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Ausstellung „Klein. Intim. Kostbar. –Porträtminiaturen europäischer Herrscherfamilien“ im Badehaus von Schloss Fasanerie bei Fulda

Sie sind winzig klein und doch voller Bedeutung: Porträtminiaturen. Als eigene Gattung der Malerei entstanden im Europa des 17. bis 19. Jahrhunderts Porträtgemälde im Miniaturformat, meist als sehr private Erinnerungen an geliebte Menschen. Man trug sie mit sich, an einer Kette um den Hals oder am Handgelenk, verwahrte sie in Etuis oder applizierte sie auf kleine Dosen. Das Museum Schloss Fasanerie zeigt im Sommer 2021 zum ersten Mal die historische Miniaturensammlung des landgräflichen und kurfürstlichen Hauses Hessen-Kassel der Öffentlichkeit. Erzählt werden die spannenden Geschichten hinter den winzigen Bildnissen von Königen und Prinzessinnen, man erfährt in welch aufwendiger Technik die Porträts hergestellt wurden und wer die berühmtesten Künstler der Miniaturenmalerei waren.

Porträt einer nicht identifizierten höfischen Dame mit Hermelinumhang

...gemalt wohl von Louis Sené (1747-1804), um 1800.

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In zahlreichen Vitrinen der verschiedenen Räumen von Schloss Fasanerie findet man kleinformatige Porträts von Angehörigen europäischer Herrscherfamilien, insbesondere von den Verwandten des Hauses Hessen aus Preußen, England oder Dänemark. Man nimmt sie kaum wahr angesichts der Fülle dessen, was es im Schlossmuseum zu sehen gibt. Und neben den großen repräsentativen Porträts auf Leinwand führen diese Miniaturporträts zu Unrecht ein Schattendasein. In diesem Sommer stellt das Museum Schloss Fasanerie die Miniaturmalerei in den Fokus, widmet den winzigen Porträts eine Ausstellung und veröffentlicht einen Katalog dieses Sammlungsbestands.

Sentimentale Porträts mit sehr privatem Charakter

Die Miniaturmalerei ist viel mehr als eine verkleinerte Variante der Porträtmalerei auf Leinwand, sie ist eine eigene Gattung der Kunst mit unterschiedlicher sozialgeschichtlicher Funktion. Während das große Leinwandporträt für den öffentlichen Ort bestimmt war, war das Miniaturporträt nicht selten den Blicken anderer durch einen Deckel oder ein Etui entzogen. Es war bestimmt für den Gebrauch oder zur Freude seines Besitzers. Entsprechend hingen Miniaturen auch nicht unbedingt an der Wand, sie konnten verschickt und auf Reisen mitgenommen werden. Und nicht selten trugen Besitzerin oder Besitzer sie eng bei sich, man betrachtete sie in der Handfläche, trug sie um den Hals oder am Armgelenk oder man konnte sie – stellvertretend für die geliebte dargestellte Person – innig an die Brust pressen. So enthalten die kostbaren Rahmen der Miniaturen neben dem Porträt nicht selten als Teil von ihm und reales Erinnerungsstück an den geliebten Menschen eine Haarlocke.

Zwar dienten auch Miniaturbildnisse hin und wieder repräsentativen Zwecken, wenn sie etwa Teil einer Ahnengalerie im Kleinformat waren, oder als diplomatische Geschenke versandt oder zur Heiratsanbahnung benutzt wurden. Meistens jedoch waren Miniaturen sentimentale Objekte mit sehr privatem Charakter. Man begegnet auf den Miniaturporträts auch Königen und hochadeligen Personen in seltener privater Vertrautheit, wenn die Miniaturporträts rein privaten Zwecken dienten, etwa dem Andenken an geliebte Menschen, an die Kinder oder als Geschenke zwischen Liebenden.

Geschenke zwischen Liebenden mit erotischen Anspielungen

Diese kleinformatigen Porträts hatten die Funktion, die im 20. Jahrhundert solche Fotos hatten, die man in Portemonnaie oder Brieftasche bei sich trug. Damit erfüllten Miniaturporträts den Zweck der sehr privaten Fotos, die man heute auf seinem Smartphone gespeichert hat, ohne sie in sozialen Netzwerken zu veröffentlichen. Die Fotos, die uns überallhin begleiten, in versteckten Alben oder als Hintergrundbild gespeichert.

