WIESBADENER*IN, Ausgabe IV/2023

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Wiesbadener*in Ausgabe IV / 2023

Preis: 6,50 €

Magazin für Kunst, KulTouren und Lebensfreude

Lothar Pohl

Sein letzter Abriss

Theatergruppe ZEITLOS

Eine Brücke zwischen den Welten

Museo de Arte Abstracto Español

Ein Künstlermuseum der Zukunft

Wohnprojekt Blü17

20 Jahre gemeinschaftliches Wohnen

Schwarzer Peter 2.0 Wilinskis Spiele mit den Läusen

70 Jahre CCW

Ein Jubiläum mit Schirmpaar

Frida Kahlos Fotografien

Zeitdokumente und intime Einblicke

Ein Jahr Neongolden Projekt WiCoPop*

Georg Schmitt

Kunst leben – bis es knallt

Donnerndes Theater

Neues von den Bühnen Mainz, Wiesbaden, Darmstadt und Saarbrücken



„The Crackers“, hier mit und ab sofort ohne Sänger Lothar Pohl

„Es ist zum wahnsinnig werden, aber wir kriegen ihn nicht zurück“, schrieben die Musiker von Rodgau Monotones in ihrem Nachruf auf den Kopf ihrer „Schwesterband“ Crackers. Der Tod ist nun mal eine endgültige Angelegenheit, auch für Lothar Pohl, den Biebricher Bub und Sänger der Crackers, der in seiner Heimatstadt den Beruf des Bankkaufmanns erlernte, (trotzdem?) zur hessischen Musiklegende heranreifte und nun -für viele überraschend – in seinem 7. Lebensjahrzehnt die Welt der Lebenden verließ. Der Urknall zündete 1983, als die Deutschrock-Band ihr erstes Album herausbrachte und vor allem mit dem Hit: „Klassenfahrt zum Titisee“ die Charts stürmte. Mit diesem Lied wurde die Wiesbadener Combo und ihr energiegeladener Sänger in ganz Deutschland bekannt. Hessen-Power pur, immer witzig und thematisch auf der Höhe der Zeit. Bis heute besteht die Band, für 2024 war eine weitere Tour mit neuen Songs in Planung. Nun müssen die Crackers ohne ihn auskommen, wie so viele andere auch. Denn Lothar wiesbadener*in IV/2023

Sein letzter Abriss Lothar Pohl zum Abschied Pohl war nicht nur stimmgewaltige Rampensau und prominenter Akteur der Turnschuhgeneration, sondern auch: Unternehmer, Gründer der Veranstaltungsagentur Palast Promotion, Radiomoderator, Stadionsprecher, Hymnenschreiber (für die SPD Hessen „Die Zeit ist reif“ im 2007-er-Wahlkampf, „Wir haben einen Traum“ für den SV Wehen Wiesbaden), Hochschul-Dozent, Klimabotschafter, „Night of Music“Teilnehmer, Rudelsänger, Ukulele-Spieler (als einer von „zehn berühmten und berüchtigten Musikern“ der Formation The Stagies), und seit kurzem Großvater.

Manchmal merken wir erst wie viel uns ein Mensch bedeutet, wenn er nicht mehr da ist und die Leerstellen sichtbar werden, die er hinterlässt. 70 Jahre – das ist nicht mehr wirklich jung, aber trotzdem noch kein Alter zum Sterben, sagt man. Immerhin hat er den Club 27 erfolgreich überlebt und sein ganz eigenes Ding gemacht. Und darauf kann er wirklich stolz sein. „Nur wenige Menschen sind wirklich lebendig, und die, die es sind, sterben nie. Es zählt nicht, dass sie nicht mehr da sind. Niemand den man wirklich liebt, ist jemals tot.“ (Ernest Hemingway)

Und dann war Schluss. Pohl sei ihm „manchmal fast unsterblich“ vorgekommen, so Bandkollege Stephan Ohnhaus, der wie viele andere betroffen und sprachlos war, als er vom plötzlichen Tod des Freundes, Kollegen und umtriebigen Kulturschaffenden erfuhr.



Inhalt

...... Weihnachten, Feiertage, Jahreswechsel in Sicht – endlich Zeit zum Lesen, Zeit für Literatur. Wir empfehlen folgende Werke: Horst Evers: Früher war mehr Weihnachten. Evers berichtet von traumatischen Erlebnissen mit dem Weihnachtsmann und testet Geschenkideen, von Ich-selbstganz-nackig-mit-Schleife bis zur Smartphone-Stirnhalterung (Rowohlt Verlag).

Jaroslav Rudiš: Weihnachten in Prag. An Weihnachten trifft der Autor drei einsame Gestalten: Kavka (genannt: Kafka), den König von Prag Nickolas Muray und Frida Kahlo, fotografiert und eine Italienerin aus Mailand. von Nickolas Muray, 1939, Nickolas Muray Sie alle erzählen von leuchtenden photo archives. Zu sehen bis zum 4. Juni 2024 in den Birnen und wärmenden Händen, Opelvillen Rüsselsheim: von Karpfen in Gurkengläsern und Frida Kahlo. Ihre Fotografien vom Christkind, das jedes Jahr in menschen & meinungen Sein letzter Abriss S. 3 dieselbe Kneipe kommt und sich mit Femmage an Marlies Krämer S. 6 der ratternden Straßenbahn wieder davonstiehlt (Luchterhand Verlag). unternehmen & märkte SEG

kultur & kreatives

Museum der Zukunft Kunst leben bis es knallt Neongolden Theaterfreunde WI Wiliniskis Läuse Grenzenlos Kultur Legenden im Gespräch Frida Kahlo ATELIEReins Theatergruppe Zeitlos Kulturfonds Klangvolle Begegnungen Staatstheater Saarbrücken Theaterdonner Staatstheater Darmstadt Kindertheater Kohlheck Kunsthaus Wiesbaden

magazin

KulTouren I KulTouren II

Zusammenleben

CCW Gemeinschaftlich Wohnen

S. 7

S. 8 S. 10 S. 12 S. 14 S. 15 S. 16 S. 17 S. 18 S. 19 S. 28 S. 30 S. 31 S. 32 S. 34 S. 38 S. 40 S. 41 S. 25 S. 36 S. 42 S. 43

Paul Auster: Auggie Wrens Weihnachtsgeschichte. Auggie Wren arbeitet als Verkäufer in einem Zigarrengeschäft in Brooklyn. Als Paul mehr über Auggies große Leidenschaft, das Fotografieren, erfahren will, erzählt dieser ihm eine Geschichte: von einem Ladendiebstahl, einer verlorenen Geldbörse und dem kleinen Schwindel, den er einer alten, blinden Frau vorspielt. Eine echte Weihnachtsgeschichte eben … (Rowohlt Verlag).

Schwalbe aus der Hitze Afrikas in die Kälte des Nordens. Und ein Dritter macht sich im Verborgenen ebenfalls auf den Weg. Ohne dass die drei voneinander wissen, sind sie doch untrennbar miteinander verbunden. Eine poetisch erzählte, ungewöhnliche Weihnachtsgeschichte (Gerstenberg Verlag).

Klüpfl und Kobr: Morgen, Klufti, wird‘s was geben. Weihnachten bei den Kluftingers, das sind Erikas selbstgebackene Plätzchen, Kluftingers alljährlicher Kampf mit dem Christbaum und vor allem viele liebgewonnene Traditionen. Als sich spontan Besuch aus Japan ankündigt, der nicht weniger erwartet als das ultimative Allgäuer Weihnachtserlebnis, nimmt die Katastrophe ihren Lauf …(Ullstein).

Walter Moers: Weihnachten auf der Lindwurmfeste. Als Walter Moers den Briefwechsel zwischen Hildegunst von Mythenmetz und dem Buchhaimer Eydeeten Hachmed Ben Kibitzer sichtete, stieß er auf einen Brief, in dem der zamonische Autor ein Fest schildert, das Moers frappierend an unser Weihnachtsfest erinnert hat. Das gibt es traditionell ungesundes Essen, ein Bücher-Räumaus, ein feuerloses Feuerwerk und vieles andere mehr. Nie war Weihnachten so zamonisch (Penguin Verlag).

Timothée de Fombelle: Hinter dem Schnee. Ein einsamer Eiswagenfahrer ist am Weihnachtsabend unterwegs von Italien nach England. Am selben Abend fliegt eine

Ansonsten wünschen wir Ihnen wir immer viel Vergnügen mit Kunst und Kultur in dieser Ausgabe und eine hoffentlich entspannte Winterzeit.

IMPRESSUM: Herausgeberin, Gesamtkoordination & Gestaltung: media futura • Inh. Petra Esser • Mittelstraße 3 • 56856 Zell/Mosel • Tel. 06542.954.00.80 • Fax: 06542.954.00.79 • www.media–futura.de • mail@media–futura.de • Gestaltung: Petra Esser • Redaktion: Petra Esser, Tobias Mahlow, Gesine Werner, Konstantin Mahlow • Anzeigenleitung: Tobias Mahlow • Titelbild: Reinhard Berg, Lothar Pohl (+) • Vignetten: Bernd Schneider • Druck: WIRmachenDRUCK GmbH, Backnang • Redaktionsschluss für die Ausgabe I/2024: 15.02.2024 • Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages • alle Fotos und Logos wurden uns – wenn nicht anders dokumentiert – von den porträtierten Personen/Institutionen zur Verfügung gestellt. wiesbadener*in IV/2023


menschen & meinungen

Die Marie Juchacz-Preisträgerin Marlies Krämer in Camilo Berstechers Film „Die Kundin“. Die gezeigten Szenen bekamen bei der Buchpräsentation in der Sulzbacher „Aula“ viel Applaus

„Als Frau will ich in Sprache und Schrift erkennbar sein!“ Eine Femmage an „DIE KUNDIN“ Marlies Krämer, die nicht „geschlechtsblind“ und kein „KUNDE“ ist

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eit über 30 Jahren kämpft Marlies Krämer aus dem saarländischen Sulzbach, Witwe und alleinerziehende Mutter von vier Kindern, für Gendergerechtigkeit in der Muttersprache. Auch mit 85 Lenzen spricht die unerschrockene Vorkämpferin Tacheles. „Die Dummheit und die Blödheit gehen ständig schwanger.“ Hartnäckig fordert die bundesweit bekannte Feministin Selbstverständliches: „Als Frau will ich in Sprache und Schrift erkennbar sein!“ Die Marie Juchacz-Frauenpreisträgerin wehrte sich als Sparkassenkundin gegen das ”Totschweigen” in Formularen. Ihren Reisepass unterschrieb sie nicht als “Inhaber”, blieb jahrelang ohne diesen Ausweis. 1996 wurde ihr das Dokument möglich durch die “Richtlinie der EU zur sprachlichen Gleichstellung”, die eine „Unterschrift der Inhaberin/des Inhabers” fordert.

Als Sparkassenkundin, die kein „Kunde“ war, klagte Marlies Krämer bis zum BVG und unterlag. Die Herren Richter begründeten ihr Urteil kryptisch - die männliche Form könne “geschlechtsblind” verwendet werden. Heiliger Aristoteles! Sein Dekret: „Wer in der Sprache nicht vorkommt, ist nicht im Bewusstsein.“ Feministin Krämer schrieb unter dem Titel: „Dieser Mann war mein Weckruf“, eine „Liebeserklärung“ an Günter Meyer, den verstorbenen Filmbeleuchter des Saarländischen Rundfunks. „Die außergewöhnliche Geschichte über die Verbindung eines lernfähigen Mannes mit einer überzeugten Feministin” ist als spannendes Zeitzeugnis die Doppelbiografie der 40 Jahre gelebten Beziehung.

Ansporn sein, „sich für eine bessere Welt zu engagieren“. Im November hatte die Katholische Erwachsenenbildung mit dem Pastoralen Raum Saarbrücken, Kino 8 ½ und dem Frauenbüro der Landeshauptstadt und Moderatorin Prof. Dr. Luzia Scherzberg ins Kino Achteinhalb gebeten zum Abend “Die Kundin” - Feministin Marlies Krämer in Film und Diskussion”. Der FrauenThemenMonat “FEM*life – Feminismus in allen Lebensphasen” des Frauenbüros Saarbrücken kooperiert u.a. mit pro familia Saarbrücken, Deutschem Juristinnenbund, FrauenGenderbibiliothek Saar, filmhaus Saarbrücken und dem Frauenrat Saarland. Frauenbeauftragte Lisa Schneider freute sich auf die Protagonistin des Films, der “einen wichtigen Beitrag im Sinne unseres diesjährigen Mottos leistet. Marlies Krämer ist diejenige, die gefordert hat, als Kundin angesprochen zu werden. Sie wird damit auch anerkannt als Frau, die eigenständig ihre Finanzgeschäfte regelt. Ich kenne das selbst gut, mich in Formularen und Verträgen nicht wiederzufinden. Das fühlt sich schon etwas an, als wären wir vor Jahrzehnten stehen geblieben.” Text und Foto: Gesine Werner, geprüfter Mann und Diplompädagogin

Zur Buchvorstellung in Sulzbach wünschte Ministerpräsidentin Anke Rehlinger per Video, das Werk möge wiesbadener*in IV/2023


unternehmen & märkte

„Deine Stadt - Deine Leidenschaften“ statt trostloser Leere. Bildung, Kunst & Kultur, Sport & Soziales bespielen die Schaufenster der früheren GaleriaKaufhof-Filiale in der Kirchgasse

„Suchet der Stadt Bestes“ ist die Losung der Stadtentwicklungsgesellschaft. Die SEG bringt diverse Projekte in den Vororten und der Innenstadt nach vorne. Auf dem Areal des künftigen „Stadtplatzes“ geht es voran mit dem Neubau des multifunktionalen Schulgebäudes entlang der Schwalbacher Straße mit Kita auf dem Gründach, Gewerbe, Gastronomie, Sportinternat. Auf dem Schulhof, von Lehrkräften als Parkplatz genutzt, wurden zum Ende der Herbstferien vor dem Unterrichtsbeginn Schulcontainer platziert. In elf Ausweich-Klassenräumen wird die Übergangszeit überbrückt. Im kommenden Jahr wird das Alte Arbeitsamt, viele Jahre das Domizil der Oberstufe des Gymnasiums, „leergezogen“ und der Neubau startet. Auch bei der „Wiederbelebung des Kulturdenkmals Walhalla“ wird Tempo gemacht. Eine „Walhalla-Woche“ lud zum informativen Schlüssellochgucken in die WiCoPop-Räume in der Kleinen Schwalbacher Straße. (siehe KulTouren) Seit Ende Juni stehen die Räume der ehemaligen „Kaufhof Galeria“ in der Kirchgasse leer. Für die Stadt - die mit einem „Masterplan Innenstadt“ eben diese „retten“ will - ist der prominente Immobilienwiesbadener*in IV/2023

Stadtentwicklungsgesellschaft SEG bringt Projekte voran Hingucker statt Tristesse

leerstand eine Herausforderung von 16.000 Quadratmetern in exzellenter Citylage. Das Hessische Wirtschaftsministerium will fünf von einer Galeria-Schließung betroffenen Kommunen mit drei Millionen Euro unter die Arme greifen, die Zuschusshöhe für Wiesbaden ist noch unklar. Derweil schießen naturgemäß Ideen und Begehrlichkeiten ins Kraut - von Basar & Tanzhaus bis zum vhs-Bildungscampus. Eine Zeitungsumfrage zeigte den vielfachen Wunsch einer Markthalle auf - ähnlich wie z.B. in Berlin - mit regionalen Produkten und Gastronomie. „Für die Kommune wäre es wichtig, Einfluss zu nehmen und auch Nutzungen zu finden, die einen potentiellen Ankauf wirtschaftlich tragbar machen“, betont SEG-Geschäftsführer Andreas Guntrum. Mit den Eigentümern laufen intensive Gespräche, das Liegenschaftsdezernat ist beteiligt. Die Federführung hat Bürgermeisterin Christiane Hinninger, die mit den Eigentümern ein Überlassen von 20 Schaufenster-

flächen vereinbarte. „Hingucker“ statt „Tristesse“: Zur Freude von Andreas Guntrum wollen „mehr als 40 Institutionen und Verbände“ die 60 Meter-Front bespielen - Kultur, Sport, Ehrenamt & Co. sind dabei. Der Bund steuert Gelder bei aus dem Städtebauförderungsprojekt „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“. Auch der Dauerbrenner Zollspeicher kommt voran. Die aktuelle Prüfung der Landesdenkmalpflege ergab, dass der Speicher Baujahr 1956 in Teilen nicht (mehr) schützenswert ist. Denkmalschutz liegt nicht mehr auf dem gesamten Gebäude, bloß noch auf dem Fundament. Stadtrat Andreas Kowol ist einem Abriss nach Dokumentation nicht abgeneigt, Zustimmung der Denkmalpflege vorausgesetzt. Vorschläge zur künftigen Nutzung sind dem Baudezernent, dem „grüne“ Freiflächengestaltung wichtig ist, willkommen. Die Aufwertung des Biebricher Rheinufers habe Priorität. Text und Foto: Gesine Werner


kultur & kreatives

Luis Feito: Numero 460-A

Museo de Arte Abstracto Español Ein Künstlermuseum der Zukunft

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as Museo de Arte Abstracto Español in der spanischen Stadt Cuenca eröffnete am 1. Juli 1966. Sein Begründer, der spanische Künstler Fernando Zóbel (1924-1984), war ein ausgezeichneter Kenner der internationalen Kunstszene und war sich bewusst, dass es in Spanien so gut wie keine Museen gab, in denen zeitgenössische spanische Künstler ihre Werke ausstellen könnten. Die Künstler, die Zóbel versammelte – unter anderem Antoni Tàpies, Gustavo Torner, Rafael Canogar, Antonio Saura, Eduardo Chillida, Luis Feito und Elena Asins – wurden

innerhalb ihres eigenen Landes kaum gewürdigt, wohl aber international von Paris bis New York. Fernando Zóbel gründete das Museum in Cuenca, um dieser Kunst eine eigene Sichtbarkeit zu verleihen und die Künstler*innen zu ermächtigen, ihre eigene Ausstellungspolitik und Museumsphilosophie zu begründen und auszubauen. Dank der hervorragenden Unterstützung der Stadt Cuenca wurden die sogenannten Casas Colgadas (die hängenden Häuser von Cuenca), die heute zum UNESCO Weltkulturerbe gehören, Zóbel und seiner beteiligten Künstlergruppe zu Museumszwecken überlassen.

