nahdran. 2|2014

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Aus Branche und Unternehmen. Oktober 2014

Energie aus der Tonne – Was Reststoffe fßr die Energiewende leisten

www.veolia.de/nahdran

nahdran.


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Aus der Branche

Brüssel setzt Ziele für Europas Kreislaufwirtschaft Recycling und die Verwendung von Sekundärrohstoffen sollen künftig in Europa eine noch größere Rolle spielen. Die EU fordert deshalb strengere Zielvorgaben für die Abfallverwertung. Die europäischen Länder sollen verpflichtet werden, nach 2025 keine recyclingfähigen Abfälle mehr in Deponien zu entsorgen. Zudem sollen sie bis 2030 70 Prozent der kommunalen Abfälle sowie 80 Prozent der Verpackungen recyceln und der Verwertungskette wieder zuführen. Diese und weitere Vorschläge sind Teil einer Reihe von Initiativen, die die Wachstums- und Beschäftigungsmöglichkeiten einer umweltgerechteren Wirtschaft nutzen und auch den Gebäudebereich umweltfreundlicher gestalten sollen. Ziel der EU ist darüber hinaus, die Verschmutzung der Meere und die Verschwendung von Lebensmitteln spürbar zu verringern. www.eu-koordination.de/eu-themen/abfall www.umweltbundesamt.de/daten/abfall-kreislaufwirtschaft

Deutschland verpasst EU-Ziele zur Energieeinsparung Die EU-Kommission will ihr Ziel zur Energieeinsparung bis 2030 von 25 auf 30 Prozent erhöhen. Die Marke von 20 Prozent hat Brüssel bereits für das Jahr 2020 angepeilt. Für Deutschland sind diese Ziele jedoch nicht realistisch. Das geht aus einer Untersuchung der »Energiereferenzprognose zur Entwicklung der Energiemärkte 2014« (BMWi) hervor. Zwar prognostizieren die Experten einen Rückgang des Energieverbrauchs in Deutschland um 42 Prozent bis 2050. Doch dieser Rückgang geht langsamer voran als erhofft. Die Bemühungen von Politik und Wirtschaft zeigen jedoch trotzdem Wirkung. Allein dank der Verlagerung von Kohle- auf Windenergie werden die energiebedingten Treibhausgasemissionen im Jahr 2020 bereits 36 Prozent unter den Werten des Kyoto-Basisjahrs 1990 liegen. europa.eu/rapid

www.bmwi.de

Potenzial für mehr Energieeffizienz in der Wasserwirtschaft Die deutsche Wasserwirtschaft soll noch ressourcenschonender werden. Für die Erforschung und Entwicklung von Potenzialen der Energieeffizienz in der Wasserwirtschaft wird deshalb künftig mehr Geld bereitgestellt. Insgesamt 27 Millionen Euro investiert das Bundesministerium für Bildung und Forschung in die Fördermaßnahme »Zukunftsfähige Technologien und Konzepte für eine energieeffiziente und ressourcenschonende Wasserwirtschaft«, ERWAS. Schwerpunkt des Programms ist die stärkere Verknüpfung der Bereiche Energie und Wasser. Über 60 Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft erforschen in zwölf Verbundprojekten, darunter E-Klär, ENERWA und EWave, die intelligente Einbindung von wasserwirtschaftlichen Anlagen in Energieinfrastrukturen. de.dwa.de

www.fona.de


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Auf ein Wort

So schließt sich der Kreis

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ais-Monokulturen, Flächenverbrauch, Plastikkuppeln in der Landschaft – das sind häufige spontane Assoziationen zum Thema Biogas. Doch nicht nur aus eigens dafür angebauten oder gar importierten Energiepflanzen lässt sich Biogas gewinnen, sondern auch aus Abfällen, Abwässern und Reststoffen, die in unseren Städten, in Landwirtschaft und Industrie ohnehin Tag für Tag anfallen und entsorgt werden müssen.

Etienne Petit, Generaldirektor Veolia Deutschland

Zunehmend werden sie auch heute schon als Ressource im Sinne der Kreislaufwirtschaft genutzt – aber auch in vielen Fällen noch nicht oder noch nicht in optimaler Weise. Bioabfall aus den Haushalten zum Beispiel wird noch oft zu Kompost verarbeitet, ohne die darin enthaltene Bio-Energie zu nutzen. Organische Stoffe im Industrieabwasser landen im zu entsorgenden Klärschlamm.

»Vermeintliche Abfälle als Ressource zu sehen und in geschlossene Kreisläufe einzubringen, das ist ein Schlüssel zu einem zukunftsfähigen und nachhaltigen Wirtschaftsmodell weltweit.«

Vermeintliche Abfälle als Ressource zu sehen und in geschlossene Kreisläufe einzubringen, das ist ein Schlüssel zu einem zukunftsfähigen und nachhaltigen Wirtschaftsmodell weltweit. Diese Transformation, der Übergang zu einer neuen und anderen Art des Wirtschaftens, ist für Kommunen und Unternehmen die wohl wichtigste Herausforderung der nächsten Jahre. Und ein zentrales Thema dabei ist der Umgang mit organischem ‚Abfall‘. In der Kreislaufwirtschaft werden daraus neue Materalien und Ressourcen: Strom, Wärme, Bioplastik, Biotreibstoff – klimafreundlich, kostengünstig und effizient.

All dies tun wir bei Veolia mit unseren Partnern schon heute: Wir machen Kläranlagen zu Kraftwerken, indem wir etwa durch Co-Vergärung mehr Biogas gewinnen und mehr Strom und Wärme erzeugen. Aus organischem Gewerbeabfall gewinnen wir in Hamburg Strom und Wärme für ein Stadtviertel und das Volksparkstadion. Aus kommunalen Bioabfällen und Produktionsresten einer Teigwarenfabrik machen wir in Rheinland-Pfalz nicht nur Biogas und Kompost, sondern auch technischen und medizinischen Alkohol. Und ständig arbeiten wir in Deutschland und weltweit daran, immer mehr und immer bessere solcher Lösungen umzusetzen – gemäß unserem Anspruch: Ressourcen für die Welt.


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Vom Kompost zur Kilowattstunde Nach Energiepflanzen werden Rest- und Abfallstoffe zunehmend für die Biogasgewinnung eingesetzt

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ago di Como, 1776: Alessandro Volta entdeckt »brennbare Luft« als er die Sumpfgase des Comer Sees untersucht. Der Physiker stellt fest: Bei der Zersetzung von Biomasse entsteht Methan. Das ist der Beginn für die Erforschung und Nutzung von Biogas.

Im 21. Jahrhundert hat sich Biogas als unverzichtbarer Bestandteil der Energieversorgung etabliert. Es gilt als Allrounder unter den Erneuerbaren. Das methanhaltige Gas wird nicht nur zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt, sondern auch als Treibstoff und Erdgas-Äquivalent. Biogas lässt sich speichern, in das Erdgasnetz einspeisen und transportieren. Moderne Blockheizkraftwerke verbrennen nicht mehr rund um die Uhr, sondern passen die Stromund Wärmeerzeugung auf Biogas-Basis dem Bedarf an. Keine Kilowattstunde geht verloren – anders als bei anderen regenerativen Energieträgern. Biogas leistet außerdem einen steigenden Beitrag zur ökologisch sinnvollen Verwertung von Bioabfällen aus Haushalten, Kommunen und Landwirtschaft. Denn neben Energiepflanzen wie etwa Mais können organische Reststoffe – von der Gülle und Speiseresten bis hin zum Inhalt der Biotonne – durch Vergärung in Biogas umgewandelt werden. Biogas aus Reststoffen ersetzt »Energiepflanzen« Bislang nutzen deutschlandweit erst rund 1 000 der insgesamt etwa 8 000 Biogasanlagen das Potenzial von Energie aus organischen Abfällen. Der Großteil des Bioabfalls wird zu Dünger verarbeitet. Doch egal ob Grünabfälle, Reste aus der Lebensmittelindustrie, Klärschlamm von kommunalen Abwasseranlagen oder Abfälle aus der Biotonne: Die Energie, die in biogenen Abfallstoffen steckt, kann durch Vergärung genutzt werden.

Wird dieses Potenzial stärker ausgeschöpft, verringert sich auch der Bedarf an zusätzlichen Anbauflächen für »Energiepflanzen«. Speziell für die Biogasproduktion angepflanzte Monokulturen wie Mais sind umstritten. Kritiker bemängeln, Ackerflächen zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion würden durch falsche Anreize verdrängt – mit negativen Folgen für das Ökosystem. Die Politik steuert gegen Bereits mit der EEG-Reform 2012 wurde der Einsatz von Energiepflanzen als Biomasse begrenzt. Mit der aktuellen Novellierung wird ihr Anteil weiter reduziert, um Abfallund Reststoffe bei der Biogas-Erzeugung zu fördern.

