Gotthard

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GOTTHARD 17. April 2016 bis 16. Oktober 2016


D R A H T GOT

016 2 r e b o t k O . 6 1 17. April bis h c . l e s a b n o w w w. p a n t h e

61 466 40 77 , Telefon +41 nz te ut M 2 eis CHF 10 13 Uhr, Eintrittspr sse 72, CH-4 , Hofackerstra : 10 bis 16.30 So AG l d se un Ba Sa on r, Panthe bis 17.30 Uh n: Mo bis Fr: 10 Ă–ffnungszeite


Einmal mehr bewegt der Gotthard von Stephan Musfeld

Einmal mehr bewegt der Gotthard die ganze Schweiz, einmal mehr werden auch die Augen unserer europäischen Nachbarn auf diesen Berg blicken. Im Jahr 2016 wird mit der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale, NEAT, am Gotthard der längste Bahntunnel der Welt eingeweiht werden. Doch es nicht diese NEAT allein, die beim Namen Gotthard in den Köpfen anklingt, es steckt viel mehr in diesem Berg. Er ist Geschichte, er ist Mythos, er ist das europäische Wasserschloss, er ist Klimascheide, er ist als Festung Sinnbild für eidgenössischen Wehrwillen und Unabhängigkeit, er ist die kürzeste Alpentransversale zwischen Nord- und Südeuropa, gleichzeitig auch eines der ärgerlichen Nadelöhre für den Ferienverkehr im Land, er gehört zum geschützten Kulturgut. All diese Attribute und die Aktualität haben uns bewogen, die Sonderausstellung vom Sommer 2016 diesem Gotthard zu widmen. Aus der Sicht der Freundinnen und Freunde von Oldtimern kommt hinzu, dass anfangs September zum ersten Mal nach 33 Jahren wieder das Internationale Rallye Gotthard durchgeführt wird, zum 11. Mal. So wird die Sonderausstellung im Pantheon Basel, Forum für Oldtimer für einmal nicht über eine Automarke berichten, über ein Autorennen oder eine spezifische Epoche der individuellen Mobilität. Ein Berg und seine Geschichte stehen im Mittelpunkt. Diese Geschichte beginnt mit den Säumern, den Boten und Pilgern und dem sagenumwobenen Bau der Teufelsbrücke in der Schöllenen. Die legendäre Gotthardpost ist ebenso Thema wie die Gotthard-Bahnstrecke, auch eine Legende, die darauf wartet, zum Weltkulturerbe zu werden. Selbstverständlich wird auch die Neue EisenbahnAlpen-Transversale dargestellt. Die Strassen, die alten, die neuen und die noch nicht gebauten, und die Fahrzeuge, die seit 1895 über die Passhöhe – seit 1980 auch untendurch – fahren, sind die Pièces de Résistance der Präsentation. Rund dreissig Exponate, Veteranen-Automobile, -Fahrräder, -Motorräder werden gezeigt, daneben eine Vielzahl von Modellen und Reminiszenzen aus der Geschichte am Gotthard. Einmal mehr haben private Leihgeber die Durchführung möglich

gemacht. Ihnen gilt mein grosser Dank. Auch bei den Verantwortlichen des Verkehrshauses der Schweiz in Luzern bedanke ich mich für die konstruktive Zusammenarbeit und die verschiedenen Exponate, die uns zur Verfügung gestellt wurden. Für die Fotografien dieser Broschüre zeichnet einmal mehr Urs Gautschi verantwortlich, für Texte und Gestaltung Niggi Starck. Ich bedanke mich bei ihnen und allen anderen hilfreichen Geistern. Ohne sie hätte die Sonderausstellung Gotthard nicht durchgeführt werden können. So lade ich Sie ein, sich in den Bann des Gotthards ziehen zu lassen und wünsche Ihnen beim Besuch der Ausstellung viel Freude.




Impressum

© Editions Pantheon Basel, 2016 Hofackerstrasse 72 CH-4132 Muttenz +41 61 466 40 77 www.pantheonbasel.ch Idee und Konzept: Stephan Musfeld Farbfotos: Urs Gautschi Texte und Gestaltung: Niggi Starck ISBN 978-3-906298-03-0 Quellen: • AlpTransit Gotthard, Neue Verkehrswege durch das Herz der Schweiz, AlpTransit AG, Luzern, 2011. • Otto Julius Bierbaum, Eine empfindsame Reise im Automobil, Von Mailand bis Stein am Rhein, 1903. • Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, UVEK, Bundesamt für Strassen ASTRA, Bern. • Historisches Lexikon der Schweiz, Bern. • Hundert Jahre Schweizerische Alpenposten, Verlag Die Kunst in der Schweiz, Genf, 1932. • Interessengemeinschaft Schweizer Kontrollschilder, Zürich, www.igsk.org. • Internationaler Service der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft, SWI, swissinfo.ch. • Max Rutishauser, Das grosse Buch vom Gotthard, Ringier & Co AG, Zürich, 1980. • Pierre Souvestre, Histoire de L’Automobile, Dunod & Pinat, Paris, 1907. • Staatsarchiv Uri, Bilddokumente, Verkehr, Tourismus, Altdorf. • Verkehrshaus der Schweiz, Dokumentationen, 2016. • Arthur Wyss-Niederer, Sankt Gotthard Via Helvetica, Editions Ovaphil, Lausanne, 1979.


Inhalt

Gotthard, Geschichte und Geschichten .....................................8 Vom Saumpfad zur Strasse........................................................9 Die Legende der Teufelsbrücke................................................11 Postkutsche, Mail-Coach .........................................................12 Herrschafts-Schlitten 1880 ......................................................14 Postschlitten, Cabriolet, 1880..................................................15 Trari trara, die Post ist da.........................................................16 Gotthardtunnels, Bauwerke der Superlative.............................20 Tunnelbohrmaschine, 1873 .....................................................21 Unterwegs in Jahrhundertbauwerken ......................................22 Das erste Auto auf dem Gotthard war ein Peugeot..................24 Peugeot, Type 3, vis-à-vis, 1894 ..............................................26 Adler Typ K.L. 5/11 PS, 1912 ...................................................28 Citroën Type C, 1924 ..............................................................30 Chevrolet Bus, 1926................................................................32 Fiat 509 A, 1929 .....................................................................34 Chevrolet 6BA Confederate Special, 1932 ...............................36 Tatra T87, 1939 ......................................................................38 Moto Guzzi G.T.V. 500, 1948 .................................................40 Die Gotthardfestung, Garantin der Freiheit..............................41 Gotthard, Hausberg der Tour de Suisse ...................................43 Renault Heck, Gothard, 1950 ..................................................46 VW Käfer, Bretzel, 1952..........................................................48 Moto Guzzi Airone, 250, 1953................................................50 Moto Guzzi Motoleggera 65, 1953 .........................................51 Citroën 2CV, 1954 ..................................................................54 Fiat 1100 Luxus, 1961 .............................................................56 Ford Taunus 17M P3, 1961 .....................................................58 Auto Union 1000S, 1962 ........................................................60 Schneefräse Peter DHR 2-100, 1963........................................62 Renault 16 TS, 1969................................................................64 Peugeot 404, 1971 .................................................................66 Rallyes rund um den Gotthard.................................................68 Ford Capri 2600 RS, 1972 .......................................................70 Töfflibuben – unterwegs in Richtung Sehnsucht ......................72 Audi Quattro, 1985.................................................................76 Spirit of Bienne, 1993..............................................................78 35’000 Fahrzeuge rollen täglich durch die Röhre .....................80 NEAT, Svizzera interna und Südschweiz rücken zusammen......81 Nach den Mythen die Visionen? ..............................................82