Das dann 1966 eröffnete Museo d’arte abstracto war damit das erste Künstlermuseum in Spanien und gilt als eine jener Institutionen, die aus einem demokratischen Geist heraus erwachsen sind und eine Vorreiterrolle für Künstlermuseen international eingenommen haben. Durch Zóbels enge Kontakte zur New Yorker Kunstszene gelang es ihm, bereits 1967 den damaligen Museumsdirektor vom MoMA nach Cuenca einzuladen und zu empfangen. Alfred H. Barr pries das Museum in Cuenca als „das schönste, kleine Museum der Welt“. Im Jahr 1969 wurde die Sammlung um Werke von Künstlerinnen erweiwiesbadener*in IV/2023


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Martin Chirino: El Viento

tert. Im selben Jahr eröffnete das Museum eine grafische Werkstatt mit einer Druckerei, die zahlreiche Graveure, Maler und Bildhauer anzog und die Stadt zu einer echten Künstlerkolonie machte. Die Werkstatt, in der Stiche und Multiples hergestellt wurden, förderte auch die Verbreitung der abstrakten spanischen Kunst im ganzen Land. Außerdem vergab das Museum Stipendien an junge spanische Künstler und lud sie ein, sich an der Entwicklung und dem Betrieb des Museums zu beteiligen. So entfaltet dieses Museum seit nahezu 60 Jahren seine besondere Strahlkraft und verhilft den Künstler*innen auch im eigenen Land zu großer Wahrnehmung und Anerkennung. Längst schon ist das Museum von internationalem Rang und die Stadt Cuenca zu einem touristischen Magneten geworden. Die Sammlung von 700 Werken übergab Ferdinand Zóbel 1980 an die Fundación Juan March in Madrid und sicherte ihr so langfristig das Überleben hinsichtlich der finanziellen Ausstattung, aber insbesondere auch, was die wissenschaftliche Aufarbeitung sowie die Präsentation wiesbadener*in IV/2023

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der Sammlung anbelangt. Seit dieser Zeit wurde das Museum mehrfach maßgeblich saniert und ausgebaut. Durch die derzeit durchgeführten Maßnahmen zur Klimatisierung aller Räume wurde 2022 beschlossen, einen wichtigen Bestandteil der Sammlung auf Reisen zu schicken und einmal mehr die Wirkung des Künstlermuseums in die Welt zu tragen.

Ludwig Museum im Deutschherrenhaus Esther-Bejarano-Str. 1 56068 Koblenz www.ludwigmuseum.org 1966. Spaniens Aufbruch. Ein Künstlermuseum der Zukunft (02.09.2023 bis 11.02.2024)

Nahezu 50 Werke, die ihrerseits wesentlich die Sammlung in ihren Anfängen repräsentieren, sowie zahlreiche Zeichnung, Skizzen und Dokumente begleiten die Tournee, die bis Februar 2024 im Ludwig Museum Koblenz als einzige Station in Deutschland Halt macht.


kultur & kreatives es, von der Kunst besessen zu sein. Für einen, den – so Schmitt – die Dinge ansprechen und sagen: mach was draus!, gibt es kein Entrinnen. „Kunst ist wie Schimmel, du machst Schimmel-Ex dran, und 2 Tage später ist er wieder da.“ Das also ist seine Glücksdroge. Er sei wirklich glücklich damit, was er mache, sagt er, weil er macht, was er will. Den ganzen Tag. Nebenbei verkauft er noch einige Werke und bewirbt sich um diverse Stipendien – bisher bei ca. 800 Adressen, wovon einige (wenige) tatsächlich zugesagt haben. Sein Portfolio ist prall gefüllt, aus Platzgründen seien hier nur einige herausragende Projekte erwähnt. 2006 veranstaltete er die „cologne contemporary international art biennale 08“, die erste und bislang einzige selbstkuratierte Kunstbiennale der Welt, die frei vom zweijährigen Rhythmus einer Biennale an den unterschiedlichsten Orten Werke zeitgenössischer Kunst zeigte. Dafür gebar Schmitt aus seinem Kopf 42 Biennalisten aus 29 Ländern und präsentierte seine/ihre Arbeiten unabhängig von Raum und Zeit.

Kunst leben – bis es knallt

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igentlich sollte es um Nudeln gehen. Nicht die bekannten Barillas, sondern ganz spezielle Teigwaren, die wir auf der diesjährigen Genußmesse kulinart in Frankfurt an einem kleinen Stand entdeckten. „Leseschmaus“ nannte sich das Produkt, das – so das Versprechen - die schönsten Gedichte der Welt in kulinarischer Form anbietet. In Form von mit Sepiatinte schwarz gefärbten Buchstabennudeln enthält jede Packung den auszugsweisen Wortlaut eines Gedichtes, das auf der Rückseite der Packung abgedruckt ist. „Kostbar“ gemacht wurden so Gedichte von Mascha Kaléko, Bertolt Brecht, Joachim Ringelnatz, Robert Gernhardt, Ernst Jandl und Kurt Schwitters. „Leseschmaus“ präsentierte sich als ein originelles Geschenk für alle Liebhaber der Literatur und des Lebensgenusses. Ich wollte mehr erfahren und vereinbarte ein Treffen mit dem Produzenten. Erwartet hatte ich die Geschichte eines Start-uppers mit viel Engage10

ment und wenig Geld. Stattdessen traf ich auf ein 60jähriges Kraftwerk namens Georg Schmitt. Statt über Nudeln sprachen wir über Kunst – seine Kunst. Georg Joachim Schmitt wurde 1963 in Trier geboren. Er studierte Philosophie, Kunst, Klassische Philologie und Kunstgeschichte in Bonn und Tübingen. Danach arbeitete er u. a. als Filmwirtschaftsprüfer bei der FSK in Wiesbaden, 20.000 Streifen hat er dort prüfen dürfen. Da ihm aber Filme schauen auf die Dauer zu langweilig war, begann er Kunst zu machen. Seit 1997 verwirklicht er freie Projekte im Bereich Film, Photographie, Literatur, Kunst, Musik und Neue Medien. Er sei, so stellte er sich mir vor, ein international unerkannter Künstler, der seit 1997 über 25.000 Kunstwerke realisiert hatte – und das nur aus Bock: „Ich habe gemacht, was ich wollte – und es hörte nicht mehr auf“. Das klang ein wenig nach Drama: Höhenflug oder Absturz? Bald war klar, Georg Schmitt liebt

In der Ausstellung „Lost Reels“ 2016 im Frankfurter Kunstverein Familie Montez wurden 124 längst vergessene und verschollene Meisterwerke des Films zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt, anhand von Filmstills, Plakaten, Original-Soundtracks und vielem mehr. Neben Filmen wie Hitchcocks „Mountain Eagle“, den Fachleuten etwas sagen wird, sind viele Filme vertreten, von deren Existenz bislang so gut wie niemand Notiz genommen hat. So konnte beispielsweise der erste Godzilla-Film fernab seines bislang vermuteten Ursprungslandes verortet werden. Und Komponisten haben mit dem Babelsberger Filmorchester Musik von Filmen eingespielt – Filme, die es nur in dieser Ausstellung gab. fatras books* nennt er sein neuartiges Verlagskonzept. Die hier vorgestellten Bücher existieren noch gar nicht. Man kann sie aber bereits bestellen. Sie sind vorrecherchiert, die Cover sind gestaltet. Jedes Buch hat eine gültige ISBNNummer. Zu jedem Buch gibt es eine mehrseitige Leseprobe. Wer ein Buch vorbestellt, macht durch seine Anzahlung die Realisierung des Buches gemeinsam mit vielen anderen möglich. wiesbadener*in IV/2023


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Leseschmaus - Vorderseite

Georg Schmit – Selbstporträt

Ausgewählte Frankfurter Unternehmen und Institutionen beglückt er derzeit mit dem von ihm kreierten Goethesiegel, das aus einer zufälligen Verwechslung entstanden ist und das all jene erhalten, die durch ihre Qualität ein unverwechselbares Image genießen. Vor kurzem hatte er ein erstes Sondierungsgespräch mit den Stadtverantwortlichen im Römer. Es ist das große Spiel von Zufall und Chaos. Einfach machen und sehen, was dabei passiert. Denn Kunst kann unfassbar Spaß machen. Darum geht es ihm: Unsinnliches entspannt beiseitelassen und sich stattdessen wohl in dieser Welt fühlen wie ein Junge, der sich in einem Warenhaus über Nacht hat einsperren lassen. Frei nach Pippi L.: Ich mach mir die (Kunst-) Welt, wie sie mir gefällt: „Der beste Schutz vor dem Tod ist die Gegenwart mit allen Risiken. Der Zufall ist meine größte Geliebte. Kunst muss knallen!“ Realität ist, davon ist er überzeugt, ein Kollisionsprodukt, Vorstellung trifft auf Erfahrung. Schmitt liebt es zu improvisieren, zu tricksen, zu fingieren und die Menschen zu verzaubern. Aber wenn er will, kann er auch anders. Am 10. Juni 2023 wurde zum ersten Mal der von ihm ins Leben gerufene Internationale Tag der Kunstfreiheit, der FREEDOM OF wiesbadener*in IV/2023

ART DAY in Wiesbaden begangen. Anhand von einer Ausstellung, einer Filmreihe sowie einer Podiumsdiskussion wurde konzertiert auf die zunehmend prekäre und bedrohliche Situation aufmerksam gemacht, in der sich Künstlerinnen und Künstler in immer mehr Ländern befinden. Ach ja, die Nudeln. Die gibt es in der Wiesbaden Tourist Information, ansonsten in der Buchecke in Schierstein, in der Buchhandlung Schwarte im Westend, bei Buch VorOrt in Bierstadt sowie im Hofladen Erbenheim, 10 Euro pro Päckchen. Natürlich wird da noch mehr kommen: „Leseschmaus – Vom Schwelgen und Schmausen“ soll die Veranstaltung heißen, auf der u. a. nudelige Literatursuppe serviert wird. Wiesbaden freut sich schon.

Leseschmaus Inhaltsangabe: oben Robert Gernhandt unten Mascha Kaléko

Alle weiteren Schmitt-Projekte und Werke finden sich auf http://www.georgschmitt.com/. Am 2. Januar 2024 eröffnet im LABOR WESTENEND am Elsässer Platz seine Ausstellung „Kunst im Dunkeln“ - Kunst, die im Mai in einem Container an der Marktkirche im Rahmen der Maifestspiele in kompletter Dunkelheit entstanden ist. Eine Ausstellung, kuratiert wird von zwei Blinden, mit Workshops, Musik, Spoken-Word und vielleicht einem heißen Strip in völliger Dunkelheit. 11


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in Jahr lang haben wir Petra Bermes, die im Rahmen des Projektes WiCoPop in ihrer Galerie Neongolden Kunst in der Wiesbadener Innenstadt erlebbar machen konnte medial begleitet. Im Dezember endet das Projekt, und wir haben Petra Bermes in einem Interview um ein Fazit gebeten. Du warst, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, eine der Ersten, die die Möglichkeit hatte, Räume über das Projekt WiCoPop zu nutzen. Die Nutzung war auf ein Jahr ausgelegt; wie war das Jahr für dich? Es war ein tolles Jahr! Es gab ja nicht nur die Galerie, auch die Glyg Weinbar und das CoLab im ersten Stock des Projektes. Dort gab es spannende Veranstaltungen, und es wurde als Base für zum Beispiel das Fahrradfestival genutzt. Dadurch sind interessante Kontakte entstanden, und insgesamt scheint Kunst, Wein und Veranstaltungsraum sehr gut zu funktionieren. Da hat Michael Eibes, der Initiator, eine tolle Idee gehabt! Gab es etwas Unerwartetes/Besonderes, dass dich berührt oder gefreut hat? Es hat mich überrascht, wie herzlich und großartig die Menschen sind, die in der kleinen Schwalbacher leben und arbeiten. Wir waren recht schnell in Kontakt und haben uns gegenseitig unterstützt. Großes Danke schön an Alle! Das Projekt WiCoPop wurde ja ins Leben gerufen, um die Wiesbadener Innenstadt in vorhandenem Leerstand durch NON-Profit-Aktionen/ Konzepte zu beleben. Ist dieses Konzept aus deiner Sicht bisher erfolgreich verlaufen? Unbedingt! Es wurde sichtbar, wie sehr es Menschen schätzen, einen Anlaufpunkt in der Stadt zu haben, an dem nicht konsumiert werden muss. In der Galerie kam es oft zu spontanem Aufeinandertreffen unterschiedlichster Leute, da wurde auch Mal Kaffee vom HEPA Café geholt oder Wein vom GLYG und stundenlang über Gott und die Welt gesprochen, neue Bekanntschaften geschlossen und natürlich über Kunst diskutiert. Wie war die Resonanz auf deine Ausstellungen? Wertschätzend. Das Feedback war

wunderbar, zu den Eröffnungen kamen immer viele Besucher unterschiedlichster Couleur und das ist auch ein Punkt, auf den ich stolz bin: Es haben sich Frankfurter Kunstinteressierte genauso eingefunden wie die MitarbeiterInnen umliegender Geschäfte, Damen auf dem Weg zu Kaffee und Kuchen oder neugierige junge Menschen mit Migrationshintergrund, alle geeint in Ihrem Interesse an dem, was es wieder Neues zu sehen gab. Wie viele Künstler*innen haben in dem Jahr bei Neongolden ausgestellt? Mehr zu dieser und vergangenen Ausstellungen und zu anderen Projekten von WiCoPop unter: https://www.wicopop.de/ Neongolden, Kleine Schwalbacher Straße 3-5 65183 Wiesbaden Öffnungszeiten: Die 12 bis 17 Uhr Mi 12 bis 17 Uhr Do 13 bis 19 Uhr Fr 13 bis 19 Uhr Sa 11 bis 19 Uhr Montag geschlossen Gerne auch Termine nach Vereinbarung! Einfach eine E-Mail an petrabermes@posteo.de schicken Infos: https://www.wicopop.de/ neongolden-popup-galeriewiesbaden/ Es waren fast immer Groupshows, damit komme ich in 12 Monaten auf 43 verschiedene KünstlerInnen in 12 Ausstellungen. Du hattest ja im Sommer die Möglichkeit, die Räumlichkeiten innerhalb des WiCoPop-Projektes zu wechseln, hat dieser Wechsel nochmals – gerade für deine Galerie – einen Unterschied gemacht? Wenn ja, welchen? Das war ein Gamechanger, durch den ebenerdigen Laden mit großen Schaufenstern und Barrierefreiheit haben noch viel mehr Menschen die Galerie entdeckt. In den ersten 6 Monaten ging es ja hoch in den 2. Stock, man musste klingeln und die Treppe hochsteigen.

Das hat funktioniert, es waren aber meist geplante Besuche. In der neuen Räumlichkeit kamen erstaunlich viele Touristen vorbei und spontan Interessierte, und oft wurde der Besuch der Galerie in der Innenstadt mit Einkäufen verbunden oder dem Besuch eines Restaurants in Wiesbaden. Bleibt es dabei, dass die Nutzung für dich im Dezember ausläuft? Ja. Auch wenn ich es sehr bedauere. Welche Aktionen sind bis dahin noch geplant? Am Samstag, den 2. Dezember wird es abends die letzte Eröffnung geben, es gibt 12 Frankfurter IllustratorInnen zu entdecken, ein absolutes Highlight und herzliche Einladung dazu! Gibt es Nachfolger*innen? Bzw. läuft das Projekt mit neuen Akteur*innen weiter oder gibt es hier Veränderungen? Soweit ich weiß, ist das Projekt zu Ende, wobei ich die Verantwortlichen nur darin bestärken kann, weiterhin solche Maßnahmen zu fördern und zu unterstützen. Wie geht es für dich und neongolden weiter? Gibt es schon Pläne? Nein, nichts Konkretes, aber Ideen habe ich jede Menge. Gibt es noch etwas, dass dir am Herzen liegt? Ein großes Dankeschön geht an alle Beteiligten, besonderen Dank geht an Michael Eibes für seine wundervolle Unterstützung und an das Wirtschaftsdezernat unter Christiane Hinninger. Und natürlich an all die großartigen KünstlerInnen, die mir Ihre Werke anvertraut haben, so dass ich sie der Welt zeigen durfte und den vielen Freunden, Bekannten und BesucherInnen, ohne Euch wäre Neongolden nicht möglich gewesen. Auch wir vom Magazin WIESBADENER*IN danken Petra Bermes und allen Akteur*innen des Projektes WiCoPop für die spannenden und interessanten Aktionen und Projekte! Wir würden uns auf eine Fortsetzung des Projektes – vielleicht auch an anderen Stellen in der Innenstadt – freuen und wünschen Petra Bermes viel Erfolg mit neuen Projekten – gerne auch mit einer Fortsetzung der Galerie Neongolden, wo und wann auch immer!

Galerie Neongolden im WiCoPop Ein spannendes und erfolgreiches Jahr endet 12

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kultur & kreatives

Galerieimpressionen Neongolden 2023 mit Samira Schulz (Foto: Regine Ullrich), Andrea Esswein, Marc Peschke, Jan Schmelcher, Wiebke Bartsch, Roman Klonek, Sandra Trösch, Marcel Kimble (Fotos von Neongolden bereitgestellt)

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kultur & kreatives ben muss.“ Auf dem Podium war von „lieb und teuer“, von „gut investiertem Geld“ und „wichtiger Hochkultur“ die Rede. „Wir müssen da vorankommen“, betonte Astrid Wallmann. Die Landtagspräsidentin („das Land löst sich vom 52:48-Schlüssel“) war sich einig mit Mathias Wagner, Inge Groebel und Christian Diers. Die Sanierung des denkmalgeschützten Baus sei zu 80 Prozent vom Land und zu 20 Prozent von der Kommune zu stemmen. Laufende Kosten tragen Land und Stadt, Quote 52 zu 48. Das Nutzungskonzept ist in Arbeit, soll zum Leitungswechsel (Spielzeit 2024/25) vorliegen.

Bühne frei für die kommende Doppel-Intendanz: Vizevorsitzende Katharina Queck, NeuIntendantin Beate Heine, Vorsitzender Helmut Nehrbaß und Neu-Intendantin Dorothea Hartmann (von links)

Spannende Abende im Prunkfoyer „mit Ausblick“ Gesellschaft der Theaterfreunde und -freundinnen widmet sich der Zukunft des Staatstheaters Wiesbaden

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ie „Theaterfreunde“ (und Theaterfreundinnen!) sind im Aufwind, bekommen neue Mitglieder und bitten zu spannenden Abenden ins Prunkfoyer.

ort), da das hochkarätige Ensemble „unter untragbaren Zuständen pro-

Wie berichtet (Ausgabe 4/22), übernimmt das Führungsgespann Dorothea Hartmann aus der Nähe von Stuttgart & Beate Heine aus Hamburg das Steuer in Wiesbaden. Die neuen Chefinnen lernten sich durch Jurytätigkeit in Hannover schätzen, bringen exzellente Qualifikationen und profunde Erfahrungen mit. Im Zentrum soll „das Prinzip des Dialogs“ stehen. Die „Hierarchien des Theaters“ will das Duo „aufbrechen“. Dorothea Hartmann hofft als Rollenvorbild von zwei Töchtern, dass „weibliche Leitung“ bald kein Thema mehr ist. Konkrete Spielplandetails bringt die Pressekonferenz im Frühjahr. „Wir wollen die Stadt erobern und dazu verlocken, das Theater zu entdecken.“ Text und Foto: Gesine Werner

Im Polit-Forum vor der Landtagswahl debattierten Astrid Wallmann, Mathias Wagner, Moderator Dr. Ewald Hetrodt, Inge Groebel und Christian Diers (von links) über die Zukunft des Staatstheaters Wiesbaden und dessen Generalsanierung.

