notfalleingang stehen Sanitätszelte, niemand kommt unkontrolliert hinein. „Ich hatte

gleich das Gefühl, dass hier eine größere Geschichte auf uns zukommt, die unsere Kraft und Besonnenheit besonders fordern wird“, erinnert sich Wangemann an den Beginn der Pandemie. „Merkwürdigerweise hatte ich dauernd Bilder und Gefühle von der Schneekatastrophe im Winter 1978/79 in Erinnerung, in der ich als Soldat eingesetzt war.“ Seit Beginn der Pandemie hat sich nicht nur vieles für die Patienten, sondern auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geändert. „Ich habe den Eindruck, dass in der Klinik ein verändertes Gemeinschaftsgefühl gewachsen ist“, meint Wangemann. So seien das Ernstnehmen und

Trauern in Zeiten von Corona

Foto: Günter Plawer

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Zehn Stühle in der Trauerhalle auf dem Emlichheimer Friedhof, mehr durften es nicht sein.

„Man war so alleine.“ Judith Joostberends erinnert sich an die Beerdigung ihres Bruders vor ein paar Wochen in Georgsdorf (Grafschaft Bentheim). „Wir durften uns ja nicht einmal in den Arm nehmen.“ Ihr Bruder war schon mehrere Wochen im Krankenhaus und ist dort auch gestorben. Wie für alles galten auch für Trauerfeiern zeitweise sehr strenge Auflagen. Die Kirchen waren gesperrt und die Andacht zur Beisetzung musste unter freiem Himmel geschehen mit höchstens zehn Teilnehmern. Judith Joostberends ist Küsterin in Georgsdorf und hat darum auch so manch andere Beerdigung in Zeiten von Corona erlebt. Wie in vielen Dörfern hat jede Trauerfeier in Georgsdorf einen festen Ablauf: Die Trauergemeinde versammelt sich zunächst in der Friedhofshalle. Nach einer kurzen Liturgie führt der Weg zum Friedhof. Nach der Beisetzung geht die meist große Trauergesellschaft zurück in die Kirche zum Gottesdienst. Anschließend findet dann ein Kaffeetrinken im Gemeindehaus statt. Das alles war nun nicht mehr erlaubt. „Da ist mir noch einmal bewusst geworden, wie wichtig auch der Körperkontakt ist“ sagt Joostberends. „Wenn die Worte fehlen gibt es ja noch das in die Arme nehmen oder den festen Händedruck nach der Trauerfeier.“ Stattdessen mussten alle den Mindestabstand einhalten. „Man fühlt sich fast ein bisschen aussätzig“, meint die Georgsdorfer Küsterin immer noch betroffen. Selbst die „Growe“, das Kaffeetrinken danach, war nicht erlaubt. „Das ist doch die Gelegenheit, die ersten Schritte wieder in den Alltag zu gehen, verbunden mit vielen Gesprächen und auch dem ersten Lachen“, meint sie.


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Zuhören und gegenseitige Unterstützung deutlich spürbarer. Berufsgruppen, die bisher eher im Hintergrund gearbeitet haben, rücken in den Mittelpunkt. Gerade die Haustechniker hätten bei den Umbaumaßnahmen ihr Können bewiesen. Und wie wichtig die gewissenhafte Reinigung sei, komme erst bei einer derart hohen Ansteckungsgefahr in den Blick. Die Corona-Pandemie habe in der Klinik ein neues Maß an Zusammenarbeit und Zusammenhalt entstehen lassen. „Wenn jemand fragt: Wie geht es Dir? hat es eine andere Tiefe bekommen“, sagt Wangemann. Auch die eigene Rolle als Seelsorger habe sich durch die Corona-Pandemie verändert, stellt

Wangemann fest. „Vorsicht, Distanz und Zurückhaltung sind der Seelsorge ja nicht fremd, aber es geht immer darum, eine herzliche Nähe und einen guten Kontakt herzustellen.“ Es sei gar nicht so einfach, das mit einer Maske vor Mund und Nase zu leisten. Der Blickkontakt und die Mimik seien doch ein wichtiger Teil der Kommunikation. „Dazu muss ich noch lauter sprechen, weil die Patienten mich durch die Maske schwerer verstehen können.“ Die Begleitung von an Corona erkrankten Menschen ist für ihn belastender als im normalen Alltagsbetrieb. „Ich gehe morgens immer mit einer kleinen Anspannung in die Klinik. Wem

