Miklós Maros' Streichquartett Nr. 3 und String quartet no. 1 --- ein Vergleich

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Miklós Maros, Streichquartett Nr. 3 und String Quartet no. 1 – ein Vergleich VON JAN OLOF RUDÉN Miklós Maros zum 70. Geburtstag gewidmet

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er schwedische Komponist Miklós Maros (geb. 1943 in Ungarn - http://www.mmaros.com) ist hauptsächlich durch seine Kammermusik bekannt, besonders weil er Musik für die außergewöhnlichsten Kombinationen von Instrumenten komponiert. Er beschäftigt sich heutzutage meistens mit Instrumentalmusik, obwohl er am Anfang seiner Karriere auch elektronische Musik und Vokalmusik komponiert hat. Bedeutende Werke der letzten Zeit sind die Symphonie Nr.4 (1998 leider nur einmal aufgeführt. Partitur zum Anschauen: http://www.mic.se/avd/mic/prod/micpdf.nsf/dl/ JOR1833f1a.pdf/$file/JOR1833f1a.pdf) und die Sonate für Klavier (2002), die aber mehrmals gespielt wurde. Siehe Jan Olof Rudén (2004), ”Miklós Maros, Sonate für Klavier (2002) – ett verk med tillhörighet i traditionen”. Kammarmusik-Nytt 2004:2, S. 12-13, 34. – Noten zum Anschauen: http://www.mic.se/avd/mic/prod/micpdf.nsf/dl/GB202f1.pdf/$file/ GB202f1.pdf Titel in deutscher Sprache reserviert Maros für traditionsschwere Werke wie Symphonie, Sonate, Rondo, Streichquartett. In meinen Gesprächen mit dem Komponisten seit zwei Jahrzehnten hat er oft darauf hingewiesen, dass er großen Respekt vor diesen Formen hat. Man kann ein Werk, das nicht durchkomponiert ist, unter solch einem Titel nicht veröffentlichen – auch wenn man nicht unbedingt die Sonatenform anwendet. Es muss ein substantielles Werk in mehreren Sätzen für ein traditionelles Kammermusikkonzert oder für ein Konzert mit zeitgenössischer Musik sein. Das Streichquartett Nr.3 (2010-11) wurde im Jahre 2013 uraufgeführt. Dies gibt Anlass zu einem Vergleich mit dem String Quartet no.1 (1977), um zu sehen, ob es Konstanten in Maros’ Kompositionsweise gibt.

Streichquartett Nr.3 Kaum war Miklós Maros’ Streichquartett Nr.2 vom Weberkvartett in Härnösand im November 2009 aufgeführt worden, als er den Auftrag von Sveriges Radio P2 bekam, ein Streichquartett zu komponieren. Die Kompositionsarbeit fing in Ungarn im August 2010 an und wurde in Stockholm im Februar 2011 abgeschlossen. Die Spieldauer ist für beide Quartette etwa gleich, ca. 25 Minuten Das Quartett Nr.3 wurde vom Dahlkvistkvartett in einem Musikblock am schwedischen Nationalfeiertag, dem 6. Juni 2013, in Mellby ateljé mit Direktübertagung in Sveriges Radio P2 (ernste Musik) uraufgeführt. Die unmittelbare Reaktion des Publikums im Konzertsaal und auf Facebook war sehr positiv. Ein Hörererlebnis Ein aufmerksamer Zuhörer bei der Uraufführung konnte bemerken, dass es drei Sätze gab, von denen Satz II und III attacca gespielt wurden, was für Maros nicht ungewöhnlich ist, aber wo Satz III anfing, war nicht zu entscheiden. Mit Zugang zur Partitur http://www.mic.se/avd/mic/prod/micpdf.nsf/dl/GB7678f1a.pdf/ $file/GB7678f1a.pdf und mit Hilfe der Aufnahme in P2 Live konnte man erfahren, dass jeder Satz etwa 8 Minuten dauert. Dies erfüllt eine von Maros’ Anforderungen nach Ausgeglichenheit.