Gotthard, Geschichte und Geschichten Er stehe mitten im Schweizerland, sagt man über den Gotthard. Das stimmt zwar geografisch nicht ganz, aber der Berg ist in vielerlei Hinsicht von zentraler Bedeutung für die Eidgenossenschaft. Als europäisches Wasserschloss und Klimascheide zum Beispiel. Im Gotthardmassiv entspringen gleich vier Schweizer Flüsse. Die Reuss fliesst nach Norden, der Rhein nach Osten, der Ticino nach Süden und die Rhone nach Westen. Gleichzeitig liegt die Gotthard-Region im Schnittpunkt von vier Schweizer Kulturräumen. Als réduit national wurden die Alpen und besonders der Gotthard im Zweiten Weltkrieg zum Symbol von Einheit und Unabhängigkeit, alte Mythen erwachten: der historische Widerstand gegen die österreichischen Besetzer, der Rütlischwur von 1291 und die Kämpfe der Eidgenossen gegen den übermächtigen Feind. Ein starker Wehrwille entstand im kollektiven Bewusstsein, die Schweizer identifizierten sich stark mit ihrem Heimatland. Wie dem auch immer war, wer dort oben auf 2106 Meter über Meer auf dem Gotthardpass steht, den frischen Wind spürt, die karge Gebirgslandschaft betrachtet und das Spiel von Nebelschwaden und Wolken, wer den Blick über die Gipfel und hinunter in die Leventina

schweifen lässt – und über das Wesen dieses Berges nachdenkt – der wird nicht selten von diesen Gedanken gefangen genommen oder weg getragen ... Der Name Sankt Gotthard steht für den heiligen Godehard von Hildesheim, einen Benediktiner. Er war im 11. Jahrhundert Bischof im niedersächsischen Hildesheim, zu der Zeit, als vom Kloster im burgundischen Cluny eine grosse Reform der katholischen Kirche ausging. Godehard soll in seinem Bistum dreissig neue Kirchen und Klöster gebaut und das geistliche Leben der Menschen geprägt haben. Er sei ein charismatischer Mensch gewesen sein, klösterlich streng, asketisch, gleichzeitig aber auch von heiterem und gelassenen Gemüt. Zum Heiligen wurde er im Jahr 1131, rund 100 Jahre nach seinem Tod. Er wurde als Erneuerer, Kloster- und Schulgründer und Heiler verehrt. Die Sankt-Gotthard-Kapelle auf der Passhöhe ist im Jahr 1230 geweiht worden, ihre Fundamente stammen aus dem 7. und 9. Jahrhundert. Der Sankt-Gotthard-Gedenktag im Religionskalender für das deutsche Sprachgebiet ist der 5. Mai.

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Vom Saumpfad zur Strasse Lange Zeit war der Gotthard für den individuellen Verkehr nicht interessant. Wohl benutzten ihn bereits die Römer, sie nannten ihn Adula Mons, der Steile Berg, aber die Gefahren der wilden Schöllenenschlucht behinderten seine Entwicklung als Alpenpass. Das änderte sich mit dem Bau der Holzbrücke über die Reuss – Teufelsbrücke genannt – im Jahr 1230 schlagartig. Die Gotthardachse wurde zu einer der wichtigsten Handelsrouten in den Schweizer Alpen. Der Name Gotthard war im früheren Mittelalter nicht gebräuchlich, der Pass trug Namen wie Monte Tremulo, Mons Ursarie oder Mont Elvelinus. Erst 1237, nach dem Bau der Teufelsbrücke, bürgerte sich der Name Monte Sancti Gutardi ein. Auf dem ausgebauten Saumweg zwischen Airolo und Göschenen erfolgten um das Jahr 1500 herum rund 1'200 Säume, was einem durchschnittlichen Warengewicht von 170 Tonnen entsprach. Die Urner kontrollierten den Passverkehr von Flüelen bis nach Bellinzona bis zum Einmarsch der Franzosen im Jahr 1798. Die Gotthardsäumer hatten sich an eine Säumerordnung zu halten, denn die Passagen verschiedener Engstellen auf der Strecke – Brücken, Felsentreppen und hängende Stege – wollten gut organisiert sein. Schliesslich wollte niemand seine Zeit versäumen. Neben den Säumern waren am Gotthard auch Boten unterwegs. Ab 1653 verkehrten sie zwischen Mailand und Luzern erstmals regelmässig. Sie waren einmal wöchentlich zwischen diesen Städten unterwegs, benötigten vier Tage für eine Reise. Reisende wie Johann Wolfgang von Goethe schrieben über ihr Erlebnis der Gotthardüberquerung und viele Pilger nahmen den anstrengenden Weg zur Sankt-Gotthard-Kapelle in Kauf. In den 1820er-Jahren haben jährlich etwa 15’000 Personen den Pass überquert. 9


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Die Legende der Teufelsbrücke felten an dieser Frage. Ein Ziegenbauer schlug schliesslich eine Lösung vor, der die Männer sofort zustimmten. So führte der Bauer seinen Ziegenbock zur Brücke, liess ihn vom Strick und jagte ihn mit einem Schlag mit dem Stock aufs Hinterteil auf die andere Seite. Der Teufel, der die Szene von hoch oben in den Felsen beobachtet hatte, schäumte und tobte vor Wut, er stemmte einen gigantischen Felsblock, den er auf die Brücke schmettern wollte, um sie zu zerstören. Just in diesem Augenblick ritzte eine fromme, alte Frau, die sich den Männern angeschlossen hatte, ein Kreuz in den Fels. Schlagartig fuhr der Teufel auf Nimmerwiedersehen zur Hölle, begleitet von Blitzen, Donnergrollen und stinkenden, zischenden Schwefeldämpfen. Der Felsblock aber wirbelte mit unheimlicher Wucht himmelwärts. Er schlug schliesslich beim Dorf Göschenen ein, wo er heute noch zu sehen ist. Allerdings nicht, wo er tatsächlich landete, denn dort verläuft heute die Autobahn A2, er wurde versetzt – den Teufel hat’s nicht gestört2. Die Urner an der Brücke beschlossen, ihr den Namen Teufelsbrücke zu geben, dann gingen sie feiern. Erstens die neue Brücke, zweitens die Schlauheit der Bauern und drittens die Genialität weiblicher Intuition.“

Die Schöllenen war immer schon ein gefährliches Nadelöhr, es gab kaum ein Durchkommen. Auf den unberechenbaren Gebirgspfaden stürzten oft Säumer zu Tod, und ihre Lasttiere, kostbare Waren gingen verloren. Wieder und wieder versuchten die Urner eine Brücke über die wilde Reuss zu schlagen, wieder und wieder misslang ihr Vorhaben. Als einmal mehr eine kühne Holzkonstruktion donnernd in die schäumende Reuss hinunter krachte, rief der Landammann verzweifelt: „Soll doch der Teufel diese Brücke bauen!“ – Kaum waren seine Worte verhallt, stand der Leibhaftige persönlich vor ihm und seinen Mannen. Er schlug ihnen einen schauderhaften Pakt vor. Er wolle für sie hier, an diesem Ort, eine stabile Brücke über die Reuss bauen, unter der Bedingung, dass die Urner ihm die erste Seele, die diese Brücke überschreiten wird, überlassen. Ohne zu zögern, willigten die entnervten Männer ein und kurz darauf spannte sich da eine fachmännisch und solid gebaute Holzbrücke über die Schlucht. Beim nächsten Tagesgrauen ging man dort nachzuschauen, und über Sturmeswogen wölbt sich der Brücke Bogen. Doch an der Brück’ auch schon passt Satan auf den Lohn1. Wer aber sollte nun als erster über diese Brücke gehen und des Teufels werden? – Die Urner berieten und berieten, sie verzwei1

Der Teufelstein ist elf Meter hoch und wiegt 2079 Tonnen. Im Jahr 1973 wurde er mit einem Budget von 300'000 Franken um 150 Meter zur Seite geschoben und um 1,5 Meter angehoben, weil er auf dem projektierten Trassee der Gotthardautobahn stand. Die ausführende Firma Iten AG, Morgarten, ging bei der Berechnung des Gewichts von den Massen 7x9x11 m, LxBxH, = 693 m3 und einem Granitgewicht von x3t/m3 aus, was in der Summe 2079 Tonnen ergibt. 2

Meinrad Lienert, Schweizer Sagen und Heldengeschichten, Stuttgart, 1915.