Kurz vor der Wahl fühlte die „Gesellschaft der Theaterfreunde“ vier Kandidatinnen und Kandidaten für den Hessischen Landtag auf den Zahn mit einer Variation der „Gretchen“Frage. Des Pudels Kern war die Zukunft des Musentempels und dessen seit Intendant Achim Thorwald unter Ministerin Ruth Wagner (Anno 2000) verschobene Sanierung. Atemberaubend dreistellige Millionenzahlen standen im Raum, nachdem der Vorsitzende Helmuth Nehrbaß mit der Frage: „Was ist Ihnen das Staatstheater wert?“ ein Bekenntnis forderte. „Das Staatstheater ist ein Schatz“ gab Moderator Dr. Ewald Hetrodt die Richtung vor. Vizevorsitzende Katharina Queck brach eine Lanze für das aktuell diskutierte Tanzhaus (auch als Ausweichspiel14

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Wilinskis Spiele mit den Läusen

kultur & kreatives

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ie wäre das denn: Smartphone beiseitelegen, Rechner ausschalten – und Karten spielen! Klingt im ersten Moment ziemlich old fashioned, kann aber sehr unterhaltsam werden – wenn man das richtige Spiel auftreibt! Wem Skat zu prollig, Schafskopf zu bayerisch-verquast und Canasta zu altjungfernhaft ist, dem empfiehlt die Redaktion des WIESBADENER, es einmal mit den Läusen zu probieren. Davon stehen zwei zur Auswahl: die eine gibt es wirklich, ist der gefährlichste Feind des Weines, und wer sie am Ende besitzt, wird grün angemalt und muss dichten. Die andere ist ein Fabelwesen aus einem mittlerweile fast in Vergessenheit geratenem Brauchtum und soll, wenn überhaupt nach reichlichem Alkoholgenuss zu sehen sein. Neugierig geworden? Am Anfang war die „Bleilaus“. Das gleichnamige Kartenspiel hat der bekannte Mainzer Karikaturist und Illustrator Klaus Wilinski 2019 zur Mainzer Johannisnacht herausgebracht, zusammen mit dem früheren Gutenberg-Darsteller Harro Neuhardt, der zur Johannisnacht als Gautschmeister die alte Taufzeremonie der Druckerzunft öffentlich zelebrierte. Auf 36 handlichen Karten werden Fachausdrücke aus dem Drucker- und Setzerhandwerk in Text und Bild dargestellt. Da lernt man beim Spielen ganz nebenbei, was es bedeutet, wenn die Kenner der schwarzen Kunst von Hurenkind, Zwiebelfisch, Fliegenkopf, Schweizerdegen oder Witwe sprechen. Das Kartenspiel funktioniert wie das übliche SchwarzePeter-Spiel: Die Karten werden gemischt und komplett an die Mitspieler ausgeteilt, die ziehen beim jeweils linken Nachbarn eine Karte, immer auf der Suche nach passenden Pärchen, die dann abgelegt werden. Nur die Bleilaus bleibt Single; wer sie am Schluss hat, darf sich zur Strafe etwas Lustiges ausdenken. Auf die „Bleilaus“ folgte die „Reblaus“. Klaus Wilinski setzte dem Weinrebenschädling, der Ende des 19. Jahrhunderts nahezu das Aus für den Weinanbau in vielen deutschen Weinanbaugebieten bedeutet hätte, ein spielerisches Denkmal. Auf wiederum 36 Karten werden 36 Rebsorten vorgestellt – in elegant-witzigen Paarreimen, die Wilinski selbst gedrechselt hat. „Der schrägste Typ, die geilste Show, ist der Silvaner mit Niveau” ist eindeutiger Beweis für seine dichterische Begabung. Über den Müller-Thurgau heißt es: „Leicht zugänglich für Nichtweinkenner, Rhoihessisch auch en Quote-Rennerr“, der Merlot besitzt „Tannine, weich wie Butterflocken, der haut auch Winzer aus dem Socken“. Und Bacchus, früher Scheurebe, ist der Gott des Rauschs und der Ekstase – „wenig Säure, immer voll, bei Sex and Drugs and Rock´n Roll“. Da bekommt man Lust auf ein paar Gläschen zum Spiel, das ebenfalls wie der Schwarze Peter funktioniert. Die Kartenspiele sind bei Hugendubel in Mainz und im Gutenberg-Shop, MainzPlus am Markt 1 zu beziehen. Die Reblaus kostet 12.- Euro, die Bleilaus kostet 9.90,- Euro. wiesbadener*in IV/2023

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„Der Zirkus darf nicht sterben“ - das Grenzenlos-Festival auch nicht: Regisseur Jan-Christoph Gockel, Schauspieler Frangiskus Kakoulakis, Dramaturgin Rebecca Reuter/Staatstheater Mainz und Schauspieler Fabian Morow in der Kakadu-Bar.

Silberjubiläum mit Zirkusspektakel und Tamtam 25. Theaterfestival „Grenzenlos Kultur“ am Staatstheater Mainz

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ratulARTion! Ein rundum gelungenes Silberjubiläum wurde im Staatstheater Mainz gefeiert - seit der Intendanz von Markus Müller Domizil des inklusiven Theaterfestivals „Grenzenlos Kultur“, Deutschlands erstes inklusives Theaterfestival der Lebenshilfe Kunst und Kultur gGmbH. Es gab Schauspiel & Tanz, Musik & Puppenspiel & Spartenverbindendes. Verblüffendes, Spektakuläres, Berührendes und Spannendes der Jubiläumsausgabe feierte das restlos begeisterte Publikum mit stehenden Ovationen. Umjubelter Start mit Knalleffekt, szenischem Witz, Hoffnungsschimmer und augenzwinkerndem Humor: „Einer flog über das Kuckucksnest“ - mit dem hinreißenden RambaZamba Theater Berlin nach Mainz. Eine furiose Theater-Filmmixtur inklusive Originalszenen aus Milos Formans Oscarstreifen hat Film- und Theaterprofi Leander Haußmann erstmals mit dem Ensemble geschaffen. Cameo-Auftritte von Detlef Buck & dem Regisseur himself plus betörende Musik von Haußmann-Filius Phil inklusive.

gegen die Neu-Patient McMurphy rebelliert – samt abenteuerlustiger Shoppingtour. Das wird bös enden. Das Ensemble agiert erfrischend natürlich, dreht groß auf. Das Publikum spielt schnipsend mit. Szenenapplaus und stürmischer Schlussbeifall für Christian Behrendt, Nele Winkler, Franziska Kleinert, Sebastian Urbanski & Co. im ausverkauften Haus. Ein sinnliches Spektakel erster Güte, charmant und irrwitzig, poetisch und berührend folgt. Schauspiel-MusikPuppenspiel-Akrobatik und ManegenFlair brachten die Münchner Kammerspiele nach Alexander Kluges 1968er Montage-Film „Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos“ ins knallvolle Haus. „Wer immer hofft, stirbt singend“ bot ein gefeiertes Dreifach-Wiedersehen

mit Regisseur Jan-Christoph Gockel (2014 – 2020 Hausregisseur), der in dem inklusiven „All-In-Projekt“ entspannt mitspielt, und mit Schauspieler Sebastian Brandes (Stuntman Johnny Texas). Dritter im Bunde ist Schauspieler / Puppenbauer Michael Pietsch. Dessen Mainzer Nibelungen-Drache ist ein feuriger „Flammenwerfer“ und Macbeths Rabe krächzt wie zu Mainzer Zeiten. Das traurige Lama amüsiert als „Wasserspeier“, den weißen Hai hat´s erwischt und der Elefant kommt als halbes Skelett daher. Zirkuserbin Leni hat einen Traum und von „Reformcircus“ ist die Rede. Die Zirkuscrew in der Theaterkantine - ratlos. „Zufalls-Show“ und berührender Monolog hoch oben auf dem Drahtseil (Chapeau Johanna Kappauf), Crocodile Diana, Zirkuswagen, offener Umbau. Das Theater wird zum Zirkus, der aufgekratzte Regisseur genießt sein „Heimspiel“. Text und Fotos: Gesine Werner „Einer flog über das Kuckucksnest“ nach Ken Keseys Roman ist Leander Haußmanns erste Arbeit mit dem RambaZamba-Theater

Wer ist hier irre? Das gefängnisartige Kuckucksnest ist das Reich der diktatorischen Oberschwester Ratched, 16

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kultur & kreatives

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s sah nach Volksfest aus beim „Tag der offenen Tür“. Der Saarländische Rundfunk hatte erstmals nach 30 Jahren in seine Radio- und TV-Studios eingeladen. SR-Combo „Brass 2 Go“, Stelzenmann Enno von Schwerin, Kulturbühne, „Garten der Mitbestimmung“, mobile Ü-Wagen und Besichtigungstouren boten einen Blick hinter die Kulissen. „Mein Land, mein Sender“: Die Sonne strahlte, als würde sie bezahl und eine „Völkerwanderung“ von 12.000 Leuten kam auf den Halberg. Im „Studio Eins“ wurde von Stars wie Gilbert Becaud, Udo Jürgens & Co. Geschichte geschrieben. Jetzt war es Kulisse für ein Gespräch von Moderator Joachim Weygand (Aktueller Bericht) mit Martin Grasmück. Der SR-Intendant brach eine Lanze für die Informations-Qualität öffentlich-rechtlicher Medien „in einer Zeit, in der heute Jeder über Handy gezielte Meinung und Fake News verbreiten kann.“ Der SR als zweitkleinste Rundfunkanstalt in der ARD stehe generell „sehr gut da“ und betreibe rund 30 Kooperationen mit anderen Sendern. Als einziger ARD-Chef widme sich der Intendant der Deutschen Radio-Philharmonie, ein bedeutender Klangkörper. Aus Wiesbaden kam Christine Rupp-Kuhl, Konrektorin a.D., Theaterfrau und Rheinwelle-Redakteurin, angereist. Das frühere „Rundfunkkind Ruppchen“ traf hier auf quicklebendige Legenden: Beim Wiedersehen mit dem früheren SR-Vize-Hörfunkdirektor Axel Buchholz, Preis-Stifter, Radiomagazin-Pionier und Buch- Herausgeber („Fundstücke. 60 Jahre Saarländischer Rundfunk“), war angeregtes Fachsimpeln angesagt. „Mein Arbeitsplatz war Houston“, erinnert sich TV-Legende Otto Deppe an den Fernsehbericht über die Mondlandung als „einen Moment in der Geschichte“. Der SR-„Rentionär“ war der erste „Tagesthemen“Moderator, für etliche ARD-Sender, SRG sowie ORF tätig und sprüht im Gespräch mit Prof. Dr. Wolfgang Kuhl aus Wiesbaden vor Anekdoten. wiesbadener*in IV/2023

Beim Wiedersehen mit „alten Bekannten“ und Legenden war Anekdoten-Austausch und munteres Fachsimpeln angesagt: Otto Deppe, Prof. Dr. Wolfgang Kuhl, Axel Buchholz und Christine Rupp-Kuhl im SR-Konferenzgebäude.

Die reinste „Völkerwanderung“ war zu Besuch beim Saarländischen Rundfunk auf dem Halberg In den romantisch anmutenden „Garten der Mitbestimmung“ lädt ein rosenumkränztes Tor ein: „Wir zeigen, wie wir Mitbestimmung leben und damit die Arbeitswelt auf dem Halberg mitgestalten.“ Interessierten wird neben Informationen freigiebig ein Getränk offeriert. „Mitbestimmung heißt Mitmachen“ ist die Devise von Moschgan Ebrahimi, die als Personalratsvorsitzende auf ihr „sensationelles Team“ Ulli Wagner, Ilona Bonnaire und Sonja Fuchs baut. „Wir sind eine geballte Ladung Charme und Kompetenz. Wir verlieren auch bei ernsten Themen nicht den Humor!“

Im liebevoll dekorierten „Garten der Mitbestimmung“ standen die Personalrätinnen Sonja Fuchs, Vorsitzende Moschgan Ebrahimi, Ulli Wagner und Ilona Bonnaire für Informationen bereit.

Regisseur Pit Weyrich (noch eine TV-Legende) las aus seinem Buch: „Heißt da unten einer Weyrich?“ Und wer den Fragebogen ausfüllte mit „Wünschen, Anregungen und Kritik an die Gremien“ oder auch notierte, „Was ich schon immer mal sagen wollte“, konnte ein Kochbuch von Cliff Hämmerle gewinnen. Das Vergnügen auf dem Halberg wurde von einem gut organisierten Bus-Shuttle abgerundet. Im Publikum war zu hören: „Der SR dürfte gerne öfter seine Türen öffnen“. www.sr.de Text und Foto: Gesine Werner 17


kultur & kreatives Geschichte dieser starken Persönlichkeit offenzulegen und ihr Land in der Zeit zu zeigen, in der sie lebte. Die Fülle an fotografischen Bildern wird in sechs Hauptthemen geordnet, in denen ihre Herkunft, ihr Blaues Haus (Casa Azul), Diego Rivera und die Revolution sowie ihr geschundener Körper, ihre Lieben und ihr Faible für Fotografie beleuchtet werden. Zugleich repräsentieren die Exponate auch die Kunst und die spezifischen Perspektiven anderer Fotografinnen und Fotografen aus der Zeit von Frida Kahlo. Wenig bekannt ist, dass Frida Kahlo eine besondere Beziehung zur Fotografie hatte. Sowohl ihr Vater als auch ihr Großvater waren professionelle Fotografen, und sie selbst machte sich die Fotografie auf unterschiedliche Weise zunutze. Sie sammelte unter anderem Daguerreotypien und Postkarten aus dem 19. Jahrhundert und bewahrte Fotografien auf, denen sie ihren persönlichen Stempel aufdrückte, indem sie Dinge aus ihnen ausschnitt, Widmungen auf sie schrieb und sie personalisierte.

Frida Kahlo, fotografiert von Guillermo Kahlo, 1932

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ie Opelvillen präsentieren über 200 Fotografien aus der umfangreichen Bildersammlung von Frida Kahlo (1907–1954), die ihr als Erinnerung, Inspirationsquelle und Arbeitsmaterial diente. Die mexikanische Künstlerin wurde durch ihre besondere Malerei zwischen Naiver Kunst, Surrealismus und Neuer Sachlichkeit weltbekannt, nicht zuletzt durch ihre autobiografischen Themen und die Verarbeitung ihres bewegten Lebens – ihre Krankheit, ihre Leiden, ihre Ehe mit Diego Rivera. Erst fünfzig Jahre nach Kahlos Tod kam ihr immenses privates Fotoarchiv ans Licht, das noch einmal ganz

neue Einblicke vermittelt: Bilder der Familie, das Paar politischen Kampfes, ihres versehrten Körpers und Zeugnisse ihrer Begeisterung für Fotografie. In der Ausstellung »Frida Kahlo. Ihre Fotografien« sind eine Reihe von Bildern ihres fotografischen Nachlasses zu sehen, die bis vor kurzem völlig unbekannt waren. Bei der Sichtung dieses großartigen Archivs wurden von dem Fotohistoriker Pablo Ortiz Monasterio 241 Fotos ausgewählt, um neue Erkenntnisse zum Verständnis einer der ikonischsten Figuren des 20. Jahrhunderts zu teilen. Dank der Sammlung von Frida Kahlo wird es möglich, die ureigene

Sie schenkte sie ihren Freunden, sie waren Erinnerungen an ihre verstorbenen Angehörigen und sie wurden zu einer wichtigen Inspirationsquelle für ihre Gemälde. Darüber hinaus dienten sie ihrer Selbstdarstellung. Frida Kahlo war sich bewusst, dass die Fotografie ein wirkungsvolles Medium war, um das Bild von sich zu vermitteln, dass sie anderen zeigen wollte. Durch ihre Fotos entsteht ein eindringliches Dokument der Zeit und ein intimer Einblick in das Leben einer der bemerkenswertesten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Frida Kahlo. Ihre Fotografien Fotografien 1919 – 1937 bis 4. Juni 2024 Opelvillen Rüsselsheim Ludwig-Dörfler- Allee 9 65428 Rüsselsheim www.opelvillen.de

Frida Kahlo. Ihre Fotografien 18

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or fast 2 Jahren gründete sich die Ateiliergemeinschaft bestehend aus den KünstlerInnen Anna Bieler, Patricia Sant`Ana Scheld, Roma Mikos, Bernd Schneider, Mike Wosnitzka und der Diplomingenieurin Astrid Lembcke-Thiel, freie Kuratorin für künstlerische Prozesse im Kontext Kunst und Bildung, die hier ein Büro für Kunst- und Kulturvermittlung betreibt. Alle Mitglieder waren damals aus ganz verschiedenen Gründen auf der Suche nach einem neuen Wirkungskreis und fanden ihre neue künstlerische Heimat in den wunderbaren hellen Räumen in der Rheingaustraße in Wiesbaden ganz in der Nähe des Rheins, der auch als Quelle der Inspiration dienen kann.

von links nach rechts: Patricia Sant`Ana Scheld, Anna Bieler, Bernd Schneider, Roma Mikos, Mike Wosnitzka

Die ersten „Offenen Ateliers am Rhein“ (www.offeneateliers-wi-rhein.de) gab es dann auch in diesem Jahr am 17. und 18. Juni. Neunzehn KünstlerInnen und Ateliers aus den (Vor-)Orten Kastel, Biebrich, Schierstein und Niederwalluf nahmen bei schönstem Sommerwetter teil; insgesamt gab es 10 Stationen, die auch bequem mit dem Fahrrad erreichbar waren. Eine großartige Aktion, die nun jährlich wiederholt werden soll und auch sicher weiterwachsen wird. Unter dem Titel „Artists Night“ öffnet die Ateliergemeinschaft am 9. Dezember ab 17 Uhr wieder ihre Tür! Weitere Informationen zu den KünstlerInnen der Ateliergemeinschaft ATELIEReins gibt´s auf den folgenden Seiten und hier:

Ateliereins https://instagram.com/ateiler_eins_ wiesbaden Sowie auf den Websites: https://www.illustralabor.com/ https://www.mike-wosnitzka.com/ http://www.roman-mikos.de/ https://www.facebook.com/bernd. schneider.129142 https://annabieler.de/de/willkommen/ https://www.facebook.com/anna. bieler.33 https://instagram.com/a.bieler Ateliergemeinschaft ATELIEReins Rheingaustraße 85b 65203 Wiesbaden

Die sechs fühlen sich wohl zusammen! Jede(r) der KünstlerInnen pflegt einen eigenen Stil, und gemeinsam sie treten als „ATELIEReins“ auf. Ihre Absicht, ein offenes Haus für Kunst und Kultur am Rhein entstehen zu lassen, wurde und wird fleißig in die Tat umgesetzt. Sie haben bereits einige Aktionen gestartet. Mit „Tag der offenen Tür“ am 11. Juni 2022 stellte sich die Ateliergemeinschaft zum ersten Mal der Öffentlichkeit und den umliegenden KünstlerInnen und Ateliers vor. Der Gedanke, eine gemeinsame Aktion der in den Rheinanlieger-Vororten beheimateten Ateilers ins Leben zu rufen, ähnlich den Tatorten Kunst in der Wiesbadener Innenstadt, war da schon vorhanden. wiesbadener*in IV/2023

