Ack, Libertas! Einleitung

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Deutsche Einleitung zu

ACK, LIBERTAS!

WISOR AV/LIEDER VON

LARS WIVALLIUS med melodier från hans egen tid funna och sammanställda av mit Melodien aus seiner Zeit gefunden und zusammengestellt von

Jan Olof Rudén med bistånd av/mit Beihilfe von

Martin Bagge och Mikael Paulsson


Lars Wivallius – Hochstapler und Parodiedichter

I

m Vergleich zu anderen Dichtern zu Beginn des 17. Jh. sind der Lebenslauf und die Dichtung von Lars Wivallius (1605-1669) gut dokumentiert. Das kommt daher, dass er seine Lieder im Gefängnis dichtete um entlassen zu werden. Die Lieder sind in den Gerichtsprotokollen als Beilagen erhalten. Dies beweist ihre Echtheit und die Entstehungszeit. Die Selbstbiographie, auch als Beilage, ermittelt den chronologischen und örtlichen Rahmen seiner Wirksamkeit. Andere Lieder, die sich nicht an die Obrigkeit, sondern an die allgemeine Öffentlichkeit richten, wurden als Flugblätter im Druck veröffentlicht. Der ,,Entdecker“ von Wivallius’ Tätigkeit, der Literaturforscher Henrik Schück, hat in seiner zweibändigen Biographie das abenteuerliche Leben hervorgehoben. Alle späteren Darstellungen beziehen sich auf Schück. In den letzten Jahrzehnten wurde die Aufmerksamkeit mehr auf die rhetorischen Fähigkeiten von Wivallius gerichtet. Diese Ausgabe will die Aufmerksamkeit darauf richten, dass die meisten Lieder von Wivallius Parodiegedichte sind. Gemäß der Praxis dieser Zeit wurden sie nicht nur laut deklamiert, sondern auch gesungen. Wivallius hat selbst Melodiehinweise für einige Lieder gegeben. Für andere haben die Herausgeber passende Melodien gefunden. Jedenfalls erlauben die Melodien, dass man die Lieder wieder singen kann, wie es einmal die Absicht des Dichters war.

DER LEBENSLAUF Schulbesuch in Örebro

Der ehemalige Hauptmann des Schlosses in Örebro in der Landschaft Nerike hieß Sven Larsson. Er war der reichste Bauer des Dorfes Vivalla, heute ein Stadtteil von Örebro. Dort wurden Lars und sein Bruder Johan geboren und sie wurden in die Lateinschule in Örebro geschickt, wo Jacob Rudbeckius, ein hervorragender Rektor, unterrichtete. Die Brüder lernten Luthers Katechismus und lateinische Grammatik. Sie übten fleißig Verse auf Latein zu schreiben. Die Schüler waren für Choralgesang und Figuralmusik im Gottesdienst verantwortlich und wurden demgemäß vorbereitet. Studium in Uppsala

Die Söhne von Sven Larsson nahmen den Namen Wivallius an, als sie sich im Jahre 1624 an der Universität Uppsala immatrikulierten, Johannes Sveno-Wivallius im Mai und Laurentius Wivallius im Juli. Die erst vor kurzer Zeit von König Gustav Adolf vorgenommene Instandsetzung der Universität hatte zur Folge, dass die Zahl der Professoren stark vermehrt wurde. Das Universitätsgebäude, Gustavianum genannt, war gerade in den Jahren 1624-25 im Aufbau, als Laurentius dort studierte. Der Professor der Rhetorik unterrichtete die Studenten in der Redekunst auf Latein und der poeseos professor in der Dichtkunst. Laurentius erhielt ein königliches Stipendium, nachdem er gezeigt hatte, dass er Rhetorik und Logik und die lateinische Sprache beherrschte und außerdem gute Fähigkeiten im Griechischen hatte. Er bekam dadurch freie Kost und Logis in der Kommunität. Gerade freie Kost und Logis meinte er verdient zu haben, wo auch immer er sich in der Welt bewegte. Wivallius war schon früh ein geübter Zeichner. Er machte eine Zeichnung von seinem Rektor in Örebro, Jacob Rudbeckius, und zeichnete später ein Wappen in ein Stammbuch in 2