www.ordommusik.se 2013

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Der Zuhörer konnte auch registrieren, dass Abschnitte im Werk wiederholt wurden. Die sehr charakteristische Einleitung von Satz I in breiten Akkorden im forte wurde sogleich wiederholt und kehrte mehrmals zurück, besonders am Schluss des Satzes III als eine deutliche Anknüpfung an den Anfang des Werkes. Es wurde auch deutlich, dass Satz II melodisch-lyrisch anfing, so wie man es von einem zweiten Satz erwarten kann. Es war auch offenbar, dass der schnelle III. Satz im Nichts endete, etwas für Maros Typisches. Als Ganzes beschrieb das Werk eine dynamische Entwicklung von laut bis a niente, obwohl starke Kontraste auch innerhalb der Sätze vorkamen. Dort konnte man den Wechsel von laut und leise, von hoch und tief in den Sätzen hören. Gestaltungen von Dreiklängen konnte man als konstitutives melodisches Element erfassen. Mit der Partitur vor Augen erkennt man leicht, dass das Werk hohe Ansprüche ans Notenlesen stellt und dass es die Beherrschung von Doppelgriffen erfordert. Diese sind charakteristisch, um einen vollen Klang zu erzeugen, und nötig, um das Tonsystem richtig zur Geltung kommen zu lassen. Maros’ Pentatonik Seit Mitte der 1980er Jahre hat Maros eine persönliche Art von Pentatonik in seinen Werken angewendet. Hierzu Jan Olof Rudén (2004), ”Pentatonik och kompositionsmetod hos Miklós Maros med utgångspunkt från Cinguettio (1995)”. STM-Online, vol 7, 2004. http://musikforskning.se/stmonline/vol_7/ruden/ index.php?menu=3 Aus den pentatonischen Tonleitern auf Cis (,,schwarze Tasten“ auf dem Klavier) und E können die Dreiklänge dis-Moll und A-Dur gewonnen werden und aus den pentatonischen Tonleitern auf D und Es die Dreiklänge G-Dur und f-Moll. Diese zwei Hexachorde bilden den harmonischen und melodischen Grund.

Oft erscheinen die Dreiklänge paarweise, aber manchmal werden die einzelnen Töne der Hexachorde gemischt. Dann ergibt sich eine chromatische Tonleiter. Die Akkorde können transponiert werden (oder aus anderen pentatonischen Tonleitern gebildet werden). Deshalb fängt das Streichquartett mit den zwei Hexachorden B-Dur & gis-Moll und fis-Moll & C-Dur an, und erst nach dem einleitenden Abschnitt erscheinen die Grund-Akkorde. Die melodische Behandlung der Akkorde führt zu rhythmisierten Akkordbrechungen, regelmäßig über mehrere Oktaven. Sie können steigend oder fallend sein. Die Melodiebildung ist deshalb oft vertikal. Eine andere Art die Melodik zu gestalten ist der Gebrauch (von Teilen) der pentatonischen Tonleiter oder (von Teilen) der chromatischen Tonleiter. Beide Gestaltungsweisen kommen in dem Werk vor. Wenn schnellere harmonische Wechsel angestrebt werden, muss vielleicht auch einmal ein Ton im DreiklangsAkkord unterdrückt werden. 2