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ZUSAM MEN HALT

Judith Joostberends hat bei so mancher Trauergesellschaft auch Verbitterung erlebt. So eine Beerdigung hätte die verstorbene Person nicht verdient, habe sie manchmal gehört. „Aber die Angehörigen sehen natürlich auch, dass es in diesen Zeiten keine andere Möglichkeit gibt. Deswegen gab es auch noch keinen richtigen Ärger, aber viel Enttäuschung“, meint Joostberends. „Bei der Beerdigung meines Bruders habe ich besonders den Gottesdienst in der Kirche vermisst“, erinnert sie sich. „Da kann man nochmal viel Tröstendes mitnehmen.“ Mittlerweile hat Niedersachsen wie auch andere Bundesländer die Vorgaben gelockert. Der Gottesdienst in der Kirche oder der Friedhofshalle ist wieder möglich, wenn auch immer noch unter strengen Auflagen. In der Kirche sind die Plätze markiert, überall hängen Schilder mit dem Hinweis, man soll einen Mund-NasenSchutz tragen und vor der Kirchentür stehen Automaten mit Desinfektionsmittel. Beim Anblick dieser Szenerie meint Judith Joostberends traurig: „Das Zusammenrücken in dieser Situation ist immer noch nicht möglich und das ist doch so wichtig.“ Wie lange das noch so bleibt, ist ungewiss.

Foto: Günter Plawer

Judith Joostberends ist Küsterin in Georgsdorf und hat vor kurzem ihren Bruder verloren

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geht es endlich besser? Wessen Zustand hat sich verschlechtert? Erst wenn ich alle Informationen gesammelt habe, legt sich meine Anspannung.“ Dazu komme das Verbot, Gottesdienste in der Krankenhauskapelle zu feiern, auch wenn die Kapelle offen sei und immer wieder von einzelnen für eine stille Zeit besucht werde „Das ist für mich ein schwerer Verlust“, betont Wangemann. Auf den Ethik-Beirat der Klinik kamen neue Aufgaben zu: Er musste etwa ein Konzept erarbeiten, wie mit dem Virus infizierte Verstorbene verabschiedet werden können. Es ist „ein nüchterner, technischer Abschied, er bedeutet eine

besondere seelsorgerliche Begleitung“, meint Wangemann. Denn der aufgebahrte Leichnam und die Angehörigen müssen räumlich getrennt bleiben. Nur zwei Angehörige dürfen gleichzeitig zum Verstorbenen, sie werden dabei vom Eingang der Klinik bis zum Ausgang begleitet. Danach dürfen die nächsten zur Aufbahrung. Alles geschieht mit den inzwischen bekannten Hygieneregeln. Viele wollen den geliebten Menschen, den sie oft mehrere Wochen nicht sehen durften, noch einmal berühren und dürfen sich doch nicht näherkommen. Was kommt nach der Corona-Pandemie? „Ich spüre eine Bewegung oder auch einen Prozess

ONLI NE Kanal der Evangelisch-reformierten Kirche auf YouTube

Foto: Ulf Preuß

Aufnahme des Himmelfahrtsgottesdienstes in Greetsiel

32.700

Besucher bei YouTube


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im Verhalten und der Kommunikation miteinander“, meint Wangemann. Für ihn geht es vom Schnellen zum Langsamen, vom Weiten zum Naheliegenden, von den lauten zu den leisen Tönen, vom intensiven Blick auf die Fehler zu dem, was gut gelungen ist. „Wenn davon etwas bleibt, haben wir in dieser Krise zwar einiges verloren, aber auch viel gewonnen.“ Von Günter Plawer

Foto: Günter Plawer

Rolf Christian Wangemann vor der Euregioklinik in Nordhorn.

