nahdran 2|2015

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Aus Branche und Unternehmen. August 2015

Rettung für den Wasserfloh:

Mikroverunreinigungen in Gewässern erfordern neue Lösungen

www.veolia.de/nahdran

nahdran.


Seite 2 In Kooperation mit

Aus der Kreislaufwirtschaft

Das jährliche Smartphone: So umweltschädlich ist der Handy-Verbrauch

Bloggerin Lauren Singer: »Seit ich auf dem Markt kaufe, spare ich 90 Prozent meines Mülls«

Jedes Jahr neue Modelle, alle zwei ein neues Gerät vom Netzanbieter: Die D eutschen horten mittlerweile mehr als 1 00 Millionen Smartphones zu Hause. 28 Millionen mehr als vor fünf Jahren – und überwiegend ungenutzte Geräte. Laut Umweltbundesamt liegen in deu tschen Haushalten mehr als 21 Tonnen Silber und zwei Tonnen Gold. Eine sinnvolle Geldanlage sieht allerdings anders aus. Denn ökologisch betrachtet ist das Handy-Wechsel-Dich höchst bedenklich. Die Geräte werden nur selten recycelt, der Verkauf in En twicklungsländer ist immer noch ertragreicher.

Die 22-jährige New Yorkerin Lauren Singer lebt seit drei Jahren ohne Müll und stellt dafür ihre eigenen Pflegeprodukte her. Ihre Erfahrungen teilt sie auf ihrem Blog trash is f or tossers. Ihr Tipp: »Drei Dinge kann jeder leicht umsetzen: Als Erstes muss man sich seinen Müll anschauen. Nur wer weiß, was er verbraucht, kann auch reduzieren. Des Weiteren muss man sich überlegen, wie man dort sparen kann. Ich stelle viele Produkte selbst her, anstatt sie zu kaufen.« Das macht sie nun auch für ihr eigenes Unternehmen The Simply Co.

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Origami-Batterie: Bakterien betreiben Mini-Speicher aus Papier

Joysxee Island: Die schwimmende Insel aus Plastikflaschen wird acht

Pferde, Hasen, Vögel: Tiere sind die Spezialität der japanischen Origami-Künstler, die k leine Skulpturen aus Papier falten. Seokheun Choi, Assistenzprofessor für Elektroingenieurswesen an der US-Universität Binghamton, hat sich die Technik nun zum Vorbild für eine Mikro-Batterie genommen. Diese besteht auch aus Papier und ebenfalls sind Lebewesen im Spiel: Bakterien. Sie sorgen für die Energie.

Joysxee Island besteht aus 150 000 Plastikflaschen. Doch es ist eine Insel, mit Sand, Pflanzen und einem Haus. Richart Sowa, der Insel-Erbauer, lebt dort, vor der mexikanischen Küste. Sein Traum: Mit einer von allein wachsenden Insel über das Meer zu treiben. Acht Jahre arbeitet er schon am künstlichen Eiland, dessen Fundament die Pflanzen zusammenhalten. Er produziert eigene Lebensmittel, Solarstrom und empfängt gerne Besucher.

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Auf ein Wort Vom Wasser

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ewässerschutz ist längst zum grenzüberschreitenden Thema für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft geworden. Auf nahezu jede Ar t der Verschmutzung gibt es heute eine technische Antwort. Man kann selbst noch so stark verseuchtes Grundwasser reinigen und auch Meerwasser trinkbar aufbereiten. Jedes Problem ist irgendwie lösbar geworden – oder etwa nicht?

Etienne Petit, Generaldirektor Veolia Deutschland

Ja, man kann heute tatsächlich Vieles. Und doch gibt es Grenzen: Nicht nur der technischen Möglichkeiten, sondern auch des ökonomisch und ökologisch Sinnvollen. Nehmen Sie nur das Schwerpunktthema dieses Hefts: Selbst bei uns in Deutschland, wo wir mit die beste Abwasserreinigung der Welt haben, werden bestimmte Stoffe heute noch nicht zuverlässig aus dem Wasserkreislauf entfernt. Auch wenn sie weit davon entfernt sind, unmittelbare gesundheitliche Gefahren für Menschen zu bedeuten, schädigen sie doch das empfindliche biologische Gleichgewicht unserer Gewässer. Die bislang verfügbaren Techniken für ihre wirksame Elimination benötigen viel Energie, was eine finanzielle und auch eine ökologische Belastung darstellt.

»Nachhaltiges Ressourcenmanagement bedeutet, jede Phase des Kreislaufs zu beleuchten, von der Förderung über eine effiziente und schonende Nutzung bis zur Rückführung in die Natur.«

Ein nachhaltiger Umgang mit der Ressource Wasser, der sie für künftige Generationen erhält, kann eben nicht allein ‘end of pipe’ ansetzen. Nachhaltiges Ressourcenmanagement bedeutet, jede Phas e des Kr eislaufs zu b eleuchten, von der Förderung über eine effiziente und schonende Nutzung bis zur Rückführung in die N atur, einschließlich der I nanspruchnahme anderer Ressourcen wie Energie oder Rohstoffen. In der Kreislaufwirtschaft, dem globalen Wirtschaftsmodell der Zukunft, ist die R essource Wasser nur dann endlos nutzbar, wenn sie in diesem Sinne umfassend sorgfältig behandelt wird.

Anderswo auf der Welt, wo Wasser knapper ist, stehen oft Nutzungskonflikte im Vordergrund: Die Nutzung als Trinkwasser gegen die Nutzung für die Bewässerung von Anbauflächen, die Nutzung bei der Ener gieerzeugung oder durch die Industrie. Bei uns, wo keine Knappheit herrscht, geht es vor allem um die langfristige Bewahrung der Qualität. Dafür braucht es Technik, ja – aber auch eine Verständigung in Wirtschaft und Gesellschaft über Prioritäten. Viele der chemischen Substanzen, die im Wasser zunehmend Probleme bereiten, sind verbreitete Medikamente oder andere in ihrem Einsatzbereich sehr nützliche Chemikalien. Können wir ihr en Eintrag dennoch verringern? Lassen sich gewässerschonende Alternativen für sie finden? Wie viel darf es kosten, ihre Rückstände zu beseitigen? Das sind Fragen, die die Städte und Gemeinden, die Wasserversorger und Abwasserentsorger nicht allein lösen können.


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Rettung für den Wasserfloh Anthropogene Spurenstoffe in Gewässern erfordern neue Lösungen

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ie Rückkehr von Forelle und Wasserfloh in die heimischen Flüsse und Seen ist ein untrügliches Zeichen: Der Zustand der deutschen Gewässer hat sich seit den 70er Jahren deutlich gebessert, vor allem durch Stoffverbote, industrielle Prozessumstellungen und Fortschritte in der Abwasserbehandlung. Und trotzdem weisen viele Gewässer hierzulande noch keinen »guten ökologischen Zustand« auf, wie ihn die EU-Wasserrahmenrichtlinie fordert. Verantwortlich dafür sind neben Eingriffen wie Flussbegradigungen vor allem unerwünschte, potenziell schädliche Substanzen im Wasser. Diese anthropogenen Spurenstoffe stellen den Gewässerschutz vor neue Herausforderungen.


