Pension Schöller

Page 1

Erik Brünner

Pension Schöller Komödie nach Carl Laufs & Wilhelm Jacoby


Pension Schöller Komödie nach Carl Laufs & Wilhelm Jacoby Bühnenfassung von Peter Siefert

Klapproth, Kapitalist, aber im Ruhestand Amalie, seine Schwester

Erik Brünner Catharina Struwe

Alfred, sein Neffe Fritzi, Alfreds Ex-Ehemalige Schöller, Pensionschef Ida, seine Schwippschwägerin Gröber, Major a. d.

Patrick Gees Clara Luna Deina Matthias Manz Catharina Struwe Mirko Warnatz

Bernhardy, Löwenjäger

Daniel Borgwardt

Frl. Krüger, Schriftstellerin

Anna Schönberg

Eugen Rümpel, Schöllers Ziehsohn

Leon Haller

Regie Franziska-Theresa Schütz Bühnen- & Kostümbild Norbert Bellen Musik Matthias Manz Dramaturgie Karoline Felsmann Regieassistenz/Soufflage Laura Mancusi Inspizienz Andy Kubiak Technische Leitung Peter Jeske Produktions- & Werk­stattmanagement Steffen Wolf Ausstattungsassistenz ­Helene Seitz Technische Einrichtung Gerald Wagner Beleuchtung ­Michael Zeising, Matthias Zeller Tontechnik Sigurd Noack Leitung der Kostümabteilung Karin Laïd Gewandmeisterei Cornelia Weise Maske Claudia Schönberg, ­Lysann Rygiel Requisite Viola Monsignori Dauer ca. 2 h 15 min (inkl. Pause) Aufführungsrechte DREI MASKEN VERLAG GmbH München


Erik Brünner & Catharina Struwe 1


Ein unvergesslicher Trip Mehr zum Inhalt von Karoline Felsmann Auf der Suche nach Abwechslung treibt es den Rentier Philipp Klapproth für ein neues Abenteuer nach Berlin, die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten. Da kommt ihm sein Neffe Alfred gerade recht, der mal wieder eine Finanzspritze vom Onkelchen für eine neue Geschäftsidee braucht. Klapproth will sich nämlich einen ganz besonderen Wunsch erfüllen: Einen Abend in einer Heilanstalt für psychisch Kranke zu verbringen – „aber mit Musik“. Was? Wie verrückt ist das denn? Zu Alfreds Glück kommt da Fritzi, seine große, aber leider ehemalige Liebe um die Ecke und springt mit einer genialen Idee ein: Die Gäste der Pension ihres Onkels Schöller werden einfach für Klapproth als Insassen des Privatinstituts Pension Schöller ausgegeben. Es darf nur niemand etwas merken. Und ohne es zu ahnen, werden die Gäste, die eigentlich nicht verrückter sind als Klapproth, durch die neue Brille von ihm so gesehen: Ein Major, der noch nicht abgedankt hat, eine Schriftstellerin, die ihr Futter für ihre 2

Geschichten bei den anderen sucht, der Weltenbummler Bernhardy, der immer auf der Pirsch ist und Eugen, eine gescheiterte Künstlerseele, der trotz Sprachfehler seinem Traum, Schauspieler zu werden, nachgeht. Und selbst beim Pensionschef, der von Klapproth für den Institutsbesitzer gehalten wird, verschwimmt die Grenze zwischen normal und verrückt. Aber was ist schon normal und verrückt? Genau diese Frage wirft die Komödie auf und sorgt dabei für jede Menge „Verirrungen“. Heil und quietschfidel ist Klapproth wieder bei seiner sorgenden Schwester Amalie auf dem Land angekommen. Noch lacht er über die anderen, aber als die vermeintlichen Kranken nach und nach bei ihm Zuhause reinschneien, bleibt ihm das Lachen im Halse stecken. Die verrückte Welt wird zur verkehrten Welt, so dass Klapproth ganz schön in die Enge getrieben wird. Am Ende scheint Klapproth der einzige Verrückte zu sein.