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Postkutsche, Mail-Coach

Besitzer: Alexander Schwabe, Basel Die typische Gotthard-Postkutsche war ein F체nfsp채nner. Das ausgestellte Exemplar wird, je nach Gel채ndebeschaffenheit, mit zwei bis sechs Pferden bespannt. Ihr Vorbild war die englische MailCoach aus dem 18. Jahrhundert. Auf den Dachsitzen finden acht, im Innern vier Personen Platz, ihr Gep채ck wird in den beiden grossen Koffern vor und hinter der Berline verstaut. Im grossen Postkorb auf dem Dach wurden Pakete und Briefe transportiert.

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Modell eines Saumwegs

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Herrschafts-Schlitten 1880

Besitzer:Verkehrshaus der Schweiz, Luzern Das Original war mit einem kleinen Holzofen im Fussbereich ausger端stet.

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Postschlitten, Cabriolet, 1880

Besitzer:Verkehrshaus der Schweiz, Luzern

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Trari trara, die Post ist da Der frische Wind, den die Aufklärung und die französische Revolution mit sich gebracht hatten, veranlasste die Tessiner in den 1810er-Jahren, ihren Teil der Gotthard-Route fahrbar zu machen. Die Urner zogen nach, auch die Kantone Basel, Solothurn und Luzern beteiligten sich an einer durchgehenden Strasse vom Rhein bis an den Gotthard. Nachdem um 1830 sowohl die Tremola mit ihren 27 Haarnadelkurven als auch die Strassen durch die Schöllenen und von Hospental auf die Passhöhe fertiggestellt waren, fuhren die ersten Kutschen. Ab 1842 nahm die Postkutsche zwischen Chiasso und Flüelen ihren täglichen Dienst in beide Richtungen auf, die Reise dauerte 23 Stunden, Postillione und Pferde mussten mehrmals unterwegs ausgewechselt werden. Die fünfspännigen Kutschen boten Platz für zehn Personen, sie wurden meist von Gepäckkarren begleitet. In den Wintermonaten kamen ganze Kolonnen von Einspännerschlitten mit Platz für zwei Passagiere zum

Einsatz. Mit der Bundesverfassung von 1848 rückten die Schweizer Kantone näher zueinander. Binnenzölle wurden abgeschafft, auch Kantonswährungen. Dies erleichterte das Reisen wesentlich. Das immer attraktivere Angebot der neuen Eidgenössischen Post trug das seine zur Reisefreude bei. Im Jahr 1857 liessen sich 29'000 Fahrgäste über den Gotthard kutschieren. Jedoch, es war ein teures Vergnügen. Die Reise von Basel nach Mailand, sie dauerte 50 Stunden, kostete seinerzeit etwa 70 Franken. Der Monatslohn eines Postkutschen-Kondukteurs betrug etwa 20 Franken. In den 1870er-Jahren sollen insgesamt rund 72'000 Personen und 20'000 Tonnen Güter über den Gotthardpass transportiert worden sein. Die Post war täglich mit drei Doppelkursen unterwegs, das Geschäft brummte. Doch sein Ende war bereits vorgezeichnet, denn im und am Berg detonierten die Sprengladungen. Der Bau der Brücken und Tunnels der Gotthardbahn hatte 1872 begonnen. 16


Modell einer 8/11er-Rundbogenpflästerung, erstellt durch die Firma Ziegler AG, Liestal. Die Pflästerung gehört zu den ältesten Bauwerken überhaupt, in Mesopotamien war diese Technik bereits vor 4’000 Jahren bekannt.

Modell eines Schwarzbelags, erstellt durch die Firma Ziegler AG, Liestal. 17


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Schienenmessger채t der Bahn. 19


Gotthardtunnels, Bauwerke der Superlative Im Herbst 1872 begannen in Airolo und Göschenen die Ausbrucharbeiten für den Tunnel der Gotthardbahn. Die Mineure bohrten von Hand. Zuerst wurde der Richtstollen mit einem Querschnitt von rund sieben Quadratmeter ausgebrochen, dieser später, von oben nach unten, zum definitiven Querschnitt von 45 Quadratmetern erweitert. Erst ab Mitte 1873 kamen insgesamt sechs Schlagbohrmaschinen zum Einsatz. Damit wurden jeweils rund 20 Löcher von rund einem Meter Tiefe in die Stollenbrust gebohrt. Diese Löcher luden die Mineure mit Sprengstoff, zogen die fünf Tonnen wiegende Bohrmaschine 100 Meter zurück und sprengten. Sie wiederholten diesen Vorgang Tausende von Malen bis der Tunnel von 15 Kilometer Länge vollständig ausgebrochen war und, zehn Jahre nach Beginn der Arbeiten, im Jahr 1882 eröffnet werden konnte. Die Bauarbeiten am Gotthard-Strassentunnel begannen im Jahr 1970 und dauerten mit zehn Jahren gleich lang, wie diejenigen am Eisenbahntunnel 100 Jahre zuvor. Wie der Eisenbahn-, wurde auch der Strassentunnel mittels mechanisierten Sprengvortriebs ausgebrochen. Es konnte weitgehend im Vollausbruch gearbeitet werden, das heisst über die gesamte Querschnittsfläche von rund

90 Quadratmetern, das ist das doppelte Mass des Eisenbahntunnels. Die offizielle Eröffnung des Strassentunnels fand 1980 statt. Beim Bau der beiden NEAT-Röhren kamen gleichzeitig vier Tunnelbohrmaschinen, TBM, zum Einsatz, je zwei aus nördlicher und südlicher Richtung. Jede dieser Maschinen hatte bei einem Gewicht von 2700 Tonnen eine Länge über 400 Meter – länger als vier Fussballfelder zusammen –, war mit zehn Motoren bestückt, ihr Bohrkopf von knapp zehn Meter Durchmesser war mit 62 Rollenmeisseln besetzt. Ihre durchschnittliche Tagesleistung betrug zwischen 15 und 18 Meter, der Tagesrekord lag bei 40 Meter. Ihr Energiebedarf von maximal 63 Megawattstunden entsprach einem Verbrauch von gut 4000 Einfamilienhäusern. Nach über 16 Jahren Bauzeit wird der mit 57 Kilometer längste Eisenbahntunnel der Welt Mitte 2016 eröffnet. Das System NEAT Gotthard umfasst inklusive aller Quer- und Verbindungsstollen insgesamt rund 154 Kilometer. Und die unterirdische Geschichte geht weiter. Ende Februar 2016 hat das Schweizer Volk an der Urne ein deutliches Ja zum Bau eines zweiten Strassentunnels eingelegt ...