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ie werden vom Menschen synthetisch erzeugt und stecken in Arzneimitteln, Kosmetika oder Pestiziden: anthropogene Spurenstoffe. Durch ihre breite Verwendung gelangen sie über diverse Wege ins Wasser, sind nur schwer oder gar nicht abbaubar und können bereits in sehr niedrigen Konzentrationen Wirkungen auf Umwelt und Mensch entfalten. Noch fehlen für einen Großteil der Mikroverunreinigungen in G ewässern belastbare Bewertungsgrundlagen. Doch Auswirkungen einzelner Verbindungen auf die aquatische Welt lassen sich bereits nachweisen: So führen Stoffe mit hormonähnlicher Wirkung, wie Rückstände von Verhütungsmitteln oder Weichmachern, beispielsweise zur Verweiblichung von Fischpopulationen und stören die Vermehrungsfähigkeit. Das Schmerzmittel Diclofenac kann Leber und Nieren von Fischen schädigen. In Baden-Württemberg hat die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz in Fließgewässern und an Kläranlagen etwa 50 Prozent aller 80 analysierten Spurenstoffe nachgewiesen. Am höchsten war die Belastung durch Pharmaka und perfluorierte Verbindungen, die zum B eispiel in Textilien stecken. Die Konzentration von Diclofenac etwa hat 0,1 Milligramm pro Liter an vielen Messstellen überschritten. Auch Untersuchungen des U mweltbundesamts weisen Spurenstoffe in den Gewässern nach. Stopp: Gesetzlich vorgeschriebene Grenzwerte In der EU-Wasserrahmenrichtlinie gibt es Umweltqualitätsnormen, also vorgeschriebene Grenzwerte, für 45 »prioritäre« Stoffe, die ein erhebliches Risiko für die Gewässer darstellen. Ergänzend sind in der deutschen Oberflächengewässerverordnung (OGewV) 162 Umweltqualitätsnormen zur Beurteilung ihres ökologischen Zustands festgelegt, im Wesentlichen für Industriechemikalien sowie Pestizide und Biozide. Grenzwerte für Human- und Veterinär-Pharmaka existieren bisher weder auf EU- noch auf nationaler Ebene. 2013 wurde zwar eine Umweltqualitätsnorm von 0,1 Milligramm pro Liter

für Diclofenac diskutiert. Vorerst stehen das S chmerzmittel und zwei hormonell wirkende Medikamente aber auf einer Beobachtungsliste und werden regelmäßig an Messstellen in ganz Europa untersucht. Martin Jekel, Professor für Wasserreinhaltung an der TU Berlin, geht davon aus, dass Grenzwerte für diese Stoffe kommen werden. Im Herbst 2015 will die EUKommission eine S trategie gegen die V erschmutzung der Gewässer durch pharmazeutische Stoffe vorschlagen. Alles muss raus: Spurenstoffentfernung in der Abwasserreinigung Schon heute werden in D eutschland rund 38 000 Tonnen Arzneimittel jährlich verschrieben, im Zuge des demografischen Wandels mit steigender Tendenz. Einen Großteil der Wirkstoffe scheiden die Menschen nach der Einnahme wieder aus. Sie landen gemeinsam mit Rückständen aus Waschmitteln und Körperpflegeprodukten im k ommunalen Abwasser. Konventionelle Kläranlagen können nur wenig gegen sie ausrichten. Zur wirksamen Elimination braucht es nach mechanischer Vorklärung, biologischer Reinigung und Nährstoffelimination eine weitere Barriere: die vierte Reinigungsstufe. Durch sie lass en sich 80 bis 90 Prozent der anthropogenen Spurenstoffe aus dem Abwasser entfernen, wie Pilotversuche zeigen. Erprobte Verfahren dafür sind b isher insbesondere Aktivkohle-Adsorption und Ozonung. »Bei der Adsorption bleiben die Spurenstoffe auf einem anderen Stoff haften und werden so aus dem Wasser entfernt. Mit ihrer großen, rauen Oberfläche eignet sich Aktivkohle sehr gut dafür«, sagt Dr. Stefan Langer, Leiter Geschäftsentwicklung im Geschäftsbereich Wasser bei Veolia. Die Ozonung dagegen bewirkt, dass sich biologisch schwer abbaubare Substanzen in leichter abbaubare verwandeln. »Über das Verhalten der gebildeten Transformationsprodukte ist allerdings wenig bekannt. Daher sollte eine biologische Nachbehandlung erfolgen, etwa in einem Sandfilter, der als Biofilter wirkt«, ergänzt Dr. Stefan Langer.

So gelangen anthropogene Spurenstoffe in den Wasserkreislauf

Regenwasser

Siedlungsentwässerung (Punktquellen)

Landwirtschaft (Diffuse Quellen)

Abschwemmungen von Dächern Drainage Straßen- und Bahnabwasser

Körperpflegeprodukte Medikamentenrückstände Haushaltsprodukte

Düngemittel Pflanzenschutzmittel

Oberflächenwasser Grundwasser

Gemeiner Wasserfloh: Weibchen drei bis vier Millimeter groß, Männchen ein bis eineinhalb Millimeter groß; verändern schon bei kleinsten Verunreinigungen ihr Verhalten


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Klärungsbedarf: das Schweizer Modell In der dicht besiedelten Schweiz gelten die kommunalen Kläranlagen als die größten Einleiter anthropogener Spurenstoffe in die Gewässer. Im Sinne der gesetzlichen Sorgfaltspflicht hat die Regierung daher beschlossen, die Einführung der vierten Reinigungsstufe für die 100 größten Kläranlagen der Eidgenossenschaft verpflichtend zu machen. Die Belastung der Gewässer durch Mikroverunreinigungen soll damit um die Hälfte verringert werden. Die Kläranlagen müssen 80 Prozent der organischen Spurenstoffe aus dem Abwasser eliminieren, gemessen anhand von sechs Indikatorsubstanzen. Die kantonalen Gewässerschutzfachstellen wählen aus zwölf repräsentativen Substanzen für die Gemeinden je nach individueller Belastung ihres Abwassers und Gewässers die zu überwachenden Stoffe aus, darunter Pharmaka und Pflanzenschutzmittel. Über das Verfahren entscheiden die Gemeinden nach eingehender Prüfung selbst. 75 Prozent der Erstinvestition von rund einer Milliarde Schweizer Franken sollen durch eine gesamtschweizerische Abwasserabgabe finanziert werden, die entsprechende Anpassung des Gewässerschutzgesetzes tritt zum 1.1.2016 in Kraft. Jeder Einwohner, der an eine zentrale Kläranlage ohne weitergehendes Verfahren angeschlossen ist, muss demnach etwa neun Schweizer Franken jährlich zahlen. Bis spätestens 2040 sollen die Maßnahmen abgeschlossen und damit auch keine Abwasserabgabe mehr erforderlich sein. Verpflichtender Ausbau: ein Vorbild für Deutschland? Auch in Deutschland haben die ersten Kläranlagen aufgerüstet, allen voran im industriell geprägten Baden Württemberg und im dicht besiedelten Nordrhein-Westfalen, wo die Verdünnung der Gewässer besonders gering ist. Inwieweit eine verpflichtende Einführung der vierten Reinigungsstufe hierzulande sinnvoll ist – darüber gehen die Meinungen jedoch auseinander. Das Umweltbundesamt spricht sich dafür aus und kommt in einer aktuellen Studie zu dem Ergebnis, dass auch in Deutschland die Abwasserabgabe die vierte Reinigungsstufe auf Kläranlagen für mehr als 100 000 Einwohner mitfinanzieren könnte. »Es spricht viel dafür, großtechnische Lösungen am Gewässerzulauf als eine der volkswirtschaftlich günstigsten Optionen in Betracht zu ziehen«, erläutert der Leiter der Studie, Erik Gawel vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung.

Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA) ebenso wie der Deutsche Städte- und Gemeindebund betrachten den Kosten-Nutzen-Effekt der vierten Reinigungsstufe dagegen eher kr itisch. Denn nach derzeitigem Kenntnisstand, so die DWA, könne noch nicht klar eingeschätzt werden, welche Gefahr tatsächlich von den gemessenen Stoffkonzentrationen ausgehe, weitere Forschung sei nötig. Zudem verbrauche der Betrieb einer vierten Reinigungsstufe vergleichsweise viel Energie. Und nicht zuletzt bestehe die Gefahr, dass die Verursacher aus der Pflicht genommen würden, dem Spurenstoffeintrag vorzubeugen.