Jede Menge Online-Gottesdienste Seit dem 15. März gibt es auf dem YouTube-Kanal der Evangelisch-reformierten Kirche jeden Sonntag und Feiertag einen Online-Gottesdienst – produziert mit verschiedenen Mitwirkenden, an unterschiedlichen Orten. Als Ersatz für die Gottesdienste, die wegen der Corona-Einschränkungen ausfallen mussten. Diesen Service soll es noch mindestens so lange geben, wie die Gottesdienste nur sehr eingeschränkt gefeiert werden dürfen. Und auch viele Kirchengemeinden haben eigene Online-Formate entwickelt und über ihre Webseiten verbreitet. Ein Blick lohnt sich.

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Sendeminuten

Gemeinden mit Online-Gottes diensten und Andachten

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Neue Formate für Glauben Digitale Konferenz trifft Wie kann man Glauben, Gemeinde und Gemeinschaft heute miteinander leben und weiterentwickeln – ganz gleich, ob nun digital oder vor Ort? Mit dieser Frage haben sich vom 3. bis zum 5. April rund 750 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland bei einem sogenannten Hackathon beschäftigt. Bei einem Hackathon arbeiten die Teilnehmer über digitale Plattformen miteinander. „Es war klar, dass wegen der Corona-Situation etliche Veranstaltungen vor Ort ausfallen würden“, sagt Jonathan Renau, Theologiestudent und Jugenddelegierter der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Er ist einer der Organisatoren des ökumenischen Hackathons, der unter der Schirmherrschaft der EKD und mit dem Motto #glaubengemeinsam stattfand. „Ich habe mich gemeinsam mit den anderen Jugenddelegierten gefragt, wie wir vielleicht trotzdem zusammenkommen können.“ Zu diesem Zeitpunkt waren gerade Semesterferien, und der Theologiestudent aus Bochum hatte Zeit. „Die Idee war, einen ähnlichen Hackathon wie die Bundesregierung auf die Beine zu stellen – nur eben mit theologischen Themen.“ Die Bundesregierung hatte im März einen Hackathon zu gesellschaftlichen Projekten veranstaltet, bei denen es um Ideen für einen klugen Umgang mit den Herausforderungen rund um das Coronavirus ging. „Wir haben dann in einem kleinen Team zusammengearbeitet“, berichtet Renau. Die Gruppe entwickelte innerhalb einer Woche die Seite www. glaubengemeinsam.de und bewarb ihr Projekt intensiv in sozialen Medien. Dort weckte die Initiative hohe Aufmerksamkeit, und die Organisatoren bekamen viel Unterstützung. Schnell lagen rund 750 Anmeldungen für den Hackathon vor. „Wir haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu

aufgerufen, Ideen einzureichen, an denen sie gemeinsam arbeiten wollen“, sagt der Theologiestudent. Zu Beginn des Hackathons am 3. April gab es 100 Ideen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden sich in Gruppen zusammen, um sie zu bearbeiten und zu konkretisieren. Daraus entstanden 50 Projekte zu ganz unterschiedlichen Themen. Eine der Teilnehmerinnen war die Theologiestudentin Tina Yzer aus Weener. „Ich habe am Projekt MITTENDRIN GLAUBEN:DE gearbeitet“, sagt sie. „Dabei ging es darum, wie Kirchengemeinden junge Erwachsene besser erreichen können.“ Entstanden ist dabei eine Toolbox mit ganz unterschiedlichen Vorschlägen wie zum Beispiel einem Running Dinner oder einer Kneipentour. „Es war zunächst etwas ungewohnt, digital zusammenzuarbeiten, aber es hat sehr gut funktioniert“, berichtet die Studentin. „Bereichernd war vor allem die Erfahrung, dass sich ganz unterschiedliche Menschen miteinander vernetzt haben, die sich sonst wahrscheinlich nie kennengelernt hätten.“ Ihre 23-köpfige Projektgruppe setzte eine Webseite auf (www.mittendringlauben.de), auf der die Inhalte der Toolbox für alle Interessierten abrufbar sind. Andere Projekte befassten sich zum Beispiel mit Online-Gottesdiensten, mit christlicher Musik, mit Bibelsprüchen für Twitter oder einer OnlineKirche. „Die Projekte waren sehr vielseitig“, sagt Jonathan Renau. Am Ende des Hackathons am 5. April präsentierte jede Gruppe ihre Ergebnisse in Form eines Videos. „Das ist toll, weil wir jetzt zu allen Projekten ein Video haben.“ Die Arbeit

