MAG 17: Pique Dame

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Pique Dame

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o ein Probenbeginn ist nicht immer einfach. Aus allen möglichen Ländern kommen die Beteiligten der neuen Pique Dame-Produktion zusammen: Tschechien (Dirigent Jiři Bělohlávek), Kanada (Regisseur Robert Carsen), Ukraine (der Tenor Misha Didyk), Russland (die Sopranistin Tatiana Monogarova), Deutschland (die Mezzosopranistin Doris Soffel), USA (der Bariton Brian Mulligan), Schweiz (die Regie­assistentin Nina Russi). Die Liste liesse sich noch über einige Zeilen weiterführen. Zum grössten Teil treffen die Künstlerinnen und Künstler hier in Zürich zum ersten Mal aufeinander – und sollen nach einer kurzen Einführung durch den Regisseur sofort mitten in Tschaikowskis hochemotio­ na­le, von Liebe und Wahnsinn erzählende Oper hineinsprin­ gen. Geplant war, die Probenarbeit chronologisch zu begin­ nen – doch Misha Didyk, der den Hermann singt, ist noch nicht da, und es kommt zunächst auch keine Verbindung mit ihm zustande. Ob er noch nicht von seiner Lungen­ent­ zündung genesen ist oder ob die politische Situation in sei­ ­­ner Heimatstadt Kiew daran Schuld hat, dass er noch nicht in Zürich gelandet ist, wissen wir zu diesem Zeitpunkt nicht.

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Keine ganz einfache Situation also. Und für Tatiana Mono­ garova, die die Lisa singt, kommt es ziemlich überraschend, dass ihre grosse Szene gleich in der allerersten Probe dran ist: In dieser Szene legt Lisa sich Rechenschaft darüber ab, dass sie den Fürsten Jeletzki, ihren Verlobten, gar nicht liebt, sondern einer dunklen Leidenschaft zum mittellosen Her­ mann verfallen ist; in ihrer Arie singt sie von ihren heftigen Emotionen, muss also gleich in der ersten Probe ihr Inners­ tes nach aussen kehren. Doch das ist für Tatiana Monogarova kein Problem – ganz im Gegenteil. Zwar hatte sie eben noch mit Orientie­ rungsschwierigkeiten in der für sie fremden Stadt zu kämp­ fen und musste erst mal rauskriegen, wie man den richtigen Fahrschein löst, welche Strassen- oder S-Bahn man nimmt und wie man es trotz aller Unwägbarkeiten schafft, recht­ zeitig auf der Probebühne am Escher-Wyss-Platz anzukom­ men. Aber kaum hat die szenische Probenarbeit begonnen, ist sie hochkonzentriert. Sie identifiziert sich so sehr mit der Lisa, dass sie auf den Proben fast abwesend wirkt; mehrmals fragt sie der Regisseur Robert Carsen, ob sie denn sein Englisch überhaupt verstehe, weil sie kaum auf seine Aus­ führungen reagiert. Tatiana Monogarova nickt; und spätes­ tens dann, wenn sie die Szene spielt, ist allen klar, dass sie ganz genau verstanden hat, worauf es ankommt. Dass sie die Lisa schon in vielen anderen Produktionen – darunter eine Inszenierung von Richard Jones, die in meh­ reren italienischen Städten zu sehen war, eine Produktion an der Bayerischen Staatsoper München und eine weitere am Moskauer Bolschoi-Theater – gesungen hat, hilft ihr natür­ lich; nicht nur ihre eigene Rolle beherrscht sie perfekt, sie spricht auch alle anderen Partien auswendig mit. Und wenn ihr amerikanischer Kollege, der zum ersten Mal ihren Ver­ lobten Jeletzki singt, in seiner grossen Arie eine vorüberge­ hende Gedächtnislücke hat, dann sorgt sie diskret dafür, dass es keinem auffällt, indem sie ihm von ihrer Position auf der Bühne aus leise souffliert. Tatiana Monogarova wollte nicht immer Sängerin wer­ den – zunächst zog es sie zum Ballett. Sie trainierte eifrig, studierte Bücher über den Tanz, besuchte wann immer mög­lich Ballettvorstellungen am Moskauer Bolschoi-Thea­ ter, der Vater kaufte ihr Spitzenschuhe – doch dann machten die strengen Auswahlkriterien der Moskauer Ballettschulen dem Traum abrupt ein Ende: Sie war schlichtweg zu gross für eine Karriere als Ballerina. Als dieser Schock halbwegs verwunden war, musste sie sich für eine andere Ausbildung entscheiden – was ihr allerdings nicht ganz leicht fiel; klar war nur, dass es auf jeden Fall die Bühne sein musste. Sie machte sowohl die Aufnahmeprüfung für die Schauspiel­ schu­le als auch die für das Gesangsstudium – und bestand


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