Die Besetzung Die vier Instrumente in einem Streichquartett können ein unterschiedliches Gewicht erhalten. Das ist in diesem Werk nicht der Fall, weil hier alle Instrumente gleichwertig sind, damit die Akkordbrechungen ermöglicht werden können. Vom Ausgangpunkt der Grundakkorde hat der Komponist oft jedem Instrument einen Dreiklang zugeteilt, der allerdings unter den Instrumenten getauscht werden kann. Oft kommt die Verknüpfung von je einem Dreiklang im Hexachord und einem Instrumentenpaar vor, z.B. die zwei mittleren oder die zwei äußeren Stimmen. Eine andere Gestaltungsart ist die gleichzeitige Verteilung der Töne der zwei Hexachorde auf alle Instrumente. Partituranalyse Der erste Satz, Maestoso, forte, besteht aus langen, intensiven Akkorden in C-Dur & fis-Moll, bei denen die Töne im Akkord-Paar auf die vier Instrumente verteilt werden. 13 Takte lang spielen sie Doppelgriffe und tauschen miteinander Töne aus. Dies erzeugt eine sehr kraftvolle Wirkung, die leicht erkannt wird, wenn sie in der Komposition erneut auftaucht. Dieser Abschnitt bildet eine tonale Ebene. Er wird vom Akkord-Paar gis-Moll & B-Dur im piano und in einer engeren mittleren Lage abgelöst. Die Stimmen tauschen wiederum Töne miteinander. Es ist eine deutlich unterscheidbare Ebene mit einem weicheren Klangbild. Auch dieser Abschnitt ist lang und breit mit einem langsameren Ende im pianissimo. Nun wird der forteAbschnitt wiederholt und mit dem pianissimo-Abschnitt beendet. Der folgende Abschnitt, Allegro (Notenbeispiel 1), wird wiederum im forte angesetzt und nun mit den Grund-Akkorden auf alle Instrumente verteilt: Vlc A-Dur, Vla dis-Moll, Vl 2 G-Dur und Vl 1 f-Moll. Notenbeispiel 1

Die steigende Dreiklangs-Melodik, die sich über zwei Oktaven spannt, liegt in den paarweise geführten Vla + Vlc-Stimmen, während Vl 1 + Vl 2 scharfe Akzente spielen. Sie werden in ein aktives Mitvollziehen der steigenden Melodik umgeformt. Diese wird verdichtet, um darauf in ausgedehnte Akkorde zu münden. Im Vlc wird der neue Akkord H-Dur eingeführt.

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Der Abschnitt wird verkürzt wiederholt und darauf im dichteren Klang weiter durch Tonwiederholungen in allen Stimmen mit dichteren Dreiklangs-Wechseln unter den Stimmen zu einem melodischen Höhepunkt in enger Lage geführt. Die aufwärtsgerichtete Melodik wird nun durch eine nach unten gerichtete ersetzt. Abwechselnd treten Akkorde im Doppelgriff auf, die an den Anfang des Satzes erinnern (Notenbeispiel 2). Notenbeispiel 2

Der Abschnitt schließt nach Verdichtung mit einer Reminiszenz der B-Dur & gis-Moll-Akkorde vom Anfang, hier im pianissimo. Der darauf folgende Abschnitt besteht aus rhythmisierten („Scotch snap“), schrittweise geführten Akkorden mit dichterem Akkordwechsel (C-Dur & fis-Moll, gis-Moll & B-Dur) und starker Dissonanz-Wirkung, obwohl die Mittelstimmen Doppelgriffe in enger Lage in Terzen spielen. Die Lautstärke ist piano. Akzente werden durch hohe Lage markiert (Notenbeispiel 3).

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Notenbeispiel 3

Nach einem Abschnitt mit fallenden parallel geführten Akkordbrechungen in 16-teln, die vorher vorkamen, entwickeln sich die schrittweise geführten rhythmisierten Akkorde, jetzt im forte und mit Akzenten zu einer hohen engen Lage. Der „Scotch snap“ wird durch parallel geführte wellenartige Bewegungen und sammelnde Akkorde in eine Wiederholung des steigenden Motivs im Notenbeispiel 1 weiter entwickelt. Danach folgt eine Reminiszenz der einleitenden liegenden Akkorde. Das fallende Dreiklangs-Motiv im Notenbeispiel 2 wird wiederholt, worauf wellenartige Akkorde im pianissimo den Satz zur Auflösung bringen. In Bezug auf die Form kann der erste Satz mit den Teilen A, B, A1 beschrieben werden. Der Haupteindruck des Satzes ist kraftvoll und klangvoll. Der Maestoso-Abschnitt und der Allegretto-Abschnitt bewirken beim Zuhörer durch die vielen Wiederholungen eine starke emotionale Beteiligung. Die beiden Abschnitte kontrastieren miteinander durch intensive Akkorde bzw. unruhige Bewegung. Dynamisch bewegt sich der Satz von forte bis a niente. Satz II, Largo (Notenbeispiel 4) Notenbeispiel 4