ENT WICKL UNG

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THEMA

und Gemeinschaft sich zu Hackathon

Foto: Ole Cordsen

an den einzelnen Projekten ist damit aber noch lange nicht beendet. „Viele Gruppen haben den Wunsch geäußert, dass sie weiter an ihren Themen arbeiten und die Projekte vorantreiben wollen“, berichtet er. Die Projekte sind online abrufbar unter der Adresse www.glaubengemeinsam. de/hackathon. Ob es im kommenden Jahr wieder möglich sein wird, auch Veranstaltungen vor Ort zu organisieren, kann aktuell natürlich noch niemand abse-

hen. „Ganz unabhängig davon würde ich mich aber freuen, wenn wir 2021 auch wieder einen Hackathon auf die Beine stellen“, sagt Jonathan Renau. „Das Format hat sich für uns bewährt.“ Von Maria Berentzen

Auch dieser Bericht entstand online: Autorin Maria Berentzen (rechts) traf in einer Videokonferenz Jonathan Renau (rechts unten auf dem Bildschirm) und Tina Yzer (links oben).


Euphrat

Leider hat sich

Türkei

Leben im Zentrum der

Halab

Idlib

Zypern Latakia

Hamath

Mittelmeer

Homs

Minyar

Libanon Beirut

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Syrien und der Libanon liegen mitten im Nahen Osten, seit Jahrzehnten einer der Dauerkrisenherde der Erde. Seit neun Jahren plagt ein verlustreicher Bürgerkrieg die Menschen in Syrien, der letzte Krieg im Libanon ging 2006 zu Ende. Manche Experten haben die Zählung der Toten in Syrien aufgegeben, zuletzt nannte die UNO 500.000 Tote. 6,7 Millionen Syrer waren 2018 auf der Flucht. Auch das kleine Nachbarland, der Libanon, leidet unter dem Bürgerkrieg. Rund 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge leben dort, bei rund 6 Millionen Libanesen. Hadi Gantous ist evangelischer Pastor in Minyar, in der Region Akkar im Norden des Libanon. Sonia Nassar lebt in Latakia im Nordwesten Syriens, den der Bürgerkrieg weitgehend verschont hat. Dort ist die ehemalige Ingenieurin in ihrer evangelischen Kirchengemeinde im Kirchenrat aktiv. Auch Nassar und Gantous müssen wie die Menschen in Europa Einschränkungen wegen des Corona-Virus hinnehmen. So unterscheidet sich Hadi Gantous‘ Pastoren-Alltag gar nicht so sehr von dem in Deutschland: keine Veranstaltungen, keine Besuche, Kontakte über Telefon und Social Media. Keine Gottesdienste, sondern Gebete und Predigten über WhatsApp. Sonia Nassar meint, die Menschen in Syrien seien sehr besorgt wegen Covid 19. Viele könnten der Situation aber nicht so viel Beachtung schenken, da sie nicht so viel darüber wüssten oder weil sie schlicht arm seien. Beide sind sich einig: Die Sorgen der Menschen um die Folgen der Corona-Pandemie in Syrien und im Libanon werden überlagert von den Hoffnungen nach Frieden und Sicherheit in der

Damaskus

Al Qunaytriah

Nazareth Dara

Isreal

Syrien As Suwayda

Arbela

Jordanien


keine Hoffnung erfüllt Krisenregion Nahost Region. Dabei ist Hadi Gantous mitunter ziemlich desillusioniert. „Wir Menschen im Nahen Osten haben gelernt, dass wir nicht wissen, was im nächsten Jahr passiert.“ Er hatte gehofft, dass die Krise in Syrien vollständig vorbei sei und dass sich die wirtschaftliche Lage im Libanon stabilisiere. „Leider hat sich keine dieser Hoffnungen erfüllt.“