Anthropogene Spurenstoffe werden synthetisch erzeugt und vom Menschen in Umlauf gebracht. Nach DWA umfassen sie insbesondere:

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Human- und Veterinärpharmaka Künstliche Hormone Industriechemikalien Körperreinigungs- und Pflegemittel Waschmittelinhaltsstoffe Nahrungsmittelzusatzstoffe sowie Futterzusatzstoffe Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel (Pestizide und Biozide)

Zutritt verboten: Spurenstoffeinträge vermeiden Denn ebenso zentral wie die Frage der Reinigung ist die der Prävention: Wie lässt sich verhindern, dass unerwünschte Stoffe überhaupt in das Abwasser gelangen? In Betracht kommen etwa Anwendungsbeschränkungen im Stoff- und Produktrecht oder die Einbeziehung der Umweltwirkungen bei der Medikamentenentwicklung. Dafür hat Prof. Klaus Kümmerer von der Leuphana Universität Lüneburg das Konzept »Benign by design« en twickelt, das im Juni 2015 mit dem WasserRessourcenpreis ausgezeichnet wurde. Es ermöglicht, bei der Chemikalien- und Arzneistoffentwicklung frühzeitig die Abbaubarkeit miteinzuplanen. Entscheidend für die Vorbeugung ist auch die Sensibilisierung von Ärzten, Apothekern und Verbrauchern. Kampagnen in einig en deutschen Städten und Ländern klären etwa über die umweltfreundliche Entsorgung von Medikamenten auf, denn sie g ehören auf keinen Fall in die Toilette. Mit gutem Beispiel geht Schweden voran. Hier gibt es eine Punkteskala von 0 bis 9 für die Umweltverträglichkeit von Arzneien, ausgewiesen auf dem B eipackzettel und auf einer Internetseite.

Bachforelle: 25 bis 30 Zentimeter Länge, 200 bis 300 Gramm Gewicht; ein Leitfisch der sogenannten Forellenregion, des obersten Abschnitts eines Fließgewässers


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Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA) www.dwa.de > Themen > Anthropogene Spurenstoffe Kompetenzzentrum Spurenstoffe Baden-Württemberg www.koms-bw.de

Studie »Spurenstoffinventar der Fließgewässer in Baden-Württemberg« www.koms-bw.de > Fachinformationen

Umweltbundesamt, Positionspapier »Organische Mikroverunreinigungen in Gewässern, Vierte Reinigungsstufe für weniger Einträge« www.umweltbundesamt.de > Publikationen

Umweltbundesamt, Studie: Mikroverunreinigungen und Abwasserabgabe www.umweltbundesamt.de> Publikationen

Plattform »Verfahrenstechnik Mikroverunreinigungen« des Verbands Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute www.micropoll.ch EU-Wasserrahmenrichtlinie

www.europa.eu > EU-Recht und -Veröffent-

lichungen > EUR-Lex > Wasserrahmenrichtlinie


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Vermeiden, vermindern, verbannen Wie lassen sich anthropogene Spurenstoffe im Wasserkreislauf wirksam reduzieren? Nahdran gibt Einblicke in aktuelle Forschungs- und Praxisprojekte.

An der Quelle: »noPILLS« in Gelsenkirchen Auf dem Gelände des Marienhospitals in Gelsenkirchen betreibt die Emschergenossenschaft eine Krankenhauskläranlage – also genau da, wo der Cocktail aus pharmazeutischen Wirkstoffen hochprozentig ist. In der Anlage können Membranfiltration, Ozonung, Pulveraktivkohle und Sa ndfang in zehn unterschiedlichen Kombinationen betrieben werden. Auf diese Weise untersucht der Wasserwirtschaftsverband als Partner im EU-Projekt noPILLS, welche Verfahrenskombinationen am effektivsten sind. Das bisherige Ergebnis ist zwar eine hohe Ablaufqualität, doch Röntgenkontrast- und einige Krebsbehandlungsmittel können die Abwasserexperten nur bedingt reduzieren. Zwei bis drei Prozent der Rückstände bleiben im Wasser. Deshalb hat das Marienhospital eine zweiwöchige Aktion zur separaten Urinsammlung bei Patienten durchgeführt, die Röntgenkontrastmittel nehmen mussten. Ärzte und Patienten haben die Aktion positiv aufgenommen und sie hat eine Senkung der Rückstände im Abwasser bewirkt – wie eine parallel laufende Untersuchung in der Kläranlage gezeigt hat. Zum Abschluss des Projektes kommt die Emschergenossenschaft zu dem Ergebnis: Selbst höchster technischer Aufwand erzielt keine 100-prozentige Elimination von Medikamenten im Abwasser. Deshalb müssen Aufklärung und S ensibilisierung von Ärzten, Apothekern und Verbrauchern in den kommenden Jahren eine größere Rolle spielen als bisher. www.no-pills.eu

Spurensuche in Berlin: ASKURIS Welche Spurenstoffe schwimmen in den G ewässern? Wie schädlich sind sie? Und mit welchen Methoden können sie wieder aus dem Wasserkreislauf verbannt werden? Diesen Fragen ist die T U Berlin mit dem Kompetenzzentrum Wasser Berlin, den Berliner Wasserbetrieben und weiteren Partnern im Forschungsprojekt ASKURIS auf den Grund gegangen. »Viele Spurenstoffe können durch Aktivkohle-Adsorption oder Ozonung zurückgehalten werden. Die Auswahl des Verfahrens hängt unter anderem davon ab, welcher Stoff bis zu welchem Grad entfernt werden soll«, resümiert Prof. Martin Jekel von der TU Berlin. Diclofenac etwa kann sehr gut mit Ozon entfernt werden. In einer Datenbank ordnet ASKURIS den 100 untersuchten Stoffen eine Technologie, den Kohle-, Ozon- und Energieaufwand und die jeweiligen Kosten zu. Den Wissenschaftlern geht es aber auch um die Frage, wie der Eintrag von Spurenstoffen vermieden werden kann. Deshalb haben sie in I nterviews das Verbraucherverhalten erforscht. Das Ergebnis: »Die Befragten gehen sehr unbewusst mit Wasser um und ha ben großes Vertrauen in die B erliner Wasserqualität. Meist wissen sie nur wenig darüber, wie sich ihr eigenes Verhalten auf die Wasserqualität auswirkt. Doch die Mehrheit möchte dazu beitragen, das Wasser sauber zu halten, etwa durch die fachgerechte Entsorgung alter Medikamente oder die Wahl eines S chmerzmittels mit leicht abbaubaren Inhaltsstoffen«, berichtet Dr. Melanie Wenzel. Aus den Ergebnissen leiten die Soziologen jetzt Kommunikationsempfehlungen für die A ufklärungsarbeit ab, wie k onkrete Handlungsoptionen für die Verbraucher. www.askuris.de


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Chemische Reaktion erwünscht: Wasser 3.0 Eine neue Methode, die G ewässer davor bewahren soll, zu flüssigen Apotheken zu werden, hat die Universität KoblenzLandau in ihrem Projekt »Wasser 3.0« entwickelt: Hybridkieselgele. Mit ihrer porösen Oberfläche können die G ele große Mengen an Spurenstoffen aufnehmen, chemisch umwandeln und f est fixieren. Die Verbindung kann über ein Recyclingkonzept weiterverwertet werden, so dass eine positive Ökobilanz ohne Bildung toxischer Substanzen entsteht. Nachdem die Wasserreinigung in L aborversuchen perfekt

funktioniert, erfolgt jetzt der er ste Praxistest in einer K läranlage in Landau und die Weiterentwicklung zu einem industriellen Verfahren. »Unser Ziel sind w eltweit einsetzbare Konzepte, die einfac h, effizient und k ostengünstig sind«, erklärt Prof. Katrin Schuhen, Leiterin des Projektes »Wasser 3.0«. Für ihre Innovation wurden die Wissenschaftler mit dem GreenTecAward 2015 in der Kategorie »Wasser/Abwasser« ausgezeichnet. www.wasserdreinull.de

