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VINSCHGER GESELLSCHAFT

Andrea Ladurner: „Die integrierte Landwirtschaft im Vinschgau ist alles andere als „pestizidintensiv’“.

Offene Antwort auf offenen Brief „Der Obstanbau im Vinschgau: alles andere als konventionell!“ VINSCHGAU - Andrea Ladurner - sie arbeitet neben ihrem Masterstudium „International Business and Sustainability“ im landwirtschaftlichen Familienbetrieb in Goldrain mit hat uns als Reaktion auf den offenen Brief von Renate Künast und weiterer Bundestagsabgeordneter der Fraktion Bündnis90/ Die Grünen (siehe der Vinschger Nr. 35/2020) folgende offene Antwort zukommen lassen.

Sehr geehrte Frau Renate Künast, mit großer Sorge sehe auch ich die Eskalation des Konflikts um den Pestizideinsatz in Südtirols Apfelplantagen. Ein wichtiger Faktor dabei: fehlendes Wissen und Ignoranz. Als Politikerin sind Sie sich der Wichtigkeit und des Einflusses der vierten Säule der Demokratie, nämlich einer seriösen und unvoreingenommenen Berichterstattung, sicherlich bewusst. Ebenso wie Sie bin ich der Ansicht, dass Meinungsfreiheit, Diskussion und Kritik wichtige Bestandteile einer offenen Gesellschaft sind und der Weiterentwicklung und Verbesserung bestehender Systeme dienen. „Auf Probleme und Missstände“ hinzuweisen kann daher durchwegs befürwortet werden. Doch setzen das Aufzeigen und Diskutieren von Problemen voraus, sich diesen nicht nur oberflächlich zu nähern, sondern sie tiefgehend zu beleuchten. Gerade deshalb löst Ihr offener Brief an Herrn Landesrat Arnold Schuler mehr als Verwunderung bei mir aus. Schwarz-Weiß-Denken ist eine oft genutzte Methode, um die komplexe, globalisierte Welt zu vereinfachen und bestimmte Situationen einordnen zu können. Dennoch erwarte ich von Ihnen als Politikerin, eine 6

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Vorbildrolle einzunehmen und die Welt nicht in das Schema „Wir“ gegen „die Anderen“ einzuteilen. Ich glaube die Geschichte hat wiederholt gezeigt, dass so eine Denkart selten zu einem harmonischen Zusammenleben und der Konfliktbeilegung beiträgt. Teilen Sie daher die Landwirtschaft in „Bio“ und „Nicht-Bio“ ein, in „gut“ und „schlecht“, so unterläuft Ihnen genau dieser Fehler. Dies hat aber schwerwiegende Konsequenzen für die Familienbetriebe im Vinschgau, die mit viel Herz und Leidenschaft versuchen, durch qualitativ hochwertige Äpfel und nachhaltige Produktion nicht nur die Zukunft ihrer Familien, sondern die vieler weiterer Menschen im Tal zu sichern. Offensichtlich liegt Ihnen als deutsche Abgeordnete die Südtiroler bzw. die Vinschgauer Landwirtschaft am Herzen. Daher gehe ich davon aus, dass Sie sich mit dieser umfassend beschäftigt haben und die besondere Situation in unserem Tal kennen. In Ihrem Brief sprechen Sie den „intensiven“ Pestizideinsatz im Vinschgauer Apfelanbau an und nennen diesen auch im Zusammenhang mit den Wirkstoffen Glyphosat und Chlorpyrifos.

natürliche Schädlingsbekämpfung“ stehen im Vordergrund (vgl. www.vip.coop/de/ äpfel-freunde/anbaumethoden/integrierteranbau). Der integrierte Pflanzenschutz (IPS) geht auf die Empfehlungen der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO in den 1960erJahren zurück und wurde übrigens 2009 auch im EU-Pflanzenschutzrecht verankert, da er als weltweites Leitbild für den Pflanzenschutz angesehen wird (vgl. „Insektenatlas 2020“: Heinrich-Böll-Stiftung, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland & Le Monde Diplomatique: www.boell.de). Die strengen Richtlinien der integrierten Landwirtschaft, d.h. einer nachhaltigen und umweltschonenden Anbauweise, legt die „Arbeitsgruppe für den integrierten Obstanbau“ (AGRIOS: www.agrios.it) fest. Vorgaben zur „(…) Wahl des Pflanzgutes und des Pflanzsystems, die Menge der Düngergaben, die Bewässerung, der Baumschnitt und die Baumerziehung, die Regulierung des Behangs und andere Maßnahmen bis hin zum Pflanzenschutz“ (vgl. ebd.) werden schriftlich festgehalten und von unabhängigen Kontrollstellen überprüft. Pflanzenschutzmittel werden so sparsam wie möglich eingesetzt, zahlreiche natürliche Methoden zur Bewahrung der BiodiversiFakten sprechen eine andere Sprache tät werden angewandt wie bspw. durch das An dieser Stelle sind wohl einige Fakten bewusste Pflanzen von Hecken und Sträunotwendig, um Klarheit zu schaffen: Alle chern, Errichten von Steinmauern, gezielte nicht biologisch produzierten Äpfel im Förderung von Nützlingen usw. Um das anVinschgau (rund 90%), werden nach den hand eines Beispiels zu veranschaulichen: Richtlinien der integrierten Produktion ange- Chlorpyrifos ist im integrierten Anbau, d.h. baut. Das bedeutet, „(…) optimaler Standort, in allen Apfelpantagen Vinschgaus, verboten. reduzierter Einsatz von Pflanzenschutzmit- Im konventionellen Anbau in Deutschland teln, schonende Pflege der Obstgärten und sind 3,6 kg Glyphosat pro Hektar und Jahr


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