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Nürnberg und ein Flugblatt in Stockholm 1631 (siehe Abbildungen in der Ausgabe). Im Jahre 1627 schenkte er auch dem Rat in Nürnberg eine Zeichnung nach einem Stich. In der kurzen Zeit, als er in Uppsala studierte, verfasste Wivallius eine lateinische Huldigung seines Landsmanns Georgius Wintrosius zu dessen Disputation im Jahre 1624. Das erste Lied auf Schwedisch ist ein Grabgedicht von 1625 über den Kommilitonen Johannes Nicolaus Sidenius ,,Itt hastigt bud att färdas hän“. Weitere Ausbildung in Europa unter angenommenem Namen

Schon im Frühjahr 1625 verließ Wivallius Uppsala, um moderne Sprachen zu lernen. Diese wurden nicht an der Universität unterrichtet. Deshalb machte er, wie alle Studenten damals, eine Studienreise ins Ausland, zuerst nach Trondheim in Norwegen und dann per Schiff nach Hamburg. Dort ließ er sich von den Holländern anwerben, um die Stadt Breda zu retten. Aber als er dort anlangte, war die Stadt schon in die Hände der Spanier gefallen. Stattdessen verweilte Wivallius ein halbes Jahr an einem unbekannten Ort in England. Danach zog er zusammen mit einem englischen Kaufmann nach Danzig. Dort gab es ein Jesuitenkollegium, an dem Wivallius einige Zeit Vorlesungen hörte. Er trat auf als Freiherr Erik Gyllenstierna. Ein weiteres Alias war Svanto Steinbock. Als solcher zeichnete er später sein Wappen in ein Stammbuch ein mit der Devise ,,Non videri sed esse“. Aus Danzig floh er nach Wien, als die schwedische Armee sich näherte. Dort wurde er verhaftet, als er eine Wirtshausrechnung nicht bezahlen konnte. Nach seiner Aussage stand dort auf einem Schild ,,Hier ist ein gutt luseij vor armen vnd reichen“. Den Sinn hatte Wivallius als Gratisangebot aufgefasst. In Straßburg, damals eine deutsche Stadt, hatte Wivallius unter dem Namen Svanto Steinbock Erfolg bei dem Geschichtsprofessor Mattias Bernegger, der Mittelpunkt im Kulturleben der Stadt war. Als Wivallius die Stadt verließ, hatte er einen großen Teil von Berneggers Vermögen gestohlen. In Nürnberg verhaftet

Im Januar 1627 wurde Wivallius in Nürnberg verhaftet, weil er den Wirt nicht bezahlen konnte. Er gestand, dass er nicht Svanto Steinbock hieß, sondern Erik Gyllenstierna. Am Ende musste er doch gestehen, dass er studiosus Laurentius Sveno-Wivallius war. Im Mai 1628 wurde er in eine Folterkammer geworfen und drei Wochen lang fürchtete er um sein Leben. Im Kopf dichtete er sechs Klagelieder, in denen er Abschied nimmt von seinem Leben, von seiner Familie und den Freunden, vom Land Schweden und von der Stadt Nürnberg. Dies war das erste Mal, dass Wivallius in Bedrängnis dichtete, um die Obrigkeit zu bewegen ihn freizulassen. Die Lieder, nach allen Regeln der Kunst gedichtet, dienten als Huldigung des Stadtrates in der Erwartung, dieser müsse ihm einen Gegendienst ereisen. Im Lied „Lobet nicht Herr den Namen dein“ steht der Name des Verfassers „Lorentz Sveno Wivallius von Nerikie aus Sweden“ im Akrostichon. Wivallius wurde freigelassen, setzte aber sein Leben als Hochstapler fort. Ein Dokument, das ihn in Zukunft teuer zu stehen kam, war ein Reisepass, ausgestellt auf den Namen Erik Gyllenstierna für eine Passage durch Dänemark. www.ordommusik.se