Rahmen mit verschiedenen Miniaturporträts von Mitgliedern des englischen Königshauses

...darunter in der Mitte die Porträts von König George II. von Großbritannien und seiner Gemahlin Königin Karoline, geb. Prinzessin von Brandenburg-Ansbach, gemalt von Christian Friedrich Zincke (1685-1767), um 1730.

Bei Geschenken zwischen Liebenden kam auf den historischen Miniaturen hin und wieder auch eine erotische Komponente hinzu, die heute nur noch schwer zu entschlüsseln ist. So dezent sind die Hinweise nach modernem Verständnis und so unbekannt sind uns heute die Anspielungen der Zeit von vor 250 Jahren. In der Ausstellung wird verraten, hinter welcher scheinbar harmlosen Darstellung des Rokoko sich eine unzweideutige erotische Anspielung verbirgt.

Von der Miniatur zum Smartphone-Foto

Anhand von Beispielen aus der Miniaturensammlung im Schloss Fasanerie lässt sich auch die Geschichte dieser Gattung der Malerei nachvollziehen. Der Name „Miniatur“ leitet sich aus der mittelalterlichen Buchmalerei ab, bei der man mit der roten Farbe minium (Mennige) an den Anfangsbuchstaben biblischer Texte kleinformatige Verzierungen anbrachte. Doch die Miniaturmalerei entwickelt sich als eigenständiger Kunstzweig im Laufe des 16. Jahrhunderts. Ihre Blütezeit erlebte die Porträtminiatur in der Zeit des Rokoko sowie im Biedermeier, bevor das kleinformatige Bildnis durch die Fotografie verdrängt wurde. Bei den Miniaturporträts der Belle-Époque handelt es sich teilweise bereits um kleine colorierte Fotos.

Hauchdünnes Elfenbein und technische Präzision

In ihrer Maltechnik handelt es sich bei den winzigen Porträtgemälden oft um Meisterwerke. Die spezialisierten Maler bedienten sich großer Lupen, um so präzise Pinselstrich neben Pinselstrich zu legen, dass sich die historischen Miniaturen heute vielfach fotografisch vergrößern lassen, ohne dass der Betrachter Qualitätseinbußen feststellt. Auch das Know-how der Miniaturenmalerei wird in der Ausstellung der Kulturstiftung des Hauses Hessen vorgestellt: Als Bildträger wurde zumeist Tierhaut (Pergament) verwendet. Dessen glatt polierte Oberfläche ist sehr homogen und leicht transparent. Daneben kamen sehr feine, teilweise weniger als ein Millimeter dicke Elfenbeinblätter als Bildträger zum Einsatz. Bereits in unbemaltem Zustand kam das Elfenbein durch seine Farbe, die feine Maserung und seine wächserne Transparenz der optischen Wirkung menschlicher Haut verblüffend nahe. Seltener wurde Emaille als Bildträger verwendet, es bot sich aber als sehr glatte gläserne Oberfläche ebenfalls an und war sehr widerstandsfähig, denn die Farbe wurde durch mehrere Brände unlöslich mit dem weißen Grundemaille verbunden. Bei dieser Technik schätzte man die kräftigen brillanten Farben und deren glänzende Bildoberfläche.

Entgegen der fälschlichen Annahme, die Pinsel der Miniaturisten hätten nur wenige Haare gehabt, arbeiteten die Maler eher mit vollen aber sehr spitzen Pinseln, die gut zu führen waren und ausreichend Farbe aufnehmen konnten. Daneben kamen Klingen und spitze Holzstäbchen zum Einsatz, um den Farbauftrag wieder zu entfernen, zu korrigieren, oder um scharfe Konturen zu schaffen. Die Miniaturmaler verwendeten zumeist Wasserfarben: diese konnten lasierend oder deckend aufgetragen werden, in feinen Strichen oder gerne auch feinst gepunktet. Zum Schutz der empfindlichen Malschicht erhielten Miniaturen immer ein Deckglas, das bevorzugt leicht bombiert war, damit die Farbe nicht am Glas festkleben konnte. Das Ganze wurde meist von einem zur Kostbarkeit der Malerei passenden Rahmen zusammengehalten. Je nach Verwendungszweck konnten verschieden Typen zum Einsatz kommen, etwa solche, die man auf ein Armband aufsetzte oder ganz winzige, die als Ring am Finger getragen werden konnten.

