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Wirksames Mittel gegen den Fachkräftemangel
Von einem dualen Studium profitieren Studierende und Unternehmen. So verhilft die enge Verzahnung zwischen Theorie und Praxis zu einem reibungslosen Berufseinstieg. Viele norddeutsche M+E-Unternehmen engagieren sich.
Ein probates Mittel gegen den akuten Fachkräftemangel ist das duale Studium. Einer repräsentativen Studie der IU Internationalen Hochschule Erfurt zufolge beabsichtigt jedes zweite Unternehmen in Deutschland, mehr Dualstudierende zu beschäftigen. Fast alle befragten Firmen investieren bereits in das duale Studium oder wollen es noch tun, um künftige Fachkräfte für ihren Betrieb auszubilden.
Zu den „Unternehmen der ersten Stunde“ zählt die Körber AG, ein internationaler Technologiekonzern mit Sitz in Hamburg. Silke Busch, Ausbildungsleiterin im Körber-Geschäftsfeld Technologies, berichtet, dass aktuell 64 der rund 140 Auszubildenden in Hamburg ein duales Studium absolvieren. Seit Jahren arbeitet das Unternehmen eng mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) und der NORDAKADEMIE in Elmshorn zusammen. „Zurzeit studieren unsere Nachwuchskräfte in den klassischen Bereichen Wirtschaftsinformatik, Wirtschaftsingenieurwesen, Elektrotechnik und Maschinenbau“, sagt Busch.

Verzahnung von Theorie und Praxis
Ein wesentlicher Pluspunkt des dualen Studiums sei die enge Verzahnung zwischen Studium und Ausbildung im Betrieb. „Wir lernen unsere künftigen Fachkräfte früh kennen und fördern gezielt deren Entwicklung. Zudem können wir das Studium in Kooperation mit den Hochschulen mitgestalten und last but not least findet jede Studentin und jeder Student schon sehr früh ihren beziehungsweise seinen persönlichen Platz bei uns“, zählt Busch auf. Diese Nähe zu den künftigen Beschäftigten schätzt auch Maximilian Arndt, Ausbildungsleiter des Spezialmaschinenbauers Getriebebau NORD. Das Unternehmen entwickelt und fertigt Antriebslösungen für mehr als 100 Branchen und ist mit eigenen Gesellschaften in mehr als 36 Ländern vertreten. Am Stammsitz in Bargteheide lernen derzeit rund 80 Auszubildende, darunter Dualstudierende in den Fachrichtungen Wirtschaftsinformatik, angewandte und technische Informatik, Mechatronik, Elektrotechnik, Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen. „Für uns bietet sich die Chance, junge, motivierte Leute zu bekommen, die wir so ausbilden können, wie wir es benötigen“, sagt Arndt. Sein Unternehmen arbeitet eng mit der Technischen Universität Hamburg (TUHH), der NORDAKADEMIE und der HAW zusammen. „Die Kooperation mit den Hochschulen ist intensiv und vertrauensvoll“, sagt der Ausbildungsleiter. Die Praxisnähe, der ständige Austausch mit den Hochschulen und die enge Einbindung der jungen Leute ins Unternehmen seien wichtige positive Aspekte.