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Tunnelbohrmaschine, 1873

Original-Nachbau einer Gotthard-Tunnelbohrmaschine Besitzer:Verkehrshaus der Schweiz, Luzern

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Unterwegs in Jahrhundertbauwerken Mit der Eröffnung der Gotthardbahn im Jahr 1882 avancierte der Gotthard zur kürzesten Alpentransversale zwischen Nord- und Südeuropa. Die Reisezeit zwischen Luzern und Mailand verkürzte sich von knapp 30 auf 10 Stunden. 2016 wird die Reise von Zürich nach Mailand durch die Neue Eisenbahn-Alpentransversale, NEAT, noch genau zwei Stunden und vierzig Minuten dauern. Als Schweizer Jahrhundertbauwerk wird die Gotthard-Bergstrecke der Bahn bezeichnet. Vorausschauende Ingenieure legten dieses 1882 vollendete Bauwerk inbezug auf Streckenführung mit Kehrtunnels, Radien und Steigungen so an, dass es bis heute optimal genutzt werden kann. Vierzig Jahre nach der Inbetriebnahme, inzwischen hatten die Schweizerischen Bundesbahnen, SBB, die Gotthardbahn 1909 übernommen, verschwanden die zischenden und rauchenden Dampflokomotiven langsam aber sicher, die Strecke wurde

elektrifiziert und mit legendär gewordenen Schweizer Lokomotiven befahren. Der durchgehende Ausbau auf die Doppelspur zwischen Basel und Chiasso dauerte bis ins Jahr 1965. Im Jahr 1924 riefen die SBB den Autoverlad zwischen Göschenen und Airolo ins Leben. Von anfänglich rund 10'000 transportierten Fahrzeugen pro Jahr entwickelte sich diese Zahl auf 184'000 im Jahr 1960 und auf 556'000 im 1967. Der individuelle Massentourismus hatte eingesetzt. Mit der Eröffnung des Strassentunnels im Jahr 1980 beendeten die SBB den Verlad. Nach der Brandkatastrophe im Autotunnel im Jahr 2001 und seiner temporären Schliessung wurde die Dienstleistung für kurze Zeit reaktiviert. Es sind Bestrebungen im Gang, die Gotthard-Bergstrecke zum UNESCO-Weltkulturerbe zu machen. 22


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Das erste Auto auf dem Gotthard war ein Peugeot

In der Histoire de L’Automobile von Pierre Souvestre aus dem Jahr 1907 wird von der ersten Gotthardüberquerung in einem Motorwagen berichtet. Der französische Graf Cognard fuhr mit Gräfin, Mechaniker, Wachhund und 75 kg Gepäck in seinem Peugeot Type 31 von Norden her über den Gotthard ins Tessin. Es versteht sich, dass der Graf sein Benzin mangels Tankstellen jeweils in Apotheken kaufen musste. Um diese Reise rankt sich eine amüsante Legende. Im Aufstieg von Hospental her, kurz vor der Passhöhe, kreuzte ein an solchem Ort zuvor noch nie gesehenes Vehikel einen Schweizer Offizier hoch zu Ross. Letzteres scheute, Ersterer fühlte sich durch dieses lärmende und rauchende Phänomen offenbar beleidigt und beleidigte seinerseits die Menschen in dieser Höllenmaschine. Er teilte mit, dass er Kraft seiner Funktion nach Airolo telefonieren und Anzeige erstatten wolle. Was er tatsächlich auch tat. Nur waren damals erstens die Telefonverbindungen schlecht und zweitens war der Postbeamte, der den Anruf entgegen nahm, gleichzeitig auch Hotelier. Er verstand wohl statt Anzeige Anreise und liess sofort Zimmer für seine neuen Gäste herrichten. In der Histoire de L’Automobile wird eine offizielle, am

18. August 1895 in Andermatt ausgestellte Bestätigung zitiert, wonach das Quadricyle seine Passagiere “sans aucun secours”, ohne jegliche Hilfe, aus eigener Motorenkraft über den Gotthard beförderte2. Auch eine zweite dokumentierte Überfahrt regt zum Schmunzeln an. Der deutsche Publizist Otto Julius Bierbaum unternahm mit seiner Frau Gemahlin und chauffiert von Louis Riegel im Jahr 1902 eine Reise in seinem Cabriolet der Marke Adler. Diese Fahrt von Berlin nach Prag, Wien, Sorent und über den Gotthard wieder zurück in deutsche Lande hat Herr Bierbaum in Eine empfindsame Reise im Automobil publiziert. Es ist dies der älteste vorhandene Bericht einer Gotthardüberquerung im Automobil aus erster Hand. „Der Adlerwagen hat sich nicht zuschanden werden lassen. Wir sind um 10 in Bellinzona abgefahren und um 7 in Brunnen angekommen, ohne dass uns der alte Sankt Gotthard auch nur ein einziges Mal Veranlassung gegeben hätte, kleinmütig zu werden. Wir haben ihn glatt genommen. Allerdings nach der Melodie Immer langsam voran, – sonst hätten wir zu 136,4 Kilometer nicht neun Stunden gebraucht. Aber es bleibt für einen einzylindrigen, achtpferdigen Motor eine sehr respektable Leistung, einen grossen Wagen mit drei Personen und schwerem Gepäck, im ganzen eine

Der Type 3 wurde als offener Vierplätzer in 64 Exemplaren in der ersten PeugeotFabrik in Valentigney produziert. Er war mit einem Panhard & Levassor-Motor ausgerüstet, zwei Zylinder, 565 ccm, 2 PS. Dieser Heckmotor trieb über Ketten die Hinterräder an, siehe Symbolbild oben. 1

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Pierre Souvestre, Histoire de L’Automobile, Dunod & Pinat, Paris, 1907, Seite 256.


Last von 22 Zentnern, über diesen Berg zu schleppen.3“ In Göschenen wurde Bierbaum allerdings von Urner Polizisten aufgegriffen und zu einer Busse von 20 Franken verdonnert. Er hatte es unterlassen „von Andermatt bis nach Göschenen einen Ochsen vor seinen Kraftwagen zu spannen“. Der Adler hatte ja schliesslich Bremsen! – Vorschrift ist Vorschrift, schon damals. Erst vier Jahre nach dieser Jungfernfahrt durften die Automobilisten während weniger Stunden pro Tag ungestraft über die Passstrasse fahren. Der uneingeschränkte Verkehr über die Schweizer Alpenpässe wurde 1917 eingeführt. In der Folge wälzte sich eine von Jahr zu Jahr länger werdende Blechlawine am Hospiz vorbei. Die Strasse war gespickt mit Nadelöhren, die Haarnadelkurven der Tre-

mola entwickelten sich zur harten Geduldsprobe, besonders für diejenigen, die hinter einem Lastwagen, Reisebus oder einem Wohnwagengespann her fuhren. Rauchende und dampfende Autos mit offenen Motorhauben und entnervter Besatzung gehörten zum Landschaftsbild, genau gleich wie die oft frequentierten SOS-Säulen der regionalen und nationalen Autoclubs. Auch die Picknick-Tische auf den Ausstellplätzen entlang der Strasse gehörten zu diesem Bild. Das grosse Aufatmen am Gotthard kam erst nach der Eröffnung der neuen Passstrasse im Jahr 1967. Der Kopfsteinpflaster war verschwunden, aus 27 Haarnadelkurven wurden deren 6, die Betonstrasse war breit, die Kurvenradien so bemessen, dass sie von den Autobussen ohne zu sägen befahren werden konnten. Bis zur folgenden Komfortstufe, dem Autotunnel, sollten noch 13 Jahre vergehen.

3 Die 8-PS Adlerwagen mit einem Zylinder, Hubraum 865 ccm, Höchstgeschwindigkeit 40 km/h wurden von 1901 bis 1903 in Frankfurt am Main gebaut.

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Peugeot, Type 3, vis-à-vis, 1894

Motor: 2-Zylinder Hubraum: 565 ccm Leistung: 2 PS Geschwindigkeit: 20 km/h Besitzer: Cité de l’Automobile, Mulhouse Der französische Graf Cognard fuhr 1895 mit Gräfin, Mechaniker, Wachhund und 75 kg Gepäck in seinem Peugeot Type 3 von Norden her über den Gotthard ins Tessin. Dies war die erste bekannte Passüberquerung mit einem Automobil. Details gemäss Das erste Auto auf dem Gotthard war ein Peugeot.