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Heiratsantrag in Björkeberga

Im Oktober 1629 befand sich Wivallius alias Erik Gyllenstierna in der Nähe von Hässleholm in Schonen, damals dänisches Land. Er wurde von adligen Familien eingeladen, u.a. von Wulff Grijp zu Björkeberga, der seine Tochter Gertrud mit ,,Erik Gyllenstierna“ verheiraten wollte. Die Hochzeit sollte in einem Jahr unter Beteiligung der Familien Grijp und Gyllenstierna stattfinden. Für Wivallius kam dieses Angebot etwas verfrüht. Sein Plan war es, seine Fähigkeiten in den Dienst seines Landes zu stellen, um zum Dank geadelt und mit Landgut versehen zu werden. Dann hätte er standesgemäß heiraten können. Jetzt stand er vor einer Heirat mit einer adligen Jungfer mit der Aussicht auf ein Landgut. Er war aber nicht Erik Gyllenstierna und lief Gefahr, dass der Betrug entdeckt wurde. Deshalb entführte er Gertrud und heiratete sie in aller Hast in Hallaryd in Schweden. Als der Schwiegervater davon unterrichtet wurde, war dieser empört. Er ließ aber die beiden fahren mitsamt 16 Kisten, die sie angeblich vor dem bevorstehenden Krieg im Stammgut von der Familie Gyllenstierna in Schweden in Sicherheit bringen wollten. Getrud erkrankte aber und die beiden kehrten nach Björkeberga zurück. Wivallius fuhr später allein mit den Kisten nach Göteborg, wo er den Inhalt verkaufte und sich nach Holland begab. Dort erhielt er den Rat, beim König um Gnade zu bitten. Auf dem Rückweg über Göteborg erfuhr Wivallius dass seine Identität aufgedeckt worden war und dass Wulff Grijp nach ihm suchte. Die Ehe wurde auf dessen Befehl aufgelöst. Gnadengesuch beim König

Im Jahre 1630 wendete sich Wivallius in Stockholm durch den Reichssekretär an den König und bot seine Dienste als Spion an. Nebenbei erwähnte er die Ehe mit Gertrud Grijp unter angenommenem Namen. Der König war willens ihn zu begnadigen, weil er ihm und dem Land nicht geschadet hatte. Als aber sein Knecht verhaftet wurde, fand Wivallius es besser, die Stadt zu verlassen. Er wollte seine Gertrud in Björkeberga besuchen. In Schonen wurde er schnell wiedererkannt und von Wulff Grijp in Ketten geschlagen. Dadurch wurde ein Gerichtsprozess eingeleitet, der nicht endete, bis Wivallius in der Zelle von Kajaneborg saß. In diesem Prozess entstanden eine ganze Reihe Eingaben von Wivallius und der größte Teil seiner Lieder. Im Gefängnis in Kristianstad

Im August 1630 fing der Prozess gegen Wivallius an. Er wurde geleitet von Jörgen Urne, dem Vertreter des dänischen Königs Christian IV. in Schonen. Wivallius bombardierte den König mit Schreiben in verschiedenen Sprachen und bot seine Dienste als Spion an. Zwei Klagelieder aus Nürnberg passten auch bei dieser Gelegenheit. Neugedichtet wurde ,,Christe mein Herr“. Während seines Aufenthalts in der Festung von Kristianstad dichtete Wivallius Lieder auf Schwedisch und auf Dänisch: ,,Ack ve, ack ve min jämmer stor“, ,,Jeg skylder ingen før min død“, ,,Om jeg nu dør och falder ner“. Wivallius wurde für drei Vergehen angeklagt. Das größte Vergehen war der Reisepass, der auf den Namen Erik Gyllenstierna ausgestellt war. Das zweite war, dass er Wulff Grijp bestohlen, und das dritte, dass er ein adliges Fräulein beschlafen hatte. Wivallius argumentierte vor dem Gericht so erfolgreich, dass er von dem zweiten und dritten Versehen freigesprochen wurde. Das erste Versehen aber führte zu einem Todesurteil am 17.1.1631. Er sollte in 4