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Eine übersinnliche, fallende Dreiklangs-Melodie in Vl 1 und Vl 2 in A-Dur & dis-Moll bildet einen Gegensatz zu den Pizzicato-Akzenten in Vla und Vlc in f-Moll & G-Dur (Vgl. Notenbeispiel 1). Vl 1 und Vl 2 stimmen ins Pizzicato ein. Unmittelbar anschließend werden Motive mit kleinen Veränderungen wiederholt. Die Melodie setzt nun einen halben Ton höher in Vl 1 und Vl 2 ein. Die paarweise geführten Vla und Vlc teilnehmen immer mehr an die Melodie, um bald die oberen Stimmen zu imitieren. Dies leitet über zu einem Abschnitt, der eine angenehme Entspannung bietet durch paarweise geführte Durdreiklänge in einer steigenden Melodie, die in eine kurze Reminiszenz der Dreiklangmelodie im Notenbeispiel 4 mündet. Die parallel geführten Unterstimmen tauschen die vertikale Dreiklangs-Melodie gegen eine mehr horizontale Linienführung, in der die Vla alle Töne der C-Dur-Tonleiter und das Vlc die pentatonische Tonleiter auf Fis und A verwenden (Notenbeispiel 5). Notenbeispiel 5

Danach tritt eine bremsende Bewegung ein durch lange, liegende Akkorde, zuerst in tiefer Lage, danach in hoher Lage. Sie bestehen aus Pentatonik-Klängen. Notenbeispiel 6

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Ein neues Hörereignis wird dadurch hergestellt, dass die pizzicato-Akkorde im Notenbeispiel 4 sich in paarweiser Verknüpfung melodisch entwickeln (Notenbeispiel 6), um in die übersinnliche Melodie im Notenbeispiel 4 zu münden, die nach kurzen langsamen Zwischenspielen wiederholt wird. Der Abschnitt wird beendet durch lange, liegende Akkorde in Durterzen im Doppelgriff, pianissimo, akzentuiert wenn sie wechselweise angesetzt werden. Die lyrische Stimmung wird im folgenden Abschnitt, Presto, gebrochen. Dort werden dieselben Akkorde klanglich „à la Vivaldi“ durch ein „Tremolo“ in 16-teln mit forte-Akzenten gesteigert. Die pizzicato-Figur von früher steht im Kontrast dazu (Notenbeispiel 7). Notenbeispiel 7

Nach einem längeren Abschnitt wird die pizzicato-Figur durch eine steigende pentatonische Tonleiter auf G erweitert (Notenbeispiel 8). Notenbeispiel 8

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Der Tremolo-Abschnitt wird durch wellenartige Akkorde vom Ende des ersten Satzes abgeschlossen. Dadurch wird der Übergang (attacca) zum dritten Satz markiert. Satz II kann formal als zwei Rondos beschrieben werden. Der Satz wird am Anfang von einer lyrischen Stimmung dominiert, mit Akkordbrechungen als zweistimmige Melodien geformt, wo Vl 1 und Vl 2 bzw. Vla und Vlc paarweise kontrapunktieren. Hier gibt es keine Doppelgriffe. Das schon bekannte kontrastierende pizzicato-Motiv gibt einen zurückhaltenden Akzent. Im presto-Abschnitt basiert ein klanglich dominierendes Tremolo „à la Vivaldi“ hauptsächlich auf Durakkorden. Auch hier bricht die pizzicato-Figur ein, nun mit ganzer Kraft. Am Schluss wird an das Ende des ersten Satzes angeknüpft. In diesem Satz wird das Tonmaterial durch eine C-Dur Tonleiter und durch eine pentatonische Tonleiter erweitert. Satz III, Presto, wird fast unmerklich mit einem chromatischen „Elfenspiel“ in paarweise gekoppelten Stimmen eingeleitet. Die Bewegung wird sogleich nach oben gerichtet (Notenbeispiel 9). Notenbeispiel 9