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kultur & kreatives

Anna Bieler Malerei

Dein Leben ohne Kunst wäre… sehr viel ärmer. Es wäre ein Leben, in dem ich bestimmt auch etwas Sinnvolles tun würde. Es wäre nur nicht, was meiner inneren Stimme, meinem Sein entsprechen würde. Was inspiriert dich? Woher nimmst du deine Inspiration? Inspiration kommt eigentlich von innen. Wenn ich in Kontakt zu mir selbst bin, gibt es eine Quelle jenseits der sichtbaren Welt, die unerschöpflich ist. Natürlich werde ich auch von der sichtbaren Welt inspiriert. Von Dingen, die geschehen, die ich wahrnehme oder durch andere Kunst, die ich sehe und die mich inspiriert. Welche Frage bewegt dich als Künstler:in gerade besonders? Mich beschäftigen gerade verschiedene Fragen besonders. Z.B.: inwieweit reagiere ich auf das aktuelle Weltgeschehen? Muss ich mich explizit politisch positionieren oder kann ich auch in einer metaphorischen und existentiellen Weise (was mir eher liegt) mit der Kunst antworten, Fragen stellen oder Impulse geben? Wird das Geschehen nicht zum Erbrechen und im Übermaß dokumentiert, illustriert, manipuliert, auf endlose und vielfältige Weise reproduziert? Bin ich tatsächlich verpflichtet, digitale Medien, KI und andere neue Techniken zu verwenden, um gesellschaftlich relevante Kunst zu machen? Ist es legitim, mehr oder weniger ein traditionelles Medium wie die Malerei zu verwenden? Was würde niemand von dir vermuten? In Bezug auf mich als Künstlerin, würde vermutlich niemand vermuten, dass ich plötzlich digital art, Skulptur 20

oder ähnliches mache. Ich selbst würde nichts davon jemals ausschließen. Welche natürliche Gabe hättest du gern? Ich würde mir wünschen, immer ganz bei mir zu sein. Ganz wahrhaftig mein Leben zu führen, in welcher Hinsicht auch immer. Was ist dein größtes Talent? Ich komme mir zuweilen wie ein Katalysator vor. Als würde ich, was um mich herum passiert wahrnehmen, und was auf der einen Seite in mich reingeht, auf die eine oder andere Weise woanders wieder ausspucken. Zum Glück habe ich wohl auch das Talent, frei und unabhängig etwas Neues zu erschaffen. Sonst wäre ich wohl keine Künstlerin. Was wolltest du als Kind werden? Bildende Künstlerin. Wann war dir klar, dass die Kunst zu deinem Leben gehört? Wahrscheinlich war mir das schon immer klar – unterstützt durch ein künstlerisch/musisches Elternhaus. Gibt es Kunst, die dich in deinem Leben besonders beeindruckt oder inspiriert hat? Aber ja. Vor allen Dingen solche, die mich tief innerlich berührt. Das ist zum einen Kunst, die mich nicht nur formal anspricht, sondern die einen Inhalt transportiert, der mich zu erhöhen scheint. Dazu gehören Künstler wir Fra Angelico, Miquelangelo und viele mehr, die schon lange tot sind. Auch Odilon Redon, z.B. der etwas weniger lange

Mann mit Schnecke, 2023, Öl auf Leinwand, 50x70 cm

tot ist oder lebende Künstlerinnen wie Miriam Cahn z.B. Ich könnte die Liste noch lange fortsetzen. Deine nächsten Projekte, Ausstellungen. Wo kann man dich sehen? Meine nächsten Projekte finden in Wiesbaden statt. Im Dezember nehme ich an der Kunst zu schenken in der Walkmühle teil. Außerdem öffnen wir unser ATELIEReins am 9. Dezember ab 17 Uhr und nehmen auch nächstes Jahr Mitte Juni an den Offenen Ateliers am Rhein teil, die in diesem Jahr (durch unsere Ateliergründung) das erste Mal stattfanden. Nächstes Jahr werde ich zusammen mit meiner Kollegin Christiane Steitz vom 6. bis 14. Juli in der SCHAUstelle, den Räumen des BBK Wiesbaden, ein Projekt realisieren. Vom 25.8. bis 6.10.24 beteilige ich mich an einer Gruppenausstellung der Gedok im Kunstbunker 05 in Montabaur, die sich mit dem Thema Frieden befasst. Wenn du drei Wünsche frei hättest, welche wären das? Frieden, Freiheit und für mich persönlich: von der Kunst zu leben (von meiner Kunst zu leben – und von der Kunst zu LEBEN)! Nochmal: Frieden, Frieden Frieden. Als Künstlerin wünsche ich mir sehr, dass meine Arbeit sinnvoll ist. Dass sie Menschen erfreut und bereichert. Und ich wünsche mir, genug Geld zu verdienen mit meiner Kunst, um davon leben zu können. wiesbadener*in IV/2023


Bernd Schneider

kultur & kreatives

Zeichnungen, Aktionen, Installationen

Deine nächsten Projekte, Ausstellungen. Wo kann man dich sehen? Ich habe noch keine konkreten Pläne; natürlich nehme ich wieder bei Tatorte Kunst in Wiesbaden teil. Außerdem öffnen wir unser ATELIEReins am 9. Dezember ab 17 Uhr und nehmen auch nächstes Jahr Mitte Juni an den Offenen Ateliers am Rhein teil, die in diesem Jahr (durch unsere Ateliergründung) das erste Mal stattfanden. Wenn du drei Wünsche frei hättest, welche wären das? Das ich noch lange weiter spielen und spinnen kann ...

Keine Blätter

Dein Leben ohne Kunst wäre… Unvorstellbar! Das wäre so, als wolle man Kindern das Spielen verbieten. Muss sooo langweilig sein. Was inspiriert dich? Woher nimmst du deine Inspiration? Der Mensch in seiner Umwelt ... Was würde niemand von dir vermuten? Da wüsste ich nichts ... Welche natürliche Gabe hättest du gern? Dass ich bei Vorlesungen meine Texte besser vortragen kann ... wiesbadener*in IV/2023

Was wolltest du als Kind werden? Bei Feuerwehr, Rennfahrer oder Pilot wurde aufgrund meiner Schwerhörigkeit stets gleich abgewunken, weswegen ich erst einmal ratlos war und dann habe ich weiter gesponnen ... Wann war dir klar, dass die Kunst zu deinem Leben gehört? Ab 9 oder 10 Jahren Gibt es Kunst, die dich in deinem Leben besonders beeindruckt oder inspiriert hat? Dada, Surrealismus, Fluxus, die poetischen Bildunterschriften von u.a. Max Ernst und Paul Klee... 21


kultur & kreatives

Mike Wosnitzka Malerei und Zeichnung

Dein Leben ohne Kunst wäre … nicht mein Leben. Was inspiriert dich? Woher nimmst du deine Inspiration? Das Leben, Gespräche mit Menschen, Literatur, Auseinandersetzung mit Geschichte ... Einen Mangel an Inspiration kenne ich nicht. Ich arbeite durchschnittlich parallel an bis zu 15 Bildern. Welche Frage bewegt dich als Künstler:in gerade besonders? Es geht in meinen Bildern immer um den Menschen. In verschiedenen Lebenssituationen und in verschiedenen Zeiten. Es geht um existenzielle Fragen des Menschseins und um das emotionale Erleben. Emotionales Erleben als Grundlage jeden Erlebens. Dabei bin ich als Künstler nur der außenstehende Beobachter, der das, was er sieht in seinen Bildern festhält und durch die eigene Bildsprache mit den Betrachtenden kommuniziert. Was würde niemand von dir vermuten? Die wenigsten können sich vorstellen, dass ich ein großer Fußballfan bin. Das ist wohl genetisch bedingt, da es in meiner Familie viele Generationen von guten Fußballern gab und Fußball in meiner Familie von jeher eine große Rolle spielt. Meine Familie kommt aus Rheinland-Pfalz und ist dem dortigen Traditionsverein sehr verbunden. Wie immer musste ich aber aus der Tradition ausbrechen und bin Freund eines Traditionsvereins aus Hessen. Flieg Adler flieg! Welche natürliche Gabe hättest du gern? Ich würde gerne tanzen können. Was ist dein größtes Talent? Ich bin Künstler. Was wolltest du als Kind werden? Mit fünf Jahren wollte ich Papst werden. 22

nude

Diese Illusion wurde mir allerdings von meiner Großmutter direkt genommen, indem sie mir erklärte, dass ich dafür Katholik sein müsste. Das war das Ende meiner ersten Berufswahl. Abgesehen davon wollte ich schon immer als Künstler tätig sein. Bereits in meiner Schulzeit hat dies für mich und mein Umfeld immer festgestanden. Wann war dir klar, dass die Kunst zu deinem Leben gehört? Mein leiblicher Vater und dessen Vater haben gemalt und daher habe auch ich bereits als kleiner Junge gezeichnet. Als ich das erste Mal in einer Ausstellung war mit Werken von Picasso, Chagall usw. hatte ich das Gefühl, mich selbst zu verstehen. Da waren Werke, die mein Innerstes bewegten und nicht nur etwas abbildeten. Ich wurde bereits mit 15 Jahren Schüler eines Düsseldorfer Künstlers und habe durch diesen viele bekannte Maler, Bildhauer, Fotografen und Musiker dieser Zeit in Düsseldorf kennengelernt. Diese Begegnungen haben meinen zukünftigen Werdegang stark geprägt. Gibt es Kunst, die dich in deinem Leben

besonders beeindruckt oder inspiriert hat? Es gibt sehr viele Künstler, die mich beeindrucken, wie zum Beispiel Picasso, Matisse, Markus Lüpertz, Georg Baselitz, Jörg Immendorff, Jonas Burgert, Junior Toscanelli. Aber wenn ich sehr viel an meinen eigenen Bildern arbeite, vermeide ich es, mich mit den Werken anderer Künstler auseinander zu setzen. Es geht mir darum, meiner eigenen Bildsprache treu zu bleiben und diese weiterzuentwickeln. Dabei vermeide ich äußere Einflüsse, um meinen eigenen Weg zu gehen. Deine nächsten Projekte, Ausstellungen. Wo kann man dich sehen? Am 09. Dezember 2023 findet im ATELIEReins eine Ausstellung statt, an der ich mich beteilige. Ansonsten kann man sich online immer über meine aktuellen Projekte und Ausstellungen informieren. Wenn du drei Wünsche frei hättest, welche wären das? Da ich die Welt nicht retten kann, wünsche ich mir, dass meine Familie gesund bleibt und für sie ein langes schönes Leben. wiesbadener*in IV/2023


Roman Mikos

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Malerei

Dein Leben ohne Kunst wäre … bieder Was inspiriert dich? Woher nimmst du deine Inspiration? Das Leben selbst. Welche Frage bewegt dich als Künstler:in gerade besonders? Vielfalt des Lebens und was bringt uns die Zukunft. Welche natürliche Gabe hättest du gern? Die richtigen Entscheidungen zu treffen. Was ist dein größtes Talent? Nie aufgeben. 2022, Mischtechnik auf Leinwand, 190 x 170 cm

Was wolltest du als Kind werden? Auf alle Fälle nicht Feuermann. Wann war dir klar, dass die Kunst zu deinem Leben gehört? Irgendwann im Kindesalter. Gibt es Kunst, die dich in deinem Leben besonders beeindruckt oder inspiriert hat? Die alten Meister, Abstrakte Malerei Deine nächsten Projekte, Ausstellungen. Wo kann man dich sehen? Offenes Atelier an den 9. Dezember 2023, Mediathek Eltville Ende Januar 2024. Wenn du drei Wünsche frei hättest, welche wären das? Jedes Mal mit viel Zuversicht und Elan ins Atelier zu fahren. Jedes Mal zufrieden vom Atelier nach Hause zu kommen. Dass es immer eine weitere Chance gibt.

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Großes Treffen , 2023, Öl auf Leinwand, 150 x 130 cm

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kultur & kreatives

Patricia Sant`Ana Scheld Illustration

Dein Leben ohne Kunst wäre … nichts. Das Leben für mich ohne Kunst würde überhaupt keinen Sinn ergeben. Seit meiner Kindheit ist Kunst das, was mich antreibt und mir ermöglicht zu atmen. Was inspiriert dich? Woher nimmst du deine Inspiration? Ich lasse mich von der Natur und dem menschlichen Körper von innen inspirieren. Ich liebe es, Mikrokosmen zu beobachten und aus ihnen Flecken und Formen zu kreieren, um eine andere Erzählung zu komponieren, die sich von meiner ursprünglichen Inspiration unterscheidet. Welche Frage bewegt dich als Künstlerin gerade besonders? Die Frage: Was ist die Zukunft? Diese Frage beschäftigt KünstlerInnen immer, aber in diesen Zeiten wird sie intensiver gestellt. Ich habe an Kollektiven von KünstlerInnen teilgenommen, in denen wir uns über die Zukunft Gedanken machen. Für mich ist die Zukunft weiblich, und die Kunst ist weiblich. Wenn ich vom Weiblichen spreche, meine ich nicht Geschlechter, sondern die weibliche Energie, die in uns allen wohnt. Wir alle haben männliche und weibliche Energie, und die Zukunft hängt von dieser weiblichen Energie ab. Was würde niemand von dir vermuten? Dass ich eine großartige Detektivin bin... zumindest die in Fernsehserien oder Kriminalbüchern. Welche natürliche Gabe hättest du gern? Fliegen können. 24

Was ist dein größtes Talent? Die Arbeit mit Farben Was wolltest du als Kind werden? Ein Vogel Wann war dir klar, dass die Kunst zu deinem Leben gehört? Schon immer, ich war anders als Kind, meine Spiele waren anders. Gibt es Kunst, die dich in deinem Leben besonders beeindruckt oder inspiriert hat? Kunst entwickeln wie Louise Bourgeois, Lee Krasner,Marina Abramovic, Lygia Clark und Mary Bauermeister. Deine nächsten Projekte, Ausstellungen. Wo kann man dich sehen? Meine Arbeit besteht aus Gemälden, Performances, Illustrationen und der Erstellung von Büchern. In letzter Zeit habe ich Bücher gemacht und die Malerei hat mich sehr beschäftigt, da ich eine Serie über Böden entwickeln möchte. Auch das Gehen mit einem ästhe-

tischen Auge ist etwas, das ich viel praktiziere, und ich fotografiere immer Details des Bodens. Ich plane, diese Serie im Jahr 2024 zu entwickeln. Im Jahr 2024 werde ich auch einige Bücher herausbringen. Zurzeit sind meine Arbeiten in der Ausstellung Wir Frauen in Biebrich zu sehen, die noch bis Dezember in der Galatea Anlage in Biebrich zu sehen sein wird. Am 09. Dezember 2023 findet im ATELIEReins eine Ausstellung statt, an der ich mich beteilige. Wenn du drei Wünsche frei hättest, welche wären das? Ich möchte mit meiner Kunst kommunizieren und die Menschen mit meinen Botschaften berühren. Der Wunsch nach einer weiblicheren Welt, die eine Welt mit weniger Krieg und weniger Macht wäre. Eine Welt, die kollektiver und wieder mit der Natur verbunden ist, von der wir uns entfernt haben, seit Sokrates den Menschen in den Mittelpunkt des Universums gestellt hat. wiesbadener*in IV/2023


KulTouren

Vielfach ausgezeichnet als Violoncellist und als Kabarettist guter alter Schule perfekt besetzt, lebte Victor Plumettaz die „Everblacks“ der Legende Georg Kreisler bei der Kulturbrücke Mainz-Wiesbaden geradezu und wurde gefeiert.

„Tatorte Kunst“ im Kunstraum E14 in der Eltviller Straße.

Brandaktuelle Everblacks á la Kreisler mit exquisiter Überraschung

Tatorte Kunst einmal anders/Werkstatt E14 mit Retrospektive Zygmunt Apostol

Cellist Victor Plumettaz & Gitarristin Yuliya Lonskaya zu Gast bei der Kulturbrücke Mainz-Wiesbaden

Verlorene Kindheit, Foto-Painting, tragbarer Tagtraum und Müllwächter-Engel

„Aus Spaß an der Freud“ laden Kulturpreisträger Frank Deubel & Gemahlin Barbara Deubel mehrmals im Jahr ins Kohlhecker Atelier zu Lesung, Musik oder Gespräch. Tags darauf ist das Gastspiel in Mainz. „Es geht um kulturelle Begegnung, wie in den Berliner Salons der Zwanziger Jahre. Kunst muss unterhalten, aber auch zum Nachdenken anregen“, meint die Gastgeberin. Eintritt frei, die „Kulturbrücke Mainz-Wiesbaden“ geht der Hut rum. Für die Pause - extra lang für Gespräch & Co. - steht Flüssiges nebst Häppchen bereit. „Georg Kreisler ist viel mehr als der `Taubenvergifter`Song“, weiß Victor Plumettaz. Folgerichtig entfällt der Gassenhauer beim furiosen Salon-Gastspiel des exzellenten Cellisten. Mit seinem grandiosen Kreisler-Abend und gepflegtem Grusel faszinierte der hintersinnig scharfäugige „Narr“ als galgenhumoriger Menschenfreund. Everblacks forever! Vielfach ausgezeichnet, gönnte er dem applausfreudigen Publikum auf seinem „Baby“, einer Lady Jahrgang 1751 des großen William Forster, mit warmem Ton hochkarätigen Konzertgenuss. Zuvor war er mit beißendem Wortwitz und gekonntem Tastenspiel, Weaner Idiom, rollendem „R“ und Knautsche-Mimik ein ergreifender Kreisler-Wiedergänger. Ist die Karwoche eine „Car-Woche“? Golgatha ist eine Zahnpasta? Sezieren und irritieren. Der normalverrückte Einbürgerungs-Irrsinn war selbst erlebt dank schweizerisch-ungarischer Abstammung. „Alles wird teurer, nur der Mensch ist nix wert“. Doch - er ist sieben Euro wert laut Uni Wien. Als exquisite Überraschung hatte Victor Plumettaz die brillante Gitarristin Yuliya Lonskaya eingeladen. Mit Astor Piazzollas „Libertango“ riss das feinfühlig aufeinander eingespielte Duo das Publikum von den Stühlen. Der Applaus wollte nicht enden. Da capo!

