PRESTIGE Germany Volume 13

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FINANCE

dass wir es nicht in uns tragen. Jedoch würde ich es nicht als Satan definieren, sondern als Egozentrik, Unreife und die Unfähigkeit, mit Situationen zurechtzukommen. Am Ende geht es um Überforderung, aber die darf man auch nicht durchgehen lassen. Dennoch gibt es wie gesagt Psychologen, die nichts von Gewalt und Störungen hören wollen. Doch schauen Sie auf den Rechtsmediziner. Er untersucht nur eine einzige Krankheit, und diese heisst Gewalt. Und wir Profiler sind die Detektive dieser Krankheit. Wenn man nun hergeht, und sagt, dass es Gewalt nicht geben würde, wenn man richtig miteinander reden würde, dann wird es schwierig. So soll jeder seine Meinung haben, aber Menschen, die den moralischen Abhang schon ein wenig zu weit heruntergerutscht sind, brauchen in meinen Augen mehr als nur ein bisschen Kumbaya. Warum sind Profiler in der Wirtschaft wichtig? Man hat den Eindruck, dass es im Moment ganz besonders schrecklich ist. Faktisch gibt es nicht mehr Gewalt und nicht mehr Korruption als früher. Es gibt einfach mehr Transparenz. Da wird sehr schnell deutlich, was um uns herum passiert. Interessanterweise führt dies aber zu mehr Ängsten bei den Menschen, auch wenn die Aufklärungsquote und auch die Möglichkeiten, etwas aufzuklären, viel besser geworden sind. So verlieren wir durch Hunger, Krankheiten, Kriege deutlich weniger Menschen, fühlen uns aber immer stärker bedroht. Die Zahl der Blender und Trickser hat also in der Wirtschaft nicht zugenommen? Es ist die Eloquenz des Betruges, die wächst, je mehr neue Techniken zur Verfügung stehen. Wenn wir jetzt über das Recruitment sprechen, gibt es wissenschaftliche Untersuchungen, die besagen, dass bis zu 70 Prozent der Referenzen gefälscht sind. Im Zeitalter von Photoshop nicht verwunderlich. Auf der anderen Seite hat auch der Arbeitgeber andere Möglichkeiten, zu erfahren, mit wem er es zu tun hat. Doch die meisten sind zu faul, zu gutgläubig. So hat ein Test gezeigt, dass nur drei von 100 Unternehmen reali­ sieren, dass die Heimatanschrift des Bewerbers die der öffentlichen Vollzugsanstalt ist. Schwedische Gardinen statt Sabbatical ruft aber die Gutmenschen auf den Plan. Menschen eine zweite Chance geben, da bin ich total dafür. Aber es wird nicht einmal hinterfragt, warum derjenige sass; und wollen sie wirklich verantworten, dass genau diese Person an neuralgischen Knotenpunkten wie der IT sitzen und die volle Macht geniessen soll, das Unternehmen lahmlegen zu können. 30 bis 40 Prozent meiner Arbeit Aufklärung sind. Wir sind die Experten, die aufgeboten werden, wenn es existenziell ist. Ob Unternehmer, Führungskraft und auch der ganz normale Mensch, den meisten fehlt es an den Infos, wie man Blender, Ausnutzer und Psychopaten erkennen kann. Denn leider lernen wir nicht schon in der Schule, Menschen zu lesen. Das fände ich jedoch sehr wichtig. Und wenn man etwas lernt, dann rein von der pädagogisch psychologischen Seite des Menschen. Das ist die archetypisch mütterliche, fürsorgliche Lesart des Menschen. Viele therapeutische Kollegen sagen daher, dass es das Böse in der Welt nicht gibt. Als Profiler dagegen scannen wir die andere Seite: Welche Störung ist da, die uns das Potenzial am Ende gar nicht nutzen lässt. Das ist die archetypisch väterliche, fordernde Lesart. Trägt nicht jeder einen Kern Böses mit sich herum? Ich sage es mal so: Neben dem «Tatort» gibt es in Deutschland nur die Fussball-WM, die mehr Zuschauer hat. Bei solch einer Faszination für das Böse kann es gar nicht sein,

Wie gehen Sie beim Profiling vor? Es gibt den detektivischen und den Profiler-Teil. Für den ersten reicht es oft schon, dass man jemanden die Fakten des Lebenslaufs eines Bewerbers checken lässt. So haben wir in Untersuchungen Zeugnisse von Hochschulen vorgelegt, die nicht existieren. Oder aber die Hochschule existiert, hat aber nicht diese Fakultät. Erst, wenn wirklich pingelig alle Angaben überprüft wurden, kommt der Profiler ins Spiel. Wir schauen: Passt die Person ins Team? Und wird die Person mit der Belastbarkeit, den Herausforderungen zurechtkommen können, um die es geht? Und das ist keine One-Man-Show, wie viele glauben. Pro Kandidat sind zwischen 15 und 25 Analysten beschäftigt, die in der Regel rund neun verschiedene Methoden anwenden. Daher ist das Ganze auch verhältnismässig teuer. Auf zehn Neuanstellungen kommen drei Fehleinschätzungen, so sagten Sie einmal. Viele machen sich einfach keine Gedanken, wen sie wirklich brauchen. Sie merken, wir sind zu wenig, und holen einfach irgendwen. So würden sie nicht mal T-Shirts auswählen gehen. Leute suchen ihre Kleidung sorgfältiger aus als ihre Mitarbeiter. Das ist verrückt. Zudem wird das Ganze an die HR-Abteilung delegiert. Doch da sitzen Leute, die nie führen und schon erst recht nicht denjenigen, den sie einstellen. So kommt es dazu, dass sie dem glauben, der sich gut verkaufen kann. All die Blender, die Eindrucksmanager schneiden oft besser ab als die ehrlichen, tiefstapelnden Performer.

The luxurious way of life I 205


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