Kompaktverfahren von Veolia: Actiflo Carb Mit »Actiflo® Carb« stellt Veolia Water Solutions ein effizientes Verfahren zur Spurenstoffelimination in der Abwasserreinigung zur Verfügung. Ursprünglich für die Trinkwasseraufbereitung entwickelt, ermöglicht die Kombination des Wasseraufbereitungsverfahrens mit der Aktivkohle-Adsorption, bis zu 95 Prozent Mikroverunreinigungen aus dem Abwasser zu entfernen. Getestet wurde »Actiflo® Carb« in mehreren internationalen Pilotversuchen, so auch an der RWTH in Aachen. Dort zeigte das Ergebnis: Acht häufig vorkommende Pharmaka konnten bei ausreichender Aktivkohle-Dosierung in hohem Maße aus dem Abwasser entfernt werden. Zur Effizienz des Verfahrens trägt auch bei, dass der Kohleschlamm nach der Adsorption recycelt und dem Reaktionsbecken wieder zugeführt wird, so dass die Kohle länger genutzt werden kann. Das platzsparende, kompakte System ist derzeit in 33 Trinkwasseraufbereitungsanlagen weltweit sowie in drei Abwasserreinigungsanlagen in der Industrie im Einsatz, etwa beim Pharmaunternehmen DSM in der Schweiz. www.veoliawaterst.com


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Schnell umsetzbar = nachhaltig wirksam? Während in Deutschland der Ausbau der Abwasserreinigung in der Diskussion steht, hat die Schweiz die Einführung der vierten Reinigungsstufe auf den größten Kläranlagen des Landes beschlossen. Was kann Deutschland von der Schweiz lernen? Wo liegen die Knackpunkte, wo effiziente Lösungswege? Darüber diskutieren Professorin Karin Ingold, Professor Wolfgang Firk und Dr. Stefan Langer. Frau Ingold, Sie haben den politischen Entscheidungsprozess in der Schweiz untersucht. Wie ist er verlaufen? Karin Ingold: Bereits 2007 wurden in Forschungsprojekten, finanziert vom schweizerischen Nationalfonds, Spurenstoffe in Gewässern nachgewiesen und von der Wissenschaft als problematisch eingestuft. Um eine Lösung zu finden, startete vor etwa sieben Jahren ein politischer Prozess, die Revision der Gewässerschutzverordnung. Die Grundsatzentscheidung fiel schon früh auf die Aufrüstung der Abwasserreinigungsanlagen als End-of-Pipe-Lösung, weil sie kurz- und mittelfristig umsetzbar, effizient und wirkungsvoll ist. Durch offizielle Anhörungen und Vernehmlassungen wurden die Kantone und andere öffentliche und private Organisationen in den Entscheidungsprozess einbezogen und g ehen den Weg entsprechend mit. Wichtig war den betroffenen Akteuren, die Finanzierung flächendeckend zu organisieren. Von der Bevölkerung wird die geplante gesamtschweizerische Abwassergebühr gut angenommen. Wie hoch ist der Handlungsdruck in Deutschland, die vierte Reinigungsstufe einzuführen? Wolfgang Firk: Um den in der EU-Wasserrahmenrichtlinie geforderten guten ökologischen Zustand der Gewässer zu erreichen, besteht schon Handlungsdruck. Doch darf man nicht vergessen: 10 000 Kläranlagen in Deutschland sind in einem guten Zustand. Sie haben nahezu alle eine Stickstoff- und Phos-

phoreliminierung und entfernen mehr als die Hälfte der Spurenstoffe. Was bringt uns eine Aufrüstung der Kläranlagen also tatsächlich? Es wurde noch nirgendwo der Beweis erbracht, dass eine weitere Reinigungsstufe die ökologischen Parameter in einem Gewässer überhaupt verbessert. Sind da nicht andere Maßnahmen viel zielführender? Karin Ingold: Natürlich steht die Frage im Raum: Wie sauber muss unser Wasser überhaupt sein? Und es herrscht noch Unsicherheit über die Wirkung von Spurenstoffen. Die Schweiz sieht die End-of-Pipe-Lösung deshalb nur als ersten Schritt, aber eben auch als Schwerpunkt. Denn klar ist: Die Einführung quellenorientierter Maßnahmen, wie Stoffverbote oder Abgaben auf gewisse Substanzen, erfordern politische Prozesse, die weitere zehn bis zwanzig Jahre dauern. Die Schweiz wollte aber möglichst schnell handeln, auch weil auf ihrem Gebiet vier große europäische Flüsse entspringen. Stefan Langer: Aus eben solchen Vorsorgegründen sehe ich auch Handlungsbedarf hierzulande. Bei Veolia beschäftigen wir uns intensiv mit dem Thema und setzen Demonstrationsanlagen auf kommunalen Kläranlagen ein, so dass wir eigene Expertise entwickeln und anbieten können. Als Betreiber sind uns die Rahmenbedingungen bei der Einführung einer vierten Reinigungsstufe wichtig. Die Lösungen müssen nicht nur technisch, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sein. Die Vorgabe in der Schweiz, dass mindestens 80 Prozent der Spurenstoffe

»Wir befinden uns alle in einem Lernprozess, denn das Thema ist komplex, immer neue Substanzen kommen hinzu. Auch die technischen Verfahren müssen sicherlich immer wieder angepasst werden, zumal die Analytik zunehmend besser wird.«

Prof. Dr. Karin Ingold, Professorin am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Bern und Leiterin der Forschungsgruppe Policy Analysis und Environmental Governance, Forschungsabteilung Umweltsozialwissenschaften der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag)


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»Für die Finanzierung könnte die Schweiz ebenso ein Vorbild sein. Die Kosten bei einer flächendeckenden Abgabe in Deutschland lägen in einem überschaubaren Bereich, pro Einwohner etwa fünf bis zwanzig Euro im Jahr.«

Prof. Dr. Wolfgang Firk, Vorstand des Wasserverbands Eifel-Rur, Obmann des Fachausschusses »Weitergehende Abwasserreinigung« der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA) und Sprecher der DWA-Koordinierungsgruppe »Anthropogene Spurenstoffe im Wasserkreislauf«

eliminiert werden müssen, halte ich für volkswirtschaftlich sinnvoll. Denn wenn man noch die letzt en Prozente eliminieren möchte, braucht man unverhältnismäßig viel Ozo n, Aktivkohle und Energie. Wolfgang Firk: Für die Finanzierung könnte die Schweiz ebenso ein Vorbild sein. Die Kosten bei einer flächendeckenden Abgabe in Deutschland lägen in einem überschaubaren Bereich, pro Einwohner etwa fünf bis zwanzig Euro im Jahr. Dafür ließe sich eine gesellschaftliche Akzeptanz finden, denke ich. Wie sieht denn die Lösung der Zukunft aus? Karin Ingold: Wir befinden uns alle in einem L ernprozess, denn das Thema ist k omplex, immer neue Substanzen kommen hinzu. Auch die technischen Verfahren müssen sicherlich immer wieder angepasst werden, zumal die Analytik zunehmend besser wird. In Zukunft kann also nur eine Kombination aus End-of-Pipe-Lösung und quellenorientierten Maßnahmen nachhaltig sein. Die W issenschaft, wie zum B eispiel die Eawag, Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz, kann dabei eine wichtige Rolle spielen.

Wolfgang Firk: Ich denke auch, es braucht ein Zusammenspiel aus quellenorientierten und dezentralen Maßnahmen sowie End-of-Pipe-Lösungen, wo es erforderlich ist. Wir rüsten zum Beispiel gerade in Aachen eine große Kläranlage mit einer vierten Reinigungsstufe aus, weil hier ein Konglomerat an Stoffen im Abwasser nachgewiesen wurde und die S tadt nur einen Bach als Vorfluter hat, der zu etwa 7 0 Prozent aus Abwasser besteht. Stefan Langer: Das ist ein wichtiger Punkt. Schließlich ist die Belastung der Gewässer unterschiedlich, ebenso die Eintragspfade. Wo eine vierte Reinigungsstufe sinnvoll ist – diese Entscheidung erfordert individuelle Analysen und daran arbeiten ja bereits Forschung, Kommunen und Unternehmen, auch ohne gesetzliche Pflicht. Vorausgesetzt die vierte Reinigungsstufe würde verpflichtend eingeführt werden. Was würden Sie sich für die Planung wünschen? Stefan Langer: In der Schweiz müssen die Kläranlagen bis 2040 aufrüsten. Eine vergleichbar lange Übergangsfrist würde ich mir auch hierzulande wünschen, so dass wir B etreiber einen klaren zeitlichen Rahmen und Planungssicherheit haben.

