Wo Wildbienen und Wissenschaft aufeinandertreffen
Nachhaltig umgestaltete Grünflächen fördern die Biodiversität auf dem Campus der ETH Zürich. Drei leidenschaftliche Gärtner, der Stab ETH Sustainability und die ETH-Community schaffen gemeinsam Oasen im Hochschulalltag.
Es blüht, es summt, es fliegt – es lebt. Wer über den ETH Campus Hönggerberg geht, kommt unweigerlich an neu gestalteten Gärten voller Artenvielfalt vorbei: Mitten im Hochschulalltag, zwischen Chemielabor und Hörsaal, bilden sie Oasen der Biodiversität.
Die zwei neuen Grünflächen im Osten des Campus wurden vor rund einem Jahr geschaffen, bereits heute sind sie voller Leben. In den kleinen Gartenzonen gibt es Sandlinsen, Trockensteinmauern und Totholz, Stauden und insektenfreundliche Pflanzen wie Dost, Königskerze und Natternkopf, und sogar ein paar seltene, regionaltypische Orchideen.
Und wenn man zur richtigen Zeit da ist, hört man zwischen dem Summen und Brummen drei Männerstimmen, die sich über Saponaria, Dianthus und Silene vulgaris unterhalten. Einer der drei ist Fritz Graber. Er managt und leitet seit 25 Jahren die Grünflächen auf dem ETHCampus Hönggerberg. Ende Jahr geht er in Pension. Neben ihm steht sein Nachfolger, Roger Kapp, der sich seit Juni alles von Graber zeigen lässt. Der dritte ist Christian Bäni. Er verantwortet seit über 20 Jahren die Grünflächen im Campus Zentrum.
Ökologische Zusammenhänge
Mit Leidenschaft widmen sich die drei Gärtner ihrer Arbeit. Tag für Tag gestalten sie einen vielfältigen und lebendigen Campus – eine wichtige Grundlage, um ökologische Zusammenhänge innerhalb einer baulich geprägten Infrastruktur zu verstehen. «Leben an Land» – und damit der Erhalt der Biodiversität – ist als Ziel Nummer 15 in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung festgehalten, die 2015 von allen UN-Mitgliedstaaten beschlossen wurde.
Die 17 sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs) sind an der ETH Zürich stark verankert – in Lehre, Forschung, Campusleben, und im Dialog mit der Gesellschaft. Claudia Zingerli, Leiterin von ETH Sustainability, sagt: «In den neu und biodivers gestalteten Grünflächen auf dem Campus Hönggerberg kann man die Nachhaltigkeitsbestrebungen der ETH Zürich hautnah erleben – im ganz Kleinen und systemisch eingebettet in einem grossen Ganzen.»
Biodiversität auf den Geländen von Universitäten weltweit zu fördern, ist auch ein Bestreben der Universitätsnetzwerke International Alliance of Research Univerisities (IARU) und International Sustainable Campus Network (ISCN), in denen die ETH Zürich aktiv ist. Aktuell organisiert der Stab ETH Sustainability zusammen mit zehn Partneruniversitäten einen Biodiversitäts-Fotowettbewerb, um die biologische Vielfalt auf verschiedenen Campus rund um den Globus zu zeigen.
Lebensräume schaffen
An der ETH Zürich sorgen Graber, Kapp und Bäni hinter den Kulissen für gelungenes Fotomaterial. Sie wissen: Für vielfältige Arten braucht es vielfältige Lebensräume. So findet man auf dem Campus Hönggerberg Magerwiesen, Trockenwiesen, Feuchtgebiete und wechselfeuchte Standorte. Kräuter, Stauden, Bäume und Blühpflanzen. Totholzhecken als Rückzugsorte für Wiesel und Siebenschläfer, ausserdem Abrisskanten in lehmigen Untergründen als Nistmöglichkeiten für Wildbienen.

«In den biodivers gestalteten Grünflächen auf dem Campus Hönggerberg kann man die Nachhaltigkeitsbestrebungen der ETH Zürich hautnah erleben.»
Claudia Zingerli, Leiterin von ETH Sustainability
Die Grünflächen sollen ansprechend aussehen, vor allem aber sollen sie Lebensräume schaffen – für Bienen und Hummeln, Eidechsen und Blindschleichen, Amseln und Falken, Frösche und Mäuse, Igel und Füchse, Schmetterlinge und Libellen. Auch ein ressourcenschonender und wirtschaftlich betrieblicher Unterhalt spielt eine wichtige Rolle. Um dies zu erreichen, wurden die neuen Grünflächen von ETH-Alumnus Claudio Sedivy und seiner Firma Kompass B nach ökologischen Gesichtspunkten geplant und so umgesetzt, dass eine extensive Bewirtschaftung möglich wird.
