
3 minute read
Holz holt das Gute im Menschen hervor
Auf dem Areal des ehemaligen Flughafens Tegel entsteht neben dem Forschungs- und Industriepark „Urban Tech Republic“ und dem Landschaftsraum Tegeler Heide auch ein komplett neues Stadtviertel: Im „Schumacher Quartier“ werden über 5.000 Wohnungen für mehr als 10.000 Menschen aus heimischem Holz gebaut. Unsere Berliner Autorin Fanny Zschau im Interview mit Philipp Bouteiller, Geschäftsführer der Tegel Projekt GmbH.
Lieber Philipp, Du bist Chefvisionär und Geschäftsführer der Tegel Projekt GmbH. Wie fing das Projekt an, und wo steht es heute? Philipp Bouteiller: Als der Flughafen Tempelhof im Jahr 2008 schloss, hatte man sich vorher keine Gedanken gemacht, was aus dem Gelände werden sollte – das wollte man in Tegel anders handhaben. Es gab also einen politischen Willen, eine Projektgesellschaft für die Zukunft der Stadt zu schaffen. Man ging frühzeitig in einen Dialog mit der Bevölkerung – in einem vierjährigen Prozess wurde mit allen Stakeholdern ein Masterplan erstellt und die Tegel Projekt GmbH gegründet. Ich kam im Jahr 2012 dazu. Seit Herbst letzten Jahres arbeiten wir auf dem Gelände und können zusehen, wie unsere Planungen Wirklichkeit werden.

Was umfasst dieser Masterplan, und was ist das Besondere an dem Projekt auf dem ehemaligen Stadtflughafen Tegel? PB: Was als Bürgerdialog begann, ist über die Jahre zu einem Plan gediehen, bei dem die Zukunft der Stadt und Nachhaltigkeitsthemen im Mittelpunkt stehen – erforscht, erprobt und produziert im Forschungs- und Industriepark „Urban Tech Republic“. Das „Schumacher Quartier“ kam erst 2014 dazu, als das Projekt für die Olympia-Bewerbung Berlins erweitert wurde: Aus der Idee des Olympischen Dorfes wurde schließlich das Konzept eines ökologischen, sozialen und hochmodernen Modellquartiers. Was das Projekt von Anfang an besonders gemacht hat, sind seine Menschzentrierung und seine Innovationskraft, die europaweit wirkt.

Neu für Berlin ist, dass ihr auch höhere Häuser überwiegend aus Holz baut. Im „Schumacher Quartier“ entsteht derzeit das größte urbane HolzBauviertel weltweit – was spricht für eine moderne Holz-Bauweise? PB: Holz ist nicht nur ein heimisch nachwachsender Rohstoff, sondern auch ein verblüffender Werkstoff, mit dem immer gebaut wurde, auch weil er verfügbar und kostengünstig war. Geändert hat sich das in Europa mit dem großen Brand von London 1666, seitdem wurde in Städten nicht mehr viel mit Holz gebaut. Dabei sind seine Dämmwerte hervorragend, und Holzhäuser sind enorm energiesparend, langlebig und nachhaltig. Tatsächlich brennen moderne Holzhäuser auch keinesfalls schneller, aber deutlich kontrollierter als Stahlbeton.
Verhalten sich Menschen anders, die in Holzhäusern wohnen? PB: Das Raumgefühl in Holzhäusern ist völlig anders. Das liegt an den besonderen Eigenschaften von Holz. Es heizt sich nur sehr langsam auf, sodass es im Sommer die Hitze draußen und im Winter die Wärme im Haus hält. Holz sorgt somit nicht nur für ein entspanntes Wohn- und Arbeitsklima, sondern trägt auch dazu bei, Heizkosten dauerhaft zu senken. Dazu kommt, dass Menschen weniger nervös sind, weniger krank werden und sich umweltbewusster verhalten. Man kann sagen: Holz holt das Gute im Menschen hervor.
Und wo holt ihr das Holz für den Bau des „Schumacher Quartiers“ her? PB: Hier hatte meine Kollegin Gudrun Sack eine geniale Idee: Einerseits brauchen wir Holz, andererseits muss der nahegelegene Tegeler Forst dringend in einen klimaresilienten Mischwald umgebaut werden. Diese Zusammenarbeit bietet eine ökologische und ökonomische Win-winSituation. Wir können jährlich 22.000 Festmeter Kiefernholz für unsere Baustelle nutzen, im gleichen Zug werden Laubbäume nachgepflanzt, die den Wald widerstandsfähiger gegen Trockenheit und Schädlinge machen.
Das neue Quartier soll auch autofrei werden, wo können Familien parken und wie weit sind die Wege in die Wohnungen? PB: In der Regel nicht mehr als 300 Meter, dazu werden sechs Mobility Hubs in Form von Hochgaragen geschaffen, ebenfalls überwiegend aus Holz. Geplant sind auch breite Radwege und Radschnellwege über das ganze Gelände. Zusätzlich entwickeln und testen Forschende und Unternehmen neue Mobilitätskonzepte in der „Urban Tech Republic“. Berlin wird wieder Avantgarde – und das im staatlichen Auftrag.
Vielen Dank für das Gespräch.

Schlüsselübergabe: Seit April 2012 leitete Prof. Dr. Philipp Bouteiller die Tegel Projekt GmbH, die als Tochtergesellschaft des Landes Berlin beauftragt ist, die „Urban Tech Republic“ und das „Schumacher Quartier“ auf dem Areal des ehemaligen Flughafens Tegel zu entwickeln. Im April 2022 übergibt er die alleinige Geschäftsführung an die Architektin Gudrun Sack, die seit knapp einem Jahr mit ihm gemeinsam das Unternehmen leitet.