Tipi – Magazin für die Familie Frühling/2018

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Leben und wir

Urpeinlich, Papa! Mein Bac, dein Bac

Gehört ein Kinderzimmer zum Grundriss einer Wohnung oder doch nicht? Existiert diese Kammer des Schreckens nur in Hogwarts oder in einem Paralleluniversum oder ist sie real? Betreten verboten oder Teil des Haushalts? Will man sie überhaupt betreten ohne Seuchenschutzanzug oder tut man sich die Pflege des Kabäuschens tatsächlich an? Ich bin ein ordentlicher Mensch, weil ich schlicht und ergreifend zu faul bin, dauernd irgendwelche Dinge zu suchen, nicht zu wissen wo was ist, Gewand nicht zu finden ... ich hasse Unordnung. Fräulein Tochter hingegen ist Vorsitzende der Europäischen Chaosforschung und lebt nicht lineare Dynamik (ihr Zimmer) in dynamischen Systemen (meine Wohnung). Es herrscht Ordnung in ihrem Chaos, meint sie, und sie hat alles im Griff. Mit deterministischen Gleichungen hab ich nichts am Hut, mein mathematisch zu gering geschulter Geist teilt diese Meinung ergo nicht. So räume ich stur wie ein Esel jeden verfluchten Morgen ihr Zimmer auf. Um dann am Abend mit einer gewissen Faszination zu beobachten, wie der kleine Mensch es binnen weniger Sekunden bewerkstelligt, einen schönen, ordentlichen Raum in einen Kriegsschauplatz zu verwandeln. Ground Zero. Würde ich es ihr gleichtun wollen, wäre das selbst mit einem ausgetüftelten Verheerungsplan in dieser Zeit nicht zu schaffen. Die Diskussion ist täglich dieselbe, detto irgendwie fesselnd – diese Ausdauer wie von einem IronmanTriathleten. „Das ist mein Zimmer, kannst du das bitte in Ruhe lassen?“ – „Das ist

© Privat

Ein glorreicher Werbespot, der gefühlte 50 Jahre im Fernsehen lief. Wie das Bawag-Kapitalsparbuch. Tut zwar nichts zur Sache, die Diskussion ist aber eine ähnliche. von peter draxl immer noch meine Wohnung, und hier gelten meine Regeln.“ – „Mach einfach die Tür zu und lass sie zu, wenn dir der Anblick nicht gefällt.“ Nein, der Anblick gefällt mir nicht. Nie. Es sieht aus, als hätte die NSA den Laden komplett durchsucht, auf der Suche nach Kims Abschusscodes für sein atomares Spielzeug, und dabei jeden Nanomillimeter im Raum umgedreht. Jeden. Die Diskussion „Meine Wohnung, mein Zimmer, mein Chaos, meine Ordnung, dein Problem“ könnte ich auch mit einem Hydranten führen. Der hätte mehr Verständnis für meinen seelischen Schmerz. „Und außerdem ist das urpeinlich, dass du in meinen Sachen wühlst.“ Was bitte soll hier peinlich sein? Sind hier Waffen, Drogen, staatsfeindliche Propagandapapiere versteckt? Rauchwaren aus illegalen Quellen? Wohl kaum. Ihr Tagebuch? Greif ich nicht an, ich staube es nur ab. Und die Mini-BHs Körbchengröße Doppelminus-A, die kenn ich alle schon. Ah! Ein Bingo. Beim Thema Unterwäsche zieht das pubertierende Fräulein ein wenig Farbe im Gesicht auf. Das ist es also! Es ist also peinlich, dass ich die Unterwäsche sehe, anfasse, wegräume, in den Waschvollautomaten stopfe, reinige, aufhänge, zusammenfalte, wieder in den Kasten lege. „Du kannst dein Zeug auch selber waschen. Sofern du in der Lage bist, überhaupt zu erkennen, was Schmutzwäsche ist und was nicht.“ Selber waschen? Diese Aussage war scheinbar in Mandarin oder Klingonisch. Unverständnis, Entsetzen, Verwunderung, Wut in einer bunten Synchronizität in dem kleinen Gesicht einer entgeisterten bald 15-Jährigen. Die weder weiß, wie eine Waschmaschine, ein Staubsauger oder ein Geschirrspüler zu handhaben ist, noch jemals auf den Gedanken kommen würde, jene Gerätschaften irgendwann in ihrem Leben bedienen zu wollen. Selbst der Wasserkocher entbehrt nicht einer gewissen Herausforderung. „Eigentlich peinlich, dass du nicht mal weißt, wie eine Waschmaschine funktioniert.“ Zweites Bingo. Zu meiner Selbstverteidigung rattere ich wie ein Maschinengewehr Haushaltsgeräte raus, die Frau Chaosvorsitzende nicht zu bedienen weiß. Als Dank werde ich kraftvoll und bestimmt aus der NSA-Bude geschoben, und mir wird vor der Tür die Nase zugeknallt. Oder umgekehrt. Haha. Erwischt. Wer hier wohl peinlich ist. f rü h l i ng 2018 |

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