Ausstellungstafeln "Glaube - Liebe - Gute Hoffnung"

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GLAUBE–LIEBE–GUTE HOFFNUNG ROMANTISCHES BRAUCHTUM AUS PFAFFENHOFEN EINFÜHRUNG „Wann i zruck denk an mei frühers Lebn, san ma Tag und Nacht bei de Menscher glegn. Boid am Heubodn, boid im Kuahstoi, ja woaß da Teifi no, wo überoi.“ In ihrem Lied singen die „Holledauer von da Sunnaseitn“ von vergangenen Liebesabenteuern. Die Orte, auf die sie dabei zurückgriffen, zeugen einerseits von der erotischen Leidenschaft, die zu so spontanen Liebeslagern führte. Andererseits zeigen sie auch, dass es sich dabei um außereheliche Treffen handelte, die im Geheimen stattfinden mussten. Denn die Liebe in früheren Jahrhunderten war alles andere als frei. Diese Ausstellung zeigt, welche erlaubten und unerlaubten Möglichkeiten junge Liebende früher hatten, um sich näher zu kommen. Die verschiedenen Ausstellungsstücke aus dem Bestand des Heimatmuseums im Mesnerhaus stehen dabei der Reihe nach für das erste Anbandeln, die körperliche Liebe, das Kinderbekommen und das Elternsein. Diese Themen waren begleitet von den Bemühungen, auch mit übersinnlicher Hilfe Einfluss auf sein Schicksal zu gewinnen. Sie reichten von harmlosen, spielerischen Traditionen über tiefreligiöse Rituale bis zu Magie und Aberglauben. Die Hinwendung zu überirdischen Mächten und das reiche und vielfältige Brauchtum zu Liebe, Fortpflanzung und Erotik zeigen, wie sehr sich Menschen damals bei Themen Hilfe wünschten, die auch heute noch lebensbestimmend sind. Dem gegenüber stand auf staatlicher Seite das Bemühen, die Bevölkerung im Sinn einer katholischen Morallehre zu erziehen. Vor allem unter Kurfürst Maximilian I. herrschten Sittengesetze, die bei Verstößen harte Strafen nach sich ziehen konnten. 1651 beschwerte sich der Herrscher, dass „die Weibspersonen unter dem Bauernvolk auf dem Lande beim Tanzen zu nicht geringem Ärgernis in gar kurzen Kleidungen“ ihre Reize zeigen würden. Neben der offiziellen, statthaften Liebe, die in der Öffentlichkeit gezeigt werden konnte, gab es aber auch eine Spielart der Liebe, die im Verborgenen, im Untergrund gelebt wurde. Aus Pfaffenhofen kennen wir gleich mehrere Fälle, in denen gegen die „Haltung eines Gunkelhauses“ eingeschritten wurde.

Diese Amüsierbetriebe, die eine „liederliche Wirtschaft“ führten, lohnten sich also selbst bei einer damaligen Einwohnerzahl von unter 2.000. So erfahren wir, dass ein gewisser Martin Zuell 1621 ein solches Etablissement „mit ein und Auslauf allerlej junger Burschen“ führte. 1624 musste eine Margareta Kolerer und 1698 eine Christina Obermair samt ihrer Tochter wegen entsprechender Vergehen zur Strafe in der Geige stehen. Doch wie die Moralvorstellungen sind auch die Schönheitsideale einem ge-schichtlichen Wandel unterworfen und ändern sich von Epoche zu Epoche. Während in der heutigen Modewelt extrem dünne Models als Schönheitsideal inszeniert werden, derbleckte der Hochzeitslader von Menzenbach einmal die Frauen des Dorfes gerade wegen ihrer Schlankheit:

„Die Braut nimmt Urlaub von allen Kräutern und Krammerdaxn (= Wacholder), von den alten Weibern in Menzenbach und ihren zaundürr’n Haxen.“ Diese Bemerkung wurde ihm so übelgenommen, dass die Stimmung kippte. Die Feier ging als Raufhochzeit in die Geschichte ein.

ALLGEMEINES ZUR AUSSTELLUNG Zum zweiten Mal setzt die Stadt Pfaffenhofen den Beschluss um, aus der Sammlung des Museums im Mesnerhaus temporär eine Auswahl an Objekten zu zeigen. Nach der erfolgreichen Ausstellung im letzten Jahr unter dem Titel „Paradiesische Zustände“ wurde wieder Frieder Leipold als lokaler Kurator und Kenner des ehemaligen Museums beauftragt, einen volkskundlichen Blick auf die Sammlung und die religiösen Objekte zu werfen.

DAS MUSEUM IM MESNERHAUS Die Objekte, die derzeit noch im Mesnerhaus lagern, wurden vor über 100 Jahren in Pfaffenhofen und Umgebung zusammengetragen: Bereits um 1900 haben Heimatfreunde begonnen, kirchliche Figuren und Bilder zu sammeln, aber auch religiöse Einrichtungsgegenstände aus den Bürger- und Bauernhäusern waren für sie hierbei von großem Interesse. Die gesammelten Gegenstände wurden lange in den Räumen des ehemaligen Franziskaner-Klosters an der Spitalkirche untergebracht. Doch als dieses 1972 umgebaut wurde, kamen die Objekte in zwei Kellerräume der damaligen Mädchenschule unter. Dort lagerten sie, bis sie – nach anderen Zwischenstationen – schließlich 1978 im Museum im Mesnerhaus ihre Bleibe fanden. Im Jahr 2008 kam es leider zur Schließung des Museums, weil das Gebäude nicht mehr den geltenden Anforderungen des Brandschutzes genügte.

Religiöse Kunst im Mesnerhaus

DIE SAMMLUNG Die Sammlung umfasst Skulpturen, Bilder und Gemälde zur Heiligenverehrung sowie zum Bruderschafts- und Wallfahrtswesen. Besonders beeindruckend sind die Klosterarbeiten, Pyramidenreliquiare und Fatschenkindl wegen ihrer kunstvollen, filigranen Verarbeitung mit Gold- und Silberfäden, Perlen und anderen Materialien. Votive aus Wachs, religiöse Einrichtungsgegenstände, aber auch Totenbretter erzählen von einem tief verwurzelten Glauben der Pfaffenhofener Bürger und Bürgerinnen vergangener Zeiten.

DER KURATOR DER AUSSTELLUNG Der Pfaffenhofener Historiker und Journalist Frieder Leipold entdeckte die Museumssammlung im Mesnerhaus für sich, als er zur Schlacht bei Pfaffenhofen im 30-jährigen Krieg recherchierte. Für ihn sind die Objekte wichtige Quellen zur Alltagsgeschichte Pfaffenhofens, da sie uns zum Beispiel – wie in dieser Ausstellung – vom romantischen Brauchtum in früheren Jahrhunderten berichten können.

Das Mesnerhaus heute

Das Heimatmuseum um 1930 © Stadtarchiv Pfaffenhofen

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