Biogas in der EEG-Novelle 2014 Die letzte Novelle hat viele in der Biogasbranche verunsichert. Anlagen-Betreiber, die selbst produzierten Strom für den Eigenverbrauch nutzen, werden nun mit Kosten aus der EEG-Umlage belastet. Die Vergütung für den Einsatz von Anbaubiomasse und Gülle fällt weg, nur eine Grundvergütung bleibt bestehen. Auch für die Aufbereitung von Biogas zu Biomethan und dessen Einspeisung ins Erdgasnetz entfällt der Gasaufbereitungsbonus. Die Novelle begrenzt die zusätzliche Produktion von Strom aus Biomasse auf 100 MW/Jahr, um weiteres Wachstum einzudämmen, und reduziert den Anteil von Energiepflanzen in Biogasanlagen. Neue Anlagen sollen künftig vornehmlich mit Abfall- und Reststoffen gefüttert werden. Die Pflicht zur Direktvermarktung für Strom aus Biogasanlagen, die nach dem 1.1.2014 ans Netz gegangen sind und deren Leistung mindestens 750 kW beträgt, bleibt weiterhin bestehen.


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Anlagenzahl

Leistung

9 000

4 000

8 000

3 500

7 000

Anzahl Biogasanlagen installierte elektr. Leistung inkl. Überbauung (MW)

3 000

6 000

2 500

5 000 2 000 4 000 1 500 3 000 1 000

2 000

500

1 000

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0 1994

1999

2004

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Biogas kommt zur Erzeugung von Strom, Wärme und Kraftstoff zum Einsatz. Allein zwischen 2010 und 2011 stieg die Stromgewinnung aus Biogas in Europa um über 18 Prozent. Mit knapp 8 000 Anlagen ist Deutschland der größte europäische Biogashersteller. Bundesweit werden mittlerweile sieben Millionen Haushalte mit Strom und eine Million Haushalte mit Wärme aus Biogas versorgt. Quelle: Fachverband Biogas e.V.

Diagnose 2014

Das Kreislaufwirtschaftsgesetz regelt Abfallvermeidung, Wiederverwendung, Recycling und auch die energetische Verwertung von Abfällen. Diese sind laut Gesetz vorrangig gegenüber einer reinen Abfallbeseitigung. Dennoch werden noch immer große Mengen geeigneter biologischer Reststoffe nicht getrennt erfasst oder ungenutzt entsorgt. Das energetische Potenzial verpufft so auf Deponien oder in Müllverbrennungsanlagen. Mit der flächendeckenden Pflicht zur getrennten Sammlung von Bioabfällen ab Januar 2015 kann sich dies ändern. Die so gewonnenen organischen Reststoffe sind bestens geeignet für eine Vergärung mit anschließender Kompostierung für die landwirtschaftliche Nutzung. (> Artikel Biomüllsammlung, S. 6–7). Co-Vergärung auf dem Vormarsch Was die Pflicht zur Biomülltrennung bringt, wird die Praxis zeigen. Erfolgreiche und Erfolg versprechende Projekte, die den Kreislaufgedanken der Biogaserzeugung umsetzen, gibt es viele (> Artikel Projekte, S. 8–11). Deutschlandweit werden Lebensmittelreste eingesammelt und in Biogasanlagen zu Strom, Wärme und Dünger umgewandelt. Kommunale Kläranlagen erzeugen aus Klärschlamm Biogas für die kombi-

nierte Wärme- und Stromproduktion. Dabei ist die Co-Vergärung auf dem Vormarsch: Organische Substanzen wie Fette, Speiseabfälle oder Getränkeabwasser werden dem Klärschlamm beigemischt. Dies steigert die Biogas- und Energieausbeute deutlich – bis hin zur energieautarken Kläranlage. Die Beispiele zeigen: Biogas ist mehr als nur »brennbare Luft«, sondern ein Energieträger mit einer Menge ungenutztem Potenzial.

Fachverband Biogas e.V. www.biogas.org Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. www.fnr.de Agentur für Erneuerbare Energien www.unendlich-viel-energie.de Kommission Landwirtschaft beim Umweltbundesamt (KLU) www.umweltbundesamt.de Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. www.bdew.de

Mehrerlöse durch Direktvermarktung Betreiber von EE-Anlagen können ihren Strom direkt vermarkten. Anstatt ihn nach dem EEG-Vergütungsmodell zu fixen Preisen an den regionalen Netzbetreiber zu verkaufen, wird er an der Strombörse vermarktet. Die Differenz zwischen dem dort erzielten Preis und der EEG-Vergütung wird durch die Marktprämie ausgeglichen. Der Vorteil: Wird Strom eingespeist, wenn Nachfrage und Marktpreis besonders hoch sind, steigen die Erlöse. Daher beauftragen Anlagenbetreiber meist spezialisierte Direktvermarkter, die Bedarf und Markt beobachten – und so Spitzenpreise erzielen. Durch ihre Flexibilität und Regelbarkeit sind Biogasanlagen besonders geeignet, Strom direkt zu vermarkten. Ab Januar 2015 gilt für Anlagen mit Direktvermarktung der Nachweis dieser Steuerbarkeit. Dies ist möglich über den Einbau eines entsprechenden Geräts und lohnenswert insbesondere für Anlagen ab einer Leistung von 750 kW.


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Essen im Eimer? Wege aus der Lebensmittelverschwendung

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om Laden in den Abfall: So geht es jedem fünften Brot und jeder zweiten Kartoffel; aussortiert, weil sie nicht der Norm entspricht. Deutschland verschwendet so im Jahr rund sieben Millionen Tonnen Lebensmittel. Doch es gibt Alternativen.

Valentin Thurn zeigt das Ausmaß der Verschwendung in seinem Film »Taste the Waste«: Mit jedem weggeworfenen Stück Obst, Gemüse oder Fleisch vergeuden wir kostbare Ressourcen: Ackerböden, Wasser und Dünger, Energie für Ernte, Verarbeitung und Transport. Etwa 700 Liter Wasser braucht es, bis ein Kilo Äpfel geerntet ist. Für ein Kilo Rindfleisch sind es 15 000 Liter. Und: Wir werfen weg, was in Ländern der Dritten Welt für den Export statt zur lokalen Nutzung angebaut wird. Zudem erhöhen vermeidbare Lebensmittelabfälle die Rohstoffnachfrage und damit die Weltmarktpreise für Grundnahrungsmittel. Die Leidtragenden sind auch hier: Entwicklungsländer. »Taste the Waste« ist ein Weckruf für jeden Einzelnen, den eigenen Umgang mit Lebensmitteln zu

hinterfragen. Ob gezielter Einkauf, sachgerechte Lagerung oder eine kreative Resteküche – Ansätze gibt es viele. Auch die Politik hat das Thema entdeckt: Die EU-Agrarminister diskutieren aktuell die Abschaffung des Mindesthaltbarkeitsdatums für Nahrungsmittel wie Nudeln und Reis. Unternehmen entwickeln Strategien gegen die Wegwerfmentalität. In Österreich kommt krumm gewachsenes Obst und Gemüse als »Wunderling« ins Regal, in Frankreich wird »unrühmliches Gemüse« bekannter und Portugal setzt verstärkt auf »Fruta feia«, hässliche Früchte. In Deutschland setzen sich die Bewegungen Slow Food und Foodsharing gegen Verschwendung ein, machen Veranstaltungen und sammeln Lebensmittel.