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Kopenhagen hingerichtet werden. In der Wartezeit wurde er zehn Wochen zum Hohn und Spott der Öffentlichkeit in einen Käfig vor der Kirche in Kristianstad gesetzt. Im Gefängnis in Stockholm

Es gelang Wivallius zu fliehen, aber als er in Stockholm ankam, wurde er sofort gefesselt und auf Grund einer Anklage von dänischen Gesandten ins Gefängnis des Kgl. Schlosses gesperrt. Gemäß seiner Gewohnheit produzierte er dort Schreiben an den Reichsrat. Er erbot seine Dienste u.a. als Propagandist in dem fortdauernden Krieg. Er schrieb Lieder, die kommende Siege voraussagten: „Gustavus ein Schwed geboren“, ,,Mirabile fantasticon“, ,,Kursachsen hat Bankett anstellt“ und „Herzlich tue ich dich lieben o starker Gott“. Auf Betreiben von Wulff Grijp wurde die Sache am 18.10.1631 im Hofgericht behandelt. Dann dichtete Wivallius Klagelieder wie „Ack Herre min Gud hur är mina fiender många“ und Liebeslieder wie „Jag hörde fågel näktergal“, ,,Gärna det sker fast man är vred“. Wulff Grijp verließ zwischenzeitlich Stockholm, und bei seiner Rückkehr wurde der Prozess am 10.3.1632 fortgesetzt. Wivallius dichtete neue Lieder als Anlagen zu seinen Eingaben: „Amor han kan som en tyrann“, ,,Ack fader dock betrakter“. Das Urteil wurde am 5.2.1633 gefällt. Wivallius wurde von den dänischen Anklagen freigesprochen, wurde aber verurteilt, weil er unter falschem Namen die Tochter von Wulff Grijp betrogen hatte. Um in Kraft zu treten, wurde dieses Urteil dem Reichsrat vorgelegt. Als dieser am 16.4.1633 zusammenkam, hatte Wivallius Stockholm schon verlassen. Im Juni 1633 wurde er in Nyköping festgenommen und in Stockholm ins Gefängnis des Schlosses gebracht. Zum Begräbnis von Gustav Adolf am 22.6.1634 dichtete Wivallius das Klagelied ,,Mot mig har fienden övat“. Er beklagte sein Schicksal in den Liedern ,,Som en sjöman uti stor far“ und ,,Min Gud du mig benåde“. Im Gefängnis in Kajaneborg

Durch das Urteil des Reichsrates am 10.10.1634 wurde Wivallius nach Kajaneborg im nordöstlichen Finnland (damals ein Teil von Schweden) verwiesen, „um dort ein paar Jahre gefesselt zu sitzen“. Wahrscheinlich vor der Abfahrt dichtete er „Lärkans sång är icke lång & Varer nu glad mina fiender all“. Die Fahrt dahin führte durch Uleåborg, wo er ein Jahr bei dem Landeshauptmann verbrachte. Nach Kajaneborg kam er im Februar/März 1636 und wurde dort in eine Zelle ohne Fenster und ohne jede Bequemlichkeit geworfen, wo er bis zum Frühling 1641 bleiben musste. Dort dichtete er die Lieder „Vill du o Gud med din grymhet“ und „Ropa till Gud min själ med flit“. Schließlich kam der Bescheid der Entlassung am 1.3.1641. Um die Zeit dichtete Wivallius sein bekanntestes Lied „Klagevisa över denna torra och kalla vår“. Tätigkeit als freier Mann