Der Abschnitt geht bald in einen Kanon über, in dem gebrochene Dreiklänge von unten nach oben steigen (Notenbeispiel 10). Notenbeispiel 10

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Als Hintergrund wird noch ein Motiv eingeführt: chromatische Sechstolen in hoher Lage, die in variierender Gestaltung zwischen den Stimmen hin und her geworfen werden (Notenbeispiel 11). Notenbeispiel 11

Chromatische Doppelgriffe in 16-teln setzen einen kurzen Akzent, bis der Kanon vom Notenbeispiel 10 wiederkehrt, um seinerseits abgebrochen zu werden durch das „Elfenspiel“ vom Anfang des Satzes, das in die Sechstolen vom Notenbeispiel 11 übergeht. Die steigende 16-tel-Figur im Notenbeispiel 11 wird jetzt in slow-motion verwandelt mit Achteln als Zähleinheit im Tempo Moderato. Sie bremst die Bewegung und leitet die Wiederholung der breiten Akkorde im Maestoso vom Anfang des Quartetts wieder ein. Nach diesem intensiven Maestoso werden die Sechstolen im Notenbeispiel 11, Presto, wiederholt. Sie gehen in das „Elfenspiel“ vom Anfang des Satzes im Notenbeispiel 9 über, aber jetzt pochend im forte. Die pizzicato-Figur, die im ganzen Werk als Kontrast konstitutiv war, wird Poco meno, im forte, entwickelt. Sie wird von der pentatonischen Tonleiter im Notenbeispiel 8 während eines langen Abschnittes im Pizzicato interpoliert, um in die Sechstolen zu münden, Presto, piano, schnell von den aufgeschichteten DreiklangAkkorden in 16-teln vom Notenbeispiel 11 unterbrochen. Ein längerer Abschnitt mit „Vivaldi“-Akkorden in 16-teln wie Notenbeispiel 7, wechselnd zwischen weiter Lage im forte, und enger Lage im piano, wird durch immer längere Notenwerte gebremst und geht in den Maestoso-Abschnitt vom Anfang des Quartetts über. Eine Variation besteht aus Flageoletten. Sie wird durch ein Lento, pianissimo, mit liegenden Akkorden beendet. Das abschließende Presto, piano, besteht aus Fragmenten von bekanntem Inhalt: chromatische 16-tel, Sechstolen, pizzicato-Figuren (forte). Die Musik verschwindet löst sich im Decrescendo in Sechstolen auf. Satz III kann formal als eine Coda bezeichnet werden. Dominierend sind flüchtige, vorbeieilende Schwärme von Tönen als Hintergrund zu dem schon im ersten Satz angewendeten pizzicato-Motiv, das aber hier im dritten Satz weiter entwickelt wird. Andere Elemente des ersten Satzes sind die figurierten TremoloAkkorde und die intensiven Maestoso-Akkorde vom Anfang des Satzes. Deshalb enthält der dritte Satz