Text und Foto: Gesine Werner

„Für Dich solls rote Rosen regnen…“ Eine hochkarätige Retrospektive huldigte Publikumsliebling Zygmunt Apostol zum fünften Todestag mit der Schau seiner Foto-Painting-Werke. „Tatorte Kunst“ mal anders in der E14-Galerie. Mehrfach preisgekrönt, erfand der Schauspieler, Sänger, Komponist, Filmemacher UND Maler aus Katowice einen surrealen „V-Effekt“. Zarte Verzerrung („Staatstheater“) mit manuellem Einwirken („Selbstporträt“) schuf Abstraktes. Ein assoziativer Seh-Gang. „Verlorene Kindheit“ mit Puppenkopf als Totenmaske. „Impression“ mit Andy Warhol-Flair. Phantasielandschaften als Faszinosum. Die Retrospektive läuft bis Ende 2023. Den Verkaufserlös spendet Lebensgefährtin Lotti Blum an ein E14-Kulturprojekt, getragen von fünf Kreativen: Andrea Frank zeigt Klassische Ölmalerei. „Sommervergnügen im Meer“ mit hintergründigem Esprit bietet Rebekka Klaucke. „Stones to remember“: Vitalis Kubach ist mit Symbolringen vertreten und ihre „Seelensteine“ bergen ein Geheimnis. „Tagtraum tragen“: Kostümbildnerin Birgit Reimann zeigt attraktives Mode-Design, das Sparten verbindet. „Farben.Spiel“: Die Handschrift von StaatstheaterUrgestein Uwe Kraus-Fu („Der Sturm“/ „Mord auf Schloss Haversham“) ist bei seinen zu Kunst gewordenen Fundstücken auf der „Stadtlandschaft“ unverkennbar. „Wie schön ist die Prinzessin Salome heute Nacht“: Seine Salome ist ein Todesengel. Der „Blaue Engel“ ist eine Wächterfigur aus Haushaltsmüll, von Roms Hausschutzgöttern, den Laren & Penaten, inspiriert. Am 2. Advent (9./10. Dezember, und 17.12.23) ist Uwe Kraus-Fu beim klassischen WeihnachtsKammerkonzert im Theaterfoyer mit Texten von Mynoma, Fallada, Fleißer und Kaschnitz zu erleben. https://www.staatstheater-wiesbaden.de/ schauspiel/uwe-kraus/ Text und Foto: Gesine Werner

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KulTouren

„CCW-Gummibärchen“ Hannelore Soni mit dem „CCW-Gartenzwerg“ Suresh Soni nach dem Fassenachtszuch im Rathausfestsaal.

Bildhauer Stephan Balkenhol (links) und Kurator Dr. Peter Forster (rechts) zu Besuch bei „Leiermann“ Apoll in der Museumsschau „Zeitfenster“.

Ein Flüchtlingskind aus Stettin

„Familienbesuch“ mit Urfrau, Mephisto und dem Mann auf dem Hexenbesen

Abschied von Hannelore Soni - „Kurhaus-Seele“ und CCW-Gummibärchen mit Herz Eine wunderbare „Gast-Geberin“ war Hannelore Soni und eine Karnevalistin mit Leib und Seele war sie auch. Sie hat ihren Ehemann Suresh närrisch „total angesteckt“, wie sie mit ihrem typisch strahlenden Lächeln erzählte. Von Kurhaus-Events der Dacho, von CCWKostümsitzung und CCW-Rieslinggala waren dem Chef der Servicekräfte närrische Umtriebe bestens bekannt - das munter engagierte CCW-Gummibärchen hatte leichtes Spiel. Im Oktober hat die warmherzige Wahlwiesbadenerin mit dem erfrischend trockenen Humor im 85. Lebensjahr ihre Augen für immer geschlossen. Hannelore Soni, geborene Langmann, mit Ehemann Suresh Soni eine veritable Zeitzeugin in der oral history-Anthologie des Stadtarchiv- Fördervereins („Erlebte Geschichte(n)“/Gesine Werner, 2022), erzählte immer frei von der Leber weg. Neben dem „deutschen Inder in Wiesbaden“ sah sie sich als „ein Flüchtlingskind aus Stettin“. Die charmante Schöne ging in Idstein zur Schule und arbeitete später im Mannheimer Hotel Steigenberger, wo sie - „am 18. März 1972!“ - in der Kaffeeküche auf Suresh Soni traf. Der exzellente Absolvent der Hotelfachschule Neu Delhi durchlief im Haus diverse Stationen. „Ich dachte, was macht denn der Roberto Blanco hier?“ Es funkte gewaltig. Im Hotel war Anbandeln unerwünscht, doch dem indisch-deutschen Liebespaar egal. Als ihr „Sechser im Lotto“ nach Wien ging, folgte Hannelore und fand Arbeit in der Sacherstube. 1977 wurde in Bad Schwalbach geheiratet. Wie Hotelkaufmann Suresh von Kanada nach Wiesbaden und hier ins Kurhaus kam, ist eine filmreife Story.

Liberty, Venus, Engel & Lucifer – die „Alten Meister“ im Museum haben Besuch. Die hinreißende Ausstellung im Obergeschoß ist ein großer Wurf, über die „Weltpremiere“ freut sich Museumsdirektor Dr. Andreas Henning. „Erstmals stellt Stephan Balkenhol in Wiesbaden aus, ist bei den „Alten Meistern“ mit seiner Kunstfamilie auf Familienbesuch.“ Der Titel: „Zeitfenster. Stephan Balkenhol trifft Alte Meister“ ist wörtlich zu verstehen. Seit 10 Jahren präsentiert das Museum Wiesbaden die „Alten Meister“ in Themenräumen. Dr. Peter Forster gönnt sich was zum Jubiläum. „Es muss Skulptur sein und der Beste.“ Deutschlands bedeutendsten Bildhauer konnte der Kurator gewinnen, gab Stephan Balkenhol „Carte Blanche“. Künstler Balkenhol ist „vom Überzeitlichen fasziniert“, tief in der europäischen Kunstgeschichte und ihrem humanistischen Anspruch verwurzelt und lässt rund 50 sinnliche Skulpturen mit den Werken der Gemäldesammlung in spannende Dialoge treten. Abstraktion und Figürlichkeit. Augen auf! Der Rundgang wird zur assoziationsreichen „Seh-Reise“. Ein groß geratenes „Baby“ blickt zur Jesusfigur am Walsdorfer Kruzifix hoch. Figuren betrachten Gemälde oder erblicken sich gegenseitig wie „Engel“ und „Lucifer“. Weiblichkeit kommt daher als „Frau auf Stamm“, als „Moderne Frau“ und „Gotische Frau“. Die „Urfrau“ ist mit der Venus von Willendorf verwandt. Gustav Gründgens lässt bei „Mephisto“ grüßen. „Liberty“ trägt Hose und T-Shirt. Ganz frisch aus dem Atelier sind drei „Museumsspatzen“, die in de Mompers „Gebirgslandschaft mit Flusstal“ fliegen.

Als „Gastgeber“ wussten die Sonis sogar den Hochadel zu beeindrucken: „Fürstin Tatiana von Metternich-Winneburg war eine ganz feine Lady, ohne Allüren oder Sonderwünsche. Wir haben im Hause Metternich auf Schloss Johannisberg für die Firma Steigenberger das Catering durchgeführt.“

Der weltweit hoch angesehene Bildhauer hat köstlich subversiven Humor. Er lagert einen „Mann unter Fliegenpilz“ und nennt „zwei Figurensäulen“ schlicht „Mann und Frau mit Besen“. Auf die Idee, den Mann auf einen „Hexenbesen“ zu setzen, muss man(n) erst mal kommen.

Hannelore Soni fand ihre letzte Ruhe im Bestattungswald Terra levis in Frauenstein.

Die faszinierende Schau ist bis zum 2. Juni 2024 zu sehen.

Text und Foto: Gesine Werner 26

Text und Foto: Gesine Werner wiesbadener*in IV/2023


KulTouren

Auch in Modern Dance versiert. „Don Tango“ tanzte in Pina Bauschs Wuppertaler Companie. Gabriel Sala in der Pina Bausch-Ausstellung der Maifestspiele 2014 mit Salomon Bausch, Sohn der Tanzlegende.

Vielfach engagierter Bildhauer und Kulturpreisträger: Prof. Dr. Wolf Hanns Spemann war ein Initiator der “KunstArche”.

„Don Tango“ feiert Jubiläum

Ich will wirken in meiner Zeit

Tanz-Legende Gabriel Sala lädt zum Salon Tango ins Theaterfoyer

Abschied von Kulturpreisträger Professor Dr. Wolf Hanns Spemann

„Tanz ist die Kunst, die die Seele des Menschen am meisten bewegt“, wusste schon Plato.

„Ich will wirken in meiner Zeit“ war frei nach Käthe Kollwitz die Maxime des vielfältig ausgezeichneten Bildhauers Professor Dr. Wolf Hanns Spemann. Der zweimalige Kulturpreisträger der Landeshauptstadt Wiesbaden ist im September wenige Tage nach seiner Frau, der bekannten Geigerin Doris Wolff-Malm, in seiner Wahlheimatstadt gestorben und ruht auf dem Nordfriedhof.

Und dass Tango viel mehr ist als Enrique Santos Discépolos Bonmot zum „traurigen Gedanken, den man tanzen kann“, lebt der Argentinier Gabriel Sala seit 1963. Sein erster Dienstvertrag in Wiesbaden unter Intendant Sistig datiert von 1970. Der vielseitig - auch als Schauspieler! - qualifizierte, charismatische Tänzer verkörpert mit seinem „Café Tango“ der Ära Dr. Manfred Beilharz und dem „Salón Tango“ der Ära Laufenberg eine Art „6. Sparte“ im Staatstheater Wiesbaden. Im Dezember 2013 wurde 10 Jahre Café Tango gefeiert, jetzt steht als Jubiläum „20 Jahre Café & Salón Tango“ an. Chapeau! Unvergessen ist sein im Lunfardo-Jargon gesprochener und getanzter El Duende Ben van Couwenberghs „Maria de Buenos Aires“ (Annette Luig/Sharon Kempton) nach Astor Piazzollas Operita in der Dramaturgie von Bodo Busse, jetzt Intendant in Saarbrücken. „Ich bin sehr preußisch.“ Der ewig junge Zeitzeuge auf dem Cover der oral history-Anthologie des Stadtarchiv-Fördervereins („Geschichte & Geschichten“/Gesine Werner 2022) hat „nie eine Vorstellung ausfallen lassen, nie eine Doppelbesetzung gebraucht.“ Die Wiesbadener Stückentwicklung „Helden leben“ von Kulturpreisträgerin Priska Janssens, Dramaturgie Anika Bardos, mit den Profis Franz Nagler & Wolfgang Vater plus 40 Mitwirkenden vom Gräselberg hat der Tänzer aktiv unterstützt. Der Charakterkopf aus Buenos Aires hat so ziemlich „alles getanzt“, klassisch und neo-klassisch, auf Spitze und Folklore, Modern Dance natürlich auch. Mit Ballettdirektorin Pina Bausch („Fritz“/“Rodeo“/ „Der grüne Tisch“ von Kurt Jooss) fing er am Staatstheater Wuppertal an. Aber das ist eine eigene Geschichte. Sein Goldjubiläum am damals 125 Jahre alten landeshauptstädtischen Musentempel zelebrierte der unkaputtbare Meister 2019. Sein Salón Tango hat Kultstatus. Im Dezember standen Cuarteto Rotterdam auf dem Spielplan. Am 26. Januar 2024 lädt der Wahlwiesbadener zu „Fuego Sur“ mit Facundo Leonidas Di Pietro ins barocke Foyer des Musentempels.

Der zurückhaltend auftretende Künstler und langjährige Professor für Plastik und Design der Goethe-Universität hinterlässt bleibende Zeichen an prägnanten Orten. Im Hof der Synagoge steht das Relief „Gewalt“ als Gedenkstätte. In Schierstein mahnt sein Gedenkstein an die 1938 zerstörte Synagoge. Die Bronzeplastik „Hände und Kreuz“ auf dem Nordfriedhof schuf er für die Diakoniegemeinschaft Paulinenstift. Seine „Sizilianische Marktfrau“ steht mitten im „Nizza des Nordens“ in der Glässingstraße. Seine Lindenholz-Krippe ziert die Marktkirche, die vier „Köpfe“ seines Mataré-Kommilitonen Joseph Beuys („Josephslegende“) stehen im Rathaus. Vor der Kirche Maria Aufnahme zeigt die kinetische Bronze „Narr und Tod, Lachen und Weinen“. Der Garten des Wohn- und Atelierhauses an der Schönen Aussicht ist als Skulpturenpark ein El Dorado der Bildhauerkunst. Der „überzeugte Anhänger von Greenpeace“ und Mitglied der Nobelpreis-Organisation „Ärzte gegen Atomkraft“ war künstlerisch und kulturpolitisch aktiv. Das BBK-Gründungsmitglied leitete zeitweise den Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler. Mit den Malern Arnold Gorski und Johannes Ludwig initiierte er 2010 die KunstArche. Seine Vignette „Bau die Arche noch einmal, Noah!“ war das erste Geschenk an die KunstArche. Geradezu prophetisch ist seine Arbeit aus dem Jahr 2002: „Das heilige Land - Auge um Auge, Zahn um Zahn - bis beide blind und zahnlos sind.“ Text und Foto: Gesine Werner

Text und Foto: Gesine Werner wiesbadener*in IV/2023

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kultur & kreatives

SchauspielerInnen der Theatergruppe ZEITLOS

Eine Brücke zwischen den Welten

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m 15. und 16. September hat die Theatergruppe ZEITLOS der EVIM Behindertenhilfe ihr neues Stück „Brücken und Worte gegen Mauern und Schweigen“ im thalhaus Wiesbaden unter großer Begeisterung des Publikums aufgeführt. Wir duften bereits zwei Wochen zuvor einen spannenden Blick auf die Theaterproben der bunt-gemischten Gruppe werfen. Alle paar Sekunden hallt die tiefe E-Saite der Akkustik-Gitarre durch den Raum, dazwischen spielt eine Band unterschiedliche Warum-Fragen ab. Sie wurden zuvor Szenenprobe

von den am Stück teilnehmenden AkteurInnen aufgenommen, die nun zusammen mit den Tanztherapeutinnen Katharina Weil und Vera Christina Aehle, der ehrenamtlichen Mitarbeiterin Elena Stolz sowie der für die Medienarbeit des Vereins verantwortlichen Heide Künanz und der ihrer Einladung gefolgten Presse die Theaterproben gespannt verfolgten. Warum ist das so - in „einer Welt voller Gegensätze zwischen Krieg und Frieden, Hass und Liebe, Hoffnung und Enttäuschung, Freude und Schmerz“, wie es im Pressetext heißt, inspirierte diese Frage das neue Stück der inklusiven Theatergruppe ZEITLOS. Jeder der AkteurInnen formulierte dafür seine persönliche Warum-Frage, die dann als Ausgangspunkte für die jeweiligen Szenen dienten. „Es war von vornerein unser Ziel, diese bestimme Atmosphäre in den unsicheren und schwer zu verstehenden Zeiten, in denen wir leben, im Stück auszudrücken“, erzählt Katharina Weil in der Gesprächsrunde nach der Probe. Wir befinden uns im Wohnpflegehaus in der Johannes-Brahms-Straße, in dem 27 Frauen und Männer mit

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schweren körperlichen Einschränkungen in Einzel-Appartements leben und von Pflege- und Betreuungsexperten individuell bereut und gepflegt werden. Weil gibt offen zu, dass „viel damit gerungen wurde, ob man sich diesem Thema überhaupt nähern kann.“ Doch genau das ist auf eine einzigartige Weise gelungen, was nicht zuletzt an den ganz unterschiedlichen Voraussetzungen der AkteurInnen liegt. Angst vor heiklen Themen scheint ohnehin nicht zu herrschen, im Gegenteil: „Ich mag es, mich mit Themen zu beschäftigen, die uns alle angehen, auch wenn sie nicht immer angenehm sind“, gibt etwa der Schauspieler, Musiker und Rollstuhlfahrer Wenzel Friebe zu Protokoll. Entstanden sind aus der Auseinandersetzung mit dem WARUM - der nebenbei bemerkt höchsten aller philosophischen Fragen - eine Reihe szenischer Collagen. Sie sollen laut EVIM als „fantasievolle Spaziergänge für die Seele“ wirken, als ein positiver, das Gute beschwörender Gegensatz zu all den Widersprüchen und Schwierigkeiten unserer Welt. So ist der Titel des Stücks „Brücken und Worte wiesbadener*in IV/2023


ZEITLOS in Aktion

gegen Mauern und Schweigen“ auch gleichzeitig als das Anliegen der Gruppe zu verstehen. Jede der stets improvisierten Szenen ist anders, drückt eine eigene Herangehensweise an das Thema aus. Es geht um eine blaue, friedliche Welt, um die Beobachtung von Vögeln und die Frage, wo diese nur hinziehen, um Brücken zu erreichen, die gebaut werden müssen. Dabei weht auch immer ein Hauch von Melancholie und Wehmut durch die Aufführung, der sich wohl zwangsläufig aus der Auseinandersetzung mit der aktuellen Welt und ihren vorstellbaren Utopien ergibt. „Ich glaube, ich bin im falschen Film - alles blau!“, heißt es in einer Szene von Agnes Tillmann. Nicht im falschen Film, nur in einer anderen Welt. „Angesichts aller Widersprüche ist die blaue Welt auch ein Ort der Sicherheit. In dem Prozess der Proben ist eine Brücke entstanden, die wir als Verbindung zwischen den beiden Welten brauchen“, beschreibt Vera Christina Aehle die gemeinschaftliche Arbeit an dem Stück. Die beiden Welten, das sind zwei gegengesetzte Pole: Die brutale Realität auf der einen Seite und das hoffnungsvolle Träumen und Fragenstellen auf der anderen, ohne eine Antwort zu erwarten. Eineinhalb Jahre lang wurden von den AkteurInnen unter professiwiesbadener*in IV/2023

oneller Anleitung Texte verfasst, Ideen für Bühnenbild und Requisite entwickelt und Choreografien besprochen und eingespielt. Die intensiven Proben mit Tanz, Bewegung, Musik und Sprache waren für die Teilnehmenden trotz aller Unterstützung zuweilen anstrengend und fordernd - umso stolzer ist die Gruppe auf dieses besondere Theaterstück, das aus der gemeinsamen Arbeit entstanden ist. Der Name ZEITLOS entspringt der Auseinandersetzung mit den zeitlich so anders gestalteten Lebenssituationen, in denen sich die AkteurInnen bedingt durch ihre unterschiedlichen Beeinträchtigungen befinden. Die Zeit hat sich als das gemeinsame Lebensthema herauskristallisiert - auch wenn diese so unsicher und schwer zu verstehen ist wie aktuell. Zum Glück für alle Beteiligten gibt es ja einen Gegenentwurf, die blaue und friedliche Welt.

bereits in vielen Aufführungen erfolgreich zeigen können. So waren sie Teil der durch die Lorenz Stiftung unterstützen großen Tanzprojekte der Inklusion „Die Schöpfung“ (2015) und „Die Arche Noah“ (2019), und sie werden auch wieder Teil des neuen und dritten Teils der Trilogie „Babylon“ sein, der am 9. Juli 2024 im Sendesaal des hr uraufgeführt werden wird (https:// www.miteinander-reden-ist-gold. com/). Wir werden SchaupielerInnen und Tanzprojekt medial begleiten; seien sie gespannt! Infos unter: www.miteinander-reden-ist-gold.de www.evim-behindertenhilfe.de Konstantin Mahlow alle Fotos: Regine Ullrich Szenenprobe

Katharina Weil hat ZEITLOS vor 25 Jahren einst mitbegründet. Das langjährige Projekt ist Teil der Kulturarbeit der EVIM Behindertenhilfe. Der Verein versteht darunter weit mehr als bloße Freizeitbeschäftigung, sondern eine kreative Art der Betreuung und Förderung, die neue Chancen entstehen lässt. Einige SchauspielerInnen aus der Theatergruppe haben ihre Kunst 29


kultur & kreatves

Das Publikum stimmt als Jury über die Schuld des Piloten ab in Ferdinand von Schirachs „Terror“, nach der Gerichtsverhandlung mit Gregor Trakis, Fabian Gröver, Richterin Gaby Pochert (Videobild), Lea Ostrovski und Staatsanwältin Martina Struppek (von links).