Als er im Sommer 1641 zurück nach Stockholm kam, war Wivallius 36 Jahre alt. Ein umfassendes Gedicht „Jag låter andre skriva om regn & O tröstrike sol“ wendet sich gegen die Wahrsager. Danach hört er auf, Lieder zu dichten. Im Jahre 1645 wurde Wivallius Anwalt am Hofregiment von Magnus Gabriel De la Gardie. Durch diese Stellung konnte er Malin Ellertz, die Tochter des Wirtes Thomas Ellertz, in Stockholm heiraten. Der Schwiegervater musste häufig die Schulden von Wivallius bezahlen. www.ordommusik.se

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Außerdem wurde er in einen Prozess hineingezogen, in dem die Beteiligung von Wivallius dazu führte, dass er, als er im 1654 starb, ruiniert war. 1651 nahm Wivallius Abschied von dem Regiment und war danach als Winkeladvokat in Stockholm und Vivalla tätig. 1659 war er mit seiner Frau in Stockholm auf Besuch, als er am 6.4. starb. Erst am 29.8.1659 konnte er auf dem Friedhof der Kirche S:ta Catharina begraben werden. Heute steht dort ein Gedenkstein.

LARS WIVALLIUS ALS DICHTER Die lateinischen Poeten, welche die Schüler in Örebro als Vorbilder hatten, waren Cicero, Vergil, Aesop und Terenz. Dieses humanistische Erbe war ganz allgemein in Europa. Besonders Motive aus Aesops Fabeln kommen später in der Dichtung von Wivallius vor. Die Schüler übten auch die Übersetzung aus dem Lateinischen ins Schwedische und umgekehrt. Es war üblich, dass ein junger Dichter Gelegenheitsgedichte für Hochzeiten, Begräbnisse usw. auf Schwedisch oder Latein schrieb, um dadurch ein paar Dukaten zu verdienen. Solche Gedichte gehörten zum Ritual und wurden allgemein hoch bewertet. Ein Dichter, der sich an die sozialen Konventionen anpassen konnte, war hoch angesehen. Dabei waren die rhetorischen Wendungen und Figuren von größter Bedeutung. Solche Fähigkeiten kamen ihm zugute, als Wivallius seine kunstvollen Lieder mit dem Ziel, freigelassen zu werden, schrieb. Wivallius verließ Uppsala um feine Manieren und moderne Sprachen zu lernen. Er schrieb Lieder und Eingaben auf Deutch, Französisch, Latein, Griechisch, Dänisch und Schwedisch. Seine Sprachkenntnisse waren vielleicht nicht ganz zuverlässig. Nach dem Urteil des Buchdruckers und Gegners Ignatius Meurer vor dem Gericht in Stockholm 1632 habe Wivallius die deutsche Sprache misshandelt - ähnlich wie man mit Mördern umgeht auf dem Rad. Wenn er Französisch oder Latein nicht besser beherrsche, müsse er sich vor Scham verstecken. Zu etwa dreißig Liedern auf Deutsch, Dänisch und Schwedisch ist es möglich Melodien zu finden, damit sie wieder gesungen werden können. Diese Melodien sind oft evangelische Choräle, deren Texte oft umgestaltete Psalmen Davids sind. Sie waren inhaltlich bekannt. Dadurch erweckten Wivallius Lieder Assoziationen. So war es auch leichter die Lieder zu memorieren. In den Liedern findet man oft Gleichnisse mit Gestalten aus dem Alten Testament wie Simson und Delila, der Patriarch Jakob aus Mesopotamien, Absalom, David und Goliath, Salomo. Unter den Göttern der Antike finden wir Cupido und Venus, Mars und Herkules. Auch die antiken Gestalten aus der Literatur wie Hektor und Andromache, Dido und Aeneas, Pyramus und Thisbe dienen als Gleichnisse. Der altnordische Prinz Habor und die Prinzessin Signhild kommen immer wieder vor. Dies war ein aktuelles Thema, über das Johannes Messenius ein Drama verfasst hatte, das im Schloss von Stockholm 1612 aufgeführt wurde. Eine rhetorische Figur, prosopopoeia, braucht Wivallius oft. Er legt dann die Worte in den Mund des Ichs des Gedichtes, wie in „Itt hastigt bud“, „Christe mein Herr mein Jesulein“, „Gustavus ein Schwed geboren“, „Ack fader dock betrakter“, „Mot mig har fienden övat“, „Herzlich tue ich dich lieben du starker Gott“. Der Name einer Person kann im Gedicht als Akrostichon vorkommen. Wenn man die Anfangsbuchstaben jeder Strophe liest, wird der Name enthüllt. So z.B. in „Itt hastigt bud“, „Christe mein Herr“, „Mot mig har fienden övat“. Damit werden auch die Anzahl der Strophen und die Länge des Gedichtes bestimmt. 6