Rechenzentrum mit Nistkästen
Die Arbeit mit externen Partnern gehört für die drei Grünflächenmanager zum Tagesgeschäft. «Wir sind an der ETH die Ansprechpersonen im grünen Bereich», sagt Fritz Graber – dies insbesondere auch in Bauprojekten. Im Optimalfall werden sie früh involviert. «Massnah -

men zur Förderung von Artenvielfalt lassen sich am effizientesten umzusetzen, wenn bei einem Um- oder Neubau sowieso Bagger und Kran auffahren.»
Ein Projekt, in dem Nachhaltigkeit und Biodiversität von Anfang an berücksichtigt worden sind, ist das neue Rechenzentrum auf dem Campus Hönggerberg. Aus dem Betonklotz ragen rechteckige Holzelemente – Nistkästen für Gebäudebrüter wie Mauersegler oder Fledermäuse. Solche spezifischen Massnahmen tragen – neben der biodivers gestalteten Dachbegrünung – wesentlich zur Biodiversität auf dem Campus und in der Stadt Zürich bei.
Und der Erfolg ist messbar: Auf dem Campus Hönggerberg kommen fast 100 verschiedene Arten von Wildbienen vor. Das entspricht knapp der Hälfte der Wildbienenarten in der Stadt Zürich, darunter auch gefährdete. Regelmässige Biodiversitätsmonitorings, wie jenes im Juni 2025, bei dem ETH-Lernende und Freiwillige zusammen mit Biodiversitätsforschenden und den Grünflächenmanagern DNA-Spuren sammelten, sind wichtig für die Erfolgsmessung. Als Gemeinschaftsakt der Community bieten die Monitorings die Grundlage für gezielte Massnahmen zur weiteren Förderung der Biodiversität auf dem Campus. Dank besserer Datengrundlage kann auch das Biodiversitätskonzept der ETH Zürich regelmässig aktualisiert und verbessert werden. Dieses beinhaltet unter anderem Wildbienen, Heckenpflanzen und Nistmöglichkeiten, wie jene im neuen Rechenzentrum oder in den Abrisskanten auf dem Campus Hönggerberg.
Blumenwiese auf dem Dach
Im Campus Zentrum bietet unter anderem das Hauptgebäude wertvolle Nistmöglichkeiten: Das historische Gebäude wirkt auf bestimmte Vögel und Fledermäuse wie eine Felslandschaft mit Spal-
ten und Ritzen, die den Tieren Unterschlupf und Nistplätze bieten. Auf dem Campus inmitten der Stadt ist insgesamt weniger Platz für Grünflächen. Deshalb weicht man da in die Höhe aus: Auf einem Dach an der Gloriastrasse gedeihen in luftiger Höhe 1800 Quadratmeter Blumenwiese. «Da oben fühlen sich Tiere und Pflanzen wohl, die sonst nirgends auf dem Campus vorkommen», sagt Christian Bäni. «Und sie sind geschützt vor Littering und jagenden Katzen.»
Insgesamt zehn Hektaren Grünfläche bewirtschaftet Christian Bäni im Campus Zentrum, verteilt auf 80 Gärten. Seine Kollegen auf dem Hönggerberg verwalten die doppelte Fläche, dafür näher beieinander. Die Grünflächen sind nur ein kleines Teil im Puzzle der Nachhaltigkeit – aber ein essenzielles. Das merkt man spätestens, wenn man auf dem Hochschulcampus inmitten von blühenden Pflanzen, summenden Hummeln und fliegenden Faltern sitzt. Die Gärten repräsentieren nicht nur eine nachhaltige, sondern auch eine nahbare ETH Zürich, die für die Öffentlichkeit stets zugänglich ist.
Sustainable Switzerland ist die nationale Nachhaltigkeitsplattform des Unternehmens NZZ und von Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft. Gemeinsam beschleunigen wir die nachhaltige Entwicklung der Schweiz.
sustainableswitzerland.ch Dieser Inhalt wurde von NZZ Content Creation und Sustainable Switzerland im Auftrag der ETH Zürich erstellt.