»Bei Veolia beschäftigen wir uns intensiv mit dem Thema und setzen Demonstrationsanlagen auf kommunalen Kläranlagen ein, so dass wir eigene Expertise entwickeln und anbieten können. Als Betreiber sind uns die Rahmenbedingungen bei der Einführung einer vierten Reinigungsstufe wichtig.«

Dr. Stefan Langer, Leiter Geschäftsentwicklung Wasser (kommunal) bei Veolia und Mitglied des DWA-Fachausschusses »Weitergehende Abwasserreinigung«


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Mikrokosmos Krankenhaus Kreislaufwirtschaft im Gesundheitswesen

Gesundheit geht vor. Auch vor Umweltschutz? Krankenhäuser müssen sich mehr und mehr mit ihren Auswirkungen auf die Umwelt – Schadstoffeinträgen und Ressourcenverbrauch – auseinandersetzen. Wie Medikamentenrückstände und L abor-Chemikalien aus dem Abwasser gefiltert werden können, untersuchen Pilotprojekte in verschiedenen Krankenhäusern, z. B. auch das EU-Projekt noPILLS (siehe S.8). Ebenso wichtig ist die Frage, wie Krankenhäuser ihre hohen Hygiene- und Qualitätsstandards und eine möglichst keimarme Umgebung aufrechterhalten können. Zudem stehen deutsche Krankenhäuser unter massivem Kostendruck. Um sich auf die medizinische und pflegerische Versorgung von Patienten und somit auf ihre Kernkompetenz zu konzentrieren, brauchen Kliniken spezialisierte Partner mit hoher Fach- und Logistik-Kompetenz.

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Ganzheitliches Stoffmanagement lautet der L ösungsansatz, den auch Veolia nationalen und internationalen Klinikgruppen und Krankenhäusern anbietet und umsetzt. Wenn Wasser-, Energie- und Abfallwirtschaft ineinandergreifen, entstehen neue Ansätze für Kreislaufwirtschaft mit beträchtlichem Potenzial. Eine Übersicht.

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Energieeffiziente Versorgung mit Strom und Wärme 1 Entwicklung von Versorgungskonzepten

zur Energieeinsparung

2 Belieferung mit Strom und Gas

Betriebsführung von Wasseraufbereitungsanlagen und wasserführenden Systemen sowie Labordienstleistungen

3 Planung, Einrichtung und Betrieb von

7 Instandhaltung, Wartung, Inspektion der Systeme und

4 Kraftwärme- und Kraftwärmekältekopplung

9 Desinfektion und Sicherstellen der Trinkwasserqualität

Energieeffizienzquartieren für die dezentrale Versorgung mit Strom, Wärme und Dampf

5 Betrieb von Energie- und Kälteerzeugungsanlagen 6 Energieeffizienz, Energieaudit und Smart Metering

Optimierung der Anlagenfahrweisen

8 Wasseraufbereitung für Therapiebecken 10 Dezentrale Abwasserreinigung

(Spurenstoffe z. B. Röntgenkontrastmittel)


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Ganzheitliche Entsorgungslösungen und Facility Management 7

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13 Entsorgungsmanagement in medizinischen

Bereichen (z.B. Medikamente, Verbände, Wäsche, Einwegkleidung sowie Hygienelösungen für Inkontinenzabfälle)

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14 Entsorgungsmanagement für Kantinen- und

Gastronomiebetriebe (z. B. Bioabfälle, Speisereste, Fettabscheider)

15 Entsorgungsmanagement für Verwaltungs-

bereiche (z. B. Papier, Kunststoffe, Akten- und Datenträgervernichtung)

16 Gebäudereinigung inkl. Reinraum- und 2

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OP-Reinigung

17 Infrastrukturelle Dienstleistungen

(z. B. hauswirtschaftliche Dienste, interne Logistik oder Winterdienst)

18 Pflege der Außenanlagen 19 Schädlingsbekämpfung 11 Zero-Liquid-Discharge

20 Rohr- und Kanalreinigung

12 Probenahmen, Analytik und Legionellenuntersuchung

21 Effiziente Entsorgungskonzepte und

in Warmwasser- und Klimaanlagen

Behältersysteme


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Den Worten auch sinnvolle Taten folgen lassen Kraft-Wärme-Kopplung ist mehr als eine Spielerei von Energietechnikern. Die gemeinsame Erzeugung von Strom und Wärme ist die Effizienz-Technologie, die maßgeblich zum Gelingen der Energiewende beitragen kann. Doch um das Ziel zu erreichen, muss die Politik handeln. Die Experten aus allen B ereichen sind sic h einig: Kra ftWärme-Kopplung – abgekürzt KWK – ist ein entscheidender Baustein für die Energieversorgung moderner Gesellschaften. Sie ist eine der wenigen Technologien, bei denen das energiepolitische Zieldreieck mit den Eckpunkten Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und U mweltverträglichkeit erreicht wird. Keine andere jederzeit verfügbare Stromerzeugungstechnik kann mit einem Brennstoffnutzungsgrad von bis zu 9 0 Prozent glänzen. Ferner sind die mo dernen Gaskraftwerke durch ihre hohe Flexibilität die optimale Ergänzung für die schwankende Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenkraft. Doch durch die Energiewende und die aktuellen Marktbedingungen geraten die gasbefeuerten KWK-Kraftwerke ins Abseits. Die hocheffizienten Kraftwerke stehen still oder werden sogar außer Betrieb genommen, der Neubau ist zum Erliegen gekommen. Ein wesentlicher Grund hierfür sind Überkapazitäten, die den Wettbewerb auf dem Strommarkt zum Nachteil der modernen Anlagen verzerren. Nutznießer sind vor allem alte, abgeschriebene Braunkohle-Meiler, die durch besonders hohe CO2-Emissionen und geringe Wirkungsgrade den energie- und umweltpolitischen Zielen in Deutschland widersprechen.

»Verlässliche energiepolitische Rahmenbedingungen und regulatorische Maßnahmen sind erforderlich, um die sinnvollen Ausbauziele bei der effizienten KraftWärme-Kopplung zu erreichen. Die Bundesregierung hat es in der Hand, noch 2015 die Grundlagen dazu zu schaffen.« Julien Mounier, Direktor Geschäftsbereich Energie Veolia Deutschland und Vorstandsmitglied von BS|ENERGY

Nur durch eine st aatliche Unterstützung, die die ak tuelle Schieflage des Marktes ausgleicht, wird die KWK ihre Schlüsselrolle bei der Energiewende übernehmen können. Um eine kaum aufzuholende Lücke zu vermeiden, ist das Inkrafttreten eines novellierten KWK-Gesetzes noch 2015 eine vordringliche umwelt-, energie- und wir tschaftspolitische Aufgabe. Hierbei gibt es zwei Aspekte, die aus unserer Sicht zwingend im Gesetz berücksichtigt werden müssen: Erstens muss eine Abschaltung moderner KWK-Kraftwerke verhindert werden. Eine angemessene finanzielle Förderung ermöglicht dies zu vertretbaren Kosten. Zweitens sollte der Gesetzgeber die volkswirtschaftliche Bedeutung von Fernwärme-Netzen und -Speichern honorieren und die U nternehmen, die in dies e Infrastruktur investieren, unterstützen.


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Aus dem Unternehmen

Entsorgung in Übergröße Große Events ziehen gr oße Menschenmassen an und gr oße Menschenmassen hinterlassen meist gr oße Abfallberge. Als Entsorgungsspezialist unterstützt Veolia in diesem Jahr wieder zahlreiche Großveranstaltungen: Rund 1,5 Millionen Besucher erwarten die Veranstalter der Bundesgartenschau BUGA zwischen April und Oktober in der Havelregion. Damit die Anlagen ihren Charme behalten, leert Veolia regelmäßig die Abfallbehälter auf dem Gelände. Viel konzentrierter verliefen die Arbeiten beim G7-Gipfel in Murnau. Während des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs entsorgte und verarbeitete Veolia die Abfälle der Teilnehmer, Journalisten und von 25 000 Einsatzkräften. Der meiste Abfall – rund 900 Tonnen – wurde von den insgesamt 165 000 Besuchern der beiden Musikfestivals »Rock am Ring« und »Rock im Park« hinterlassen. Allein bei »Rock am Ring« reinigte Veolia ein insgesamt 320 Fußballfelder großes Areal – auch mit ungewöhnlicher Technik: Unter anderem waren Traktoren mit mehrere Meter breiten Rechen im Einsatz, um den Abfall der dort mehr als 90 000 Besucher einzusammeln.