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Adler Typ K.L. 5/11 PS, 1912

Motor: 4-Zylinder Hubraum: 1300 ccm Leistung: 11 PS Geschwindigkeit: 55 km/h Besitzer: Verkehrshaus der Schweiz, Luzern Der Deutsche Publizist Otto Julius Bierbaum unternahm mit seiner Frau Gemahlin und chauffiert von Louis Riegel im Jahr 1902 eine Reise in seinem Cabriolet der Marke Adler. Sein Weg f체hrte ihn 체ber den Gotthardpass. Details gem채ss Das erste Auto auf dem Gotthard war ein Peugeot.

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Citroën Type C, 1924

Motor: 4-Zylinder, Reihe Hubraum: 856 ccm Leistung: 11 PS Geschwindigkeit: 60 km/h Besitzer: Pantheon Basel Der Type C, auch 5CV oder Trèfle genannt, gilt als erfolgreichster Kleinwagen der 1920er-Jahre, als erster eigentlicher Volkswagen. Aufgrund seiner einfachen Handhabung und den übersichtlichen Abmessungen fand er bei den Damen jener Zeit grosse Beliebtheit. Der Typ C war nur in gelber Lackierung erhältlich, er wurde zwischen 1922 und 1926 in rund 80’000 Exemplaren gebaut. Seinen Übernamen Trèfle, Kleeblatt, hatte er von der Anordnung der Sitze beim Dreiplätzer. – Auf der Abbildung rechts verlässt ein Trèfle das Urnerloch, unterhalb von Andermatt. Das Urnerloch gilt als ältester Alpentunnel, er wurde 1708 eröffnet und war nur so hoch, dass die Saumtiere ohne Reiter hindurch passten. Links die Trasse der 1917 eröffneten Schöllenenbahn.

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Chevrolet Bus, 1926

Motor: 4-Zylinder, Reihe Hubraum: 2802 ccm Leistung: 35 PS Geschwindigkeit: keine Angabe Besitzer: Pantheon Basel Der ausgestellte Chevrolet-Bus wurde auf ein 1-Tonnen Lastwagen-Chassis aufgebaut, er ist als Personenwagen bis 3,5 Tonnen zugelassen. Sein Motor stammt aus der Serie V des Chevy Superior, ein Mittelklasssewagen, der zwischen 1923 und 1926 in den vier Versionen B, F, K und V in fast 1,5 Millionen Exemplaren gebaut wurde.

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Fiat 509 A, 1929

Motor: 4-Zylinder, Reihe Hubraum: 990 ccm Leistung: 22 PS Geschwindigkeit: 78 km/h Besitzer: Rolf Plattner, Garage Plattner AG, Basel Der Fiat 509 war ein sehr erfolgreiches Modell der unteren Mittelklasse. Zwischen 1925 und 1929 ist er in 90'000 Exemplaren als Limousine, Cabrio, CoupĂŠ, Kombi und Taxi gebaut worden.

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Chevrolet 6BA Confederate Special, 1932

Motor: 6-Zylinder, Reihe Hubraum: 3179 ccm Leistung: 60 PS Geschwindigkeit: 105 km/h Besitzer: Michel Jordi, Crans-près-CÊligny Die Confederate Serie BA baute Chevrolet im Jahr 1932 in vierzehn verschiedenen Karosserietypen in rund 300'000 Exemplaren. Es war der erste Chevy mit voll synchronisiertem Dreiganggetriebe.

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Tatra T87, 1939

Motor: 8-Zylinder, V-Motor Hubraum: 2969 ccm Leistung: 66 PS Geschwindigkeit: 160 km/h Besitzer: Verkehrshaus der Schweiz, Luzern Das Modell T87 war der sportliche Reisewagen des tschechoslowakischen Herstellers Tatra. Er gilt nach dem Tatra T77 als zweites serienm채ssig produziertes Stromlinienauto. Zwischen 1937 und 1950 wurden rund 3'000 Tatra T87 verkauft.

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Moto Guzzi G.T.V. 500, 1948

Motor: 1-Zylinder, 4-Takt Hubraum: 498 ccm Leistung: 19 PS Geschwindigkeit: 120 km/h Besitzer: Thomas Ruepp, Muttenz Die V-Serie von Moto Guzzi wurde zwischen 1933 und 1949 gebaut. Die G.T.V. war mit Teleskopgabel und Trommelbremsen ausger체stet. Das Motoren- und Getriebegeh채use war aus Aluminium gefertigt, der Zylinder aus Grauguss, die restlichen Teile aus Stahlblech. Das ausgestellte Modell war als Polizei- und Milit채r-Motorrad im Einsatz.

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Die Gotthardfestung, Garantin der Freiheit Die Entwicklungen im Zweiten Weltkrieg, insbesondere die militärischen Erfolge von Nazi-Deutschland mit seinen Blitzkriegen, bewegten die Schweizer Armeeführung unter General Henri Guisan zur Réduit-Strategie. Diese Strategie geht eigentlich auf den Bau der Gotthardbahn zurück. Das Fort von Airolo wurde im Jahr 1900 in Betrieb genommen, als schützende Verteidigungsstellung an der Gotthardachse in Richtung Süden. Die Schweiz sah sich 1940 von den Achsenmächten umzingelt. Der Réduit-Plan implizierte einen aufwändigen Abnutzungskrieg im Gebirge und gleichzeitig die nachhaltige Zerstörung der Alpentransversalen. Dies sollte die potenziellen Invasoren Deutschland und Italien von einem Einmarsch in die Schweiz abhalten. General Henri Guisan informierte die Truppenkommandanten der Armee am Rütli-Rapport im Juli 1940 über den Réduit-Plan, einen Monat nach dem Einmarsch der Deutschen

in Paris. Der Rütli-Rapport ist zum Mythos geworden, Guisan zum Symbol des Unabhängigkeitswillens. Der Schweizer Alpenraum wurde zum Verteidigungsdispositiv der Armee ausgebaut. Die Festungen von Sargans im Osten, diejenige am Gotthard im Zentrum und die von Saint-Maurice im Westen sicherten die Zugänge ins Alpengebiet und stellten die Vernichtung der Alpentransversalen für den Kriegsfall sicher. In den Kriegsjahren 1940 bis 1944 sind hunderte von Stellungen für die Infanterie, für Panzerabwehrkanonen und Artilleriegeschütze in den Fels getrieben worden. Tunnels, Kavernen, Depots, Truppenunterkünfte, Strassen, Eisenbahnlinien, ja ganze Flughafen-Infrastrukturen hat man in die Alpen hineingesprengt. Der Gotthard im Zentrum des Reduits nahm als Symbol der Wehrhaftigkeit eine besondere Stellung ein. 41


Allegro, 1937 Besitzer: Verkehrshaus Luzern Allegro gilt als erster Produzent von Rennrädern in der Schweiz, die Produktion lief in Neuenburg von 1914 bis in die 1980er-Jahre. Gründer war der Radrennfahrer Arnold Grosjean, genannt Gros, mehrmaliger Schweizer Meister. Der Name der Marke geht zurück auf "Allez Gros", den Ruf, mit dem die Fans Grosjean anspornten.

Estermann, 1945 Besitzer: Verkehrshaus Luzern Leo Estermann begann im Jahr 1939 in Zürich mit dem Bau von Rahmen für Rennräder. Rennfahrer wie Dill Bundi, Koblet oder Kübler fuhren auf Estermann-Velos. Auf dem Rahmen des ausgestellten Rads steht der Name des Fahrers Edy Baumann. 42


Gotthard, Hausberg der Tour de Suisse Seit 1933 schreibt die Tour de Suisse jedes Jahr eine neue Radsport-Geschichte. Trotz jährlicher Abwechslung bauen die Organisatoren auch auf Konstanten, zum Beispiel auf den Gotthard. Denn mit 38 Überquerungen ist er, vor dem Lukmanier mit 34 und der Staffelegg mit 23, der meistbefahrene Pass des nationalen Radrennens. Im Jahr 1947 gewann Ferdi Kübler die GotthardEtappe von Bellinzona nach Sitten.