Strom aus Essensresten Die Firma Biocycling, ein Unternehmen der Veolia-Gruppe, ist einer der größten Verwerter von Lebensmittelabfällen in Deutschland. Das Unternehmen nutzt deren energetisches Potenzial: Der Biomüll wird vergärt, um in BHKWs Strom und Wärme zu produzieren. So müssen keine nachwachsenden Rohstoffe zur Energieerzeugung eingesetzt werden. Ein Modell mit Zukunft? nahdran. fragt nach bei Vertriebsleiter Marco Faull. Was für Abfall kommt bei Ihnen zum Einsatz? Marco Faull: Wir sammeln bundesweit rund 100000 Tonnen Lebensmittelabfälle und Speisreste im Jahr. Dabei handelt es sich um organische Abfälle aus Lebensmittelindustrie und -handel, die nicht mehr für den menschlichen Verzehr geeignet sind: etwa Lebensmittelreste von Supermärkten, Küchen- und Speisereste aus Gastronomie, Catering, Mensen, Krankenhäusern und Schulen, aber auch Frittierfette aus der Systemgastronomie. Landen immer mehr Essensreste in der Tonne? Marco Faull: Für viele Menschen bleibt kaum noch Zeit zum Einkaufen und Kochen – das gilt gerade für Singles. Besonders in Privathaushalten landet daher noch immer viel zu viel biologisches Material im Restmüll. Ist diese Verschwendung überhaupt zu stoppen? Marco Faull: Initiativen von Industrie und Verbrauchern formen ein neues Bewusstsein. Da Lebensmittelabfälle aber nicht komplett vermeidbar sind, müssen wir auch mit sinnvollen Verwertungsmethoden ansetzen und das Potenzial des Bioabfalls stärker nutzen. Derzeit wird nur rund ein Zehntel der Lebensmittelreste bundesweit vergoren. Die getrennte Biomüllsammlung ab 2015 ist wichtig, denn sie erhöht diesen Anteil und sorgt dafür, dass aus Abfall Energie und wertvoller Dünger gewonnen wird. Das ist wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll.

www.zugutfuerdietonne.de

www.tastethewaste.com

www.foodsharing.de

www.lebensmittelretten.de

www.fao.org

www.biocycling.de


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Einzug der Biotonne Was die verpflichtende Biomüllsammlung ab 2015 für Kommunen bedeutet

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ioabfälle machen in Deutschland etwa 30 bis 40 Prozent der gesamten Siedlungsabfälle aus. Getrennt gesammelt werden davon mit rund 9 Millionen Tonnen/Jahr allerdings weniger als die Hälfte. Das wird ab Januar 2015 anders: Bioabfälle müssen flächendeckend getrennt eingesammelt und recycelt werden. Doch was müssen Kommunen beachten? Fragen an Joachim Westphal, Geschäftsführer der Veolia Umweltservice Wertstoffmanagement GmbH.

Was genau ändert sich in Sachen Bioabfall?

»Die getrennte Verwertung von Bioabfällen ist günstiger als eine pauschale Hausmüllentsorgung. Hier werden Verwertungskosten eingespart.«

Joachim Westphal: Alle Kommunen und Kreise sind verpflichtet, überall Biotonnen zur Verfügung zu stellen. Ebenso sind sie für die getrennte Abholung, Entsorgung und Verwertung der Bioabfälle, die jetzt noch zusammen mit dem Hausmüll in die graue Tonne wandern, verantwortlich. Nur, wer den Biomüll im eigenen Garten kompostiert, kann sich von der Pflicht befreien lassen. Eine Menge Aufwand. Joachim Westphal: Die Mehrheit der Kommunen hat die Biotonne bereits eingeführt. Dennoch gibt es immer noch viele Kreise, die die getrennte Sammlung jetzt umsetzen müssen. Die Zurückhaltung kommt nicht von ungefähr: Die Abfalltrennung bedeutet auch Aufwand und Kosten. Nicht nur ausreichend Biotonnen sind nötig, auch die Entsorgung muss neu geplant werden. Vereinbarte Abfallmengen ändern sich. Die Abholung wird zusätzlich und auch häufiger erfolgen, da Bioabfall nicht so lange wie Hausmüll in der Tonne auf den Abtransport warten kann. Kommunen müssen bestehende Verträge mit Entsorgungsunternehmen anpassen oder die Änderungen bei Ausschreibungen und Auftragsvergabe berücksichtigen. Wird die Abfallentsorgung also teurer? Joachim Westphal: Das sollte man differenziert betrachten. Zwar entstehen Kosten und Aufwand für Behälter und Sammlung. Doch die getrennte Verwertung von Bioabfällen ist günstiger als eine pauschale Hausmüllentsorgung. Hier werden Verwertungskosten eingespart. Aufwand oder Nutzen – was überwiegt für Sie? Joachim Westphal: Zwar setzen wir bereits heute erfolgreich Technologien ein, um aus gemischtem Hausmüll im Nachgang die biogenen Anteile abzutrennen und daraus Biogas und Biobrennstoffe zu gewinnen. Um die biologischen Reststoffe landwirtschaftlich zu nutzen, ist aber eine getrennte Erfassung von

Bioabfällen zwingende Voraussetzung. Daher wird mit der Einführung der Biotonne zusätzliches Potenzial entstehen, um Kompost und Gärrückstände als organischen Dünger für die Landwirtschaft sowie Biogas zur Strom- und Wärmeerzeugung zu gewinnen.

Potenzial Biotonne 67,5 Millionen Bundesbürger leben in Regionen mit Biotonnen-System Tatsächlicher Anschlussgrad an die Biotonne in diesen Regionen: ca. 56 Prozent der Bevölkerung Rund 44 Millionen Bürger nutzen noch keine Biotonne Jährliche Getrenntsammlung von Essensresten und Küchenabfällen aus der Biotonne: ca. 4,3 Millionen Tonnen Jährliche getrennte Erfassung von Garten- und Parkabfällen: ca. 4,7 Millionen Tonnen Mögliche Steigerung der Bioabfallsammlung ab Januar 2015 durch Biotonnen-Pflicht: jährlich etwa 1,5 bis 2 Millionen Tonnen Abfälle Potenzial aus Garten- und Parkabfällen sowie Material aus der Landschaftspflege von dezentralen Sammelstellen: rund 4,5 Millionen Tonnen Abfälle im Jahr Quelle: BM /UBA »Ökologisch sinnvolle Verwertung von Bioabfälllen«, März 2012)


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Der Kreis schließt sich Energie aus Klärschlamm und Bioabfall

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icht nur in Deutschland zeigt Veolia mit nachhaltigen Lösungen, wie man aus Abwasser und Abfällen Ressourcen zurückgewinnt und damit Umwelt und Klima schützt. Ein kleiner Streifzug durch vorbildliche Projekte.


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Die Zukunftsfabrik: Billund BioRefinery »Abfälle und Abwasser sind keine Probleme, sondern wertvolle Rohstoffe mit viel Potenzial« – auf diesem Ansatz basiert das im September 2013 gestartete Projekt »Billund BioRefinery«. Zusammen mit dem kommunalen Versorgungsunternehmen Billund Vand baut Krüger, eine Tochtergesellschaft von Veolia Water Solutions & Technologies, im dänischen Billund eine komplett neuartige Anlage auf. In einem geschlossenen Kreislauf sollen in Zukunft organische Haushalts-, Industrie- und Agrarabfälle zusammen mit Klärschlamm aus der angeschlossenen Abwasseraufbereitungsanlage energetisch und stofflich verwertet werden. Dafür wollen die Unternehmen neueste Umwelttechnologien mit etablierten Verfahren kombinieren. In der Endausbaustufe 2017 sind eine weitgehende Wiederaufbereitung des Abwassers von rund 70 000 Einwohnern und eine energieeffiziente Verarbeitung von jährlich 43 000 Tonnen biologischem Abfall geplant. Gefördert wird das Projekt vom Dänischen Umweltministerium und einem Dänischen Wassertechnik-Fonds. Das Herzstück der Anlage bildet die »Energiefabrik«. In ihr kommen alle Ressourcen zusammen und werden gemeinsam behandelt: Schlamm aus der Abwasserbehandlung, organische Haus- und Industrieabfälle, ebenso wie Stallmist und anderer organischer Abfall. Zum Einsatz kommt dabei das von Veolia entwickelte Verfahren Exelys: Die Kombination aus thermi-

scher Hydrolyse und anaerober Faulung ermöglicht eine rund 30-prozentige Reduktion der im Faulturm entstehenden Trockensubstanz. Im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren entsteht zudem rund 50 Prozent mehr Biogas, das in einem Blockheizkraftwerk für die Produktion von Wärme und Strom genutzt werden kann. Die Energie geht in den Betrieb der Anlage und in Haushalte und Gewerbeunternehmen in der Region. Denkbar ist auch die Umwandlung in Biotreibstoff für Fahrzeuge. Gleichzeitig führt die Behandlung des Schlamms und des Bioabfalls, bei der die Hygienisierung sämtliche Krankheitserreger zerstört, zu einem geruchsfreien, organischen Dünger mit hohem Nährwertgehalt für Pflanzen und Felder. Und nicht zuletzt zeichnet sich das in der Abwasseraufbereitungsanlage gesäuberte Wasser durch hohe Reinheit aus, ohne dass chemische Substanzen angewendet werden.


