MAG 16: Aida

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gehen. Aber dann kommen ja noch zwei Akte, in denen sich zeigt: Mit einer gewissen Verzögerung hat der Krieg eben doch alles verändert. Mir kommt das vor wie bei einem schweren Seebeben, wenn sich die Katastrophe erst einmal zurückzieht, bevor sie mit voller Wucht anbrandet. Spahn: Ist die finale Grabkammer als realer Ort zu verstehen? Gürbaca: Sie ist der Punkt, auf den am Ende alles zuläuft. Sie stellt einen Gegenentwurf zur existierenden Gesellschaft dar. Die Musik gewinnt plötzlich eine unglaubliche Ruhe und Weite, es werden ganz grosse Bögen gespannt. Ich habe das Gefühl, dass die Figuren dann endlich befreit sind. Ich höre da kein qualvolles Ersticken, sondern Tod und Verklä­ rung zugleich. Spahn: Man wundert sich, dass in Aida alles so resignativ auf den Tod zuläuft. Da ist nichts mehr zu spüren von der gesellschaftskritischen Auflehnung, die Verdis frühere Opern geprägt hat. Gürbaca: Das stimmt. Wahrscheinlich ist Aida die passivste Hauptfigur der Operngeschichte überhaupt. Erst ihr Vater Amonasro bringt sie mit seinem Auftritt dazu, zumindest für einen vorübergehenden Moment etwas für sich zu er­ reichen. Grünberg: Die Resignation ist auch bei Radamès und Am­ neris zu spüren. Sie haben sich in das System gefügt und versuchen gar nicht erst auszubrechen. Das macht die Oper aus meiner Sicht unheimlich aktuell. Denn dieses Gefühl, dass es unmöglich geworden ist, die Verhältnisse grundsätz­ lich in Frage zu stellen, kennen wir doch alle sehr gut. Spahn: Aidas Passivität ist dem Umstand geschuldet, dass sie in einem fremden Land lebt. Erzählt Aida von kulturel­ ler Entwurzelung? Gürbaca: Ich denke, es geht um das Fremdsein in der Welt überhaupt, denn wahrscheinlich würde sich Aida auch in ihrer äthiopischen Heimat nicht mehr zu Hause fühlen. Wir wissen ja nicht, wie lange sie schon in Ägypten lebt. Aber bestimmte Anzeichen deuten darauf hin, dass sie schon sehr lange dort ist. Wenn Amneris sagt, sie sei ihr wie eine Schwes­ ter oder eine Freundin, möchte ich dem erst einmal Glauben schenken. Aida hängt zwischen allen Welten, wie wir das in der modernen Welt auch andauernd erfahren. Wir leben in einer Zeit, in der der Begriff der kulturellen Identität immer komplizierter wird. Die Globalisierung bringt es mit sich,

dass wir unser Leben nicht mehr an dem Ort verbringen, an dem wir geboren wurden. Ich begegne ständig Leu­ten, die von irgendwo kommen und Partner von woanders finden. Meine Erfahrung ist, dass sich Identität im Leben permanent weiter entwickelt und nicht festlegbar ist. Und die Probleme unter den Menschen beginnen, wenn man Identität zu fixie­ ren versucht und sagt: Hey, du bist doch Ausländer! Du gehörst doch gar nicht in dieses Land. Ich kann Aida durch meine eigene Biografie sehr gut verstehen, denn ich wurde in Deutschland geboren, meine Eltern jedoch stammen beide nicht aus Deutschland. Da gibt es zum Beispiel am Ende der «Guerra-Szene» bei «Ritorna vincitor» den Moment, in dem Aida mitjubelt und gleich hinterher über das erschrickt, was sie da aus dem Moment heraus mit Überzeugung gesagt hat. Für wen bin ich eigentlich? Da erfährt man viel über Identi­tätsbrüche. Ich finde, Aidas Gefühlslagen sind total modern.

AiDa Oper von Giuseppe Verdi

Musikalische Leitung Inszenierung Bühnenbild Kostüme Lichtgestaltung Choreinstudierung Dramaturgie

Fabio Luisi Tatjana Gürbaca Klaus Grünberg Silke Willrett Klaus Grünberg Jürg Hämmerli Claus Spahn

Aida Amneris Una sacerdotessa Radamès Amonasro Ramfis Il Re Un messagero

Latonia Moore Iano Tamar Sen Guo Aleksandrs Antonenko Andrzej Dobber Rafal Siwek (2, 6, 9, 19, 22, 26 März, 1 April) Alexei Botnarciuc (13, 16, 29 März) Pavel Daniluk Dmitry Ivanchey Philharmonia Zürich Chor der Oper Zürich

Partner Opernhaus Zürich Premiere 2 März 2O14 Weitere Vorstellungen 6, 9, 13, 16, 19, 22, 26, 29 März 1 April 2O14

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