FRIE DE Zu den Hoffnungen der Menschen in den beiden Ländern gehört auch, dass sie sich sehnlichst wünschen, ihre getrennten Familien wieder zusammenzubringen. Sonia Nassars Söhne leben als Ärzte in den USA, ihre Tochter mit ihren Kindern in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Hadi Gantous‘ Mutter sitzt in Damaskus fest und kann ihn nicht besuchen. Sein Bruder ist während des Krieges aus Syrien geflüchtet und lebt zurzeit in Norwegen. Es sei nicht absehbar, ob und wann er an seine Klinik nach Damaskus zurückkehren könne, meint Gantous. Diese Ungewissheit teilt Gantous‘ Bruder mit den meisten der 1,5 Millionen syrischen Flüchtlinge, die überall im Libanon in Camps leben. Auch

für sie sieht Hadi Gantous wenig Positives. Die meisten von ihnen könnten noch immer nicht nach Syrien zurückkehren. Männern drohe die Verpflichtung zum Militär, vielen drohe aus politischen Gründen die Verhaftung. Hadi Gantous formuliert noch einen Wunsch – und mit diesem klingt er zuversichtlich. Es könne seiner Kirche, der Evangelischen Kirche in Syrien und dem Libanon, gelingen, ihre christliche Identität im muslimischen Umfeld zu stärken und so die Region und die Menschen zu stärken. Von Ulf Preuß

Foto: Ulf Preuß

Hadi Gantous war 2019 als Gast der Evangelisch-reformierten Kirche beim Kirchentag in Dortmund.

INFO Seit knapp sechs Jahren unterhält die Reformierte Kirche Beziehungen zu der kleinen Evangelischen Kirche in Syrien und dem Libanon (National Evangelical Synod of Syria and Lebanon, NESSL). Zu der Kirche gehören in beiden Ländern zusammen etwa 12.000 Mitglieder in 43 Kirchengemeinden. Auch in den besonders vom Bürgerkrieg geplagten Städten Aleppo und Homs ist die Kirche ansässig. Die Kirchenverwaltung hat ihren Sitz in Beirut. Zum letzten Kirchentag in Dortmund besuchte eine Delegation von Pastoren und Kirchenräten Deutschland. Hadi Gantous war einer der Delegierten.

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PERSONEN

[1] Mareike Nolting verstärkt seit 15. April die Pressestelle der Evangelisch-reformierten Kirche als Online- und SocialMedia-Redakteurin. In dieser Funktion betreut die Politikwissenschaftlerin und Journalistin fortan die Social-Media-Kanäle und die Webseite der Landeskirche und berät die Kirchengemeinden in Social-Media-Fragen. [2] Hilke Klüver Pastorin im Landeskirchenamt und Präses des Synodalverbands Südliches Ostfriesland, ist Ende April in den Ruhestand getreten („reformiert“ berichtete). Klüver (65) war 30 Jahre als Theologin im Landeskirchenamt tätig und 21 Jahre Vorsitzende des Synodalverbands. [3] Frank Wessels Präses des Synodalverbands Nördliches Ostfriesland, ist seit dem 1. Mai Sprecher der drei evangelisch-reformierten Synodalverbände in Ostfriesland. Der …jährige Theologe übernahm diese Aufgabe von Hilke Klüver.

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[4] Ingo Brookmann Pastor in der Gemeinde Leer-Loga, leitet seit Mai die Synode des Südlichen Ostfrieslands. Als stellvertretender Präses übernahm er diese Aufgabe von Präses Hilke Klüver. Eine Synode mit einer Neuwahl konnte wegen der CoronaPandemie bislang nicht stattfinden. [5] Reinhild Gedenk ist neue Pastorin für theologische Ausbildung, Fortbildung und Begleitung der Religionslehrkräfte. Gedenk ist damit im Landeskirchenamt der Evangelisch-reformierten Kirche Nachfolgerin von Hilke Klüver. Die 56-jährige Theologin war vorher mit einer halben Stelle für die Seelsorge von hörgeschädigten Menschen in Ostfriesland zuständig.

von Cornelia FüllkrugWeitzel an, die dann in den Ruhestand geht. Die Präsidentin des evangelischen Hilfs- und Entwicklungswerks Brot für die Welt leitet zugleich die Diakonie Katastrophenhilfe. [7] Wiebke Nehuis und Inka Wischmann sind die neuen Pastorinnen der Kirchengemeinde Veenhusen. Beide Theologinnen erhielten bei der Wahl eine sehr deutliche Mehrheit der 227 abgegebenen Stimmen. Inka Wischmann (43) wird in der Gemeinde als Pastorin mit vollem Stellenumfang arbeiten, Wiebke Nehuis (36) mit halbem.