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TDS Tour de Suisse Rad AG, Kreuzlingen, 1975 Besitzer: Verkehrshaus Luzern Eine Inschrift am Rahmen des Velos weist darauf hin, dass es dem Radrennfahrer Max Lehner gehörte.

Condor, 1951 Besitzer: Verkehrshaus Luzern Die Condor-Werke AG in Courfaivre bei Delsberg wurde 1893 gegründet, sie produzierte Zweiräder aller Art. Condor besteht heute noch, die Firma ist im Bau von Teilen für die Luftfahrt tätig. 44


Cycles Carlo Wolf, Spécial, 1949 Besitzer: Verkehrshaus Luzern Carlo Wolf war Konstrukteur und Händler in Biel. Er stellte Rennmannschaften an der Tour de Romandie und der Tour de Suisse der Nachkriegszeit. Statt mit Bargeld bezahlte Wolf seine Fahrer mit Schweizer Uhren. Auf dem ausgestellten Rad gewann der Amriswiler Gottfried “Göpf” Weilenmann die Tour de Suisse des Jahres 1949.

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Renault Heck, Gothard, 1950

Motor: 4-Zylinder, Reihe Hubraum: 741 ccm Leistung: 21 PS Geschwindigkeit: 100 km/h Besitzer: Verkehrshaus der Schweiz, Luzern Mehr als 1,1 Millionen des Renault Heck verkauften sich zwischen 1946 und 1961. Eigentlich hiess er Renault 4CV, wobei CV, wie beim Döschwo, für cheval fiscal steht und mit Steuer-PS übersetzt werden kann. Er galt als ein Pendant zum deutschen VW Käfer. Wie der ausgestellte Renault zu seiner Bezeichnung Gothard kam ist nicht bekannt.

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VW Käfer, Bretzel, 1952

Motor: 4-Zylinder, Boxer, luftgekühlt Hubraum: 1192 ccm Leistung: 26 PS Geschwindigkeit: 90 km/h Besitzer: Verkehrshaus der Schweiz, Luzern Der Käfer war neben dem Citroën CV2, dem Renault 4 und dem Fiat 500 der erfolgreichste Vertreter der Kategorie Volkswagen der Nachkriegszeit. Jahrzehntelang hielt er den Rekord des meistverkauften Automobils.

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Moto Guzzi Airone, 250, 1953

Motor: 1-Zylinder, 4-Takt Hubraum: 246 ccm Leistung: 9,5 PS Geschwindigkeit: 90 km/h Besitzer: Thomas Ruepp, Muttenz Die Airone wurde von 1939 bis 1957 gefertigt.1940 wurde der Rohrrahmen durch einen Rahmen mit Blechpressstellen mit Hinterradfederung ersetzt. Airone heisst auf Deutsch Reiher.

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Moto Guzzi Motoleggera 65, 1953

Motor: 1-Zylinder, 2-Takt Hubraum: 64 ccm Leistung: 2 PS Geschwindigkeit: 50 km/h Besitzer: Thomas Ruepp, Muttenz Die Motoleggera 65 war ein beliebtes Fahrzeug der Nachkriegszeit, sie wurde von 1946 bis 1965 gebaut, sie gehÜrte damals zu den meistverkauften Kleinmotorrädern.

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Citroën 2CV, 1954

Motor: 2-Zylinder, Boxer, luftgekühlt Hubraum: 375 ccm Leistung: 9 PS Geschwindigkeit: 60 km/h Besitzer: Werner Schneeberger, Basel Der Döschwo ist von 1949 bis 1990 in fast vier Millionen Exemplaren gebaut worden. Zu Beginn belächelt, entwickelte er sich zum Kultauto. Die technischen Daten beziehen sich auf die erste Version des 2CV. Die ausgestellte Ente wird mit FIVA-Ausweis und Citroën Herigage Certificate als eines der am besten erhaltenen Exemplare beurteilt.

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Fiat 1100 Luxus, 1961

Motor: 4-Zylinder, Reihe Hubraum: 1089 ccm Leistung: 48 PS Geschwindigkeit: 135 km/h Besitzer: Andreas JĂśhri, Aarberg Das erste 1100er-Modell mit einem Rahmenchassis baute Fiat in den Jahren 1937 bis 1953. Der ausgestellte 1100er wurde von 1953 bis 1970 als viertĂźriger Wagen der unteren Mittelklasse mit selbsttragender Karosserie in verschiedenen Varianten gebaut.

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Ford Taunus 17M P3, 1961

Motor: 4-Zylinder, Boxer, luftgekĂźhlt Hubraum: 1500 ccm Leistung: 55 PS Geschwindigkeit: 120 km/h Besitzer: Verkehrshaus der Schweiz, Luzern Vertreter der modernen Formgebung, der Verkaufsslogan lautete Linie der Vernunft. Dieser Wagen der oberen Mittelklasse wurde zwischen 1960 und 1964 in den Ford-Werken in KĂśln gebaut.

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Auto Union 1000S, 1962

Motor: 3-Zylinder, 2-Takt Hubraum: 1000 ccm Leistung: 55 PS Geschwindigkeit: 135 km/h Besitzer: Verkehrshaus der Schweiz, Luzern Letzter Vertreter des Zweitakt-Automobils. Merkmal der Modelle von DKW und Auto Union waren ihre Motoren, sie machten ein typisches, unverkennbares Ger채usch.

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Schneefr채se Peter DHR 2-100, 1963

Produzent: Konrad Peter & Co., Liestal Besitzer: Verkehrshaus der Schweiz, Luzern Die Peter-Fr채se hatte zusammen mit Stuntman Bernhard Russi einen Auftritt im James-Bond-Film Im Geheimdienst ihrer Majest채t, 1963.

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Renault 16 TS, 1969

Motor: 4-Zylinder, Reihe Hubraum: 1565 ccm Leistung: 88 PS Geschwindigkeit: 165 km/h Besitzer: René Wiederkehr, Däniken Der R 16 war ein beliebtes Fahrzeug der Mittelklasse, ein Familienwagen. Er wurde von 1965 bis 1980 in 1,85 Millionen Exemplaren gebaut. Er gilt als Urahn der Fünftürer mit Fliessheck. Im Jahr 1966 wurde er zum Auto des Jahres gewählt.

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Peugeot 404, 1971

Motor: 4-Zylinder, Reihe Hubraum: 1468 ccm Leistung: 53 PS Geschwindigkeit: 145 km/h Besitzer: Garage W. R. Enz AG, Basel Den 404 baute Peugeot von 1960 bis 1975 in knapp drei Millionen Exemplaren als heckgetriebenes Mittelklassefahrzeug in diversen Varianten, darunter der f체nft체rige Kombi-Break Commerciale oder der Familiale mit sieben Pl채tzen auf drei Sitzb채nken. Die Karosserie hat Pininfarina entworfen. Der 404 war mit Benzin- und Dieselmotoren zu haben.

