Was den Entwurf anging, setzte sich wiederum die Theater-AG gegen die Baukommission der Stadt durch. Diese hatte nämlich einen öffentlich ausgeschriebenen Wettbewerb vorgeschlagen. Bei einer dritten Generalversammlung am 4. Juni 1890 entschied man sich jedoch auf Vorschlag des Verwaltungsrats, ein bereits bestehendes Projekt, das ursprünglich für einen Theaterbau in Krakau entstanden, dort aber nicht realisiert worden war, anzukaufen, um Zeit zu sparen. Der Entwurf stammte von den Wiener Architekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer, deren Büro in der Gründerzeitepoche insgesamt an die fünfzig Theater in ganz Europa gebaut hat: von Odessa über Zagreb, Bratislava, Prag (Deutsches Theater) und Wien (Volkstheater) bis zum Hoftheater Wiesbaden, um einige heute noch existierende Häuser zu nennen. Seither ist viel gestritten worden um die Qualität des Entwurfes von Fellner und Helmer. Vor allem in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sahen viele Kritiker die Architektur des Hauses als Konfektionsware ohne bleibenden Wert an. 1890 jedenfalls traf der Mischstil der beiden Spezialisten aus Wien mit Anleihen an die Baukunst der Renaissance und des Rokoko den Geschmack der Zürcher. Fellner und Helmer bauten kurze Zeit später auch die neue Tonhalle, deren verspieltes, türmchengeschmücktes äusseres Erscheinungsbild heute nach diversen Umbauten (und dem Bau des Kongresshauses) allerdings nicht mehr erkennbar ist.
> Der Neubau entsteht in Rekordzeit Die ungünstigen Prognosen hinsichtlich der Beschaffenheit des Baugrundes am Dufourplatz erwiesen sich als richtig. Wegen des hohen Grundwasserspiegels und des weichen Bodens – das Grundstück liegt im Bereich einer Aufschüttung über einer ehemaligen Insel im unteren Seebecken – mussten insgesamt über 1’800 Holzpfähle eingerammt werden, auf denen das Haus bis heute ruht. Trotzdem gelang es, das Gebäude innerhalb der erstaunlich kurzen Zeit von unter sechzehn Monaten hochzuziehen, indem man teilweise bis in die Nacht hinein arbeitete. Dabei musste man auch noch die verlorene Zeit aufholen, die durch eine dem besonders strengen Winter geschuldete Unterbrechung entstanden war. Für den Bauschmuck wurde ein Wettbewerb ausgelobt. Die Jury, der auch der Maler Arnold Böcklin angehörte, entschied sich für die beiden Wiener Bildhauer Ludwig Dürnbauer und Franz Vogel. Der Saal mit seinen insgesamt 1’238 Plätzen wurde mit Deckengemälden von J. Gärtner, P. Gastgeb und Karl Peyfuss dekoriert. Es sind allegorische Darstellungen der Liebe, der Tragödie, des Lustspiels sowie der Musik und der Dichtkunst. Letztere beiden sind auch in den Figurengruppen auf den beiden Eckbauten der Hauptfassade dargestellt, während die Gruppen auf den beiden äusseren Risaliten jeweils den «Triumph» darstellen. Vestibül und Foyer ahmen die zierliche Eleganz nach, die man aus den im Rokoko-Stil erbauten Adelspalais in Wien kennt. Der grosse Lüster im Zuschauerraum machte insofern Furore, als er, wie das ganze Haus, bereits damals elektrifiziert war: seine 120 Lampen, zu denen weitere 680 im Zuschauerraum, den Vestibülen, Treppenhäusern und Foyers kamen, liessen das Theater hell erstrahlen. Auch die Bühnenbeleuchtung wurde mit elektrischem Strom, der mit eigenen Dampfmaschinen im angebauten Maschinenhaus erzeugt wurde, betrieben und beeindruckte gegenüber der gewohnten Gasbeleuchtung.
Chronik
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