[6] Dagmar Pruin wird neue Präsidentin von Brot für die Welt. Die promovierte Theologin (49), geboren im Rheiderland, tritt bei Brot für die Welt zum 1. März 2021 die Nachfolge

[8] Barbara WündischKonz ist von der Gemeinde Stapelmoor zu ihrer Pastorin gewählt worden. Die 49-jährige Theologin kam vor etwa einem Jahr in die Gemeinde und wurde dort zunächst übergangsweise Nachfolgerin von Pastor Manfred Gerke, der im Sommer 2017 in den Ruhestand gegangen war.

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18 Foto: Ulf Preuß

Foto: Britta Brühling

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Foto: Ulf Preuß

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Foto: Privat

Foto: Britta Brühling

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Foto: Privat

Foto: Privat

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Foto: Jens Schulze

Beim KonfiCamp 2019 im Kloster Frenswegen

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Kein KonfiCamp 2020 So ein Bild gibt es 2020 nicht: Die Evangelisch-reformierte Kirche hat ihr KonfiCamp 2020 abgesagt. „KonfiCamp mit Abstand ist keine gute Lösung“, heißt es in dem Absageschreiben an alle Kirchengemeinden. Die Camp-Leitung sei überzeugt, dass ein KonfiCamp in diesem Jahr mit den auch noch im August zu erwartenden Abstands- und Hygieneregelungen nicht durchzuführen ist. Vom 19. bis 23. August 2020 sollten sich zum zweiten Mal rund 300 Konfirmandinnen und Konfirmanden im Kloster Möllenbeck im Weserbergland treffen. Die Vorbereitungen waren längst angelaufen, mussten aber nun rechtzeitig gestoppt werden, so Landesjugendpastor Bernhard Schmeing. „Das ist eine Entscheidung, die uns schwerfällt“, auch weil das KonfiCamp 2019 alle begeistert habe. Im vergangenen Jahr richtete die Evangelisch-reformierte Kirche erstmals ein landeskirchliches KonfiCamp aus, an dem rund 200 Konfis aus 27 Kirchengemeinden teilgenommen hatten. Die Absage jetzt betrifft aber nicht nur die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sondern auch die rund 100 Teamer, die für den Auf- und Abbau sowie den Ablauf des Camps sorgen wollten. 10 bis 20 Prozent weniger Die Evangelisch-reformierte Kirche rechnet damit, dass die Corona-Krise zu einem deutlichen Rückgang bei den Kirchensteuern führen wird. Vizepräsident Helge Johr kalkuliert derzeit mit einem Minus von 10 bis 20 Prozent für dieses Jahr. Für das Jahr 2021 sei es zu früh, irgendwelche Prognosen abzugeben. Der Rückgang könne aber in diesem Jahr noch gut abgefedert werden, so Johr. Alle geplanten Ausgaben könnten getätigt werden, die Kirchengemeinden müssten mit keinen Kürzungen rechnen. Möglich sei dies, weil weniger Geld in Rücklagen fließen werde als geplant. Die Evangelisch-reformierte Kirche rechnete für dieses Jahr mit Einnahmen aus der Kirchensteuer von rund 35,7 Millionen Euro.


AKTUELLES

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Foto: Jörn Neumann

Flüchtlingslager Moria auf Lesbos Feb.2020

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Foto: Ulf Preuß

Beim Landesposaunenfest 2012

Foto: Oliver Kulikowsky

Die Poseidon vor ihrer Taufe zur Sea-Watch 4 im Kieler Hafen.