Verwandtschaftliches Netzwerk

Porträt der Königin Luise von Preußen

...geb. Prinzessin Mecklenburg-Strelitz (1776- 1810), gemalt nach Johann Heinrich Schröder (1757-1812), um 1800.

Das landgräfliche und kurfürstliche Haus Hessen-Kassel besitzt eine bedeutende Sammlung dynastischer Miniaturporträts, die sich mit den Beständen anderer großer europäischer Fürstenhäuser vergleichen lässt. Heute sind im Eigentum der Kulturstiftung des Hauses Hessen noch ca. 400 dieser kleinformatigen Porträts erhalten, eine Anzahl, die in etwa dem Besitz des Hauses Habsburg in der Hofburg zu Wien entspricht. Weitere sehr große Porträtminiaturensammlungen besitzen in Europa das Haus Oranien-Nassau in Den Hag oder die englische Königin in der Royal Collection. Der Großteil der Sammlung sind Porträts von Familienangehörigen des Hauses Hessen, sowie von Verwandten und angeheirateten Mitgliedern anderer Fürstenhäuser. Etwa 75 Porträts brachte Kaiserin Victoria (1840- 1901), die englische Gemahlin des deutschen Kaisers Friedrich III., in die Sammlung ein, als sie ihrer jüngsten Tochter Margarethe ihre Kunstsammlung vererbte. „Kaiserin Friedrich“ hatte insbesondere Miniaturporträts aus ihrer elterlichen englischen Familie sowie aus der preußischen Familie ihres Gemahls gesammelt.

Porträt der Prinzessin Friederike von Mecklenburg-Strelitz (1778-1841)

...gemalt von Cornelius Hoyer (1741-1804) um 1795. Die junge Prinzessin, die später Königin von Hannover wurde, hält in der Hand eine Miniatur mit dem Porträt eines Mannes, vielleicht ihres ersten Gemahls, Prinz Louis von Preußen.

Anhand der Sammlung im Museum Schloss Fasanerie können einige der bedeutendsten Miniaturen-Maler in der Ausstellung vorgestellt werden. Beim direkten Vergleich mehrerer Bildnisse erkennt man, warum bestimmte Meister in ihrer Zeit als Porträtisten besonders geschätzt wurden. Heute werden Minaturporträts nicht mehr hergestellt, aber in unserer heutigen von Fotografien überfluteten Zeit üben diese kleinformatigen Bildnis-Unikate eine ganz besondere Faszination auf den Betrachter aus. Insbesondere dann, wenn es einem Maler gelungen ist, neben der Ähnlichkeit mit dem Modell auch dessen Wesen und Gemütszustand im Porträt festzuhalten, erkennen wir die Meisterschaft der Porträtminiatur, die über das hinausgeht, was ein Fotograf wiederzugeben vermag.

Ausstellung „Klein. Intim. Kostbar. –Porträtminiaturen europäischer Herrscherfamilien“

MUSEUM SCHLOSS FASANERIE / BADEHAUS Bitte beachten Sie, dass die Ausstellung verlegt wurde auf den Zeitraum vom 24. April bis 5. September 2021.

Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen, 11.00 – 17.00 Uhr

Eintritt: 6,00 Euro; 5,00 Euro (ermäßigt); 3,00 Euro (Schüler) Führungen für Gruppen (nach Vereinbarung): 130 EUR (max. 20 Pers.)

Kulturstiftung des Hauses Hessen, Schloss Fasanerie, 36124 Eichenzell, info@schloss-fasanerie.de Tel. +49 661 94860

www.schloss-fasanerie.de

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