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nicht nur wiederkehrende bekannte Motive aus allen Sätzen in neuen Zusammenhängen, sondern auch eine Anknüpfung an den Anfang des Quartetts. Zusammenfassung Das Streichquartett besteht aus einer Kette kurzer Ereignisse, die in einer Art aneinandergefügt werden, die man von anderen Werken von Miklós Maros kennt. Eine Ausnahme ist die lange Einleitung des Werkes. Die Elemente werden dort zu größeren Formteilen zusammengefügt. Ein Variationsprinzip prägt das ganze Werk. Kein Teil der Kette taucht unverändert auf. Verschiedene Verhaltensweisen gegenüber dem pentatonischen Tonmaterial werden nach und nach in verschiedene harmonische und melodische Gestaltungen eingeführt. Grundlegend sind die zwei Hexachorde. Bei den Spielarten der Streichinstrumente stehen besonders Doppelgriffe und Pizzicato im Vordergrund. Die Instrumente werden gleichgestellt behandelt und kommen klanglich gut zur Geltung. Als Ganzes ist das Quartett für den Zuhörer dadurch überschaubar, dass deutliche Abschnitte wiederkehren, manchmal als melodische Figuren – wenn auch mit neuem Tonvorrat – manchmal als eine rhythmische oder klangliche Realisierung einer Anzahl Grundakkorde. Abschnitt wird an Abschnitt gefügt mit einem Inhalt, den man unterwegs kennenlernt. Markante Kennzeichen sind auch hohe und tiefe Tonlage und starke und schwache Dynamik. Trotz miteinander dissonierender Dreiklänge der Grundakkorde ist der Klang überwiegend weich. Der Klangkörper wird in traditioneller Art gebraucht. Dadurch kommen die Instrumente zu ihrem Recht. Es ist ein äußerst bewusst durchkomponiertes Werk, das für gute Streichquartettspieler eine Herausforderung bietet. Quellen Maros, Miklós, Streichquartett Nr. 3 (2010-11). Svensk Musik, Stockholm. http://www.mic.se/ avd/mic/prod/micpdf.nsf/dl/GB7678f1a.pdf/$file/GB7678f1a.pdf Spieldauer 25 Minuten Auftragswerk des Schwedischen Rundfunks, P2 Ingvar Lidholm zum 80. Geburtstag zugeeignet Uraufführung in Melby atelier/SR P2 am 6. Juni 2013 von Dahlkvistkvartetten Mitschnitt daraus in Sveriges Radio P2-live

String quartet no.1 (1977) Unter den Generationsgenossen von Miklós Maros gehörte es zu den Ausnahmen, ein Werk „Streichquartett“ (in verschiedenen Sprachen) zu benennen, auch wenn de facto Streichquartette komponiert wurden. Anders Eliasson benannte sein im Jahre 1975 komponiertes Streichquartett beispielsweise Disegno. Manchmal kam allerdings der Terminus auch unter den Generationsgenossen vor. Schon im Jahre 1971 hatte Daniel Börtz Quartetto II komponiert und Gunnar Ahlberg 1973 bzw. 1974 Stråkkvartett nr 1 und 2. Für die vorhergehenden Generationen schwedischer Komponisten war die Benennung kein Problem. Im Jahre 1977 komponierte z. B. Jan Carlstedt Quartetto V und Claude Loyola Allgén hat das Quartett no.4 von 1953 im selben Jahr umgearbeitet. In den Jahren vor String quartet no.1 hatte Miklós Maros im Durchschnitt vier Werke pro Jahr für einen bis zehn Mitwirkende in Besetzungen von verschiedener Art komponiert. Manche waren im Hinblick auf seine Frau, die Sängerin Ilona Maros, oder auf ihre Kammermusikgruppe „Marosensemblen“ komponiert. Wenn man in die Partitur hineinschaut, erkennt man, dass alle zwölf Töne verwendet werden und dass die Zeitmaße in der Notation nicht nur durch konventionelle Notenwerte symbolisiert werden, sondern auch durch mehr oder minder ausgezogene Linien, die die Zeitdauer jedes Tons markieren, eine „Sekundennotation“ oder optische Notation. Deshalb hat es keinen Sinn, separate Stimmen auszuschreiben, alle 10