Ein Echoraum für Fragen, Ängste & Hoffnungen Saarländisches Staatstheater Saarbrücken offeriert ausgezeichnete Bühnenkunst „Bühne frei!“ für ausgezeichnete Bühnenkunst am Staatstheater Saarbrücken.

Terror

Sicherheitsschleuse, Wachbeamte, Chip zur Wahl zwischen „schuldig“ oder „nicht schuldig“. Ferdinand von Schirachs aktuelles Stück „Terror“ ist in Saarbrücken eine von Jonas Knecht schnörkellos und feinfühlig gezeigte Gerichtsverhandlung. Ein Kampfpilot hält das BVG-Urteil: „Leben darf nicht gegen Leben abgewogen werden“ für falsch, schießt befehlswidrig ein von Terroristen gekapertes

Flugzeug ab, tötet 164 Menschen. „Pilot“ Silvio Kretschmer, Gregor Trakis, Fabian Gröver, „Richterin“ Gaby Pochert, Lea Ostrovski und Staatsanwältin Martina Struppek zeigen hohe Kunst authentisch wirkenden Schauspiels. Livekamera (Lisa Degen), nüchterne Bühne und realistische Kostüme (Damian Hitz) fördern Beklemmung. Ein sehenswerter Abend.

Der lange Weg zum Wissen Von wegen „der lange Weg zum Wissen“. So lang ist die „theatrale Forschungsreise“ von ULRICHSundGROSCHEN alias Katharina

Für Alexander Nerlichs Saarbrücker Version von Oscar Wildes „Bildnis des Dorian Gray“ schuf Thea Hoffmann-Axthelm eine Bühne mit Speicher-Charme und Dachluke.

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Grosch & Emma Ch. Ulrich gar nicht, die das schwer begeisterte Publikum in der Sparte4 mit den durchgeknallten „Astronauten“ Neil Amstrong (Gaby Pochert), Buzz Aldrin (Sébastien Jacobi) und Mike Colins (Anna Jörgens) zum ergötzlich depressiven Mond im rosa Tutu (Raimund Widra) unternimmt. Ein „lehrreiches“ Gesamtkunstwerk mit hohem Spaßfaktor. Einfach köstlich.

Il Trittico

Giacomo Puccinis Opernhochkaräter „Il Trittico“ mit Liebeskrimi „Der Mantel“, der zutiefst berührenden „Schwester Angelica“ plus Erbschleicher-Farce „Gianni Schiccchi“ sind Höchstgenuss. Gesungen und gespielt wird ganz ausgezeichnet. Das Publikum, mit Szenenapplaus nicht geizig, erlebt Spannung pur. Erstmals am Haus, hat Wolfgang Nägele die genialen Einakter fesselnd inszeniert, zeigt ein Händchen für Intensität wie für Slapstick. Das expressive Einheitsbühnenbild (Lisa Däßler) wird feinsinnig variiert. Das Lichtdesign von Susanne Reinhardt setzt profilierte Akzente. Straffer Hand sorgt GMD Sébastien Rouland mit dem inspiriert wiesbadener*in IV/2023


kultur & kreatives

„Der lange Weg zum Wissen“: Sébastien Jacobi, Gaby Pochert, Anna Jörgens sind das Himmelfahrtskommando der Raumsonde Apollo 11, das bei Raimund Widra (im Mond) Station macht.

aufspielenden Staatsorchester für ein perfektes musikalisches Miteinander. In den Glanzpartien brillieren Ingegjerd Bagoien Moe, Valda Wilson, Liudmila Lokaichuk, Clara-Sophie Bertram und „Michele“/„Gianni Schicchi“ Peter Schöne. Das gesamte Ensemble macht bella figura. Finaler Applaus mit Sturmstärke.

Hedwig

Tobias Materna hat mit stilvollem Fingerspitzengefühl und seinem vertrauten Team Jan Hendrik Neidert/Lorena Diaz Stephens (Bühne & Kostüm) den Tony Award-Hit „Hedwig and the angry inch“ vom Broadway ins Saarland gebracht. Vokuhila-Köpfe, Glitzer & Glamour satt. Der phantastische Titelheld Lukas Witzel ist ein Import aus Gießen und als vaterloser „Hansel“ aus der DDR sowie Drag-QueenStar Hedwig echt zum Niederknien, auf hessisch „die Wucht in Tüten“. Wandlungsfähigkeit und anrührende Fragilität gehen unter die Haut. Die „weltweit ignorierte Gesangs-Stylistin“ ist ein Fest für Auge und Ohr. Als furiose RockBand geben Tastenlöwe Achim Schneider, Gitarrero Marc Sauer, Bassist Jochen Lauer & Drummer Max Popp ihrem Affen Zucker, natürlich muss eine Gitarre dran glauben.Grandios! Ein sicherer Renner. wiesbadener*in IV/2023

Dorian gray

„Das Bildnis des Dorian Gray“ mal anders. Mit frischem Zugriff setzt Regisseur Alexander Nerlich den „skandalösen“ Gothic-Novel-Roman mit Doppelgänger-Motiv des „ein Meter neunzig-Exzentrikers“ Oscar Wilde in packende Szenen um. Spielort ist das DachbodenKinderzimmer, als Synonym für das Unbewusste von Thea Hoffmann-Axthelm liebevoll mit „Dachluke“ und historischem Holzpferdchen-Mobiliar gestaltet. Die „erzählenden“ Kostüme schuf Zana Bosniak, Patrick Hein setzte alles ins beste Licht. Malte Preuss steuerte den atmosphärischen Sound bei. Chris-Pascal Englund-Braun sorgte für die Bewegungschoreografie. Hübsch Mephisto-like und

misogyn formt Raimund „Werther“ Widra als zynisch-hedonistischer Lord Henry Wotton den unbedarften Narziss, von Mira Fajfer mit intensiver Präsenz ausdruckstark verkörpert. Von wegen „die Seele durch die Sinne heilen“. Das Altern übernimmt für ihn ein Bild des Malers Basil Hallward (Bernd Geiling), die Fratzenspuren des zunehmend grausameren Lebens zeigt es auch. Lea Ostrovskiy hat als realitätsuntüchtige Schauspielerin Sibyl Vane keine echte Chance bei Dorian. Martina Struppek ist genderfluide die präzise Rollenvielfalt in Person. Chapeau. Silvio Kretschmer überzeugt als SybilBruder James und als Lord. Ein prägnanter Abend, der nachhallt. Text und Fotos: Gesine Werner

Jan Hendrick Neidert & Lorena Diaz Stephens haben für das Broadway-Musical „Hedwig an the angry inch“ eine fulminante Showbühne mit XXL-Lipstick, Discokugel und Special Effects geschaffen.

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kultur & kreatves

Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ in Evgeny Titovs Sicht ist nichts für schwache Nerven. Bestens bei Stimme, trifft der Bote (Aldomir Mollov) den Kutscher (Keun Suk Lee) zu einem Pausen-Tee in der Kantine.

Vom Sturm im Exil und den teuflischen Masken der Lady Macbeth von Mzensk TheaterDonner auf den Bühnen der Landeshauptstadt Wiesbaden

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um Jahresende wird es „stürmisch“ am Musentempel der Landeshauptstadt, der mit „Last Works“ diverser Sparten aufwartet. „Du weißt nicht, dass ich was Besseres bin als Hausherr dieser miesen Hütte“ tönt Herzog Prospero alias Uwe-Eric Laufenberg, der aussieht wie Gisbert Rüschkamp (Publikumsliebling in Leiningers Goldenen Ära). Der scheidende Intendant gönnt sich Regieschmankerl samt Paraderollen satt, genießt die rachetrunkene Oneman-Show des mächtigen Zauberers im Exil mit final zerbrochenem Zauber-Dirigierstab und Anspielungen en Masse. Benjamin Krämer-Jenster (König Alonso), Michael Birnbaum (Prospero-Bruder Antonio), Uwe Kraus-Fu (Gonzalo), Christian „Sebastian“ Klischat, Lukas Schrenk (Königsohn Ferdinand) sowie Klara „Miranda“ und Maria „Ariel“ Wördemann spielen sich einen Wolf in Shakespeares Spätwerk um Macht & Neid, Rache & Liebe. Dem Neandertal-Caliban 32

(Matze Vogel) spielen Maulheld Paul „Trincolo“ Simon und Suffkopp Philipp „Stephano“ Steinheuser übel mit. Das weiträumige Bühnenbild (Rolf Glittenberg) mit Aussicht (Video: Gérard Naziri) kommt auch in der „Zauberflöte“ und „Falstaff“ zum Einsatz. Marianne Glittenbergs Kostüme „sprechen“ - Prospero auch, bis er die Maske ablegt und als echter Hausherr mitteilt: „Hier möcht´ ich mein Leben nicht verschwenden.“ Keine Sorge - im Sommer is Schluss mit lustig. Follies Wiesbaden stemmt legendäres Musical-Mammut „Follies“ von Sondheim & Goldman. Altes Revuetheater goes Parkhaus, Impresario Weisman gibt Abrissparty für Altstars. Personenstarker Cast entzückt Ohr & Auge, exzellent besetzt mit Dirk Weiler, Jaqueline Macauly & Thomas Maria Peters. Superbes Wiedersehen mit grandiosen „Senior“-Showgirls: Andrea Baker, Annette Luig und Sharon Kempton ernten Szenenapplaus

für tollen Musical-Appeal. April Hailer kann Broadway in Tom Gerbers fulminanter Inszenierung. Staatsorchester in Hochform. „Abrissreife“ Bühne: Bettina Neuhaus, „erzählende“ Kostüme Jannik Kurz, Choreo Myriam Lifka. Video Eduardo Mayorga. Chordirektor & Dirigent Albert Horne verbindet Graben und Bühne, überrascht als singender Mozartzopf-Impresario mit Schauspielqualität. Hingehn! Lady Macbeth Wieder aufgenommen, geht Evgeny Titovs Operndebüt mit Dimitri Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ unter die Haut in Michael Güttlers fein austariertem Dirigat des differenziert musizierenden Klangkörpers, scheut vor verzichtbar eruptiver (sexueller) Gewalt und Massentod per Gulaschkanone nicht zurück. Cornelia Beskow ist mit leuchtendem Sopran Katerina, die aus berührender Verzweiflung den despotischen Me too-Schwiegervater Boris (wuchtiger Bass: Andrey Valentiy) meuchelt. Ihr Galan Sergej (warm wiesbadener*in IV/2023


kultur & kreatives

Larissa Hartmann als junge Phyllis und Niklas Roling als junger Buddy geben im selten inszenierten Sondheim-Opus „Follies“ ein berührendes 40erJahrePaar ab.

timbrierter Tenor: Aaron Cawley) wird im sibirischen Straflager richtig fies, was das traurige Ende allerseits provoziert. Herzlicher Beifall für Alle.

siert.“ Erst die mephistophelische „Mrs. Charles“ (Tobias Lutze in weiß) bietet die Option, „alles zu opfern“. Schwere Kost und ein Abend, der nachhallt.

Masken des Teufels Erschütternd aktuell ist die deutsche Erstaufführung von David Mamets „Masken des Teufels“, von Regisseur Johannes Lepper („Bunbury“) als irritierendes Denkexperiment in kühlen Bildern inszeniert. Florider Antisemitismus, kaum hinter Wohlstandsverwahrlosung kaschiert. Tatort Central Park. Zwei buchstäblich „sturz“-besoffene Police-Men (Rainer Kühn/Tobias Lutze) schwadronieren wütendzynisch über den Suizid eines Kollegen, der einen jungen Mörder in flagranti ertappt, doch an der Gerechtigkeit zweifelt. Ein Schüler, Spross einer erzkatholischen Mutter (Anne Lebinsky), hat scheinbar plötzlich seine Freundin bestialisch ermordet - eine Jüdin, die er nicht heimbringen durfte.

Tanzfestival Rhein-Main Das Hessische Staatsballett ist zum 5. Mal für den FAUST-Preis der Kategorie „Inszenierung Tanz“ nominiert. Der renommierte Preis wurden mit Ramon John („Eine Winterreise /Tim Plegge 2018) und Bryan Arias (Choreografie „29 May 1913“im Doppelabend „Le sacre du printemps“) schon zweimal gewonnen. Die Nominierung gilt Imre & Marne van Opstals Choreografie „I`m afraid to forget your smile“ im Doppelabend „V/ertigo“.

Ihr Sohn geht nicht in den Knast! Von wegen - sein Leben „dem Staat opfern“. Ohne Skrupel und zunehmend bizarr sät die Mutter Zweifel, entlässt den Anwalt (Felix Strüwen), serviert den Vater (Martin Plass) ab und will den Priester (Rainer Kühn) mit „alternativen Sichtweisen“ manipulieren. Es soll aussehen, „als wäre es nie pas-

Es ging um Brüche und Lücken, auch um Gemeinsamkeiten. Workshops, Parties und Gespräche flankierten. Als Direktor des Hessischen Staatsballetts kuratierte Bruno Heynderickx mit Anna Wagner, Intendantin des Mousonturms, die 19 Produktionen.

wiesbadener*in IV/2023

Das Tanzfestival Rhein-Main stellte in der achten Version unter dem Motto „Mind the gap“ mit Vorstellungen in Frankfurt und Darmstadt (erstmals auf geteilter Bühne im Großen Haus), in Offenbach und Wiesbaden Tabus und Grenzen auf den Prüfstand.

Mousonturms (1999 aufgelöst) eröffnete mit „Core“, das 50 Leute aus Rhein-Main auf die Bühne brachte. Das „Spotlight“ war der in London geborenen nordirischen Tänzerin & Choreografin Oona Doherty - Silberlöwe der Tanzbiennale Venedig - gewidmet. Neben „Hope hunt and the Ascension into Lazarus“ als Grenzen überwindende Suche nach Hoffnung und „Navy Blue“ zu Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 2 als Reflexion von existenziellen Ängsten der Gegenwart wurde in „Hard tob e soft - A Belfast Prayer“ dem nordirischen Alltag auf den Zahn gefühlt - berührend und voller Humor. Käfig oder Kirche oder abwechselnd beides? Bühne & Licht: Ciaran Bagnall. Eitelkeit trifft Aggression. Macho-Imponiergehabe und Sumo-Ringkämpfe (Sam Finnegan & John Scott) können so lustig sein. Als „Sugar Army“ tanzten 12 bewegungsfreudige Jugendliche auf der Bühne. Oona Doherty findet Bilder, die nachwirken. Starke Szenen - spannendes Festival. Text und Fotos: Gesine Werner

Rui Horta, Gründer von S.O.A.P., dem hauseigenen Ensemble des 33


KulTouren

Auch das Team des Theaters im Pariser Hof in der Spiegelgasse schlägt Alarm und hat den Appell an die Stadtverordneten unterzeichnet.

Die inklusive Gruppe „Theater Anders“ fand in der Spiegelgasse unterschlupf und probt in den Räumen des &Theaters im Pariser Hof.

Alarmstufe Rot als Hilferuf an die Politik

Von Königen und Liebe und magischen Tricks

Freie Kulturszene kämpft um ihre Existenz

„Verhindern Sie Kürzungen im Kulturbereich. Erteilen Sie dem Ausbluten und dem Tod auf Raten der Wiesbadener Kulturlandschaft eine Absage – im Interesse unserer Stadt, unserer Jugend und unserer Zukunft!“ Die Freie Kulturszene schlägt Alarm, etliche mit dem Kulturpreis der Landeshauptstadt Gewürdigte fürchten einen Kollaps und fordern. „Sichern Sie die Zukunft der Wiesbadener Stadtkultur!“ Im September hatte der Arbeitskreis Stadtkultur seinen Appell an die Wiesbadener Stadtverordneten gerichtet. Neben dem Aktiven Museum Spiegelgasse, BBK, Friedrich-Murnau-Stiftung, den „Filmen im Schloss“ und dem Nassauischen Kunstverein haben Staatstheater Wiesbaden, thalhaus, das Theater im Pariser Hof und das Velvets-Theater unterzeichnet. „Verhindern Sie einen Kollaps des Wiesbadener Stadtlebens durch Kürzungen der städtischen Mittel im Kultur!“ Die Kultureinrichtungen sorgen für die Wahrnehmung „bei Einheimischen und Gästen der Stadt heute als lebendig und kreativ, als unterhaltend und anregend.“ Die im Raum stehende, drastische 20%-Kürzung im Kulturhaushalt 2024/25 „ist für die frei-gemeinnützigen Kulturbetriebe nicht zu verkraften.“ An Fixkosten wie Miete und Energie als großer Teil der Betriebskosten ist nicht zu rütteln. Kosten für Personal, Honorare, Gagen, Technik, Eigenproduktionen und Gastspiele könnten nicht mehr gestemmt werden. Kaputtsparen: Zuschuss-Kürzung bei den freien Trägern bringt fatale Konsequenzen mit „Arbeitsplatzabbau, Prorammreduzierungen und Schließungen“. Im „Kulturentwicklungsplan“ von 2020 stand „Planungssicherheit“ ganz oben auf der Agenda, doch der Kulturbeirat stellt im Oktober 2023 fest: „Es gibt keine Planungssicherheit und keinen Vertrauensschutz für die freien kulturellen Einrichtungen in der Stadt.“ Werden die asymmetrischen Kürzungen nicht rückgängig gemacht, „muss bei allen Ausgaben gleichmäßig gekürzt werden – unabhängig von vertraglicher Bindung und Trägerschaft der Einrichtung“, appelliert der Kulturbeirat.

