kmuRUNDSCHAU 02/2016

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UNTERNEHMEN UNTERWEGS

Das Auto selbst zum Teil des Internets zu machen, ist deutlich anspruchsvoller. Gemeint ist damit, die Zustandsdaten, die ein Fahrzeug heute schon für die Diag­ nose erzeugt (der Standard für die Fahr­ zeugdiagnose OBD-2 gliedert sich in fünf Gruppen: elektrische Diagnosen, Sensor­ diagnosen, Aktordiagnosen, Systemdia­ gnosen und Komponentendiagnosen), in Echtzeit zu übermitteln und dann weiter zu nutzen. Zunächst werden diese Mög­ lichkeiten die Hersteller nutzen – etwa um den Verschleiss eines Fahrzeugs zu ana­ lysieren und den Fahrern rechtzeitig einen Termin beim Autohaus vorzuschlagen. Solche und weitere fahrzeugbezogene Informationen sind auch für die Car-to-xKommunikation erforderlich; sei es für den Austausch zwischen Fahrzeug und Infrastruktur (etwa Verkehrsleitsysteme oder das Garagentor daheim) oder zwi­ schen Fahrzeug und Fahrzeug. Für Unter­ nehmen werden mit dem Auto im Internet zahlreiche interessante Szenarien reali­ sierbar. Echtzeitdaten zum Zustand von Nutzfahrzeugen können etwa dazu die­ nen, eine vorausschauende Wartung (Pre­ dictive Maintenance) umzusetzen – und ungeplante Ausfälle zu vermeiden. Wenn die Fahrzeuge auf einem Betriebsgelände mit Schranken, Toren oder Aufzügen kommunizieren, lassen sich viele Pro­ zesse weiter automatisieren. Zudem ­werden ausgefeilte Sicherheitskonzepte möglich.

EVOLUTIONSSTUFEN GEHEN Es ist also vieles schon in der Praxis um­ gesetzt und wird in Zukunft Realität sein. Die Flotten, die KMU heute unterhalten, ermöglichen das aber noch nicht. Und kaum ein Unternehmen wird von heute auf morgen alle Fahrzeuge austauschen. ­Daher ist die Vernetzung der gewerblichen Mobilität eher ein evolutionärer Prozess, der mehrere Stufen durchläuft. Der beginnt mit zunächst vollkommen unvernetzten Autos, für die es Nachrüstlösungen gibt. Das sind zum Beispiel Boxen, die über ­einen Mobilfunkstandard eine Verbindung zum Internet herstellen können. Gleich­ zeitig ist diese Hardware mit Technologien ausgestattet, die die Fahrzeugumwelt ­erfassen – den Standort, Bewegungen, Schall oder Licht – und die mit der OBD2-Einheit via Bluetooth verbunden sind. So wird es möglich, Daten aus dem Auto via Web an ein zentrales System zu übermit­ teln, wo sie weiterverarbeitet werden – je nach Zweck.

Vernetzungsstrategien sind ein evolutionärer Prozess.

In den kommenden Jahren werden Fahr­ zeuge zur Regel werden, die schon von Werk aus mit allen Connectivity-Technolo­ gien ausgestattet sind. Allerdings werden die Automobilhersteller noch einige Zeit lang versuchen, das Ökosystem zu kon­ trollieren: Anwendungen, die auf dem ­Betriebssystem des Autos laufen, werden vom Hersteller selbst oder von wenigen ­externen Partnern kommen. Auf die Daten aus dem Auto werden Aussenstehende kaum zugreifen können. Das hat für die KMU zum einen zur Folge, dass ihre Aus­ wahl an Anwendungen eingeschränkt ist und speziell für sie realisierte Lösungen – wie bei Smartphones und Tablets üblich – die Ausnahme bleiben. Auch der limitierte Zugriff auf die Fahrzeugdaten wird zunächst einige Szenarien verhindern. Zum anderen wird es eine Herausforderung sein, eine Flotte zu managen, die aus Fahrzeugen ­unterschiedlicher Hersteller besteht – und damit auch eine Vielzahl von Systemen ­b edeutet. Bei den mobilen Endgeräten müssen nur drei Welten – Android, iOS und Windows Phone – integriert werden. Und schon das bereitet häufig Schwierigkeiten. Deshalb wird es – wann auch immer – ­zuletzt einen offenen Standard und eine ge­ meinsame Datenplattform der Hersteller geben, über den alle Fahrzeuge und Anwen­ dungen integriert werden können. Bevor das so weit ist, müssen die OEM aber er­ kennen, dass ihnen eine solche Offenheit mehr nutzt als schadet.

CUI BONO? Für die KMU sollte der Nutzen einer ver­ netzten Mobilität dagegen schon heute klar erkennbar sein. Sie profitieren prinzipiell auf zwei Ebenen. Erstens kommen sie einem Wunsch vieler Mitarbeiter nach, wenn sie auf Connected Cars setzen. Damit fördern

die Unternehmen die Zufriedenheit ihrer ­Angestellten und stärken so die Bindung. Wichtiger aber noch ist der Einfluss, den die Vernetzung auf zahlreiche Geschäfts­ prozesse haben kann. Das betrifft nicht nur die Bereiche, in denen die Mitarbeiter durch die Connected-Car-Dienste unterstützt werden; etwa durch die Integration der Kundenadressen in die Navigation. Auch nachgelagerte Aufgaben können erleichtert werden, im besten Fall wird beides kombi­ niert. So wie beim automatisierten Tankvor­ gang: Wenn das Fahrzeug an die Zapfsäule fährt, verbindet es sich mit dem System der Tankstelle. Die Abrechnung erfolgt dann online – ohne dass der Fahrer zur Kasse muss. Alle Daten werden auch an das ERPSystem des KMU gesendet. Belege nach­ träglich manuell zu erfassen, ist so nicht mehr notwendig. Auf ähnliche Weise kann auch eine Fahrtkostenabrechnung erfolgen, wenn ein Mitarbeiter mit seinem privaten Auto geschäftlich unterwegs war – voraus­ gesetzt, er fährt ein Connected Car.

FABIAN KEHLE arbeitet bei der Management- und IT-Beratung MHP – A Porsche Company. Als Senior Professional beschäftigt er sich dort intensiv mit dem Innovationsmanagement – besonders auf dem Gebiet der Mobilität von morgen. www.mhp.com

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