Was ist normal und was nicht? von Til Wykes Vielleicht halten Sie „normal“ für ein durchaus zugängliches, dank seiner Popularität selbstverständliches, in seiner Überlegenheit gegenüber dem Krankhaften unangefochtenes Wort. Normalität zu definieren sollte leicht sein, normal zu sein ein bescheidener Ehrgeiz. Weit gefehlt. Die Normalität wurde von allen Seiten schwer bedrängt und ist bereits erheblich dezimiert. Lexika liefern keine befriedigende Definition, Philosophen streiten über ihre Bedeutung, Statistiker loten sie unermüdlich aus, Psychoanalytiker bezweifeln ihre Existenz und Ärzte des Leibes und der Seele benagen sie eifrig von den Rändern her. Die Normalität verliert jegliche Hebelwirkung – wenn wir nur tief genug bohren, wird wahrscheinlich jeder

am Ende als mehr oder weniger „unnormal“ dastehen. Die lexikalische Definition von „normal“ sind alle vollkommen und haarsträubend tautologisch: Um festzustellen, was normal ist, muss man erst wissen, was unnormal ist. Und raten Sie, wie „unnormal“ in den Wörterbüchern definiert wird: Es ist alles, was nicht normal oder regelmäßig oder natürlich oder typisch oder gewöhnlich ist oder von einer Norm abweicht. Ein hübscher Zirkelschluss – beide Begriffe werden ausschließlich als das Negativ des jeweils anderen definiert, eine echte Definition gibt es nicht und folglich auch keine klare Definitionsgrenze zwischen beiden.

3


Der Schwank von Volker Klotz Als „Pension Schöller“ 1890 am Berliner Wallner Theater seine Uraufführung erlebte, war der Schwank das erfolgreichste dramatische Genre der Zeit und Existenzgrundlage für viele Privattheater. Autoren wie Laufs und Jacoby professionalisierten im 19. Jahrhundert die Dramaturgie der älteren Gattung der Posse und setzten verstärkt auf zeitgenössische Typen- und Situationskomik. Der Begriff „Schwank“ leitet sich vom mittelhochdeutschen „swanc“ ab, was sich mit Schlag, Hieb oder mit lustiger Einfall übersetzen lässt. Der Schwank als Komödienform verschafft seinem Publikum Gelegenheit, über sich selbst zu lachen, ohne dass es schmerzt. Der Schwankheld wird in Situationen versetzt, die ihm über den Kopf wachsen. Dafür kann er nichts. So wenig wie der oder jener im Publikum. Der Schwankheld übernimmt sich in Mut, Potenz, unerlaubtem Verhalten. Losgelassen in überstürzender Situationskomik, schlagen die Umstände über ihm zusammen und scheuchen ihn zurück in die Ausgangslage. Auch dafür trifft ihn keine Schuld. Die Umstände strafen ihn, aber nicht zu hart. Wo der Schwankheld

4

alptraumhaft zu leiden hat – am Pranger kurzfristiger Entblößung –, geschieht es auf eine Weise, die dem Publikum gefällt. Denen, die dem Helden wohlgesonnen sind und denen, die finden, es geschehe ihm recht. Sie bangen zwar mit dem Helden, weil er ihre eigenen Ängste und Lüste auslebt, doch sie leiden nicht mit ihm, weil das Ausmaß seiner Lüste so fratzenhaft erscheint, dass man gern glaubt, lachend sich davon lösen zu können. Das abweichende Ausmaß verleitet die Leute im Parkett zum selbstschützenden Trugschluss, dann, wenn’s am ärgsten hergeht, handle es sich um eine andere Welt. Das schadenfrohe Gelächter kollert dabei über die eigenen Schäden hinweg.


v.l.n.r. Mirko Warnatz, Anna Schönberg & Patrick Gees

v.l.n.r. Clara Luna Deina, Patrick Gees & Erik Brünner 5


v.l.n.r. Mirko Wa


rko Warnatz, Daniel Borgwardt, Leon Haller, Clara Luna Deina, Patrick Gees, Erik Brünner, Catharina Struwe & Matthias Manz


Fox Macabre von Friedrich Hollaender Blickst du hinein in das Treiben der Großstadt, dann packt dich wohl der Ekel am Hals: Wie sie sich sielen in Bars und Dielen Inmitten des Pfropfengeknalls! Wie man beim Stampfen des Foxtrotts taumelnd ganz vergisst, dass das Gespenst noch am Galgen baumelnd an uns frisst. Morgens serviert uns die Zeitung den Raubmord Und mittags einen neuen Streik, nachmittags Putschqual der Arbeitslosen daneben einen Fingerzeig wo man am lustigsten tanzen kann mit seiner Maus oder wo sich eine Fee am nacktesten zieht aus. Berlin, dein Tänzer ist der Tod! Berlin, halt ein, du bist in Not! Von Streik zu Streik, von Nepp zu Nepp, bei Mord und Nackttanz und beim Step, du musst dich amüsieren ohne Unterlass! Berlin, dein Tänzer ist der Tod! Berlin, halt ein, du bist in Not! Berlin, du wühlst mit Lust im Kot! Halt ein! Lass sein! Und denk’ ein bisschen nach: Du tanzt dir doch vom Leibe nicht die Schmach, denn du boxt, und du jazzt, und du foxt, auf dem Pulverfass! Maler und Kleckser der Snobs und der Mode ihr affektiertes Kunstgezücht Rebelliert nicht der Pinsel und schlägt euch ins Rote, ins schamrote Angesicht, während der Hunger aus tausend holen Augen stiert, werden die schönsten Beine in Berlin prämiert. Erdrückt unter Steuern und doch steuerlos treibt in der Welt ein krankes Wrack. Geist wird geknebelt, der Erdgeist lacht, und der Ungeist startet nachts im Frack! Unter der Erde, da glimmt die Zündschnur, gebt nur Acht! Mitten im Foxtrott gibt‘s einen Knacks und dann ist Nacht! … 1920