Video mit Kirchenpräsident Martin Heimbucher

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Deutschland kann mehr Kirchenpräsident Martin Heimbucher hat die Bundesregierung aufgefordert, deutlich mehr Kinder und Jugendliche als bisher vorgesehen aus den griechischen Flüchtlingslagern aufzunehmen. Deutschland und auch Niedersachsen könnten mehr, erklärte Heimbucher in einer Stellungnahme. „144 Städte, Gemeinden und Landkreise in Deutschland haben sich der Aktion ‚Seebrücke‘ angeschlossen und sich zu ‚sicheren Häfen‘ erklärt, 26 davon in Niedersachsen. Sie sind bereit, zusätzliche Aufnahmeplätze für Schutzsuchende zur Verfügung zu stellen.“ Wenn für den Anfang jede dieser Städte nur zehn weitere Flüchtlingskinder aufnehmen würde, könne Deutschland bereits jetzt 1.440 Kindern und Jugendlichen Schutz bieten, rechnete der Kirchenpräsident vor. Weitere Städte und Gemeinden könnten und sollten folgen. Ein solcher Beitrag wäre nicht zu hoch für das wirtschaftlich stärkste Land Europas: „Und angesichts der Not in den Flüchtlingslagern ist er auch dringend geboten.“ Etwa 50 Kinder konnten Ende April aus Griechenland nach Deutschland kommen. Insgesamt hatte sich die EU verpflichtet, 1.500 unbegleitete Kinder und Jugendliche aus den griechischen Lagern aufzunehmen. Heimbucher sagte, es sei richtig, angesichts der Corona-Pandemie auf besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen wie alte und kranke sowie obdachlose Menschen und Bewohner von Heimen Rücksicht zu nehmen. „Die gleiche Grundhaltung muss aber auch gegenüber den Flüchtlingen an den Grenzen Europas gelten. Seit Jahren nehmen wir in Kauf, dass Flüchtlinge auf den griechischen Inseln buchstäblich im Dreck landen.“ Die Lager seien bekanntlich heillos überfüllt. „Angesichts der auch dort steigenden Infektionsgefahr müssen wir fragen: Wollen wir denn auf diesen Inseln nun auch Massengräber in Kauf nehmen?“, mahnte Heimbucher und warnte: „Die Not ist groß, die Gefahr noch größer.“ Europa müsse handeln, Deutschland dürfe nicht länger warten.

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Landesposaunenfest abgesagt Auch das geplante Landesposaunenfest musste wegen des Corona-Virus abgesagt werden. Vom 5. bis 7. Juni wollten sich rund 400 Bläserinnen und Bläser aus den evangelisch-reformierten Posaunenchören in Brandlecht in der Grafschaft Bentheim treffen. Nach Angaben von Landesposaunenwartin Helga Hoogland soll das Fest im Jahr 2021 nachgeholt werden. [4]

Corona bremst Rettungsschiff Ein knappes Jahr ist es her, dass sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) für ein eigenes Seenotrettungsschiff im Mittelmeer stark gemacht hat. Doch die Corona-Krise wirkt sich auch auf dieses Projekt aus. Die Realisierung der Idee ging zunächst schnell: Im Januar konnte das ehemalige Forschungsschiff „Poseidon“ ersteigert werden. Seit April sollte es eigentlich im Mittelmeer Dienst tun, doch Covid-19 hat diese Pläne durchkreuzt: Noch liegt das Schiff in der Werft im spanischen Burriana, um für die Flüchtlingsrettung umgebaut zu werden. Aufgrund der Pandemie befand sich Spanien wochenlang im Ausnahmezustand, Baumaterialien waren nicht zu bekommen. Gleichzeitig gehe die Spendenbereitschaft durch die Pandemie zurück, heißt es vonseiten des Bündnisses „United4Rescue“, das Geld für das Hilfsprojekt einwirbt. Aber es gibt auch positive Entwicklungen: Mittlerweile unterstützen gut 450 institutionelle Partner „United4Rescue“, darunter sind Rockbands und namhafte Firmen. Die Evangelisch-reformierte Kirche unterstützt das Projekt mit 15.000 Euro. Die finanzielle Hilfe ist gerade zurzeit dringend notwendig, denn Geflüchtete, die aus dem Mittelmeer gerettet werden konnten, dürfen wegen Corona nicht sofort an Land. Das macht die Rettungsaktionen teurer. Wann das „Kirchenschiff“ nun tatsächlich in See stechen kann, ist im Moment noch nicht absehbar. Mehr unter #wirschickeneinschiff und www.united4rescue.com