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Aus dem Unternehmen

Innovative Konzepte rund um die Wiedergewinnung von Wasser Das 5. Internationale Symposium »RE-WATER Braunschweig« vom 2. bis 3. November legt in diesem Jahr den Schwerpunkt auf »Integrierte Konzepte«. Im Fokus stehen Rückgewinnungsstrategien von Ressourcen und die En tfernung von unerwünschten Schadstoffen aus Abwasser. Bei der alle zwei Jahre stattfindenden Tagung, bei der u. a. die Stadtentwässerung Braunschweig (SE|BS), die TU Braunschweig, das Kompetenzzentrum Wasser Berlin und Veolia Gastgeber sind, werden in diesem Jahr dezentrale Lösungen für urbane, landwirtschafte und ind ustrielle Wasserprobleme präsentiert. Darüber hinaus stellen 20 Teams ihre Ideen vor und nehmen an einem mit 10.000 Euro dotierten Wettbewerb teil. www.re-water-braunschweig.com

Ausgezeichnete Nahwärme

Solarstrom per Schnellcheck

BS|ENERGY ist kürzlich in Tallinn (Estland) für sein B iomasse-Heizkraftwerk (HKW) Hungerkamp mit dem internationalen »Global District Energy Climate Award« ausgezeichnet worden. Gemeinsam mit der SH Kra ft-Wärme GmbH betreibt der Energiespezialist der Veolia-Gruppe seit Oktober 2013 das HKW un d ein n eu errichtetes Nahwärmenetz im Braunschweiger Stadtteil Gliesmarode. Dort werden in Kraft-Wärme-Kopplung 100 Prozent Ökostrom aus Biomethan und 9 8 Prozent »grüne« Wärme aus Biomethan und nac hwachsendem Holz aus der R egion produziert. Durch das neue Ener gie-Effizienz-Quartier (EEQ) konnten viele alte, teilweise mit Öl und K ohle betriebene Einzelfeuerstätten außer Betrieb genommen werden.

Mit wenigen Klicks zur eigenen Photovoltaik-Anlage und damit zu selbsterzeugtem, umweltfreundlichem Strom: Als erste Energieversorger der Veolia-Gruppe machen das die Stadtwerke Elm-Lappwald und die Stadtwerke Springe für ihre Kunden möglich – dank einer Kooperation mit dem Solarunternehmen greenergetic. Über einen Schnellcheck auf der Stadtwerke-Homepage können Eigenheimbesitzer ihre Photovoltaik-Anlage planen. Bei einem Vor-Ort-Termin wird die Anlage optimal angepasst und eine detaillierte Planung bis hin zur Inbetriebnahme vorgenommen. Nach den ersten positiven Erfahrungen sollen weitere Stadtwerke der Veolia-Gruppe sowie Angebote für Gewerbekunden folgen. www.stadtwerke-elm-lappwald.de > Privatkunden > Photovoltaik


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Veolia startet B2B-Kundenportal Veolia bietet Kunden und Partnern im Entsorgungsbereich ab sofort ein innovatives Online-Portal zur Steuerung und Nachverfolgung des Abfallmanagements

Das Portal ist als K ommunikationsplattform mit höchsten Sicherheitsstandards angelegt. Es ermöglicht, rund um die Uhr Entsorgungsaufträge zu erteilen, den Status erbrachter Dienstleistungen und der en Abrechnung nachzuverfolgen oder individuelle Auswertungen zum b eauftragten Abfallmanagement zu g enerieren. Damit bietet es v ollständige Transparenz entlang aller Dienstleistungsprozesse – etwa im Rahmen von Entsorgungslogistik, Wertstoffrecycling und -vermarktung oder der überregionalen Werksentsorgung. »Unser Anspruch ist es, un seren Kunden aus Industrie, Gewerbe und H andel mit dem neuen P ortal einen q ualitativ hochwertigen und auf ihre konkreten Bedürfnisse angepassten Servicemehrwert zu bieten – unabhängig davon, ob es sich

um einen mi ttelständischen Handwerksbetrieb oder ein Industrieunternehmen mit einem bundesweiten Standortnetz handelt«, sagt Guido Adomßent, Vertriebsleiter des Geschäftsbereichs Entsorgung. Denn das Portal ermöglicht den Kunden nicht nur, jederzeit per PC, Tablet oder Smartphone ihr Abfallmanagement zu verwalten und auszuwerten, sondern es bietet mit dem individualisierten Benutzerkonzept für größere Unternehmen und der direkten Kontaktaufnahme mit Veolia-Ansprechpartnern aus dem System heraus eine hohe Benutzerfreundlichkeit. Beratung und weitere Informationen unter Telefon: (040) 78 101 818 oder unter: de.entsorgung@veolia.com.


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Vom Blumenbeet zur Fischzucht Wie Urban Gardening St채dte und Betriebe ver채ndert


© Stadtverwaltung Andernach

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it dem Gärtnern in der Stadt hat Deutschland ein globaler Trend erreicht. Er trägt nicht nur dazu bei, das Schwinden natürlicher Lebensräume zu begrenzen. Neben grünen Oasen für Großstädter entsteht auch ein neues Bewusstsein für gesündere Ernährung und umweltbewussteres Verhalten. Eine Entwicklung, die nun sogar Einzug in die städtischen Grünflächen und auf die Betriebsgelände von Unternehmen gehalten hat. Grünkohl statt Geranien und Tomatensträucher statt Buchsbäumen: Eine Kleinstadt im nördlichen Rheinland-Pfalz macht seit 2010 vor, was nun in Metropolen zum Lifestyle-Trend geworden ist. Andernach bei Koblenz hat aus einer kleinen grünen Idee ein erfolgreiches Marketingkonzept gemacht. Das 30 000-Einwohner-Städtchen ist bundesweit als »Essbare Stadt« bekannt und erhält nicht nur mediale Aufmerksamkeit. Viele Kommunen meldeten bereits Interesse an dem mehrfach ausgezeichneten Konzept an. Angefangen hat alles mit 101 Tomatenpflanzen, die das Grünflächenamt in die Erde setzte, um die Stadt zu einer erlebbaren und essbaren Naturwelt umzugestalten. Statt Zierpflanzen wachsen nun auf über 8 000 Quadratmetern Fläche Nutzpflanzen. Entlang der fast 2 000 Jahre alten Stadtmauer gedeihen neben Tomaten, Bohnen, Zwiebeln und K ohl auch exotische Gewächse wie F eigen und Granatäpfel. Bedienen darf sich jeder, Verbotsschilder oder Zäune gibt es hier nicht. Gesund essen und gemeinsam arbeiten – das ist ein wesentliches Ziel des Andernacher Projektes. Das Konzept hat Erfolg, denn die Bürger beteiligen sich nun seit über fünf Jahren rege an dem Projekt. Jährlich findet ein großes gemeinsames Erntefest statt. Großstadt-Gärtnern für Biodiversität Dass gemeinsames Gärtnern auf städtischen Brachflächen zur sozialen und nachhaltigen Entwicklung beiträgt, wusste man in den USA bereits vor über 40 Jahren. Dort entstanden in New York auf stillgelegten Bahnstrecken im Innenstadtbereich die ersten »community gardens«. Deutsche Großstädte wie Berlin, Essen und Leipzig ziehen nun nach und verwandeln wirtschaftliche Brachflächen in Beete und Äcker. Und nicht nur die Ernte von Nutzpflanzen ist wichtig und wertvoll. Grünflächen und Bäume sind auch wegen ihrer neutralisierenden Wirkung für das städtische Mikroklima von besonderer Bedeutung. Zudem lob en Naturschützer wie der N aturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) den besonderen Beitrag der »Urban Gardens« für die Erhaltung der Biodiversität in Städten. Kleintiere und Insekten finden wieder mehr Lebensraum und eine größere Pflanzenvielfalt vor.