Theater Anders probt im Pariser Hof - Theater im Pariser Hof bietet witzig-charmantes Programm Das inklusive Schauspiel-Ensemble „Theater Anders“ im Semiramis e.V. ist 20 JA!re aktiv, stand in seiner Jubiläumssaison plötzlich ohne Proberäume da - und fand Unterschlupf in der Spiegelgasse. Dem Team Philline Kuhl, Fabian Kuhl & Fred Schneider vom Theater im Pariser Hof sei Dank. Jeden Montag erfindet die putzmuntere Gruppe, zu der auch Special Olympics-Goldmedaillenträgerin Chloé Beloin gehört, mit Herzblut und Leidenschaft eine neue Welt. Theaterpädagogin und Kulturpreisträgerin Priska Janssens leitet im Team mit Christine Rupp-Kuhl, Helga Freitag & Rüdiger Schmitt das bunte Ensemble. Zu den Schultheatertagen 2024 wird mit Improvisationen und Ideen aus der Gruppe ein eigenes Stück entwickelt. Premiere ist am 11. März 2024 im Studio des Staatstheaters Wiesbaden. Der Arbeitstitel „Kann denn Liebe König sein?“ ist nicht in Stein gemeißelt. Änderungen sind möglich. Theater im Pariser Hof Die altehrwürdige Kleinkunstbühne, die jetzt mit dem Kollegium vom thalhaus im Nerotal gemeinsame Sache in punkto Werbung macht, steuert mit charmant-witzigem Programm Silvester an. Alle Jahre wieder…Am Nikolaustag fragt das Trio Ulrike Neradt, Klaus Brantzen &Jürgen Streck: „Wie? Schon wieder Weihnachten?“ Zwei Tage drauf bietet das Duo Mimikry Zwerchfell-Muskeltraining mit der Visual Comedy „Tasty Biscuits“. Dann kommt „Die größte Liebe aller Zeiten“, darunter tun es Anna Piechotta & Michael Krebs nicht (9.12.). Die Gebrüder Dominik & Florian Wagner sind Ass-Dur und laden am 10.12. um 13 Uhr (!) zur Matinee der „großen Ass-Dur-Weihnachtsshow“. Ja, auch mit der Blockflöte gibt’s was auf die Ohren. Das Finale wird ein „Expecto Spectaculum“: Am 17.12. moderiert Meistertrickser Christoph Demian die zweite Auflage von „Hessens erstem Magic Slam“. Das Publikum ist die Jury. Mögen also die Besten gewinnen. Toi!Toi!Toi! www.theaterimpariserhof.de

Text und Foto: Gesine Werner Text und Foto: Gesine Werner

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wiesbadener*in IV/2023


KulTouren

Standing Ovations, seit 10 Jahren begeistern regionale Künstler*innen bei der Night of Music im Kurhaus Wiesbaden.

In der informativen „WALHALLA-Woche“ war auch ein historisches Schmankerl zu sehen: Die Original-Leuchtreklame von WALHALLA und BAMBI-Kino wird im „neuen“ WALHALLA zu Ehren kommen.

Die Zehnte im Zwölften: Night of music 2023

Schlüsselloch-Programm mit Aussicht

„Und auf einmal war es klar: Wir freuen uns wahnsinnig, dass wir dieses Jahr die 10. Night of Music (NoM) im 12. Jahr feiern können“, sagt Veranstalter, Palastpromotor und Musiker Michael Stein und verspricht allen einen unvergesslichen Abend mit neuen Künstlern und großartigen Überraschungen. Ca. 20.000 Besucher haben seit 2012 mehr als 2400 Minuten „Pop meets Klassik“ gemeinsam gefeiert! Bei der 10. Ausgabe werden wieder hervorragende Solisten aus Wiesbaden und der Region, das 60-köpfige Wiesbadener Sinfonieorchester, sowie ein stimmgewaltiger Chor und die Night of Music Band am 15. und 16. Dezember im schönsten Kurhaus Deutschlands auf der Bühne stehen. Die NoM ist ein echtes Gipfeltreffen von Rock, Pop und Klassik. Diesmal mit dabei: Sängerin Dunja Koppenhöfer, Die rheinhessisch-äthiopische Sängerin Menna Mulugeta, Filmmusik-Highlights live mit Meike Garden, die deutsch-amerikanische Singer-Songwriterin Michelle Poole, der sympathische Rheingauer Pascal Elarbi, die Deutsch-Persische Sängerin und Texterin Kaye Ree, Soul- und RnB-Sänger Dominick Thomas, die Triple A Band, die King Twiins, Die spanische Vollblutmusikerin Raquel Gomez, No:Promise, Sängerin Tina Braun, Maria Rahtkens, die Soul Sisters, Tom Bornemann, Carlos de Jesus, Drummer Michael Großmann, weitere Überraschungsgäste und natürlich die einprägsamen Stimmen von Michael Stein & Werner Müller. Der Vorverkauf hat bereits begonnen; Tickets gibt’s unter https://wiesbaden-nightofmusic.de/tickets oder physisch bei der Tourist Information am Marktplatz. Und falls noch ein passend-rockiges Weihnachtsgeschenk gesucht wird: Ab sofort ist die „BEST OF Night of Music 20122018 Vol. 1, als Doppel CD in der Tourist Info und in der Buchhandlung Vaternahm erhältlich.

Walhalla-Woche informierte im WiCoPop in der Kleinen Schwalbacher Straße Beim WALHALLA wird Tempo gemacht. Projektleiterin Vanessa Remy erarbeitet in Kontakt mit vielen Kulturschaffenden und dem Kulturbeirat das möglichst breit gefächerte Nutzungskonzept für alle Generationen, das laut SEG-Geschäftsführer Andreas Guntrum Anfang 2024 steht. Bis Ende 2024 liegt der Entwurfsplan vor. Der Bauantrag wird bis Mitte 2025 eingereicht, die Baugenehmigung soll Anfang 2026 erteilt sein. Läuft alles nach Plan, freut sich Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende Mitte 2028 auf die erste Premiere im WALHALLA. Die Eröffnung mit Varieté, das schon im 19.Jahrhundert ein Markenzeichen des denkmalgeschützten „Kuriositätentheaters“ darstellte, wäre ein toller Start. Bis dahin hat die „Patchwork-Familie, die ein altes Häuschen saniert“ um Denkmalschützer Thorsten Brokmann noch gut zu tun. OB Mende will „die Debatte in die Stadtgesellschaft tragen“ - Events geben sich die Klinke in die Hand. Die Gewinnertexte des Walhalla-Geschichten-Wettbewerbs wurden vom gebürtigen Wiesbadener Jens Harzer gelesen, Iffland-Ring-Träger und bei den Maifestspielen für seinen „Geizigen“ im Horst SchlämmerLook umjubelt. Informatives Schlüsselloch-Programm mit Aussicht: Die „Walhalla-Woche“ bot in den WiCoPop-Räumen in der Kleinen Schwalbacher Straße Einblick hinter die Kulissen, Original-Leuchtreklame inkkusive. Die Architekturbüros Waechter + Waechter und Wenzel + Wenzel stellten sich vor. Das Stadtarchiv steuerte eine Ausstellung bei mit historischen Postkarten, Fotos und dem Sammelalbum von Friedrich Krieger, langjähriger Organist des Walhallas. Eine 3D-Präsentation von Hochschulstudierenden führte durchs komplette Gebäude. P.S. Von wegen „Ruine“ und „teurer Fehler“. Kurioses Timing zeigte der Bund der Steuerzahler mit einer Rüge - 16 Jahre nach städtischem Kauf der Immobilie. Echte Alternative? Fehlanzeige. Text und Foto: Gesine Werner

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kultur & kreatves

Anekdoten in Hülle & Fülle: Das Silberjubiläum des 25 Jahre aktiven „Kindertheaterstudios der Kohlheck-Schule“ animiert zum Schwelgen in Erinnerungen mit Gründerin Christine RuppKuhl (links): Biggy Kimmel, Severin Kimmel, Prof. Dr. Wolfgang Kuhl, Lorena Kimmel und Elena Petry (von links).

Annas Traumzirkus mit der Fee der Zukunft und dem König im Märchenwald Das Kindertheaterstudio der Kohlheck-Schule feiert Silber-Jubiläum und sollte Schule machen

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enn in Annas Traumzirkus die mutigen Vier vom Zirkus Romanello auftauchen und der König im Märchenwald auf die Fee der Zukunft trifft, erleben sie im persischen Märchen Norooz ein „Abenteuer am Meeresgrund“. Kugelfisch liebt Madame Schleierschwanz. Dem Kindertheaterstudio der Kohlheckschule sei Dank. GratulARTion zum Silberjubiläum! „Improvisation und Körperwahrnehmung, Musik, Tanz und Bewegung waren immer wichtiger Bestandteil.“ Das von der theaterpädagogisch qualifizierten Konrektorin Christine Rupp-Kuhl gegründete Projekt belebt seit 1998 die Schullandschaft der Landeshauptstadt Wiesbaden. Das Kindertheaterstudio der Kohlheck-Schule wirkt Klassen übergreifend und Jahrgänge überschreitend - was sich auf dem Schulhof positiv zeigt. Das Projekt ist nicht als Theater36

AG konzipiert. Bruno Bettelheims: „Kinder brauchen Märchen“ stand Pate. „Es war schöner als Kindergeburtstag.“ Lob aus berufenem Munde - von Kindern. Pädagogikstudentin Anja Partner nutzte das Forschungsfeld für ihre Diplomarbeit „Die Bedeutung des Theaterspielens in der Lebenswelt von Kindern“ (Uni Mainz 2003). Strukturierte Interviews mit vier Kindern zwischen 7 und 9 Jahren, in zwei Uraufführungen der Schultheatertage im Staatstheater Wiesbaden aktiv, zeigten: „Eigentätigkeit und soziale Erfahrungen sind wesentliche Motive für Kinder, Theater zu spielen.“ Ganz ohne Hilfe von „zeitweise bis zu 10 Eltern“ ging die Chose nicht. Schulsekretärin Brigitte Schmidt fotografierte. Bei den sechs Produktionen standen als professionelle Tänzerinnen die Mütter Biggy Kimmel & Elena Petry für den Esprit der Tanzgruppen (Oriental & Flamenco, Choreografie, Rhythmik). Kosmetikerin Biggy Kimmel

schuf zudem ausgefeilte Masken und „Special Effects“, entwarf und nähte hinreißende Bühnengarderobe. Marilen Eulberg nähte „Tag und Nacht“ 70 Kostüme. Elena Petry war auch als Koordinatorin aktiv. Bühnentechnik war das Metier von Bürokaufmann Severin Kimmel, zudem Tablaspieler auf der Bühne. Prof. Dr. Wolfgang Kuhl, Arzt für Neurologie-Psychiatrie, avancierte zum Ton-Meister, entwickelte das Design der Programmhefte am PC. Pädagogin Rupp-Kuhl ist stolz auf ihre „Theaterkinder“, heute Arzt oder Regisseurin. Die „Fee der Zukunft“ aus „Annas Traumzirkus“ fliegt immer noch - jetzt als Pilotin. Christine Rupp-Kuhl engagiert sich seit 20 Jahren beim inklusiven Theater Anders - doch das ist eine andere Geschichte. Wichtig ist der Theaterpädagogin: „Es geht weiter! Kultur darf in der Schule nicht fehlen!“ Text und Foto: Gesine Werner

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kultur & kreatives „Alles muss möglich sein.“ Mary Lou Sullivan-Delcroix, Sopranistin, Gesangspädagogin, Regisseurin und Prinzipalin des Hinterhof-Palazzos, feiert Sparten verbindendes Jubiläum. Ihre 1983 gegründete „Werkstatt für Gesang, Spiel und Sprache“ zelebriert 2023 das 40jährige Wirken der Werkstatt für Gesang, Spiel und Sprache. (vgl. Ausgabe 3/2023) Für ein Sternstündlein ist die hochkarätige Künstlerin aus Connecticut immer gut. Das zeigt die Uraufführung zu Ehren der fast vergessenen Operndiva, auf die sie 1976 gestoßen war. „Die Europäerin. Pauline Viardot-Garcia - Sängerin, Komponistin, Pianistin und Salonière“ hatte gelungene Premiere. Im Herbst reiste die Projektleiterin recherchehalber nach Paris, wo sie in der „Musée de la vie romantique“ die Räume für George Sand und Operndiva-Komponistin Viardot besuchte. („Die Pariser Tage mit Pauline“). Baronin Dudevant von Nohant, Ururenkelin August des Starken, nahm die 18jährige Pauline als „geliebte Tochter“ unter die Fittiche, riet zur Ehe mit Louis Viardot, George Sands „Consuelo“ (Paulines Alter Ego) gilt als ihr bedeutendstes Werk und Goethes „Wilhelm Meister“ ebenbürtig. Die vielsprachige Mezzosopranistin Viardot war Klavierschülerin von Franz Liszt, wurde von Chopin geschätzt, lebte mit Ivan Turgenjew und ihrem Auch Christoph Willibald Glucks „Orfeo et Euridice“ wurde szenisch gehuldigt, wie Orfeo (Lucie Melville) und Amor (Christa Oehrn) zeigen.

Das Dreamteam um Prinzipalin Mary Lou Sullivan-Delcroix und Schauspielerin Gabriele Regensburger (von links) sowie Regisseur Klaus-Dieter Köhler (rechts) wurde im ausverkauften Hinterhof-Palazzo ausgiebig gefeiert.

Klangvolle Begegnung mit George Sand, Turgenjew, Rossini, Meyerbeer, Gluck & Co. „Vielsaitige“ Femmage an die Europäerin Pauline Viardot-Garcia im Hinterhof-Palazzo Gatten in einer menage á trois, komponierte mit Berlioz, Gounod, Meyerbeer. Mit der spartenübergreifenden Femmage an die charismatische Europäerin trat Regisseur Klaus-Dieter Köhler die Nachfolge des kürzlich verstorbenen Michael Delcroix an, inszeniert leichter Hand feine Details, setzt überraschende Akzente. Der ganze Raum ist Bühne, Treppenhaus und Zugang vom Hof „spielen“ mit. Die von Mary Lou Sullivan-Delcroix verfassten, dramaturgisch fein austarierten Texte, auch von Pauline, trug Schauspielerin Gabriele Regensburger in ausdruckstarker Lesung vor. Kerstin König, Lucie Melville, Christa Oehrn und Ingrid Ujj-Conrath waren typgerecht besetzt, erfreuten mit leidenschaftlicher Spielfreude und nahmen als gut aufgelegte Goldkehlchen der Opernklasse mit berührendem Gesang für sich ein. Pianist Jürgen Schmidt ist auf „wohltemperiertem“ Flügel souverän unterstützender Begleiter. Als „Leihgaben“ der Wiesbadener Schule für Schauspiel sind Vanessa

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Kotschetkjov und Jon Pieroth ein reizendes Paar, zeigen u.a. in Turgenjews „Ein Monat auf dem Lande“ einnehmendes Talent und generelle Wandlungsfähigkeit. Im ausverkauften Salon lässt das begeisterte Publikum das beseelte Ensemble kaum von der Bühne. Übrigens ist die gefeierte „Werkstatt“Jubilarin eine auf dem Cover abgebildete Protagonistin der Anthologie „Erlebte(r) Geschichte(n)“ von Gesine Werner, in der „Wiesbadener Zeitzeuginnen und Zeitzeugen erzählen“. Der Förderverein des Stadtarchivs Wiesbaden ist Herausgeber. Im Jubiläumsjahr wird wieder zum beliebten „Chrismas Caroling“ eingeladen in die „Werkstatt“ - am 19. Dezember um 19 Uhr. Anfang des Jahres 2024 geht´s weiter: Am 20. Januar beginnt um 17 Uhr im Hinterhof-Palazzo ein Neujahrsfest. info@hinterhof-palazzo.de Text und Fotos: Gesine Werner 37


kultur & kreatves

„Schön geträumt“ davon, mal mitten im Bühnengeschehen zu sitzen? Zur Einstimmung auf das furiose Grusical „Jekyll & Hyde“ offeriert die Premiere einen Bühnensessel zum Posieren als Fotomotiv.

Eugen Onegin trifft 1984 auf Jekyll & Hyde Staatstheater Darmstadt zieht mit historischen sowie modernen „Klassikern“ in den Bann

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enn Eugen Onegin 1984 mit Dr. Jekyll & Mr. Hyde Hoffmans Erzählungen lauscht, gibt es am Musentempel bejubelte Vorstellungen. Erfreulich: Generalmusikdirektor Daniel Cohen bleibt bis zum Sommer 2027. Ein „großartiges Signal für das hessische Musik- und Theaterleben“ laut Ministerin Angela Dorn von „einem der spannendsten Dirigenten seiner Generation“. Oberbürgermeister Hanno Benz sieht „höchstes künstlerisches Niveau“. So gelobt, beweist Daniel Cohen als musikalischer Leiter von Jacques Offenbachs Dauerbrenner „Hoffmanns Erzählungen“ seine Klasse in der veritablen Festwochen-Premiere. Dirk Schmeding lässt die Phantasie Funken sprühen mit „Special Effects“ (Licht!) und Ausstattungsorgie (Kostüme Britta Leonhardt) in betörenden Bildern. Delvaux & „Metropolis“ & Tim Burton lassen grüßen. Das Staatsorchester ist in Hochform, ebenso der Chor (Ines Kaun & Alice Meregaglia). Auf der mit Überraschungen gespickten Bühne (Robert Schweer) toben Hoffmanns Hirngespinste 38

- Kühlschrank, Varieté, Feuerzauber, Flamingo-Esprit, finalem Altglas-Container und Tanzpaaren (Choreo: Rachele Pedrocchi). Mathew Vickers Darmstadt-Debüt als trunksüchtiger Protagonist ist gelungen. Für funkelnde „Olympia“Koloraturen erntet Juliana Zara Szenenapplaus, ist Faust-nominiert. „Antonia“ Megan Marie Hart und „Giuletta“ Jana Baumeister sowie die leicht gruselige „Mutter“ von KS Katrin Gerstenberger berühren. Solgerd Isalv überzeugt als genderfluider Niklaus. David „Schlemihl“ Pichlmaier & Heiko Trinsinger als Finsterlinge bieten Kabinettstückchen. Nix wie hin! „Big brother is watching you“: Traurige Aktualität atmet die Uraufführung von Kristo Sagors „1984“ nach dem 75 Jahre alten Roman von George Orwell. Jörg Wesemüller, der das „Junge! Staatstheater Braunschweig“ leitet, zeigt einen von Gianni Cuccaro perfekt choreografierten Schauspiel-Tanztheater-Mix, der unter die Haut geht. Schwarz-düstere Kostüme auf angeschrägter Bühne (Jasna Bosnjak) mit Wolken-Projektion und Stroboskopgewitter. Gedankenfreiheit fordern? „Wer die Vergangenheit kontrolliert, hat die Zukunft.“

Alles totalitär, eiskalt, gefühllos - China, Russland, Nord-Korea, Trump & Co. stehen Pate. Stakkato-Gebrüll, Stampfen im „Big Brother-Chor“, partielle Schwellkoppmasken. Die „unmögliche“ Liebe von Julia und Winston wird zum Widerstand im PlexiglasAquarium. Thorsten Loeb, Mona Kloos, Sebastian Schulze und Karin Kleins lassen frösteln bei Sergej Maingardts enervierendem Sound. Ein intensiver Abend mit Nachhall. Um Liebe, die arrogant-leichtsinnig verpasst wird, geht es in Alexander Puschkins Versroman „Eugen Onegin“, der „die Einsamkeit des Eugen Onegin“ heißen könnte. David Pichlmaier lässt baritonales Edelmetall glänzen und ist als gefühlsarmer Dandy die bravouröse Studie des charmant misogynen Lebemanns. Er stößt die schwärmerische Tatjana (berückend: Megan Marie Hart) brutal vor den Kopf und tötet seinen Freund Lenskii (anrührend: David Lee) im Duell, begreift zu spät die selbst verschuldete Misere. Regisseurin Isabel Ostermann bringt klug und schnörkellos „die emotionale Isolation des Einzelnen inmitten einer Gesellschaft“ auf die wiesbadener*in IV/2023


kultur & kreatives

Ein starker Abend: Das mit Herzblut in Tschaikowskis „Eugen Onegin“ agierende Ensemble um Regisseurin Isabel Ostermann und Dirigent Johannes Zahn nimmt gebührend starken Applaus entgegen.