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Inhaltlich beziehen sich die Lieder meistens auf Wivallius selbst in seiner aktuellen, heiklen Situation. Deshalb ist das Thema Freiheit zentral in seiner Dichtung. Sonst ist zu bemerken, wie er seine Redekunst formt nach dem Geschmack und dem Interesse der einflussreichsten Gruppen der Gesellschaft: der Priester, der vornehmen Sammler von Gedichten, der hohen Beamten. Wivallius liebt es, sein Können, experientia, zu zeigen und er wirft mit lateinischen und französischen Vokabeln um sich wie in dem Lied „Ack vad kvida och jämmer“. Man könnte die Lieder folgendermaßen gruppieren: Grabgedichte sind diejenige über Johannes Sidenius „Itt hastigt bud“ und über Gustav Adolf „Min Gud du mig benåde“. Patriotische Lieder sind „Gustavus ein Schwed geboren & Hergott wirst dich erbarmen“, „Mirabile fantasticon“, „Kursachsen hat Bankett anstellt“. Klagelieder ist ein genereller Terminus für Lieder, die im Gefängnis gedichtet sind. Hier können im Einzelnen genannt werden „Ach Gott im Himmel stehe mir bei“, „Hört ihr Priester und Lehrer treu“, „Lobet nicht Herr den Namen dein“, „Wie sollt ich Herr in solchem Zwang“ „Ack ve, ack ve min jämmer stor“, „Vill du o Gud med din grymhet, „Ack fader dock betrakter“, „Mot mig har fienden övat (das Klagelied von Maria Eleonora), „Som en sjöman“. Abschiedslieder sind „Adieu, adieu in aller Welt“, „Adieu, adieu zu guter Nacht“, „Adieu Nürnberg du schöne Stadt“, „Jeg skydler ingen før min død“, „Om jeg nu dør og falder ner“, „Lärkans sång är icke lång & Varer nu glad mina fiender all“. Liebeslieder sind „Jag hörde fågel näktergal“, „Gärna det sker“, „Amor han kan som en tyrann“. Naturbezogen sind: „Ack Libertas du ädla ting“, „Jag låter andra skriva om regn & O tröstrike sol“, „En torr och kall vår gör sommaren kort“. Der Strophenbau folgt im Allgemeinen der Barform mit dem Muster AAB in Liedern, denen eine Melodie zu Grunde liegt. Die Reimordnung ist oft Kreutzreim (abab) aber gelegentlich haben alle Verse einer Strophe den identischen Reim, so z.B. in „Ack Herre min Gud“. Wivallius hat zahlreiche Elisionen vorgenommen um die richtige Anzahl Silben, besonders in den deutschsprachigen Liedern, zu erreichen. Es gibt keine textkritische Edition von den Liedern von Wivallius. Die Ausgabe folgt im Großen und Ganzen der sprachlich modernisierten Fassung von Erik Gamby 1957. Die heute nicht mehr üblichen Wörter auf Schwedisch sind in der Ausgabe von Stina Hansson erklärt.