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wird das Kompostmaterial als organischer Dünger und wertvoller Bodenverbesserer überwiegend in der Landwirtschaft sowie im Obst- und Weinbau genutzt. Pro Jahr produziert die Biomasseanlage rund 22 000 Tonnen Kompost aus 41000 Tonnen Bioabfall und 7000 Tonnen Grünschnitt.

Von der Kompostanlage zum Energieerzeuger: Biomasseanlage Essenheim Seit 1994 gewinnt Veolia Umweltservice am Standort Essenheim aus regional gesammeltem Bioabfall Kompost. Seit dem Umbau im Jahr 2012 dient der organische Abfall zusätzlich der Erzeugung von Strom und Wärme. »Als eine Modernisierung der Technik anstand, haben wir den Zeitpunkt genutzt, um die Kreislaufwirtschaft weiter auszubauen«, erklärt Betriebsleiter Thomas Geißler. Gemeinsam mit den Stadtwerken Mainz und der EnergieDienstleistungsGesellschaft Rheinhessen-Nahe gründete Veolia Umweltservice die Biomasseanlage Essenheim. In die alte Kompostanlage wurde eine Vergärungsstufe integriert. Der grob aufbereitete Bioabfall setzt in luftdicht verschlossenen Räumen, so genannten Fermentertunneln, innerhalb von 21 Tagen Methan frei. Das Biogas wird über das neu angeschlossene Blockheizkraftwerk (BHKW) in 19 800 MWh/a Gesamtenergie umgewandelt. »Damit haben wir eine mehr als grundlastfähige Situation geschaffen. Je nach Bedarf lässt sich die Anlage hoch- und runterfahren«, erläutert Thomas Geißler. Während mit dem Strom rund 1800 Einfamilienhäuser versorgt werden, dient die Wärme der Nachrotte. Bei mehr als 60 Grad erfolgt hier die Hygienisierung, die den Bioabfall von Keimen befreit. Nach der Feinaufbereitung

Abwasser und Bioenergie im Wasser-Nährstoff-Energiekreislauf In Braunschweig führt der Abwasserverband Braunschweig gemeinsam mit der Stadtentwässerung Braunschweig (SE|BS) und dem Energieversorger BS|ENERGY Abwasser aus der Stadt und Bioenergie vom Land zu einem Wasser-Nährstoff-Energiekreislauf zusammen. Das Abwasser von 290 000 Einwohnern wird im Klärwerk mechanisch und biologisch gereinigt. Der ausgefaulte Klärschlamm dient als qualitativ hochwertiger, zertifizierter Dünger für die Landwirtschaft. Mit zwei Dritteln des gereinigten Abwassers – rund 14 Millionen m3/Jahr – werden u.a. Mais und Roggen auf den landwirtschaftlichen Flächen des Abwasserverbands Braunschweig bewässert. Diese Energiepflanzen werden in der Biogasanlage vergoren, die Pflanzenreste dienen als Dünger. Ein kleiner Teil des Biogases wird direkt vor Ort in Strom und Wärme umgewandelt und deckt z. B. den Wärmebedarf der Biogasanlage. Der übrige Teil wird über eine netzfähige Leitung nach Braunschweig transportiert, wo BS|ENERGY in einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage aus dem Biogas Strom und Wärme erzeugt. Die entstandene Energie versorgt 6 000 bis 7000 Braunschweiger Haushalte mit Strom und 1000 bis 1500 Haushalte mit Wärme. Co-Vergärung von Klärschlamm mit organischen Reststoffen Kläranlagen nutzen schon seit Jahren das energetische Potenzial des Klärschlamms. Seine organischen Bestandteile werden durch Vergärung im Faulturm zu Biogas umgewandelt und in angeschlossenen Blockheizkraftwerken zur kombinierten Erzeugung von Wärme und Strom genutzt. So senken die Kläranlagen ihren Primärenergieverbrauch deutlich. Durch die zusätzliche Mit- bzw. Co-Vergärung von anderen organischen Substanzen können die Anlagen die Ausbeute an brennbarem Faulgas und daraus erzeugter Energie noch erhöhen.


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Die Klärwerke der OTWA in Gera und der Stadtwerke Görlitz nutzen dazu überwiegend Fettrückstände oder Reste aus der Getränkeindustrie. Diese zusätzlichen organischen Abfallstoffe wirken wie ein Turbo für die Biogasproduktion. Die Kläranlage in Görlitz konnte auf diese Weise die Biogasmenge um mehr als 60 Prozent steigern. Dadurch werden 60 Prozent weniger Strom hinzugekauft. Im Ergebnis erhöhte sich in Görlitz der Eigenversorgungsgrad mit Strom von 30 auf 64 Prozent. In Gera gelang dank der Co-Vergärung von Fetten und biologisch abbaubaren Abfällen eine vollständige Selbstversorgung mit Energie. Bedarfsgerechte Erzeugung und Einspeisung von Strom und Bioerdgas aus Reststoffen In der Mechanisch-Biologischen Aufbereitungsanlage (MBA) der Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft Rostock (EVG) werden Siedlungsabfälle und hausmüllähnliche Gewerbeabfälle sortiert und aufbereitet. Etwa 32 000 Tonnen organische Anteile können so im Jahr abgetrennt und gemeinsam mit Bioabfällen aus der separaten Speiseresteaufbereitung genutzt werden. Aus dem gewonnenen Biogas wird in einem angeschlossenen BHKW Strom erzeugt und eingespeist. Dabei wird die Teilstromvergärungsanlage schon heute flexibel geregelt und erzeugt nur dann Strom, wenn er gebraucht wird. Die bei der Stromgewinnung entstehende Abwärme der Gasmotoren wird teilweise zurückgeführt und zur Beheizung der Fermenter genutzt. Seit 2010 betreibt die EVG zudem eine Biogasaufbereitungsanlage, in der das Biogas durch CO2-Abscheidung und Methananreicherung zu Erdgasqualität mit einem Methangehalt von über 98 Prozent verarbeitet wird. Bioethanol und hochwertiger Dünger aus Lebensmittelabfällen In der Vergärungsanlage Hoppstädten-Weiersbach in Rheinland-Pfalz verarbeitet Veolia getrennt erfasste Bioabfälle zu Biogas und Kompost. Jährlich werden hier etwa 17 500 Tonnen

Bioabfälle aus den Haushalten umliegender Landkreise verarbeitet. In mehreren Aufbereitungsstufen werden die Abfälle vergoren und daraus hochwertiger organischer Dünger für den Garten- und Landschaftsbau hergestellt – rund 2 000 Tonnen Kompost im Jahr. Das bei der Vergärung entstehende Biogas wird in einem BHKW verstromt. Allein 4 800 MWh Strom pro Jahr können so ins Netz eingespeist und anschließend von dem Veolia Unternehmen BS|ENERGY direkt vermarktet und veräußert werden. Neben den kommunalen Bioabfällen eignen sich darüber hinaus auch andere Lebensmittelreste für eine ökologische Verwertung, etwa Produktionsreste einer Teigwarenfabrik. Rund 5 000 Tonnen werden jährlich im rheinland-pfälzischen Weselberg, einer nahgelegenen Vergärungsanlage mit angeschlossener Brennerei, verarbeitet. Die vergorene Maische wird dort zu Ethanol gebrannt, der als technischer Alkohol für die Industrie, als Biokraftstoff, Scheibenwischwasser oder zu medizinischen Zwecken vielfältige Verwendungsmöglichkeiten findet. Auch die Brennerei ist mit einem BHKW gekoppelt, so dass bei der Verbrennung gleichzeitig Strom und Wärme erzeugt werden. Jährlich können auf diese Weise weitere 4 000 MWh Strom ins Netz eingespeist werden. Gleichzeitig wird die entstehende Abwärme ressourcenschonend in der Brennerei genutzt. www.abwasserverband-bs.de www.se-bs.de www.bs-energy.de www.stadtwerke-goerlitz.de www.zvme.de www.evg-mba-rostock.de www.veolia-umweltservice.de/ standorte

Alle Weblinks und die wichtigsten Materialien zu unserem Titelthema finden Sie unter: www.veolia.de/nahdran


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Akzeptanz kommt nicht von allein Wie durch Dialog von Stadtwerken und Anwohnern eine Energieanlage zum gemeinsamen Projekt wird

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n Springe gab es rund um eine Biogasanlage viel Unmut und Kritik. Die Bürger fühlten sich in der Planungsphase ignoriert. Aus diesen Erfahrungen hat BS|ENERGY gelernt: Beim Bau einer Biomasseanlage in Braunschweig wurden deshalb von Anfang an die Anwohner einbezogen – mit großem Erfolg.