spielen aus der Partitur. Dies war ein übliches Verfahren, das auch dazu beigetragen hat, dass die Musiker eigenverantwortlich in den Entstehungsprozess der Musik einbezogen wurden. Ein Werk 1977 „Streichquartett“ zu benennen war mutig, auch wenn es nicht direkt provozierend war. Das Werk ist Mircea Saulesco gewidmet. Er war Primarius des Saulesco-Quartetts, das auch andere zeitgenössische Werke uraufgeführt hatte. Leider löste sich das Saulesco Quartett auf. Deshalb fand die Uraufführung mit dem Brio-Quartett erst am 4. Juli 1983 in Rättvik statt. Es ist ein kurzes Werk mit einer Spieldauer von 7 Minuten. Abgesehen von Verschiedenheiten in Spieldauer und Tonsprache gibt es starke Ähnlichkeiten in Kompositionstechnik und Instrumentenbehandlung mit den mehrere Jahrzehnte später komponierten Streichquartetten Nr. 2 und 3. Wir wollen es im Folgenden näher untersuchen. Das Quartett beginnt durch ein gemeinsames Ansetzen des Tones G3 - mit Ausnahme des Vlc, das Fis spielt (Notenbeispiel 12). Vl 1 spielt eine kaum wahrzunehmende chromatische Melodie, während die anderen Stimmen Flageoletttöne in enger Lage spielen, fast überirdische Klänge. Notenbeispiel 12

Die Vl 1 unterbricht im fortissimo in hoher Lage die Linie mit nach unten gerichteten Sprüngen und kehrt zu den vorhergehenden „himmlischen“ Tönen zurück. Damit sind Vordergrund und Hintergrund etabliert. Eine Ähnlichkeit mit Streichquartett Nr.3 ist die hohe, enge Lage (u.a. Sechstolen in dessen Satz III). Danach repetiert die Vl 1 den Ausbruch mit derselben Tonfolge, ihr folgen schnell Vla und Vlc in hoher Lage und mit großen Sprüngen nach unten. Der Tonvorrat des Vlc besteht aus drei Terzen. Anschließend erklingen wieder Flageoletttöne, jetzt in Vl1, Vl 2 und Vla, während das Vlc forte-Ausbrüche spielt und bald die Vla auf seine Seite zieht. 11


Ein Kulminationspunkt wird durch ein Glissando im fortissimo in hoher Lage erreicht (Notenbeispiel 13), danach fällt die Tonhöhe nach und nach in chromatischer Bewegung und im Diminuendo bis zu einem Ruhepunkt, wo das Tonmaterial in den Kästen repetiert wird. Notenbeispiel 13

Die schrittweise chromatische Bewegung erinnert an Notenbeispiel 11 des Streichquartetts Nr.3. Die einleitende Melodie wird nun wieder aufgenommen, jetzt in Vl 1 und Vlc, pianissimo, sul ponticello, in weiter Lage. Dagegen kontrastieren die mittleren Stimmen mit einem Pizzicato im forte. Sie werden unregelmäßig angesetzt und von einem figurierten Vorschlag, arco, eingeleitet. (Notenbeispiel 14). Notenbeispiel 14

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Bald spielen alle Stimmen pizzicato-Akkorde mit immer mehr Tönen und mit Vorliebe für mehrere Quinten, um in einem forte fortissimo zu kulminieren. Die Quintenakkorde werden in jeder Stimme wiederholt, aber jedes Mal mit neuen Vorschlägen. Kontrastierende und akzentuierte Pizzicato-Figuren sind im Streichquartett Nr. 3 ein hervorragendes Element (Notenbeispiel 4, 6, 7, 8). Begleitet von einem Tremolo-Pizzicato in Vlc und Vla in hoher Lage, beginnt in Vl 1 und Vl 2 ein langsames Duett, in dem alle 12 Töne vorkommen (Notenbeispiel 15). Notenbeispiel 15

