kmuRUNDSCHAU 03/2020

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DIGITALE KRANKENVERSORGUNG ANGEBOT UND AKZEPTANZ NEHMEN ZU von Stephan Wirz

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen hat durch die Pandemie weltweit einen kräftigen Schub erhalten. Auch in der Schweiz beschleunigt sich diese Entwicklung, neue Angebote liefern den Patienten und Versicherten viel Mehrwert. Digitale Angebote helfen bei der Überweisung aus der Ferne.

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ie Covid-19-Pandemie hat in vielen Ländern Schwachstellen im Gesundheitswesen aufgezeigt. Gleichzeitig haben diese Extremsituation und die damit einhergehenden Lockdowns dazu geführt, dass digitale Gesundheitsleistungen schlagartig eine ganz neue Wichtigkeit erhalten haben. Vor Covid-19 diente die Digitalisierung im Gesundheitsbereich vor allem der Vereinfachung von Prozessen als Instrument zur Kostensenkung und der Verbesserung des Kundenerlebnisses. Doch während des Lockdowns und des reduzierten Angebots der Spitäler und Arztpraxen wurden digitale Konsultationen und andere Gesundheitsdienstleistungen für viele Patienten plötzlich zur einzigen Möglichkeit, medizinische Hilfe und Beratung zu erhalten.

NEUE UND EFFIZIENTE MODELLE OHNE ARZTBESUCH Die spezifischen Probleme und Entwicklungen sind von Land zu Land verschieden. In China und anderen Ländern, wo sich zum Beispiel die Behandlung von Krebspatienten auf wenige grosse Zentren beschränkt, gab es ausserhalb der grossen Städte keinen Zugang zu Behandlungen und Medikamenten. Regierungen und Pharmaunternehmen arbeiten dort nun mit Hochdruck daran, für Ärzte und Patienten digitale Angebote zu entwickeln, damit Ärzte auch in abgelegenen Gebieten komplexe Behandlungen vornehmen können. Solche «Remote-Lösungen» werden auch in Ländern mit hoch entwickelten Gesundheitssystemen angestrebt; digitale und kostengünstige Gesundheitsberatung und -versorgung ist weltweit ein immer stärkerer Trend.

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Auch in der Schweiz war der Zugang zu Spitälern und Ärzten während des Lockdowns begrenzt. Die Anzahl der Telefon- und Videoberatungen ist in die Höhe geschnellt. Während Telefonmodelle vor einigen Jahren noch eher verpönt waren, nutzen nun immer mehr Patienten digitale Angebote. Beim Telefonmodell beispielsweise verpflichtet sich der Versicherte, vor dem Arztbesuch per Telefon eine medizinische Beratungsstelle zu kontaktieren, was den Arztbesuch in manchen Fällen überflüssig macht. Im Gegenzug zahlt er niedrigere Krankenkassenprämien. Patienten gehen heute nicht mehr systematisch zum Hausarzt, sondern suchen vermehrt MedixZentren (Gruppenpraxen) auf oder wählen ein Telefon- oder Apothekenmodell. Diese Dienstleistungen wurden in den letzten Jahren stark ausgebaut. Allgemein erfordern Bagatelluntersuchungen nicht zwingend einen Arztbesuch und einfache Überweisungen funktionieren auch per Videoberatung.

DIAGNOSE UND DATENAUSTAUSCH PER APP? Die Digitalisierung bietet in Sachen Diagnose von «einfacheren» Krankheiten grosses Potenzial. Verschiedene Krankenkassen sind dabei, zusammen mit entsprechenden Technologieunternehmen Geräte zu entwickeln, die eine einfache Messung verschiedener Werte ermöglichen. Instrumente, die der Patient an die Stirn halten kann, um die Temperatur zu messen, und Blutzuckermessgeräte sowie Diagnosegeräte für Entzündungen werden rasch weiterentwickelt und vereinfacht. Unzäh-

lige Personen, auch gesunde, tragen Uhren, welche die Herzfrequenz, den Blutdruck und den Sauerstoffgehalt im Blut messen. Herzrhythmusstörungen und andere Anomalien können sofort erkannt und bei Wunsch direkt an den Arzt übermittelt werden. Gerade auch ältere Patienten mit Gesundheitsproblemen können so «rund um die Uhr» überwacht werden, auch wenn sie noch zu Hause wohnen. Die Vorteile dieser neuen Anwendungen sind unbestritten. Zentral ist, dass solche Technologien und Geräte einfach zu bedienen sind – und dass der Datenschutz in jedem Fall gewährleistet ist. Je mehr Daten der Forschung zur Verfügung stehen, desto bessere Medikamente und Behandlungen können entwickelt werden, wie auch die aktuelle Suche nach einem Covid-19-Impfstoff zeigt. Doch beim Verkauf und der Auswertung von Gesundheitsdaten von beispielsweise AppleGeräten stellen sich verschiedene, nicht zuletzt ethische Fragen – und ob die Patienten und Nutzer solcher Geräte und Apps wirklich wissen, was mit ihren Daten geschieht. Davon zeugt in der Schweiz auch die Diskussion rund um die eHealth-Strategie und das elektronische Patientendossier. Mit der «Strategie eHealth Schweiz 2.0» wollen Bund und Kantone erreichen, dass von allen Einwohnern der Schweiz eine digitalisierte Krankengeschichte abrufbar wird. Im Mittelpunkt steht dabei das elektronische Patientendossier, das Spitäler, Pflegeheime und andere Anbieter von Gesundheitsleis-


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