Wie wichtig es ist, die Bürger frühzeitig bei größeren Bauprojekten einzubeziehen, erfuhren die Stadtwerke Springe 2011: Als das Unternehmen, bei dem Veolia und BS|ENERGY Partner sind, in ein laufendes Biogasprojekt einstieg, war die Stimmung in der niedersächsischen Kleinstadt aufgeheizt. Seit Bekanntgabe des Bauvorhabens gab es immer wieder kritische Stimmen in Medien, Sitzungen und Ausschüssen. Im Juli 2011 hatten sich Anwohner zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen und kämpften mit Klagen und Kampagnen gegen das Projekt. Befürworter fanden in der öffentlichen Diskussion kein Gehör. Fast täglich druckte die Presse kritische Artikel und Leserbriefe und kürte als traurigen Höhepunkt »Biogasanlage« zum lokalen ‚Unwort des Jahres’ 2011. »Das eigentliche Problem waren nicht die Befürchtungen der Bürger hinsichtlich Einschränkung von Landschaftsschutz und Lebensqualität sowie Geruchs- und Verkehrsbelästigungen«, erinnert sich Ruth Märtin, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit der Stadtwerke Springe. »Vielmehr fühlten sich die Anwohner ignoriert, da das Projekt nicht von Anfang an mit gezielter Öffentlichkeitsarbeit begleitet wurde. Als die Stadtwerke Springe dazu kamen, waren die Fronten bereits verhärtet. Wir haben zwar lediglich das in der Anlage produzierte Biogas abgenommen, umgewandelt und verteilt, standen aber mit in der Kritik.« Durch monatelange Öffentlichkeitsarbeit und persönliche Gespräche mit Anwohnern, Naturschützern und Presse gelang es, die Diskussion zu versachlichen und Akzeptanz zu schaffen. Die Biogasanlage lieferte längst grünen Strom, als auch die letzte Klage abgewiesen wurde und wieder Ruhe in Springe einkehrte.

Nicht unumstritten war auch der Bau eines Biomasse-Heizkraftwerks im Braunschweiger Stadtteil Gliesmarode. Die Entscheidung fiel Anfang 2013 so kurzfristig, dass sich die Anwohner zu spät eingebunden fühlten. Zudem lag der Kraftwerksstandort im Umfeld eines kontaminierten Industriegeländes – von Schadstoffbelastungen hatten die Gliesmaroder mehr als genug. »Die Bürger reagierten durch die Vorbelastung besonders kritisch«, sagt Romana Ringel vom Betreiber BS|ENERGY. »Mit den Erfahrungen aus Springe im Hinterkopf haben wir eine umfassende Informations- und Dialogoffensive begonnen, um die Bedenken zu entkräften.« Projektvorstellung und Fragerunde im Stadtrat, eine groß angelegte Bürger-Informationsveranstaltung und die Veröffentlichung von Gutachten und Anlagendetails unterstützten die sachliche Auseinandersetzung. Um die abstrakten Planungen greifbarer zu machen, lud BS|ENERGY Lokalmedien zur Baustellenbegehung und Anwohner in ein vergleichbares Kraftwerk ein. Die Bemühungen wurden honoriert. Zur Inbetriebnahme-Feier der Anlage im Mai 2014 belegte eine Umfrage den Stimmungswandel: Die Akzeptanz für das Kraftwerk hatte sich von der ersten Bekanntgabe bis zur Inbetriebnahme deutlich verbessert. Gewünscht hätten sich die Anwohner allerdings frühere Informationen. »So transparent wie möglich und vor allem frühzeitig zu informieren, ist entscheidend für die Akzeptanz vor Ort«, sind sich Ruth Märtin und Romana Ringel einig. Für den optimalen Zeitpunkt gebe es laut Märtin allerdings kein Patentrezept. Ingenieure, Pressestelle und Geschäftsführung müssten gemeinsam abwägen: Besteht bereits genügend Klarheit über den Anlagenbau, um seriös zu informieren? Gibt es noch ausreichend Spielraum, damit man die Bürger ernsthaft in die Planungen einbeziehen kann? Ist der richtige Zeitpunkt gefunden, kann die Bevölkerung durch umfassende Öffentlichkeitsarbeit gezielt eingebunden und möglichst breite Akzeptanz geschaffen werden. Anwohner wollen heute stärker einbezogen werden, gerade wenn es um Projekte vor ihrer Haustür geht. Frühzeitige Information und Transparenz ist daher entscheidend bei der Errichtung von Energieanlagen.


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Aus dem Unternehmen

Markt Beschäftigte Umwelt Gesellschaft

Veolia befragt seine Stakeholder

Umweltfreundliche Nahwärmeinseln

Gute Dienstleistungen und faire Beschäftigung sind bedeutender als Sponsorings und der Dialog mit Interessengruppen wird wichtiger: Mit der zweiten Wesentlichkeitsbefragung setzt sich Veolia systematisch mit den Erwartungen seiner Anspruchsgruppen auseinander. Sie wurde erstmals für alle drei Geschäftsbereiche durchgeführt – Wasser, Energie und Entsorgung. Von Mai bis August antworteten 120 interne und externe Befragte. Sie bewerteten die Relevanz von 29 Nachhaltigkeitsthemen in den Bereichen Markt, Umwelt, Beschäftigte und Gesellschaft. Die Ergebnisse dienen Veolia dazu, die Nachhaltigkeitsaktivitäten weiterzuentwickeln, die richtigen Schwerpunkte zu setzen und die Berichterstattung konsequent entlang der Erwartungen auszurichten. Die Ergebnisse fließen außerdem in den künftigen spartenübergreifenden Nachhaltigkeitsbericht ein.

Fast immer geht es in der Energiewende-Diskussion um Strom, doch etwa 73 Prozent des Energieverbrauchs in privaten Haushalten macht Wärme aus. Bei den Stadtwerken der Veolia Gruppe setzt man deshalb auf umweltfreundliche Fernund Nahwärmeversorgung. So eröffnen die Stadtwerke Görlitz nach dem Erfolg ihres 2012 gestarteten ersten Energie-Effizienz-Quartiers (EEQ) im Oktober ihre zweite Nahwärmeinsel. Besonderheit: Das Herzstück, ein BHKW-Modul und zwei Erdgasbrennwertkessel, befindet sich in der Justizvollzugsanstalt und versorgt von dort aus mehrere Großkunden. Auch in Braunschweig baut der Versorger BS|ENERGY nicht nur eines der ältesten und dichtesten Fernwärmenetze Deutschlands weiter aus, sondern schafft zusätzlich Nahwärmeinseln in der Größe von etwa 80 Häusern. Als Energiezentrale dient hier das Biomasseheizkraftwerk Gliesmarode.


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Aus dem Unternehmen

Madame Plastique auf großer Fahrt Ein Zeichen gegen die Verschmutzung der Meere haben Hauptsponsor Veolia und der NABU bei der diesjährigen Kieler Woche, dem wichtigsten Segelsportereignis Deutschlands, gesetzt. Nach einer Strandsäuberungsaktion zum Auftakt baute die Berliner Künstlerin Sandra Wiesenthal live vor dem Publikum im Regattazentrum ein schwimmfähiges Boot aus Abfall. Daneben vertiefte NABU-Experte Dr. Kim Detloff das Thema Meeresverschmutzung mit Vorträgen. Krönender Abschluss: Die Bootstaufe und Jungfernfahrt der »Madame Plastique« im Hafenbecken mit dem Regatta-Gewinner der LaserKlasse Philipp Buhl und der »Meerjungfrau« Malin Graumann, gewandet in einem Kleid aus 99,9 Prozent wiederverwendeten Abfallstoffen.

Kreisläufe schließen – auch im Büroalltag

Meerwasser-Entsalzung mit Öko-Energie

An allen 200 Standorten in Deutschland setzt Veolia in den Büros Recyclingpapiere ein. Im Vergleich zu Frischfaserpapieren werden dabei 83 Prozent Wasser und 72 Prozent Energie eingespart, zudem müssen keine Bäume gefällt werden. Der besondere Clou: Veolia bezieht das Recyclingpapier von der Steinbeis Papier GmbH, die Büropapiere komplett aus Altpapier herstellt, das wiederum von Veolia geliefert wird. So schließt sich der ökologische Kreislauf und es können beste Einkaufskonditionen erzielt werden. Veolia plant, künftig europaweit in allen Büros Recyclingpapier einzusetzen und damit einen aktiven Beitrag zur Ressourcenschonung zu leisten.

