PRESTIGE Switzerland Volume 44

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TRAVEL

ls unsere Maschine nach einer langgezogenen Linkskurve auf die Landebahn des Velana International Airport einschwenkt, sind manche Passagiere sichtlich irritiert. Wie passt das Bild der unter dem Rumpf vorbeiziehenden Inselhauptstadt Malé, die sich wie ein Krebsgeschwür bis zum äussersten Rand des gleichnamigen Koralleneilands gefressen hat, zur erhofften Postkartenidylle menschenleerer Traumstrände? Ja, fast scheint die winzige Insel unter der Last der in Bonbonfarben und Pastelltöne gehüllten Bankentürme und Verwaltungsgebäude im Meer versinken zu wollen – die Rückseite der Fototapete. An keinem anderen Ort dieses tropischen Inselparadieses prallen Anspruch und Wirklichkeit, Tradition und Moderne wohl heftiger aufeinander.

Ein Italiener erfindet den Malediventourismus Ein Drittel der aktuell circa 400’000 Malediver lebt hier dicht gedrängt im geografischen Zentrum der insgesamt 26 Atolle auf ein paar Sandbänken, die kaum einen Meter aus den Fluten ragen. Vor den unerbittlich anrollenden Wogen nur von ein paar Dämmen und einem zunehmend maroden Aussenriff geschützt. Der Rest der Einheimischen verteilt sich auf rund 200 weitere Eilande, manche nicht viel grösser als ein Fussballplatz. Daneben gibt es aktuell knapp 120 an ausländische Investoren verpachtete Tourist Islands, deren Hochglanzfotos unser Maledivenbild prägen und jährlich Ziel von rund 1,4 Millionen Urlaubern sind. Die restlichen 900 Inseln sind unbewohnt oder von Kokos- und Gemüseplantagen bedeckt, werden teilweise aber auch industriell genutzt. Malé-City selbst, gerade mal knapp zwei Quadratkilometer gross, ist heute die am dichtesten besiedelte Hauptstadt der Welt. Trotzdem wächst die Bevölkerung unaufhaltsam weiter. Auch das ist vor allem eine Folge des ungebremsten Tourismusbooms. Allen Debatten über den Klimawandel und seine Folgen zum Trotz. Erfunden hat den Malediventourismus vor 45 Jahren der italienische Reiseagent Giorgio Corbin. Den verschlug es auf der Suche nach unentdeckten Hotspots für Taucher und Sportfischer 1971 allerdings eher durch Zufall auf die Inseln, nachdem er in Sri Lankas Hauptstadt Colombo den jungen Diplomaten Ahmed Naseem kennengelernt hatte, der Corbin von der unberührten Schönheit seiner Inselheimat vorschwärmte. Also bestieg Corbin gemeinsam mit Naseem das nächste Frachtschiff Richtung Malé. Damals gab es auf der Insel Strom nur stundenweise, weder Telefone noch Banken, ja nicht mal einen Polizisten. Nur zwei Taxen, die über unbefestigte Wege holperten, die von Palmen beschatteten Hütten gesäumt wurden, deren Korallenwände in der Sonne funkelten. Die Menschen lebten vom Bootsbau, Fischfang und dem Handel mit Kopra und Trockenfisch. Begeistert beschloss Corbin, mit einer Testgruppe zurückzukehren. Das einzige Problem: Es gab kein Hotel.

The luxurious way of life | 65


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