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Rallyes rund um den Gotthard Am 19. Juli 1950 fielen erstmals an die 100 Rallyefahrer vom Oberalppass her ins Urserental ein, erklommen den schmalen, geschotterten Furkapass, als sich ihnen eine motorisierte Militärkolonne in den Weg stellte. Die Rallyefahrer konnten deshalb die vorgeschriebenen Sollzeiten schwer einhalten und verbreiteten laut zeitgenössischen Zeitungen Angst und Schrecken unter den langsamen, oft mit kochenden Motoren dahin kriechenden Autotouristen. Doch das Rallye International des Alpes raste weiter dem Ziel in Cannes entgegen. 3200 Kilometer, bergauf und bergab, auf nicht abgesperrten Strassen, über eine Unzahl von Alpenpässen. Wenige Jahre später gehörten diese Langstreckenfahrten wegen dem aufkommenden Massenverkehr der Vergangenheit an. Der einmalige Spuk im Urserental war vorbei. In den Jahren 1972 bis 1983 wurde auf Strassen Uris, der oberen Leventina und des Tavetsch zehn Mal das einzige Rallye in der deutschsprachigen Schweiz durchgeführt (bis 1980 als Rallye Uri benannt und ab 1981 als Rallye Gotthard). Acht Mal zählte diese

sehr anforderungsreiche Rallye zur Schweizermeisterschaft. Spezialprüfungen im bündnerischen Tavetsch und der Rundkurs in Attinghausen – beide Strecken auf Schotter – klassierten unerbittlich. Schon damals war die alte Tremola Mittelpunkt des Rallyes. Um nur einen Motorsportjournalisten zu zitieren: “Wer es nicht kennt, kann es nicht glauben, was für eine unglaubliche Ambiance das Rallye Gotthard herzuzaubern vermag, besonders in der Nacht, wenn Piloten und Co-Piloten bei Nacht und Nebel an graniten Felsen vorbei die Bergstrassen hinauf jagen. Lichterbündel zerreissen die Nacht, schiessen auf dich zu und vorbei. Man friert herrlich vor Begeisterung.” Prominentester Sieger am Rallye Gotthard war 1979 die Equipe von Claude Haldi und Bernard Sandoz auf Porsche 934. Haldi startete in Le Mans nicht weniger als 22 Mal! Nach 33 Jahren Unterbruch findet nun anfangs September 2016 das 11. Internationale Rallye Gotthard erneut statt. Das Gotthardmassiv war Zeuge des einzigen Rallyes in der deutschsprachigen von Bernhard Brägger Schweiz sein.

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Ford Capri 2600 RS, 1972

Motor: 6-Zylinder, V-Motor Hubraum: 2632 ccm Leistung: 150 PS Geschwindigkeit: 200 km/h Besitzer: Christoph H채nggi, H채gendorf Den Capri baute Ford von 1968 bis 1986 in Deutschland und England. Im Jahr 1973 waren 체ber eine Millionen des Modells verkauft. Der f체r den Rennsport ausgelegte 2600 RS erschien 1970.

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Töfflibuben – unterwegs in Richtung Sehnsucht Zuerst die Begriffsklärungen. Moped steht für Motorveloziped mit Pedal, nach Duden schweizerisch umgangssprachlich auch Töffli genannt. Auch der Begriff Mofa, für Motor-Fahrrad, ist gebräuchlich. Es handelt sich um Kleinkrafträder mit 1-Zylinder-2-Takt-Motoren, geringem Hubraum, meist 50 ccm, und begrenzter Geschwindigkeit, in der Schweiz auf maximal 30 Stundenkilometer. Der Begriff Töfflibuben wiederum umschreibt eine vorwiegend männliche Population im Alter von zwischen 14 und 18 Jahren, deren grosse Leidenschaft es ist, auf ihren knatternden Gefährten

in Gruppen auf Reisen zu gehen. Ihre Töffli waren oft frisiert. Frisieren in diesem Zusammenhang steht für „Motortechnik, umgangssprachlich, die Leistung eines serienmässig hergestellten Motors durch nachträgliche Veränderungen steigern“. Ihre Blütezeit hatten die Töfflibuben zwischen den 1950er- und 1980er-Jahren, als es zum guten Ton gehörte, sich mindestens einer abenteuerlichen Alpenüberquerung auf historischen Strassen rühmen zu können. Wie anders als auf ihren Töffli hätten die Jungs von damals ihre Sehnsucht nach dem Süden stillen können?

Ticino turismo, Bellinzona

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Puch VS 50L, 1960 Motor: 1-Zylinder, 2-Takt Hubraum: 49 ccm Leistung: 2 PS Geschwindigkeit: 50 km/h Besitzer: Verkehrshaus, Luzern Puch begann im Jahr 1954 mit dem Bau von Mofas. V steht für Vollnabenbremse, S für Schalenrahmen, 50 für den Hubraum und L für Luxus.

Demm Capri TICINO, 1960 Motor: 1-Zylinder, 2-Takt Hubraum: 48 ccm Leistung: 1,5 PS Geschwindigkeit: 40 km/h Besitzer: Verkehrshaus, Luzern DEMM steht für D&M, Officine Meccaniche Fratelli Daldi & Matteucci, Milano, der Beiname TICINO stammt vom Schweizer Importeur Attilo Faropp in Chiasso, Dreigang-Getriebe.

Heinkel Perle, 1956 Motor: 1-Zylinder, 2-Takt Hubraum: 49 ccm Leistung: 1,5 PS Geschwindigkeit: 40 km/h Besitzer: Verkehrshaus, Luzern Heinkel war ein deutsches Flugzeugwerk, das sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Produktion von Kleinmotorrädern und dreirädrigen Kleinautomobilen beschäftigte, Dreiganggetriebe.

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DKW Hummel, 1968 Motor: 1-Zylinder, 2-Takt Hubraum: 49 ccm Leistung: 1,35 PS Geschwindigkeit: 30 km/h Besitzer: Verkehrshaus, Luzern DKW bzw. Auto Union baute zwischen 1956 und 1958 knapp 120'000 Exemplare der Hummel, Dreigang-Getriebe, voll gefedert.

Piaggio Ciao, 1970 Motor: 1-Zylinder, 2-Takt Hubraum: 48 ccm Leistung: 1,2 PS Geschwindigkeit: 30 km/h Besitzer: Verkehrshaus, Luzern Der Ciao von Piaggio wurde im Jahr 1968 vorgestellt, seine Produktion lief bis zur Jahrtausendwende.

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Audi Quattro, 1985

Motor: 5-Zylinder, Reihe, mit Abgasturbolader Hubraum: 2100 ccm Leistung: 200 PS Geschwindigkeit: 222 km/h Besitzer: Verkehrshaus der Schweiz, Luzern Der erste in grösseren Stückzahlen gebaute Personenwagen mit permanentem Vierradantrieb. Seine Präsentation am Genfer AutoSalon von 1980 galt als Sensation. Er wurde zwischen 1980 und 1991 in rund 11'500 Exemplaren gebaut.