Masdar, Energiegesellschaft aus Abu Dhabi, und der VeoliaTechnologiespezialist SIDEM arbeiten künftig bei einem ehrgeizigen Projekt zur Meerwasserentsalzung mit erneuerbaren Energien zusammen. Bei dem Pilotprogramm werden am Persischen Golf unter schwierigen naturräumlichen Bedingungen energieeffiziente, von Veolia speziell entwickelte Vorbehandlungsverfahren und Membran-Entsalzungstechnologien getestet, die über Erneuerbare betrieben werden und eine Energierückgewinnung bis zu 98 Prozent möglich machen. Bei Erfolg soll die Technologie auf weitere Anlagen in den Vereinigten Arabischen Emiraten übertragen werden.


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IFAT 2014: Ressourceneffizienz beim Messestand Ressourcen für die Welt – unter dieser Überschrift hat Veolia sein integriertes Dienstleistungsangebot für Industrie und Kommunen auf der Branchenmesse IFAT 2014 in München präsentiert. Der Ansatz der Kreislaufwirtschaft prägte auch den Messestand selbst. Insgesamt 87 Prozent der eingesetzten Materialien, darunter viel Holz und Textilien, waren wiederverwertbare Bestandsmaterialien. Errichtet hat den Stand ein als nachhaltig zertifiziertes Messebauunternehmen. So erhielten die thematischen Schwerpunkte, etwa die Herstellung hochwertiger Ersatzbrennstoffe aus Abfallstoffen als Baustein der Energiewende oder die Strategien zur nachhaltigen Klärschlammverwertung, einen passenden Präsentationsrahmen.

Nahverkehrszüge als Rohstoffquelle

Der Unterdruck im Reinraum verhindert Verbreitung von Asbest-Partikeln Asbest-Entfernung

durch qualifiziertes 317 alte Züge des Pariser Ausbau von Sitzen Karkasse wird zerlegt, Personal im Reinraum NahverkehrsunternehFenster werden entfernt und Treppen mens RATP werden zu Reinigung 97 Prozent recycelt. Dies übernimmt Veolia in den kommenden vier Jahren in einer neuartigen Anlage in Torvilliers im Osten von Paris. Zunächst wird bei den Waggons die Inneneinrichtung ausgebaut, bevor alle AsbestReinigungswasser wird in einem geschlossenen Kreislauf gefiltert, behandelt und wiederverwertet Bestandteile in einem speziellen Raum mit Unterdruck entfernt werden. Das Wasser zur anschließenden Hochdruckreinigung geht in einen geschlossenen Kreislauf und wird wiederverwertet. Anschließend zerlegen Fachkräfte die Karkasse in ihre wiederverwertbaren Komponenten, davon 85 Prozent Stahl, zehn Prozent Metalle wie Kupfer und Aluminium sowie etwa zwei Prozent Glas.


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Der Schatz im Untergrund Einen Schatz hegt man. Auf einen Schatz legt man besonderes Augenmerk, lässt ihn niemals aus den Augen, man beschützt ihn mit aller Kraft. Unsere Ver- und Entsorgungsnetze für Trinkwasser und Abwasser sind solche Schätze. Umso bedauerlicher, dass wir so wenig über sie wissen. Wie soll man etwas beschützen, das man nicht kennt? von Laurent Hequet


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»Was vielerorts noch immer fehlt, ist eine nachhaltig wirksame Strategie, die Netze so zu unterhalten, dass man künftigen Generationen etwas überlassen kann, mit dem man weitere Jahre, Jahrzehnte vernünftig arbeiten kann – ohne finanziell in die Knie zu gehen.« Laurent Hequet, Direktor Geschäftsbereich Wasser, Veolia Deutschland

Bekanntermaßen ist das Geld knapp. Da mag es verständlich sein, dass die Kommunen, denen dieser Schatz im Untergrund gehört, sich viel zu oft darauf verständigen (müssen), nur das Nötigste zu tun. Reparieren – ja. Aber wie sieht es mit vorausschauenden Sanierungskonzepten aus? Was vielerorts noch immer fehlt, ist eine nachhaltig wirksame Strategie, die Netze so zu unterhalten, dass man künftigen Generationen etwas überlassen kann, mit dem man weitere Jahre, Jahrzehnte vernünftig arbeiten kann – ohne finanziell in die Knie zu gehen. Deshalb muss eine Strategie her, die sich mit der zumeist angespannten, wenn nicht bedrohlichen kommunalen Haushaltslage in Einklang bringen lässt. Die Versorgung der Menschen mit Trinkwasser und die Abwasserbeseitigung nach hohen Umweltstandards fallen hierzulande in die Zuständigkeit der Kommunen beziehungsweise Verbände. Es handelt sich dabei um Kernaufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Entscheidungshoheit, wie man mit dem Schatz im Untergrund in Zukunft umgehen will, obliegt folglich den Kommunen und Verbänden. Als Dienstleister in dieser Branche sind wir selbstverständlich daran interessiert, den Trägern der öffentlichen Daseinsvorsorge die entsprechenden Konzepte an die Hand zu geben. Darin sehen wir – neben dem Betrieb von Anlagen und Netzen – unseren Beitrag. Wir haben in der Veolia-Gruppe mit Prosa-K, kurz für Prognose- und Szenarioanwendung Kanal, ein modernes, sinnvolles Konzept entwickelt, womit es Kommunen und Verbände leichter haben, eine zukunftsfähige Sanierungsstrategie für ihre Abwasserkanalisation zu entwerfen und zu verfolgen. Es gilt nämlich genau abzuwägen, wo man die wenigen Mittel am sinnvollsten einsetzt. Das setzt voraus, dass man weiß, in welcher Verfassung sich die öffentliche Kanalisation befindet.

Diese Fakten liefern zum Beispiel Kamerabefahrungen von Kanalabschnitten. Was vielen Entscheidungsträgern bisher fehlte, war eine Gesamteinschätzung dessen, was sich dort im Verborgenen tatsächlich abspielt. Aus den Kamerabefahrungsdaten kann in Verbindung mit weiteren grundlegenden Informationen eine nachhaltige Sanierungsstrategie für Kanalnetze abgeleitet werden. Doch falsch wäre, im Stil eines Feuerwehreinsatzes nur dort zu löschen, wo es im Augenblick brennt. Die Frage, die man sich stellen sollte: Ist dieses Geld wirklich sinnvoll eingesetzt? Oder würde man bei einer besseren Kenntnislage nicht doch einen anderen Weg einschlagen? Einen, der die Zukunft im Blick hat? Das gilt genauso im Hinblick auf die Wasserversorgungsnetze. Über zwei Milliarden Euro werden jedes Jahr deutschlandweit in die öffentliche Wasserversorgung investiert. Das meiste Geld verschlingen naturgemäß die Netze. Aber das zieht auch Erfolge nach sich: Die Wasserverluste wurden vor allem in größeren Städten beachtlich reduziert. Schwieriger verhält es sich da bei den langen Wegen und verzweigten Strukturen im ländlichen Raum. Aber dort können eine kluge Investitionsstrategie und eine konsequente Unterhaltung des Netzes helfen. Auch dafür hat die Veolia-Gruppe bereits ein geeignetes Instrument entwickelt, um dem zwangsläufig fortschreitenden Alterungsprozess der Trinkwasser-Infrastruktur zu begegnen. Bei allem gilt, bestehende Werte zu sichern und die Schätze im Untergrund zu beschützen. Der Zukunft zuliebe.


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Was vom Kühlschrank übrig bleibt Wie aus alten Geräten neue Rohstoffe werden

Zuführen, zerkleinern, zurückgewinnen Sie stammen aus Großküchen oder Privathaushalten, aus den verschiedensten Baujahren und weisen nicht nur optisch die Zeichen der Zeit auf: die rund 450 Kühlgeräte, die täglich bei Veolia Umweltservice in Hannover angeliefert werden. Insgesamt fallen in Deutschland jährlich mehrere Millionen ausrangierte Kühlgeräte an, etwa 40 Prozent von ihnen finden den Weg in eine Aufbereitungsanlage. Viele der Geräte enthalten immer noch klimaschädliches FCKW als Kälte- und Treibmittel in den Kältekreisläufen und der Isolierung, das umweltverträglich verwertet bzw. entsorgt werden muss. Gleichzeitig kommen in Hannover Modelle aufs Band, in denen explosive Kohlenwasserstoffe zur Kühlung genutzt werden. Sie ersetzen das seit 1995 verbotene FCKW. Während vor einigen Jahren Kühlgeräterecyclinganlagen nur auf ein Treibmittel ausgerichtet waren, arbeitet die 2011 modernisierte Anlage in Hannover im Mischbetrieb: Als eine der modernsten in Europa verarbeitet sie gleichzeitig brennbare Treibmittel wie Pentan und nicht brennbare Treibmittel wie FCKW. Dieses Verfahren ermöglicht es Veolia, rund 50 Kühlgeräte pro Stunde in einem zweistufigen Prozess umweltgerecht zu recyceln.