WIVALLIUS UND DIE MUSIK Gedichte wurden im 17. Jh. laut gelesen. Aber vieles wurde auch gesungen. Als Lars Wivallius sein bekanntestes Lied „Klagevisa över denna torra och kalla vår“ dichtete, dachte er an das mittelalterliche Lied „Den signade dag“. Er schließt sich der Tradition an, neue Worte zu Melodien, die allen bekannt waren, zu dichten. Deshalb war es für Leute zu seiner Zeit leicht, das neue Lied zu singen und es im Gedächtnis zu behalten. Dieses sogenannte Parodieverfahren lebt heute noch im gemeinsamen Singen weiter. www.ordommusik.se

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Melodiehinweise von Wivallius selbst legen Zeugnis ab von seiner Vorlage. Melodiehinweise gibt es aber auch in Flugschriften und in deren Abschriften in Liederbüchern. In ihrer Natur als kommerzielle Produkte liegt es nahe vorzuschlagen, welche Melodie zu dem Lied passt. Wenn diese identifiziert werden kann, können wir heute das Lied singen. Leider geben die Flugschriften fast immer den Hinweis „zu singen im eigenen Ton/in der eigenen Melodie“, welche möglicherweise den Menschen dieser Zeit bekannt war, ein Wissen, das seitdem verlorengegangen ist. Wivallius gibt Hinweise auf Choralmelodien und weltliche Melodien (die oft zu mehreren Liedern passen). Leider ist es nicht immer möglich, die genannte Melodie zu finden. Eine Melodie kommt aber in dem Nachlass von Wivallius vor. Es ist der vierstimmige Notensatz zum Lied „Herzlich tue ich dich lieben du starker Gott“ (Siehe Abbildung). Es ist unbekannt, woher diese Musik stammt. Sonst fehlen Noten zu den Liedern in handschriftlichen oder gedruckten Quellen. Für diese Ausgabe wurden Choralmelodien in schwedischen, finnischen oder dänischen Choralbüchern gewählt. Die weltlichen Weisen gehören hauptsächlich zum deutschen Melodienschatz, aber auch die Kunstmusik deutscher oder dänischer Komponisten wurde verwendet. Eine grundlegende Frage ist, wie die Poesie und die Musik in der Ausgabe dargestellt werden sollen, damit Leser und Sänger heutzutage keinen Hindernissen begegnen. Die Herausgeber haben sich dafür entschieden, die Orthographie und die Notenschrift den heutigen Normen anzupassen. Die Melodien sind manchmal transponiert, um die normale Stimmlage besser zu treffen. Durch einen Vorsatz am Beginn des Systems kann man die ursprünglichen Notenwerte und die Originallage der Melodien erkennen. Die Choralmelodien haben eine zusätzliche Begleitung im Anschluss an das gedruckte schwedische Choralbuch von 1697 bekommen. Akkordsymbole sind für die Begleitung angegeben. Die Form der Lieder ist fast durchgehend die Barform mit Stollen, Stollen, Abgesang (AAB), in den Chorälen wie in den weltlichen Liedern. Die Textverteilung auf die Notenwerte bietet häufig Schwierigkeiten. Laut der Praxis des 17. Jh. wechselte die Silbenzahl innerhalb der Strophen und auch zwischen den Strophen. Wenn es dem Sänger gelungen war, die erste Strophe in Übereinstimmung mit der Anzahl Noten und mit dem Inhalt zu singen, musste er bereit sein, sich in der nächsten Strophe anzupassen. Diese Bereitschaft wird auch von dem heutigen Sänger erfordert, obwohl einige Anpassungen in der Ausgabe schon vorgenommen sind.

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