Frühzeitige Bindung
Torsten Schröder, HR-Manager in der Berufsausbildung des Lübecker Medizin- und Sicherheitstechnik-Spezialisten Drägerwerk , sieht im dualen Studium Chancen – vor allem, wenn es darum geht, Studierende frühzeitig zu begleiten und sie an das Unternehmen zu binden. „So können wir von Anfang an unsere konkreten Bedarfe und Anforderungen unserer Fachbereiche erfüllen und bedienen“, sagt er. An der TUHH gibt es bereits seit 2003 ein duales Studienangebot – das erste an einer technischen Universität in Deutschland. NORDMETALL hat es mit aus der Taufe gehoben und fördert es bis heute. Das Angebot, das unter dem Kürzel „dual@TUHH“ läuft, kombiniert das ingenieurwissenschaftliche Studium mit Praxisphasen während der vorlesungsfreien Zeit. Mehr als 70 Unternehmen aus Norddeutschland nehmen inzwischen an dem Studienprogramm teil. „14 Bachelor- und 24 Masterstudiengänge können bei uns dual studiert werden“, sagt Dr. Henning Haschke, Leiter der „dual“-Koordinierungsstelle der TUHH. Auch die Zahl der Studienanfänger zeigt den Erfolg des dualen Studiums an der TUHH. „Wir haben mit einer Handvoll Studierender begonnen und sind aktuell bei über 100 Erstsemestern im laufenden Wintersemester angekommen. Ein echtes Erfolgsmodell“, freut sich Haschke. Das Geheimnis dieses Erfolgs setzt sich bei dual@TUHH im Wesentlichen aus drei Bausteinen zusammen: der bereits erwähnten Kombination von ingenieurwissenschaftlichem Studium mit anwendungsorientierten Praxisphasen. Ergänzt wird sie um ein gezieltes Soft-Skill-Training, in dem Studierende etwa Kompetenzen im Bereich Selbstmanagement, Arbeitsorganisation und soziales Miteinander sowie Integrations- und Teamfähigkeit erwerben. Zudem zeichne sich das duale Studium an der TUHH durch die enge Zusammenarbeit mit den Unternehmen in der Betreuung der Studierenden aus, so Haschke. Er führt einen weiteren nicht unerheblichen Vorteil ins Feld: „Wer dual studiert, sollte sich voll und ganz auf seine Ausbildung konzentrieren können und sich nicht um die Finanzierung kümmern müssen“, betont er. Die Unternehmen zahlen ihren dual Studierenden in der Regel ihre jeweilige Ausbildungsvergütung. „Finanzielle Sorgen müssen unsere Studierenden daher nicht haben“, sagt Haschke. Dennoch verlangt das duale Studium den Studentinnen und Studenten einiges an Durchhaltevermögen und Lerneifer ab. Leonard Sommer, dualer Student an der TUHH, sagt: „Das duale Studium an der TUHH ist sicher nicht einfach, aber mit der richtigen Organisation und Disziplin durchaus machbar.“ Auch die NORDAKADEMIE, die Hochschule der Wirtschaft, deren Träger unter anderem NORDMETALL ist, bietet seit rund 30 Jahren praxisnahe Studiengänge mit exzellenten Rahmenbedingungen und hoher Erfolgsquote in Elmshorn und Hamburg an. Sie registriert derzeit einen Trend zu mehr dual Studierenden. „Wir verzeichnen aktuell einen neuen Höchststand an Erstsemestern“, berichtet NORDAKADEMIE -Präsident Prof. Dr. Stefan Wiedmann. Besonders gefragt seien die Studiengänge Wirtschaftsingenieurwesen, Wirtschaftsinformatik und Betriebswirtschaftslehre. Auch die noch jungen Studiengänge IT-Engineering und Software Engineering mit Schwerpunkt IT-Sicherheit kommen auf jährliche Wachstumsraten von mehr als 50 Prozent.