Man kann den Abschnitt mit einem langsamen melodischen 2. Satz in einem größeren Werk vergleichen. Auch das Streichquartett Nr. 3 fängt mit einem Duett im Vl 1 und Vl 2 an von der Vla und dem Vlc begleitet . Nach einer deutlichen Zäsur mit Fermate beginnt ein fortissimo-Abschnitt im selben Tempo. Er wird durch eine rubato-Figur eingeleitet, in welcher alle Stimmen dasselbe Tonmaterial in Parallel- und Gegenbewegung spielen (Notenbeispiel 16). Dies ist der Anfang des dritten Teils des Werkes. Notenbeispiel 16

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Die Figur ist wie ein Vorschlag zu dem folgenden, langen, intensiven Akkord. Auch in den folgenden Vorschlägen spielen die Instrumente die gleichen Töne. Die langen Töne gehören zu einem chromatischen Tonvorrat. In diesem Abschnitt herrschen gleichzeitig angesetzte Akkorde. Die langen, intensiven Akkorde erinnern an den Anfang des Streichquartetts Nr. 3. Im folgenden Abschnitt werden die Akkorde in Form von Doppelgriffen individuell angesetzt (Notenbeispiel 17). Jedes Instrument spielt nur einen oder zwei Akkorde. Die rubato-Figuren bestehen aus den Akkordtönen und ihren Vorschlägen. Notenbeispiel 17

Der Abschnitt bildet eine tonale Ebene, zuerst mit starker Dynamik aber nach und nach leiser. Aus der unregelmäßigen Bewegung löst sich das Vlc und danach die Vl 1 mit Melodien, die an die Motive im Notenbeispiel 14 erinnern. Nach und nach treten Vla und Vl 2 dazu. Die Töne werden allmählich länger und die Akkordwechsel sind in allen Stimmen gleichzeitig. Vorschläge im forte werden von immer leiseren langen Akkorde als Nachklang abgelöst (Notenbeispiel 18). Notenbeispiel 18

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Die rubato-Figur erkennt man vom Anfang des Abschnittes wieder (Notenbeispiel 16). Die abschließende Figur vor dem Schluss-Strich, fortissimo, besteht aus denselben Tönen im Krebsgang. Würde dieser bestätigende Schluss fehlen, verlöre sich die Musik im Nichts wie im Streichquartett Nr. 3. String quartet no.1 ist ein elegantes, sinnreich konstruiertes Stück in einer völlig chromatischen Tonsprache. Ich habe drei Teile identifiziert, jeder mit eigenem Charakter. Trotz des kleinen Formats treten kompositionstechnische Züge hervor, die man im Streichquartett Nr. 3 wiederfinden kann – und mit großer Wahrscheinlichkeit auch in anderen Werken von Miklós Maros. Sie müssen als seinem Personalstil zugehörig angesehen werden, abgesehen davon, dass es hier eine chromatische und im Streichquartett Nr. 3 eine auf Pentatonik gegründete Tonsprache ist. Der große Unterschied zwischen den Quartetten besteht darin, dass Nr. 1 suchend anfängt und mit einem definitiven Punkt schließt, wogegen Nr. 3 sehr kraftvoll anfängt und im Nichts endet. Spezifisch für Nr. 1 ist die fließende rhythmische Gestaltung. Auch in der Anwendung von Spielarten gibt es große Ähnlichkeiten zwischen den zwei Quartetten. Spezifisch für Nr. 1 ist das Pizzicato-Tremolo, das sich öffnet und zusammenzieht. Quellen: Maros, Miklós, String quartet no.1 (1977) Spielpartitur bei Svensk Musik http://www.mic.se/avd/ mic/prod/micpdf.nsf/dl/17943f1.pdf/$file/17943f1.pdf Spieldauer 7 Minuten, Mircea Saulesco gewidmet, Uraufführung in Rättvik am 4. Juli 1983 durch das Briokvartett

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