Der Weg durch die Recyclinganlage: In der ersten Prozessstufe werden Kältemittel und Kältemaschinenöl abgesaugt, getrennt und aufgearbeitet.

Das Kältemaschinenöl wird ausgegast, das Kältemittel durch eine Druckerhöhung kondensiert und beides abgefüllt.


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Nach der Demontage von Gerätekompressoren, Kupferleitungen und Fremdanteilen …

Die Kühlschränke werden dort zerkleinert, die Wertstoffe separiert. Am Ende dieses Prozesses füllen sich Container mit Materialien wie Aluminium, Kunststoff und Eisen.

… verschwinden die Geräte über das Förderband in den zweiten Teil der Anlage.

Seinen eigenen Weg nimmt der geschredderte Polyurethan-Schaum aus den Isolierungen: In der Pelletierpresse wird ihm durch hohe Temperaturen und Druck das Treibmittel entzogen. Die Gase werden aufgearbeitet, kondensiert und kontrolliert zurückgewonnen.

Neben modernster Technik gewährleisten regelmäßige Kontrollen – wie hier durch Anlagenleiterin Jessica Stolz – die hohe Sicherheit der Anlage.


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Die Pflicht zu vernichten

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ei der Zerstörung syrischer Chemiewaffen ist besondere Expertise gefragt, die nur wenige Unternehmen besitzen. Internationale Organisationen haben deshalb auch zwei Veolia-Einrichtungen in England und den USA beauftragt.

In Ellesmere Port macht Veolia im Auftrag des Britischen Verteidigungsministeriums gefährliche Kampfstoffe aus Syrien unschädlich.


Im August 2013 erschütterten grauenvolle Bilder die Welt: Syrische Zivilisten, darunter viele Kinder, wurden Opfer eines Chemiewaffeneinsatzes. Obwohl chemische Waffen bereits seit dem 1. Weltkrieg in den westlichen Ländern verboten sind, werden sie in einigen Staaten weiterhin produziert und gelagert. Ihr Einsatz in Syrien löste international Empörung aus. Nach einer UN-Untersuchung erklärte sich schließlich das syrische Regime bereit, seinen Vorrat von 1300 Tonnen Chemiewaffen bis Mitte 2014 vernichten zu lassen. Für das Abbauprogramm verantwortlich ist die »Organization for the Prohibition of Chemical Weapons« (OPCW) mit Sitz in Den Haag. Die Vernichtung der besonders giftigen Chemikalien aus dem syrischen Arsenal wurde zunächst an Bord eines US-Spezialschiffs ausgeführt. Die verbleibenden Materialien wurden an private Chemieaufbereitungsanlagen übergeben, darunter auch zwei Veolia-Einrichtungen im britischen Ellesmere Port und in Port Arthur in den USA. Zwei Anlagen, zwei Wege Der Anlage in Ellesmere Port wurde die Zerstörung im Rahmen eines GiftmüllVertrags mit dem Britischen Verteidigungsministerium übertragen. Großbritannien übernahm aus Syrien 150 Tonnen eines chemischen Ausgangsstoffs namens »B Precursor«, der meist in der pharmazeutischen Industrie verwendet wird. Erst durch das Mischen mit einer zweiten Komponente, dem »A Precursor«, wird daraus eine waffenfähige Chemikalie. »Wir besitzen langjährige Erfahrung mit dem OPCW-Prozedere, da wir in den vergangenen zehn Jahren immer wieder Inspekteure auf der Anlage hatten, die die Zerstörung von gefährlichem Material überwacht haben«, berichtet David Lusher, Chef des Entsorgungsbereichs bei Veolia in England. »Normalerweise bauen wir eine Chemikalie eines Industrieunternehmens ab, die ein Nebenprodukt bei der Herstellung eines Haushaltsutensils ist. In den falschen Händen könnte sie jedoch zu einer gefährlichen Waffe werden, so dass dies von der OPCW überwacht wird«, so Lusher. Port Arthur in Texas wurde im Februar gemeinsam mit einem finnischen Unternehmen ausgewählt, um 500 Tonnen Industriechemikalien zu verbrennen. Die Veolia-Anlage punktete beim strengen Auswahlverfahren neben moderner Behandlungstechnik, hohen Sicherheits- und Umweltstandards sowie logistischen Ressourcen vor allem mit Erfahrung. Mitch Osborne, an der Golfküste als Manager für Gefahrenstoffe und deklarierungspflichtigen Abfall zuständig, erläutert: »Team und Anlage haben große Erfahrung mit wichtigen und öffentlichkeitswirksamen Projekten und bereits bewiesen, dass hier gefährliche Stoffe mit dem größtmöglichen Schutz von Beschäftigten und Anwohnern vernichtet werden können.« Die irreversible Zerstörung In beiden Anlagen wurden Vorprodukte der chemischen Kampfstoffe bei hohen Temperaturen verbrannt, in ihre Gasbestandteile zerlegt und von Säuren, festen Partikeln und Schwermetallen gereinigt. Der gesundheits- und umweltfreundliche Verlauf der Prozesse wurde mit Emissionsmessungen durchgängig sichergestellt. Besonderes Augenmerk lag auch auf der Einbindung der Gemeinden und Bürger vor Ort. »Auch wenn es keinen Unterschied zu den Chemikalien gibt, mit denen wir jeden Tag zu tun haben, ist es doch klar, dass es vermehrt Fragen zu Materialien direkt aus dem Kriegsgebiet gibt«, so Mitch Osborne. Teil der Kommunikation ist deshalb die Information zu den abgebauten Stoffen, etwa zu Phosphor, der in Halbleitern, Kunststoffen, Dünger oder Pestiziden zu finden ist, oder zu Chlorwasserstoff, mit dem laut Osborne auch Wege und Swimmingpools gereinigt würden. Auch in Ellesmere Port ist man auf Nachfragen eingerichtet und pflegt einen transparenten Dialog mit den lokalen Ansprechpartnern. »Wir haben viel Zeit darauf verwendet, Anwohnern, Presse und Lokalpolitikern alle Informationen über unsere Prozesse und Sicherheitsstandards zugänglich zu machen«, betont David Lusher. Mit Erfolg: Inzwischen sind nicht nur die Mitarbeiter an beiden Veolia-Standorten stolz darauf, eine entscheidende Rolle bei der Zerstörung der Kampfstoffe zu spielen, sondern mehr und mehr auch die Gemeinden im Umkreis der Anlagen.

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Vom Kehrtag zur Kreislaufwirtschaft Rückblick auf die Geschichte der Stadtreinigung in Dresden

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ährend andernorts noch über getrennte Sammlung von Bioabfällen diskutiert wurde, ging Dresden mit gutem Beispiel voran: Bereits 1995 führte die Stadt flächendeckend die Biotonne ein. Ein Blick in die knapp 150-jährige Geschichte der Dresdner Stadtreinigung zeigt, dass zuverlässiger Entsorgung und gezielter Verwertung dort schon immer ein hoher Stellenwert eingeräumt wurde.

Dresden in den 1930er Jahren: Die Dünger-Export-Gesellschaft fährt ihr »vortreffliches« Produkt, städtischen Kehrricht, ins Umland zu den Bauern.