„Unternehmerische“ Hochschule
Die mit der Wirtschaft kooperierende NORDAKADEMIE setzt nicht nur auf eine enge Verzahnung mit den Unternehmen, sie verbessert auch permanent ihre Studiengänge, stimmt diese mit den Entwicklungen in den Ausbildungsbetrieben und den inhaltlichen Veränderungen in der Forschung ab. Wiedmann: „Somit finden viele kleine Änderungen sehr häufig statt – passend zu unserem Selbstverständnis einer unternehmerischen Hochschule.“ Derzeit arbeite man an einer umfassenden Weiterentwicklung der Bachelorstudiengänge, die sich etwa in mehr Flexibilität für Studierende, einer angepassten Profilbildung sowie in der weiteren Stärkung der Persönlichkeitsentwicklung zeigen werde. Eine weitere Stärke der NORDAKADEMIE hebt Körber-Ausbildungsleiterin Silke Busch hervor: „Sie verfügt über sehr gutes Equipment, die Klassenzuschnitte sind ideal und die Lerngruppen haben ebenfalls überschaubare Größen. Und ganz wichtig: Der Draht zu den Professoren ist sehr kurz.“
Für Getriebebau-NORD-Ausbildungsleiter Maximilian Arndt liegen die besonderen Stärken der NORDAKADEMIE darin, dass der Praxisanteil hoch und die Verzahnung mit den Unternehmen besonders eng ist: „Die Studentinnen und Studenten sind bei uns von Anfang an ins Unternehmen eingebunden, wir schaffen eine Atmosphäre, in der sie sich wohlfühlen, und sie können sich vom ersten Tag an als potenzielle Mitarbeitende präsentieren. Das ist für beide Seiten ein Gewinn.“ Er legt hohen Wert darauf, die „Dualis“ eng zu begleiten. „Wir als Ausbildungsabteilung reden mit jedem dual Studierenden in regelmäßigen Abständen und natürlich kümmern sich auch die Fachbereiche permanent um die Weiterentwicklung des Nachwuchses“, berichtet Arndt.
Ähnlich engmaschig betreut auch Dräger seine dual Studierenden. HR-Manager Torsten Schröder berichtet, dass die Anforderungen der einzelnen Fachbereiche aus den Praxisphasen regelmäßig abgefragt und mit den Hochschulen geteilt werden. Auf diese Weise können die Hochschulen diese aufgreifen und mit den Inhalten der Theoriephasen abgleichen. „Somit ist ein gegenseitiges Verständnis zwischen Betrieb und Hochschule garantiert.“

Und nach dem Studium? Dräger wählt laut Schröder bereits beim Auswahlprozess Studierende aus, die langfristig zum Unternehmen passen und die Studierenden wissen von Anfang an, in welcher Abteilung sie später eingesetzt werden. „Außerdem begleiten und coachen wir die Studierenden durch den gesamten Prozess“, fügt er an. Ähnlich persönlich und engmaschig betreut werden die dual Studierenden auch in den anderen Unternehmen. „Dadurch, dass wir sie von Anfang an betreuen und begleiten, verringern wir beispielsweise auch die Abbrecherquoten spürbar“, sagt Körber-Ausbildungsleiterin Busch.

Die richtigen Leute am richtigen Ort
Auch TUHH-Koordinator Henning Haschke zieht ein positives Fazit: „Wir können nach 20 Jahren Erfahrung mit dem dualen Studium sagen: Es funktioniert. Wir bekommen die richtigen Leute an den richtigen Ort und die sehr geringen Abbrecherquoten sprechen ebenfalls eine eindeutige Sprache“, betont er. Im Vergleich zu den Abbrecherquoten in technischen und ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen an den Unis lägen sie beim dualen Studium nur bei rund einem Zehntel, so Haschke.
Bliebe noch die Frage nach dem Geschlechterverhältnis im dualen Studium. Die NORDAKADEMIE liegt laut ihrem Präsidenten im Trend. „Der Frauenanteil entwickelt sich wie bei den klassischen Vollzeitstudiengängen“, so Wiedmann. BWL verzeichne ein ausgewogenes Verhältnis. In den MINT-Fächern dagegen dominiere der Männeranteil. Grundsätzlich sei der Frauenanteil an der TUHH ebenfalls zu gering, vor allem in den klassisch technischen Fächern, sagt TUHH-Vertreter Haschke. Mit 28 Prozent liege er aber noch über dem Durchschnitt der anderen Hochschulen und Universitäten. Entsprechend sieht es auch in den Unternehmen aus. Wobei sich alle angesprochenen Firmenvertreter einig sind. „Wir wollen besser werden und den Frauenanteil steigern“, sagen sie. Das aber sei ein längerfristiges Vorhaben.
Lothar Steckel
Anzahl dual Studierender nach Fachrichtungen im NORDMETALL-Gebiet