Bühne (Stephan von Wedel) und wird mit dem leidenschaftlich agierenden Ensemble für den berührenden Abend vom Publikum gefeiert. Der 1. Kapellmeister Johannes Zahn („The Prison“) dirigiert mit feinfühliger Verve das bestens disponierte Orchester in perfektem musikalischem Miteinander. Starker Abend, starker Beifall. Von wegen „schön geträumt“. Für das Spielzeit-Motto werden alle Register gezogen, mit dem ganz großen Besteck ein Kraftakt sämtlicher Gewerke veranstaltet und das hervorragende Ensemble um Gaststars ergänzt. Bravorufe und Standing ovations ohne Ende vom aufgekratzten Publikum im ausverkauften Haus lassen bei der furiosen Premiere des kultverdächtigen Grusicals „Jekyll & Hyde“ von Leslie Bricusse und Frank Wildhorn die Planken beben.

Das spielfreudige Ensemble singt und tanzt sich gekonnt die Seele aus dem Leib, bietet Genuss für Auge und Ohr. Sein Forscher-Wahnsinn hat Methode: Publikumsliebling Alexander Klaws (hier schon für sein „Saturday Night Fever“ bejubelt) ist spießbürgerlicher Mediziner & dessen mörderisches Alter EgoMonster, ist die doppelte Wucht an körperlichem und stimmlichem Ausdruck, provoziert mit Alice Cooper-Appeal Beifall auf offener Bühne. Stimmgewaltig und provokant erotisch, ist Nadja Scheiwiller als Rotlichtstar Lucy ein grandioses Pfund des Spektakels.

chere Doktor-Braut Lisa der Musical-Kollegin absolut ebenbürtig. Breitwandsound tönt aus dem Graben. Das effektvoll aufspielende Staatsorchester und der Cast um Regisseur Gil Mehmert, die musikalischen Leiter Nicolas Kierdorf/ Michael Nündel, Choreograf Simon Eichenberger, Bühnenbildner Jens Kilian, Kostümbildner Falk Bauer sowie die Dramaturginnen Laura Knoll & Kirsten Uttendorf kommen kaum von der Bühne runter. Ewig langer Beifall in Orkanstärke. Darmstadt kann Oper UND Grusical. Text und Fotos: Gesine Werner

An Charisma und vokalem Glanz ist Barbara Obermeier als selbstsiTheater-Balkon mit Aussicht. Die Darmstädter „Festwoche“ mit Foyer public, Premieren und dem Tag der offenen Tür macht´s möglich.

Die von der Inszenierung des Theaters Dortmund übernommene Ausstattung überzeugt mit GothicAnmutung des viktorianischen Englands samt gruseldienlichem „Labor“ und Kirchenraum auch in Darmstadt. Bühnennebel satt, Drehbühne in Dauerrotation, Unterbühne als Laborkeller im „Frankenstein“-Einsatz, Michael Jackson-Zombies. Hommage an Conan Doyle und Edgar Allen Poe. Vom ersten Ton der schauerlichen Doppelleben-Story an geht das Publikum mit, sitzt auf der Stuhlkante, spendet Szenenapplaus. wiesbadener*in IV/2023

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kultur & kreatives Den 10. Geburtstag zelebrierte das MADE-Festival 2019 in Wiesbaden. „FREIRÄUMEN“ war die Devise beim MADE DATE 2023 in der Landeshauptstadt mit neuem Branchentreff und dem Format RÄUME. Der frühere Fonds-Geschäftsführer Dr. Helmut Müller, seit 2019 Schirmherr des MADEFestivals, bricht eine Lanze für die Freien und betont, „dass die Unterstützung für Kunst und Kultur nicht länger ´freiwillige Ausgabe´, sondern wichtige Pflichtaufgabe der öffentlichen Hand sein muss – als wirkliche ´Daseinsvorsorge im besten Sinne.“

Der „boxclub Wiesbaden“ des Frankfurter Kollektivs „red park“ fing im Kunstsommer „FLUXUS S(I)EXTIES“ quer durch die Landeshauptstadt Tönendes ein. Beim MADE-Festival gab es eine bequeme Liegelandschaft am Kranzplatz und den „Sound of Wiesbaden“ auf die Ohren.

Sinnliche Kultur aller Sparten für Alle „World Design Capital 2026“ / Kulturfonds Frankfurt RheinMain fördert Freie Darstellende Künste

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ratulARTion! Die Region Frankfurt RheinMain war mit ihrer Bewerbung „Design for Democracy - Atmospheres for a better life“ erfolgreich. „Wir sind `World Design Capital 2026!´ Was für ein Jubel! Nun heißt es Ärmel hochkrempeln und richtig loslegen!“ Karin Wolff Open Air am Kochbrunnen animierte das Schuldruckzentrum Darmstadt e.V. Kleine und Große zur kreativen Gestaltung von „paper works“ mit original Bleilettern á la Gutenberg.

verkündete als Kulturfonds-Geschäftsführerin mit „übergroßer Begeisterung“ die wundervolle Nachricht und freute sich zugleich über zahlreiche Förder-Anträge. Bei „kulturMut“ geht es munter weiter. Und mit der Fördersumme von 308.529 Euro aus dem Füllhorn des sogenannten „Kleinen Verfahrens“ werden 10 Projekte ermöglicht. Zum Schwerpunktthema „#hier leben“ steuert der Fonds ein Essayprojekt zur Differenzierung bei. Ein rundes Dutzend Essays bekam Zuwachs: Yevgeniy Breyger, Volha Hapeyeya, Marie Luise Knott, Uljana Wolf und Stephan Lessenich beschrieben Normalität, Wünsche und Sprache. Großräumig stützt der Kulturfonds den Verein „la PROF Hessen e. V“ als „kulturpolitische Vertretung Aller, die professionell im Bereich der Freien Darstellenden Künste in Hessen tätig sind.“

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Stadtraum-Bespielung und Klanginstallation: Der „boxclub Wiesbaden“ des Frankfurter Kollektivs „red park“ fing während des Kunstsommers „FLUXUS S(I)EXTIES“ Töne in der ganzen Stadt ein. Auf der Liegewiese am Kranzplatz gab es neben einer echten Boxglocke von Meike Helmbrecht & Jörg Thums den „Sound of Wiesbaden“ auf die Ohren. Am Kochbrunnen animierten Katja Hergenhahn & Alva Waltner mit dem Schuldruckzentrum Darmstadt e.V. zur kreativen Gestaltung von „paper works“ mit original Bleilettern á la Gutenberg. Langer Applaus für eine starke Performance, die unter die Haut geht. Das in der Staatstheater-Spielstätte Wartburg gezeigte DokumentarStück „Werwolfkommandos“ von Marie Schwesinger, Fabiola Eidloth und Julia Just (Bühne/Kostüm: Marion Schindler) hallt nach. Es geht um rechtsextremistische Täter, den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und die rassistische Attacke gegen Ahmed I., um zwei Strafprozesse des OLG Frankfurt (im selben Gerichtssaal mit fast identisch besetzter Strafkammer) gegen Stephan Ernst und den Bundeswehrsoldaten Franco A. – über ein Jahr lang von den zivilen Prozessbeobachterinnen akribisch verfolgt. Das furios agierende Schauspielquartett Nicolai Gonther, Florian Mania, Anabel Möbius und Rosanna Ruo zeigt, dass sich die angeblich „durchgeknallten Neonazi-Einzeltäter“ auf Netzwerke von Gleichgesinnten stützen. www.kulturfonds-frm.de Text und Fotos: Gesine Werner wiesbadener*in IV/2023


kultur & kreatives

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ür den in Wiesbaden geborenen Künstler Markus Walenzyk steht das eigene Porträt im Fokus. Er experimentiert mit unterschiedlichen Materialien und lässt neue, künstliche Formen, Gestalten, maskenhafte Gesichter und Rätselhaftes entstehen. In den Videoarbeiten thematisiert Markus Walenzyk das Abbild, das Portrait des Menschen in unterschiedlichen Formen. In Performativen Akten, durch symbolische Handlungen, benutzt er den eigenen Körper als Material und Mittel künstlerischen Ausdrucks. Rahmenprogramm Samstag, 20. Januar 2024 Einlass 18.30 Uhr, Beginn 19 Uhr Hochdruck Konzert Brutalized But Smiling Freitag, 16. Februar 2024 Einlass 18.30 Uhr, Beginn 19 Uhr Tiefdruck Lesung & Sound Christoph Wirges & Système Dépressionaire Öffentliche Führungen mit Vivien Rathjen - Sonntag, 7. Januar 2024, 15 Uhr - Donnerstag, 25. Januar 2024, 18 Uhr - Sonntag, 4. Februar 2024, 11.30 Uhr mit Markus Walenzyk - Sonntag, 18. Februar 2024, 15 Uhr Die Arbeiten sind geprägt von einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Menschen, seiner naturgetreuen oder illusionistischen Wiedergabe, Animation, Stilisierung, Deformation oder formalen Zerstörungen. Er konstruiert einfache wie abstrakte IdentiMarkus Walenzyk, Still der Affichist

Markus Walenzyk, Still waxed

Markus Walenzyk: „Druck“ täten, inszeniert und zeige spezifisch zugespitzte Verhaltensweisen, entwirft ein neues Selbst, zeigt den Künstler, den Menschen als Produkt und setzt ihn in Bezug zu seinem ursprünglichen Abbild, seiner natürlichen Identität und Vergänglichkeit. Walenzyk ist nicht nur im Bereich der Videokunst zu Hause. Er nutzt die Vielfalt von verschiedenen Techniken wie grafische Arbeiten und Skulpturen, die oftmals raumfüllend sind.

Nun erhält er am 13. Dezember im Kunsthaus Wiesbaden das Stipendium zur Förderung von Künstlerinnen und Künstlern, das seit 2009 im Andenken an die Wiesbadener Malerin und Ehrenbürgerin Christa Moering vergeben wird und mit 10.000 Euro dotiert und einer Ausstellung im Kunsthaus verbunden ist. Thema des Christa Moering-Stipendiums 2022 war „Mensch“, und dazu zeigt der Künstler eine umfassende Werkgruppe, deren neue Arbeiten während des Stipendiums entstanden sind. Zur feierlichen Ehrung des Preisträgers, die Monique Behr, Referatsleiterin der Bildenden Kunst, vornimmt, und zur Eröffnung der Ausstellung am 13. Dezember 2023, um 19 Uhr, lädt das Kulturamt herzlich in das Kunsthaus Wiesbaden, Schulberg 10, ein. Zu den Arbeiten des Preisträgers spricht die Kunsthistorikerin Dr. Clara Wörsdörfer. Markus Walenzyk „Druck“ 14. 12. 2023 – 18.0-.2024 Kunsthaus Wiesbaden Schulberg 10, 65183 Wiesbaden Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr – So 11 – 17 Uhr, Do 11 -1 19 Uhr Freier Eintritt

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zusammenleben

Mit „Wäscheleinophon“ an Besenstiel auf schwarzem Kübel, fliegenden Rasseln, gestopfter (Wasserschlauch-)Tröte, wohltemperiertem Geflügel und Reibeisenstimme bringt das „Huub Dutch & Chris Oettinger-Duo“ den Saal tüchtig in Schwung.

Sitzungspräsi Michael Wink(links) und Club-Präsi Andreas Guntrum (rechts) gratulieren Schelmenratsmitglied Suresh Soni zum Wiegenfest. Der stimmstarke CCW-Gartenzwerg hat närrische 7 x 11 Lebensjahre geschultert.

Ein Jubiläum mit Schirmpaar Carnavalclub Wiesbaden startet mit schwungvoll närrischem Dinner-Konzert in die Jubiläumssession „Den Club gibt´s schon seit 70 Jahr`- der CCW is wunderbar!“ lautet das Kampagnenmotto zum Jubiläums-JA! und die Großfamilie des Carnevalclubs Wiesbaden 1954 e.V. geht beim Kampagnenstart in die Vollen. 111 Leute an Bistrotischen im vierfarbbunten Zais-Saal sind närrisch drauf, geben die Goldkehlchen im Chor. Grandseigneur Bernd-Hans Gietz rollt mozärtlich und mit Filmmusik den gepflegten Klangteppich aus. Club-Präsi Andreas Guntrum jubiliert: „Jetzt sin mer Siebzisch!“ und ist mit Sitzungspräsi Michael Wink - dem OB Gert-Uwe Mende höchstselbst die Präsidentenkette umlegt - das gut gelaunte Moderationsduo. Prominenz ist auch da. Parlaments-Chef Dr. Gerhard Obermayr schunkelt mit Minister Prof. Dr. Alexander Lorz und „üblich närrischen Verdächtigen“ wie Neu-Stadtmarschall Stefan Fink.

Jubiläum sympathisch gendergerecht das „Schirmpaar“. Vizepräsi Ralf Boxberger ist neuer CCW-Schelm. Guntram Eisenmann ist jetzt Lilienrat, knöpft sich als Scherzkeks in seiner „mobilen NotBütt“ den Clubvorstand vor. Prima Idee von Petra Neumeister, das coollässige Huub Dutch-Duo anzuheuern, das „Dabbelju Busch“ makaberettistisch huldigt. Max & Moritz, alias Erich Bachmann & Willem Busch, reißen bitterböse Possen in Hiphop-Manier und ¾-Taktisch. Kleinkunstpreisgekrönt, bringt Huub mit

gestopfter (Gartenschlauch-)Tröte, „Wäscheleinophon“ an Besenstiel auf schwarzem Kübel und SatchmoStimme mit Chris Oettinger am wohltemperierten Geflügel Schwung in die Bude. Standing Ovations. Gekonntes Rostra-Beben bieten das CCW-Duo (Alexandra Weinerth & Olivia Back), Luzie-Mae Schwartz und die Liliengarde - von Nikki Strahl-Milz perfekt trainiert. Vorschau: Die närrische Riesling-Gala & Wein-Party lädt am 26. Januar 2024 ein. Am 27. Januar 2024 steigt die Große Kostümsitzung. Und am 13. Februar 2024 „präsidiert“ Schirmherr Klaus Groß eine CCW-Nostalgie-Sitzung! Info: www.carneval-club.de Karten: karten@ccw-info.de Text und Fotos: Gesine Werner

Gefeiert werden „Urgesteine“ en Masse: Peter & Petra Vogt, Rosemarie & Klaus-Peter Beck, Senior Rudi Dörr (90 Lenze!) sowie Inge Dörr für (8 x 11 Lenze). Ehrenkomitäter Dieter Hormann betreute lange das Clublager, versierter Schatzmeister ist Peter Dietz. CCW-Aktive Ella Groß & Gemahl Klaus Groß schultern wie der Club runde 70. Ehrensitzungspräsi und seine bessere Hälfte sind zum wiesbadener*in IV/2023

Der CCW ist mit der Moderne auf Augenhöhe und freut sich auf das Jubiläums-Schirmpaar Ella 42 & Klaus Groß. OB Gert-Uwe Mende (links) und Stadtmarschall Stephan Fink (rechts) flankieren Ex-Schirmherr Theo Baumstark, Jubiläums-Schirmherr Klaus Groß und Ex-Schirmherrin Daniela von Falz-Fein.


20 Jahre gemeinschaftlich Wohnen!

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as für ein wunderbares Jubiläum! Die Bewohnenerinnen und Bewohner des Wohnprojekts Blü17 in der Blücherstraße 17 haben diesen Anlass genutzt und über das ganze Jahr verteilt viele Veranstaltungen und Aktionen für den Stadtteil und alle interessierten Menschen durchgeführt. 18 Projekte waren es insgesamt, die von der Gemeinschaft gestemmt wurden. In jedem Monat, außer im August, fand mindestens eine Aktion statt und die neben dem üblichen Wohnalltag von den Bewohnerinnen und Bewohnern hochprofessionell und sehr liebevoll geplant und durchgeführt wurden.

Genossenschaft Gemeinschaftlich Wohnen wurde 2003 in Wiesbaden gegründet. Ziel war und ist es, ein „anderes Wohnen in der Stadt“ zu realisieren. 2005 wurde die Liegenschaft des 1905 errichteten Gebäudes erworben. Seit 2007 existiert das Wohnprojekt Blü17. 51 Mitglieder zählt die Genossenschaft heute, die Hausge-meinschaft in der Blücherstraße besteht aus 32 Erwachsenen und 11 Kindern im Alter von 1 bis 82 Jahren aus sieben verschiedenen Nationen. Das Gelände in der Blücherstraße 17 wurde 2001 entdeckt, und mit Unterstützung der Lokalen Agenda 21 der Stadt Wiesbaden konnte das Gebäudekomplex auf seine Eignung für die Umsetzung des Wohnprojekts geprüft werden. 2003 kam es zur Gründung der Genossenschaft. Am 7.März 2005 wurde der Kaufvertrag abgeschlossen und umgehend mit der Sanierung der Gebäude begonnen. 2007 konnten die ersten Mieter einziehen. Alle Infos unter: www.gemeinschaftlich-wohnen.de

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zusammenleben

Highligts waren sicher zum einen die Eröffnung der E-Ladestation im Februar, die auf Initiative des Wohnprojekts entstanden ist und nun dem gesamten Stadtviertel zur Verfügung steht und das Sommer- bzw. Straßenfest am 16. September 2023. Der obere Teil der Blücherstraße wurde zu diesem Zweck für den Verkehr gesperrt; Info- und Essenstände luden zum Verweilen ein, und es gab ein umfangreichen Kultur- und Kinderprogramm. Die Besucherinnen und Besucher waren begeistert. Die umliegende Nachbarschaft, aber auch viele Bewohnerinnen und Bewohner aus dem Wohnprojekt wären durchaus an einer jährlichen Fortsetzung interessiert! Da dieses Fest, das organisatorisch aufwändigste war, kann an eine erneute Realisierung natürlich nur gedacht werden, wenn sich ausreichend Menschen finden, die sich für die Planung und Durchführung melden. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Wohnprojektes können mit Recht stolz auf ein so veranstaltungsreiches Jahr zurückblicken! Eine Veranstaltung wird es im Dezember noch geben: Der Spendenlauf zu Gunsten des Flüchtlingsrats am 9.12. um 11 Uhr. Der Start ist die Blücherstraße 17, Wiesbaden und verläuft Richtung Adamstal. Die Strecke ist ca. 7,5 KM lang und führt durch den Wald. Anmeldung unter: www.gemeinschaftlich-wohnen.de Interessierte Läuferinnen und Läufer sind im Anschluss eingeladen, den Lauf bei netten Gesprächen im Gemeinschaftsraum des Wohnprojektes ausklingen zu lassen.

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Frohe Festtage. Wir wünschen schöne Feiertage und ein friedliches 2024 voller Gesundheit, Glück und Freude.

Ihr Vertrauen. Unser Antrieb.


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