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Spirit of Bienne, 1993

Zwischen 1987 und 1993 wurde alljährlich die Tour de Sol, ein Rennen ausschliesslich für Fahrzeuge mit Solarantrieb, durchgeführt. Im Jahr 1989 führte die Strecke in mehreren Etappen von Contone im Tessin über den Gotthard nach Rheinfelden AG. Vertreter der Ingenieurschule Biel gehörten zu den Pionieren der Solarmobile. 20 Studierende der Berner Fachhochschule Technik und Informatik entwickelten die Spirit of Bienne. 1987 belegte die Spirit of Bienne I den 3. Rang an der World Solar Challenge in Australien. 1990 gewannen die Bieler diesen Wettbewerb mit der Spirit of Bienne II und 1993 belegte die Version III den zweiten Platz. Unter dem Titel Flotte Flunder berichtete DIE ZEIT im November 1993 über die Entwicklung der Spirit of Bienne I bis III: “Als der Solarrenner Spirit of Biel-Bienne II im Finale der 2. World Solar Challenge 1990 in Adelaide über den Zielstrich sauste, hatte das Team der Ingenieurschule Biel nicht nur alle anderen Entwicklungsmannschaften – darunter ein Werksteam des japanischen Automobilkonzerns Honda –, hinter sich gelassen, sondern auch einen spektakulären Nachweis für energieeffiziente Fortbewegung

mit Sonnenkraft erbracht. Gerade fünfzig Kilowattstunden Strom oder umgerechnet weniger als fünf Liter Benzin verbrauchte der flunderflache Renner des kleinen Schweizer Technikums für die 3’000 Kilometer lange Fahrt quer durch den australischen Busch.” – Verschiedene technische Komponenten haben der Spirit of Bienne zum Erfolg verholfen. Sie wiegt ganze 140 kg, ihre Stirnfläche beträgt rund einen Quadratmeter was zu einem Luftwiderstandsbeiwert von 0,105 führt, der eingesetzte Radnabenmotor macht ein Getriebe unnötig, das Antriebssystem ist in der Lage, 94 Prozent des Stroms aus den Solarzellen in Vortrieb umzusetzen, sie erreichte bis 88 Stundenkilometer. In das Spitit-of-Bienne-Projekt wurden rund vier Millionen Franken investiert. Ziel war es nicht, ein Solarfahrzeug für den Alltagsgebrauch zu entwickeln, es ging vielmehr darum, Antriebstechniken unter dem Gesichtspunkt der Energieeffizienz zu erforschen, um entsprechende Rückschlüsse für die Zufunkt der Industrie gewinnen zu können.

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35’000 Fahrzeuge rollen täglich durch die Röhre Zwischen 1970 und 1980 erbaut, ist der Gotthard-Strassentunnel mit 16,9 Kilometern der längste Alpen- und der viertlängste Strassentunnel der Welt. Die Fertigstellung der A2 im Kanton Tessin dauerte bis 1986, so lange zwängte sich der Verkehr noch durch die Dörfer der Leventina. Im ersten vollen Betriebsjahr 1981 benutzen insgesamt 2,9 Millionen Fahrzeuge den Tunnel, der Anteil des Güterverkehrs betrug 6%. Bereits zehn Jahre später hatten sich diese Zahlen praktisch verdoppelt, es waren 5,8 Millionen Fahrzeuge, 11% davon Lastwagen. Das Rekordjahr war 2000 mit 6,8 Millionen Fahrzeugen, wovon 17% Schwerverkehr, das waren insgesamt knapp 19'000 Fahrzeuge pro Tag. Nach der tragischen Brandkatastrophe im Jahr 2001 wurde mit einem Dosiersystem die Sicherheit in der Röhre verbessert, seither dürfen nur noch maximal 150 Lastwagen pro Stunde durch den Tunnel geführt werden. Das Verkehrsaufkommen entwickelte sich rückläufig, 2014 durchquerten 6,3 Millionen Fahrzeuge den Tunnel, der Anteil des Schwerverkehrs lag bei 13%. Spitzentage sind die August-Samstage, dann rollen um die 35'000 Fahrzeuge durch den Tunnel. Die Experten

des Bundesamtes für Strassen, ASTRA, planen die Sanierung des Alpentunnels in den Jahren 2020 bis 2025, “der bestehende Gotthard-Strassentunnel kann bis 2025 sicher betrieben werden”. Die Durchführung der Sanierung hat zu einer politischen Auseinandersetzung geführt. In der Volksabstimmung von Ende Februar 2016 hat sich das Schweizer Stimmvolk mit 57% für den Bau eines zweiten Strassentunnels entschieden, die Stimmbeteiligung betrug vergleichsweise hohe 62,3%. Die beiden Röhren werden einst nur richtungsgetrennt und einspurig, mit je einer Fahrspur und einem Standstreifen, geführt. Gemäss dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, UVEK, werden die Investitionskosten für das geplante Bauwerk ohne die Berücksichtigung der Teuerung auf rund zwei Milliarden Franken geschätzt. Der Zeitbedarf für die Planung betrage maximal 15, derjenige für die Realisierung sieben Jahre. Somit könnte der zweite Strassentunnel um 2040 dem Betrieb übergeben werden. Massnahmen zur Überbrückung der Zeitspanne zwischen 2025 und 2040 sind in Diskussion.

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NEAT, Svizzera interna und Südschweiz rücken zusammen Das Schweizer Volk sagte 1992 Ja zur Vorlage über die Neuen Eisenbahn-Alpentransversalen, NEAT, und entschied sich für den Bau von zwei Flachbahnen durch die Alpen. Der einspurige LötschbergBasistunnel mit rund 35 Kilometer Länge wurde nach einer Bauzeit von 13 Jahren und Kosten in Höhe von 4,3 Milliarden Franken im Jahr 2007 dem Betrieb übergeben. Ende 1999 detonierte bei Amsteg die erste Sprengungladung am Gotthard-Basistunnel, der in zwei getrennten Röhren über 57 Kilometer von Bodio im Tessin nach Erstfeld im Urnerland führt. Der höchste Punkt dieses Bauwerks liegt auf nur 550 Metern über Meer, was der Höhenlage der Stadt Bern entspricht. Insgesamt zwölf Züge können in den beiden Röhren gleichzeitig mit Spitzengeschwindigkeiten von 250 km/h, Güterzüge mit 160 km/h, verkehren. Die Eckwerte dieses Bauwerks

sind gigantisch. • 57 Kilometer ist Weltrekord, der Seikan-Tunnel in Japan ist 54, der Eurotunnel zwischen England und Frankreich 53 Kilometer lang. • Mit den 24 Millionen Tonnen Ausbruchmaterial hätten fünf Cheops-Pyramiden gebaut werden können. • Die Nutzungsdauer des Basis-Tunnels beträgt 100 Jahre. • Die Gesamtkosten der Bauten an der NEAT-Gotthardachse werden sich auf über 12 Milliarden Franken belaufen. Die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels, dem längsten Tunnel der Welt, fand am 1. Juli 2016 statt, er wurde mit dem Fahrplanwechsel per Dezember 2016 in Betrieb genommen. 81


Nach den Mythen die Visionen? Wohin die Entwicklung des individuellen, des gewerblichen und des öffentlichen Verkehrs mittel- bis langfristig gehen wird ist unklar. Wird die Anzahl der zugelassenen Automobile zunehmen? Wird sie stagnieren oder abnehmen? Wird die NEAT die geplante Verlagerung von der Strasse auf die Schiene bringen und damit den Schwerverkehr am Gotthard ausdünnen können? Was wird in 100 Jahren sein, wenn die Lebensdauer aller heutigen Verkehrsträger am Gotthard überschritten sein wird? Werden wir dann in über- und unterirdischen Vakuumsystemen, berührungsfrei und gesteuert und getrieben von Sensoren und Magnetfeldern mit 500 Stundenkilometern oder mehr von Flüelen nach Belllinzona rasen und dabei gemütlich einen Kaffee trinken und lesen? Oder wird es das autonome Auto richten? Oder Free-Floating-Systeme? Oder

sonst was? – Was auch immer kommen mag, zum Schluss sei der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass auch die kommenden Generationen den Mythos Gotthard hautnah und konkret erleben können. Die Leistungen unserer Zeit und die unserer Vorfahren sollen als Kulturgüter zumindest in Teilen erhalten bleiben. Auch die kommenden Generationen sollen auf der Teufelsbrücke ein Kreuz in den Fels der Schöllenen ritzen können. Auch sie sollen in ihrem Oldtimer die Tremola hinauf und hinunter fahren können. Auch sie sollen über die nostalgischen Dampfloks staunen und über die Genialität ihrer Erfinder rätseln können. Wir wünschen ihnen, dass auch sie einst auf der Gotthard-Passhöhe stehen werden und dort von frohen, mystischen Gedanken gefangen genommen oder weg getragen werden ... 82


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