Im 19. Jahrhundert wuchs Dresden rasant an: Neue Industriebetriebe entstanden und lockten immer mehr Menschen als Arbeiter in die Stadt. Die Einwohnerzahl stieg innerhalb eines Jahrhunderts von 62 000 auf eine halbe Million. Um 1900 war Dresden die viertgrößte Stadt des Deutschen Reiches. Hier florierten vor allem die Industriezweige Feinmechanik, Optik und Genussmittel – und mit ihnen ein reichhaltiges kulturelles und wissenschaftliches Leben. Mit der Bevölkerungsexplosion kam der Abfall. Zwar schrieb die Ratsverordnung von 1712 den Bürgern vor, dienstags und freitags vor der Haustüre zu kehren und den Kehricht dort zu sammeln, wo er sporadisch abgeholt wurde. Doch die Regelung stieß zusehends an ihre Grenzen: Asche wirbelte durch die Luft, unangenehme Gerüche stiegen in die Nase, ansteckende Krankheiten breiteten sich aus. Dieser

Entwicklung musste der Rat der Stadt Dresden dringend Einhalt gebieten. 1873 beauftragte er deshalb die neu gegründete Dresdner-Dünger-Export-Gesellschaft damit, den Abfall »geordnet« zu entsorgen und ihn als »vortreffliches Düngemittel« an die Bauern in der Umgebung zu verkaufen. Damit legte Dresden als eine der ersten Großstädte in Deutschland den Grundstein der heutigen Abfallwirtschaft. Auch in vielen anderen Städten wuchsen die Müllberge. Gleichzeitig mussten neue Straßen und Wege gebaut und gepflegt werden. 1893 erließ der preußische Staat daher das erste Kommunalabgabengesetz zur Finanzierung von Müllsammlung und -transport, Straßenreinigung und Fäkalienabfuhr. Bis 1907 entstanden rund 546 »Städtereinigungen« in Deutschland.


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Von der Aschegrube zur Mülltonne 1928 entschloss sich die Stadt Dresden, die Dresdner Müllabfuhr aufzukaufen. Mit einem Betriebskapital von 50 000 Mark startete sie als städtischer Betrieb. Ausgestattet mit 32 Müllsammelwagen sammelte sie Müll und Schutt, um ihn auf die Halde zu bringen. Das Unternehmen reinigte die Straßen und befreite sie im Winter von Schnee und Eis. Die Fäkalien sammelte es in 18 Speicherbecken, die im gesamten Stadtgebiet verteilt waren. Gleichzeitig löste die einheitliche Ringtonne die Aschegruben ab und ließ die Dresdner »aufatmen«. Von der Zerstörung zum Wiederaufbau Der zweite Weltkrieg traf Dresden in unvorstellbarem Ausmaß. Im Februar 1945 zerstörten fünf Luftangriffe das Zentrum fast völlig, ebenso weite Teile der Vorstädte. Allein die Innenstadt war unter 12 Millionen Kubikmetern Trümmern begraben. Was Dresden jetzt vordringlich brauchte, war die Wiederherstellung lebenswichtiger Teile der kommunalen Infrastruktur. Die Trinkwasserversorgung musste gesichert, die Stadt enttrümmert und Straßen neu gebaut werden. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs packte die Dresdner Müllabfuhr mit an, transportierte mit den wenigen verbliebenen Fahrzeugen Trümmer aus der Stadt und entsorgte gesundheitsschädliche Abfälle. Vieles von dem, was zu anderen Zeiten weggeschmissen wurde, fand in der Nachkriegszeit Verwendung. Anfang der 1950er Jahre begann der Wiederaufbau Dresdens und auch die städtische Müllabfuhr wurde – jetzt als volkseigener Betrieb – neu aufgebaut. 1960 startete Dresden schließlich das erste Sammelsystem für Flaschen, Gläser und Papier. Von der Müllbeseitigung zur Wiederverwertung Nach der Wiedervereinigung nahm die Stadtreinigung Dresden (SRD) als 100-prozentige Tochter der Landeshauptstadt Dresden bundesweit eine Vorreiterrolle in der Abfallwirtschaft ein. 1992 führte Dresden die Gelbe Tonne und die erste mobile Schadstoffsammlung ein. 1995 folgte die flächendeckende Biotonne. Bereits seit 1994 rechnet die SRD die Abfallgebühren verursachergerecht ab. Die Restabfälle aus Dresden werden seit 2001 in einer Biologisch-Mechanischen Abfallaufbereitungsanlage aufbereitet und verwertet, so dass die Hausmülldeponie bereits vier Jahre vor dem gesetzlich vorgeschriebenen Termin geschlossen werden konnte. Mit der Entscheidung, aus der Stadtreinigung Dresden eine öffentlich-private Partnerschaft zu machen, schlug Dresden 2004 einen neuen Weg ein. Heute hält die Landeshauptstadt Dresden 51 Prozent an der SRD, Veolia 9 Prozent. Seither konnte die SRD ihre Wettbewerbsfähigkeit deutlich steigern. Mit 350 Mitarbeitern ist sie heute das führende Abfallwirtschaftsunternehmen im Großraum Dresden. Sowohl den Service als auch die Produkte hat das Unternehmen noch stärker auf die Kunden ausgerichtet. Auch in Zukunft wird die SRD individuelle Lösungen rund um Entsorgung, Reinigung, Winterdienst, Werkstatt- und Waschservice bieten: für Gewerbe- und Privatkunden, öffentliche Auftraggeber und die Wohnungswirtschaft.

1900 Straßenkehrer in Dresden

1927 Angestellte der DüngerhandelsAktiengesellschaft

Mitte der 30er Jahre Ein Wagen der Müllabfuhr

1932 Blick von oben auf den Tatzberg vor dem Krieg

2001 Inbetriebnahme der BiologischMechanischen Abfallaufbereitungsanlage

Heute Seit 140 Jahren liegt der Betriebshof der Stadtreinigung Dresden innerstädtisch am Tatzberg


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Termine 20. – 21. Oktober, Mannheim VKU-Fachkonferenz: Energiedienstleistungen 2014

25. – 26. November, Berlin 13. Wasserwirtschaftliche Jahrestagung

Energieeffizienz – Herausforderungen und Chancen für Stadtwerke

Energetische Verwertung von Klärschlämmen

www.vku.de > Veranstaltungen

www.ew-online.de > Veranstaltungen > Gesamtübersicht

22. – 23. Oktober, Offenburg Biogas – expo & congress Drei Länder – ein gemeinsamer Markt. Die Veranstaltung verbindet die Biogas-Branche in Deutschland, der Schweiz und Frankreich

5. November – 7. Dezember, Amsterdam The 7th International Symposium on Non-CO2 Greenhouse Gase Symposium mit dem Fokus: Innovationen für eine nachhaltige Zukunft

www.biogas-offenburg.de

www.ncgg.info

23. – 24. Oktober, München 8. Netzwerk21Kongress 2014

3. Dezember, Berlin Gasdialog 2014

Bundesweiter Kongress für regionale Nachhaltigkeitsinitiativen

Beiträge und Diskussionen zur Weiterentwicklung des Gasmarktdesigns

www.bdew.de > Veranstaltungen > BDEW-Leitveranstaltungen

www.netzwerk21kongress.de

12. – 13. November, Dortmund Inspektions- und Sanierungstage

4. – 5. Dezember, Köln 23. Kölner Abfalltage 2014

DWA-Tagung mit begleitender Fachausstellung zu Entwässerungssystemen

Eckpunkte der Kreislaufwirtschaft – Recyclingquoten, Wettbewerb, Produktverantwortung

de.dwa.de/inspektions-und-sanierungstage

www.koelner-abfalltage.de

18. – 19. November, Frankfurt/Main Umweltgipfel 2014 Forderungen – Strategien – Lösungen für die Umweltbranche mit Vertretern der Industrie, Kommunen und Ministerien

www.conferencegroup.de > kongresse > Verpackung – Umwelt

Veolia in Deutschland

Wasser

Energie

Entsorgung

12.000 Beschäftigte

1,9 Mrd. Euro Umsatz

200 Standorte

Impressum: nahdran. Aus Branche und Unternehmen | Herausgeber: Veolia Deutschland, Unter den Linden 21, 10117 Berlin, www.veolia.de/nahdran | Redaktion: Matthias Kolbeck (verantwortlich für den Inhalt), Sabine Kraus, Dr. Martina Bruckschen, Telefon: 030-2062956-72, nahdran@veolia.de | Druck: AlsterWerk MedienService | Konzept, Realisierung, Illustrationen: Johanssen + Kretschmer Strategische Kommunikation | Illustrationen: Jörg Block | Bildnachweise: Shutterstock/Blazej Lyjak (S. 2), Shutterstock/Lisa S. (S. 2), Shutterstock/gameanna (S. 2), privat (S. 6), Billund BioRefinery (S. 7), Veolia/Christian Beeck (S.14), idé (S. 15), Veolia Wasser/Jeibmann Photografik (S. 17), Tom Baerwald (S. 18 –19), Veolia/Fichier (S. 20), Stadtreinigung Dresden (S. 22–23) | Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion. Gedruckt auf 100% Recyclingpapier.


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