8


v.l.n.r. Patrick Gees, Matthias Manz, Erik Brünner & Anna Schönberg

v.l.n.r. Clara Luna Deina, Catharina Struwe, Matthias Manz, Daniel Borgwardt, Erik Brünner & Patrick Gees 9


Kurzviten der Autoren Carl Laufs wurde 1858 als Sohn des städtischen Steuerbeamten, Präsidenten des MainzerCarneval-Vereins (MCV) und Liederdichters Georg Josef Laufs in Mainz geboren. Nach einer kaufmännischen Lehre arbeitete er als reisender Vertreter. Um 1880 wurde Carl Laufs Mitglied des MCV und war dort als Protokollant und Bühnenschriftsteller tätig. Der große Erfolg von „Pension Schöller“ ermöglichte es ihm, sich als freier Schriftsteller in Göttingen niederzulassen. Carl Laufs starb im Jahre 1900 in Kassel an einer Nikotinvergiftung.

Wilhelm Jacoby geboren 1855 in Mainz als Sohn eines Buchhändlers, brach die eigene Buchhändlerlehre ab und arbeitete zunächst als Redakteur beim Niederschlesischen Anzeiger in Glogau und ab 1878 als Chefredakteur des Mainzer Tageblattes. Bekannt wurde er als humorvoller Lokaldichter, der zu aktuellen Themen Stellung nahm. Von 1884 bis 1889 amtierte er als Sitzungspräsident im MCV, wo er auch Carl Laufs kennenlernte. 1892 übernahm er die väterliche Buchhandlung in Wiesbaden und ließ sich dort als freier Schriftsteller nieder. Beide Autoren wurden durch den großen Erfolg von „Pension Schöller“ reich, und obwohl Wilhelm Jacoby lediglich die Grundidee für das Stück beisteuerte und nicht einen einzigen Satz davon verfasst hatte, überließ ihm Carl Laufs die Hälfte aller Tantiemen. Ein Zeichen der engen Verbundenheit und Freundschaft zwischen den beiden Karnevalisten. 10

Peter Siefert geboren 1941, gelernter Pantomime und Regisseur. 1983-1995 Schauspielleiter am Staatstheater Kassel, seit 1995 Professor für Pantomime an der Folkwang-Hochschule Essen. Er schreibt Stücke, Märchen und Bearbeitungen. Für das Theater in Lübeck erstellte er 2007 eine neue Bühnenfassung von „Pension Schöller“. Der aberwitzig komische Bühnenklassiker wird von Siefert sprachlich und dramaturgisch neu bearbeitet: es kommt eine dialogisch geschliffene Komödie zum Vorschein, frisch und lebendig und so ganz ohne Klamotten-Staub.


Erik Brünner & Leon Haller

Erik Brünner & Daniel Borgwardt 11


12


→ Liebe Gäste,

wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass Ton- und /oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen aus urheberrechtlichen Gründen untersagt sind. Bitte schalten Sie Ihre Mobiltelefone stumm. Vielen Dank.

Impressum neue Bühne Senftenberg, Theaterpassage 1, 01968 Senftenberg Intendant Daniel Ris Gestaltung www.pingundpong.de Redaktion Dramaturgie Fotos Steffen Rasche & Dorit Günter Textnachweis „Ein unvergesslicher Trip“, Originalbeitrag für dieses Programmheft, 2023; Til Wykes: „Was ist normal und was nicht? Der Teich der Normalität schrumpft zu einer kleinen Pfütze zusammen.“, in: Allen Frances (Hg.): „NORMAL: Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen“, DuMont Buchverlag, Köln 2013; Volker Klotz: Bürgerliches Lachtheater. Komödie, Posse, Schwank, Operette, Heidelberg 2007

Gefördert mit Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg. 13


Das ist doch verrückt! Eben.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.