Sie wollen mehr über Artenvielfalt in der Stadt erfahren? Beim Langen Tag der Stadtnatur in B erlin werden jährlich Führungen zu verschiedenen Urban-Gardening-Projekten angeboten. Mehr Infos unter: www.langertagderstadtnatur.de Sie möchten zum Stadtgärtner werden? Nutzen Sie doch einfach Ihren Balkon und verwandeln Sie ihn in ein Paradies der Biodiversität! Anregungen und Tipps zum Gärtnern auf engstem Raum sowie Informationen zu spannenden Projekten finden Sie auf Veolias Innovations- und Livestyleportal: www.livingcircular.com


© ECF Farmsystems Berlin

laufsystem einsparen. Und auch Pflanzendünger wird großteils verzichtbar, denn die Fische reichern das eingespeiste Wasser mit Nährstoffen an, die bei der Rückführung an die Pflanzen als klassische Düngemittel dienen. D as in der H ydroponik, einer Methode des er dlosen Pflanzenanbaus, kondensierte Wasser, wird dann erneut gesammelt und zurück in den Fischtank geleitet, wo der Kreislauf von vorn beginnt. Sein Anbauprinzip will das S tart-up nun zur Gr oßproduktion weiterentwickeln.

Fischzucht statt Geranien Städtische Brachflächen werden neben ihrem Freizeitwert auch für kommerzielle Anbieter zunehmend interessanter. In London bauen die Gründer von Zero Carbon Food Gemüse in ehemaligen Luftschutzbunkern im Londoner U-Bahnnetz an. Sie nutzen für die Zucht die ganzjährig günstigen klimatischen Bedingungen unter der Erde. Dieses als »Urban Farming« bekannt gewordene Konzept beschäftigt seit Kurzem auch in Deutschland einige Start-ups. In Berlin ist kürzlich die größte urbane Aquaponikfarm Europas entstanden. Die Firma ECF-Farmsystems baute dazu auf dem Gelände einer ehemaligen Malzfabrik eine Stadtfarm. Erprobt wurde das Konzept zunächst in einem ausrangierten Schiffscontainer. Mittlerweile wird auf 1800 Quadratmetern Gewächshausfläche Gemüse gezüchtet, während in Fischtanks Rosébarsche als Speisefische heranwachsen. Auf dem Dach der Anlage wird Regenwasser gesammelt, das gemeinsam mit dem Kondenswasser der Pf lanzen aus dem Gewächshaus in die Fischtanks geleitet wird. Bis zu 70 Prozent des regulären Wasserverbrauchs kann ECF durch das Kreis-

© ECF Farmsystems Berlin

Vom Naturschutz zur Nachhaltigkeit Dass eine »gr üne Revolte« aber nicht nur auf städtischen Brachflächen Erfolg haben kann, zeigt die Biomasseanlage in Essenheim. Auf dem Veolia-Standort hat der G edanke der grüneren Flächennutzung bereits Einzug gehalten. »Urbanes Gärtnern und die naturnahe Gestaltung von Betriebsflächen haben mehr gemeinsam, als man denken mag«, erklärt Dipl.Biologe Uwe Honacker, bei Veolia in Essenheim zuständig für den Vertrieb. »Hinter beiden Varianten steht die Frage, wie auf begrenzter Fläche Natur bereichert, geschützt und Lebensraum geschaffen werden kann. Für Menschen, Tiere und Pflanzen.« 2014 wurde das fünf Hektar große Betriebsgelände, das zur Hälfte von Hallen und befestigten Flächen bedeckt ist, kartiert. Ein Viertel der Fläche wurde als naturschutzfachlich wertvoll eingestuft. »Vor anderthalb Jahren kam der Impuls aus der Veolia Stiftung, Essenheim in das Projekt zur Biodiversität an Betriebsstandorten aufzunehmen«, erläutert Honacker. 23 Biotoptypen und 140 verschiedene Gefäßpflanzenarten sind heute registriert. Seitdem werden zahlreiche Ideen zur naturnahen Gestaltung der Außenanlagen in Zusammenarbeit mit dem NABU Mainz und Umgebung umgesetzt. Auch das Personal wird aktiv in den Naturschutz einbezogen. »Das fördert das Betriebsklima und dient dem Gedanken der Nachhaltigkeit«, so der Biologe.


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Arbeiten mit ökologischen Hotspots »Schon einfachste Mittel reichen aus, um N aturschutz auf dem eigenen Betriebsgelände zu betreiben«, erklärt Honacker. Das Areal rund um den B etrieb verfügt über ein Stillgewässer mit Röhricht und Weiden-Ufergehölz, eine Lösslehmwand für Insektenbrutröhren, blütenreiche Hochstauden und eine Streuobstwiese. Totholz- und Steinhaufen bieten ideale Lebensbedingungen für Eidechsen, Insekten und Ringelnattern. Demnächst sollen ein Insektenhotel und Infotafeln folgen. »Das Betriebsgelände naturnah zu gestalten lässt sich problemlos auf andere Unternehmen übertragen«, ist sich der Experte sicher. Das beginnt bei der r egulären Bepflanzung, bei der die Auswahl auf heimische Arten fallen sollte. Zur Anpflanzung empfiehlt sich torffreier Kompost zur Bodenverbesserung. Für Anregungen zur indi viduellen Verwandlung empfiehlt Uwe Honacker den Kontakt zum NABU. Die Mitglieder der Ortsgruppen unterstützen bei der Entwicklung und Umsetzung ökologischer Hotspots. So können Betriebsinteressen schnell und einfach mit Umwelt- und Naturschutz verbunden werden.

Kompost statt Torf Noch wird in Deutschland vorwiegend Torf für die Herstellung von Blumenerde verwendet. Etwa zehn Millionen Kubikmeter Torf jährlich zerstören nicht nur wertvolle Moorlandschaften, sondern bedrohen auch seltene Tierund Pflanzenarten. Moore sind a ußerdem bedeutende CO2-Speicher. Deshalb setzt sich Veolia dafür ein, Kompost als Alternative für Torf nach höchsten Standards herzustellen. Insgesamt 16 Anlagen produzieren den Bodenverbesserer – nach der Devise: »So viel Kompost wie möglich – so wenig Torf wie nötig.« Durch Vergärung wird an drei Standorten außerdem neben Kompost aus Bioabfällen auch Biogas gewonnen und verstromt.

© ECF Farmsystems Berlin

Essbare Stadt Andernach Keimzelle Hamburg

www.andernach.de > Essbare Stadt

keimzelle.rindermarkthalle.de

Prinzessinengärten Berlin

www.prinzessinnengarten.net

Allmende-Kontor, Tempelhofer Feld Berlin ECF-Farmsystems

www.allmende-kontor.de

www.ecf-farmsystems.com

Zero Carbon Food, London

www.zerocarbonfood.co.uk

Veolia Umweltservice Biomasseanlage Essenheim www.veolia-umweltservice.de > Standorte Impuls Stadt-Land-Fläche, Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) www.nabu.de > Downloads > Impuls Stadt Land Flaeche Kompost Journal

www.rgk-suedwest.de > Kompost Journal

© U. Honacker, Veolia Umweltservice West GmbH

© U. Honacker, Veolia Umweltservice West GmbH


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»Viele drehen am Rad« Wie lässt sich unser Alltag weniger energiehungrig gestalten? Die Expertin befindet: Gemeinsam können Verbraucher, Hersteller und Politik viel bewirken.

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otebook und Handy, Autofahren oder mal eben mit dem Flieger in den Kurzurlaub – unser Lebensstil hat immense Auswirkungen auf die Umwelt. Dr. Corinna Fischer, Wissenschaftlerin am Freiburger Öko-Institut e.V., hat sich intensiv mit Konsum beschäftigt und aktuelle Forschungen zusammengetragen. Hier verrät sie, was der Einzelne ausrichten kann, um gesellschaftliche Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit herbeizuführen.