Moorkirche verkauft Die Evangelisch-reformierte Gemeinde Meppen-Schöninghsdorf hat die historische Moorkirche verkauft. Dies gab der Kirchenratsvorsitzende Jürgen Book vor kurzem bekannt. Die über 100 Jahre alte Kapelle sowie das direkt dahinter angrenzende Freizeithaus erwarben zwei Personen aus dem Emsland. Laut einem Medienbericht wollen sie die Kirche für kulturelle Veranstaltungen nutzen. Das Freizeithaus wollen sie bewohnen. Der hinter der Kirche gelegene Friedhof bleibt jedoch weiter in Betrieb, so Book. Ende 2018 hatte die Kirchengemeinde die Stilllegung der Kirche beschlossen, der letzte Gottesdienst wurde im Januar 2019 gefeiert. Zuletzt war die Zahl der Gottesdienstbesucher stark zurückgegangen. Die 1907 im Jugendstil errichtete Kapelle war zwar historischer Ausgangspunkt der reformierten Gemeinde im mittleren Emsland, doch hatte sich deren Schwerpunkt seit den 70er Jahren immer mehr ins Gemeindezentrum nach Meppen-Esterfeld verlagert.

IMPRESSUM Reformiert: ,reformiert’ ist die Mitgliedszeitschrift der Evangelischreformierten Kirche. Herausgeberin: Evangelisch-reformierte Kirche, Saarstraße 6, 26789 Leer, www.reformiert.de Redaktion: Ulf Preuß (verantwortlich), Pressesprecher, Tel. 0491 / 91 98-212, E-Mail: presse@reformiert.de Redaktionsbeirat: Andre Berends, Klaus Bröhenhorst, Antje Donker, Andreas Flick, Matthias Lefers, Günter Plawer, Steffi Sander, Herbert Sperber, Burkhart Vietzke Konzeption, Gestaltung und Layout: dpp - Designagentur projektpartner, 26789 Leer, www.dpp-leer.de Druck und Vertrieb: SKN Druck und Verlag, Norden, www.skn-druck.de Auflage: 125.000 Exemplare

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Foto: Britta Brühling

Steffi Sander ist Pastorin der Gemeinde Hinte

AUSBLICK

Es ist mir Wie Dir? Klarer denn je. Noch ehe der Tag sich neigt Kann Deiner zu Ende sein. Meiner auch. Leben ist. Fragil. Ich rücke den Sessel an mein Zeitfenster. Sinke hinein. Blicke hinaus. Was war? Was ist? Was wird sein? Vor Augen die Grafik des Lebens. Biographie. Wer hält eigentlich den Stift in der Hand? Variiert in wahrhaft vielen Farben seh ich in der Ferne das Vertraute. Meine Ahnen. Mädchenzöpfe. Urlaubs- und auch Regentage. Ein aufgeschürftes Knie. Näher: Eine nie geahnte Pandemie. Leben. Ist fragil. Jemand hat mit Gold an mein Firmament einen kleinen Stern gehängt! Er ist schön. Er strahlt hell. Es ist ein Asterisk * Typografisches Zeichen für geboren. Hast Du Deinen schon entdeckt? Deinen Asterisk? Grafik des Lebens. Biografie. Was war? Was ist? Und: Was wird sein? Vielleicht gefällt dir Wie mir?

Nicht alles, was Du siehst. Und Du fragst Dich, wie es wird? Leben. Ist fragil. Ist das da an Deinem Knie eigentlich auch nur aufgeschürft? Oder ist da mehr? In meinem Zeitfenster muss irgendwo irgendwie irgendwann Das kleine Kreuz † zu finden sein. In Deinem auch. Typografisches Zeichen für gestorben. Leben ist fragil. Ich ahne: Aufgeschürfte Knie sind ein Kinderspiel… Beunruhigt muss ich das jetzt doch genauer wissen. Stehe auf. Berühr mit meiner Hand die Scheibe. Staune! Es ist gar keine da. Wir sind mittendrin. Ich komme fast ins Stolpern. Suche Halt am Rahmen. Staune mehr! Der ist aus reinstem Gott. Was noch kommt? Wie das hier wird? Ich weiß es nicht. Leben ist fragil. Dein Asterisk. Er strahlt! Wird einst zur Schnuppe. Fallen. Klar. Meiner auch. Aus dem Rahmen fallen wird er nicht * Von Steffi Sander


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