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Zweiter Teil unserer Eltern-Kind-Reihe: die Augsburger Musiker und Kunstförderpreisträger Tilman und Rainer Herpichböhm
LauteÊnÊSchlagzeug
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ie beiden Herpichböhms eignen sich eigentlich nur bedingt für die Fortsetzung unserer Reihe über bekannte Augsburger Vater-SohnGespanne, aus dem einfachen Grund, dass man hier die komplette Familie vorstellen müsste: Die Mutter ist Musiktherapeutin, spielt mehrere Instrumente und leitet einen Chor, Bruder Jonas hat im Sommer 2015 seinen Master in Latin Percussion an der Hochschule für Musik in Mannheim abgelegt. Das Besondere an Tilman und seinem Vater ist natürlich, dass beide – im Abstand von 36 Jahren – mit dem Augsburger Kunstförderpreis ausgezeichnet wurden, Rainer 1978 als Mitglied des „Ensemble für frühe Musik“, Tilman 2014 für „bestechende Schlagzeugtechnik und Soundvorstellung“, so die Jury. Das Ensemble für frühe Musik gibt es nach wie vor, wenn auch nur noch als Duo und konzerttechnisch in etwas reduzierter Form, doch von Ende der Siebziger bis knapp zum Jahrtausendwechsel hat die Gruppe für einen wichtigen Anteil der Familieneinkünfte gesorgt. „Wir sind bis 1998 richtig viel getourt, in ganz Europa und sogar in den USA“, er-
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zählt Rainer, dessen Weg nach Augsburg schon eine kleine Tour war: 1950 im thüringischen Meiningen geboren, ging es für ihn und seine vier Schwestern über Berlin, Köln und Düsseldorf nach Augsburg, wo der Vater 1965 einen Job gefunden hatte. In den „bisschen verrückten“ Sechzigern startete Rainer erste Karriereschritte als Protestsänger: „Schule war nix für mich.“ Sein Vater war nicht vollends überzeugt und schickte den Siebzehnjährigen zu einem befreundeten Rollladenhersteller, allerdings nicht nach Lechhausen oder Pfersee, sondern an den Genfer See, wo Rainer mehrere Monate als Rollladenmonteur tätig war. Die Liebe zur Musik war dann aber doch größer, zurück in Augsburg legte er das Fachabitur ab und studierte Musik am Konservatorium, Hauptfach Gitarre. „Die klassische Gitarrenmusik kommt hauptsächlich aus der Renaissance und so kam ich zur Laute.“ Und nicht nur das, mit den Kollegen Hans Ganser und Heinz Schwamm sammelte er ein Instrumentarium aus „verschiedenen Fideln, Rabab, Lauten, Chitarra saracenica, Psalterium, gotische Harfe, Drehleier, Blockflöten, Schalmei und Schlagwerk“ an, wie auf der Homepage des Ensembles zu lesen ist.
VW-Bus voller Schlagzeug und Kinder 1984 kam der erste Sohn zur Welt. „Geboren bin ich im Antonsviertel“, erzählt Tilman, „später sind wir nach Haunstetten gezogen.“ Den Rest kann man sich vorstellen: Im Hause Herpichböhm lief immer Musik und alles stand voller Instrumente? „Genau so! Warst du schon mal bei uns?“, fragt Tilman lachend. Und was gab’s zu hören? „Lailo!“ kommt es wie aus einem Mund geschossen und jetzt lachen beide. Die Songs der Flamenco-Band aus dem Umfeld der Gipsy Kings liefen „den ganzen Tag“, gesteht Rainer. Na ja, fast. „Ich kann mich noch an Elton John erinnern, Whitney Houston und Ludwig Hirsch“, sagt Tilman. „Mit Ludwig Hirsch haben wir mal in den 80ern auf der Landshuter Hochzeit gespielt“, bestätigt sein Vater. Dazu Franz Josef Degenhardt und die Beatles natürlich, „rauf und runter, vorwärts und rückwärts“. Am siebten Geburtstag bekommt Tilman auf eigenen Wunsch sein erstes Schlagzeug, trotz all der Saiteninstrumentenvorprägung. „Du wolltest Schlagzeug lernen!“, kommentiert der Vater tro-
25.01.2016 16:13:05