»Energie und Lebensstil« – so heißt Ihr Vortrag, den Sie erstmals beim Braunschweiger Energiecafé im April gehalten haben. Was ist eigentlich genau mit »Lebensstil« gemeint? Corinna Fischer: Wir haben nicht Milieus und Typen betrachtet, sondern den Konsum in der w estlichen Welt insgesamt unter die Lupe genommen. Was und wie viel wir d erworben, wie oft und effizient wird es genutzt, und was passiert dann mit den Produkten – werden sie repariert, recycelt oder entsorgt? Jede dieser drei Phasen hat Einfluss auf den Energieverbrauch: die so genannte „graue Energie“ – vergleichbar mit dem virtuellen Wasser – für die Herstellung und Entsorgung, oder der dir ekte Verbrauch in der N utzungsphase. Ein gutes Beispiel ist ein Notebook: 56 Prozent der Treibhausemissionen entstehen bei der Herstellung, ein kleiner Teil durch den Transport ins Geschäft und nur 36 Prozent der Emissionen verursacht der eigentliche Betrieb des Geräts. Ein N otebook sollte man also möglichst lange nutzen. Ganz anders Kühlschränke, hier entsteht der größte Stromverbrauch über den Betrieb, deshalb lohnt sich auch die Investition in besonders energieeffiziente Geräte. Wo können wir denn insgesamt am besten ansetzen, um unseren Energieverbrauch zu verringern? Corinna Fischer: Wohnen, Mobilität und Ernährung haben den größten Anteil am indivi-

duellen Energieverbrauch und hier gibt es das größte Potenzial, Veränderungen umzusetzen: ein gut gedämmtes Haus, das mit erneuerbaren Energien beheizt wird; Ökostrombezug; so oft wie möglich auf Auto und Flugreisen verzichten, oder weniger Fleisch- und Milchprodukte konsumieren. Das alles gehört sicher auf die Prioritätenliste. Wirksam verändern sich gesellschaftliche Konsummuster aber nur, wenn Relevanz, Außenwirkung und Strukturwandel zusammenkommen, das heißt, wenn das, was wir tun, die Umwelt merklich entlastet, von vielen Menschen als nachahmenswert gesehen wird und das g esellschaftliche Umfeld sich so verändert, dass nachhaltiges Handeln für den Einzelnen einfac her wird. Das Zusammenspiel von Verbrauchern, Forschung, Herstellern und p olitischen Rahmenbedingungen verstärkt die gesellschaftliche Transformation. Beispiel Glühlampen: Was als EU-Vorgabe begann, wurde von den Verbrauchern zunächst zögerlich angenommen, doch die Hersteller haben nachgezogen und schönere LED-Leuchten entwickelt, so dass auch die Akzeptanz der Verbraucher gestiegen ist. Hier drehen eben viele am Rad.


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»Die Leute sind hin- und hergerissen: Allen ist bewusst, dass sich viel ändern muss, wenn wir dem Klimawandel Einhalt gebieten und nachhaltig mit den Ressourcen umgehen wollen. Allerdings erschreckt es viele, wenn der Staat mit Einschränkungen und Verboten eingreift.« Dr. Corinna Fischer, Wissenschaftlerin am Freiburger Öko-Institut e.V.

Billigere Elektronik-Produkte werden häufiger gekauft, und sparsame Motoren in immer größere und schwerere Autos eingebaut. Zehrt das denn die Energieeffizienz nicht wieder auf? Corinna Fischer: Klar gibt es einen Rebound-Effekt. Das Wirtschaftswachstum kann Effizienzgewinne schon innerhalb kürzester Zeit ,auffressen‘. Deshalb müssen wir auch in Richtung Konsistenz denken, also für das gleiche Produkt mit gleichem Nutzen nachhaltige Ressourcen zu verwenden. Zusätzlich sollten wir die Strategie der Selbstbeschränkung und Entschleunigung nutzen. Bestes Beispiel ist der I ndividualverkehr: Wir können Motoren effizienter machen, das Auto aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen – oder eben ganz darauf verzichten und mit dem Fahrrad fahren. Hier ändert sich auch der Nutzen, denn dies erfordert körperliche Anstrengung bei Wind und Wetter, aber das kann auch als positiv empfunden werden. Sie haben ein Konzept zur besseren Wohnraumvermittlung vorgestellt. Was hat es damit auf sich? Corinna Fischer: Das ist eine laufende Studie, die das ÖkoInstitut derzeit für das Umweltministerium erstellt. Die Idee

dahinter: Wenn Kinder das Haus verlassen, bleiben ältere Menschen oft allein in gr oßen Häusern, die schwer zu managen sind und viel Energie verbrauchen. Ein Umzug in eine kleinere Wohnung könnte Kosten, Energie und Aufwand sparen. Doch dagegen spricht neben emotionalen Gründen, dass ein Umzug aufwändig ist. Eine zen trale Anlaufstelle könnte hier Wohnungssuche, energetische Umbauten, Finanzierung oder Verkauf übernehmen, idealerweise kombiniert mit staatlichen Förderprogrammen. Ein Rundum-Sorglos-Programm also. Wie haben Ihre Zuhörer diese Ideen aufgenommen? Corinna Fischer: Die Leute sind hin- und hergerissen: Allen ist bewusst, dass sich viel ändern muss, wenn wir dem Klimawandel Einhalt gebieten und nachhaltig mit den Ressourcen umgehen wollen. Allerdings erschreckt es viele, wenn der Staat mit Einschränkungen und Verboten eingreift. Klar ist aber, dass der Staat gestalten muss, um individuelle Freiheit verträglich zu machen. Für mich persönlich stellt sich eher die Frage, wie Unternehmen noch mehr dazu beitragen können, um nachhaltigen Konsum und die Effizienz ihrer Produkte zu fördern.


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Treffen Sie Veolia Unsere Termine

Husum Wind 15. – 18. September 2015

Husum

www.husumwind.com

Hamburg

ISWA Beacon Conference 14. – 16. Oktober 2015

Deutscher Handelskongress 18. – 19. November 2015

DWA Bundestagung 21. – 22. September 2015

www.handelskongress.de

www.dwa.de

www.iswabeacon.obladen.de

Braunschweig

14. Wasserwirtschaftliche Jahrestagung 29. – 30. September 2015

Berlin

www.bdew.de

Internationales Symposium Re-Water 2. – 3. November 2015 www.re-water-braunschweig.com

Leipzig Grimma

Energiemarkt der Zukunft 9. – 11. November 2015

Veolia Partnertag/ Geschäftsbereich Wasser 28. Oktober 2015

www.energieforen.de

Frankfurt am Main

Deutscher-Umwelt-Kongress 29. – 30. September 2015 www.deutscher-umwelt-kongress.de

vor Ort als Aussteller vor Ort als Referent

Impressum: nahdran. Aus Branche und Unternehmen | Herausgeber: Veolia Deutschland GmbH, Unter den Linden 21, 10117 Berlin, www.veolia.de/nahdran | Redaktion: Matthias Kolbeck (verantwortlich für den Inhalt), Sabine Kraus, Dr. Martina Bruckschen, Andreas Jensvold, Telefon: 030-2062956-72, nahdran@veolia.com | Druck: AlsterWerk MedienService | Konzept, Realisierung, Illustrationen: Johanssen + Kretschmer Strategische Kommunikation | Illustration: V-Formation Agentur für visuelle Kommunikation GmbH (S. 12 – 13), Anke Seeliger (S. 22 – 23) | Bildnachweise: Shutterstock/bluecrayola (Titel), Wirtschaftswoche Green Economy/Handelsblatt GmbH (S. 2), Shutterstock/Rocksweeper (S.4 – 11), Veolia Deutschland (S. 14, S. 15 – 17), Stadtverwaltung Andernach (S. 18 – 19), ECF Farmsystems Berlin (S. 20 – 21), U. Honacker/Veolia Umweltservice West GmbH (S. 21), Öko-Institut e.V. (S. 23) | Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion. Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier.

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