DIE STUMME SERENADE Textbuch

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Textbuch!(dt.)

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DIE!! STUMME!SERENADE! Komödie!in!zwei!Akten! (sechs!Bilder,!Vorspiel!und!vier!Zwischenspiele)!

Musik!von!

ERICH!WOLFGANG!KORNGOLD! OP.$36$

Buch!von!

VICTOR!CLEMENT!

(unter!Benutzung!einer!deutschen!Einrichtung!von!Raoul!Auernheimer)!

Gesangstexte!von!

N

IC

BERT!REISFELD!und!E.!W.!KORNGOLD!

Bühnenvertrieb in Deutschland:

Musik und Bühne Verlagsgesellschaft mbH Bahnhofstraße 44-46 | 65185 Wiesbaden ----------------------------------------------------------------e-mail: post@musikundbuehne.de Internet: www.musikundbuehne.de 09/16


Alle Rechte vorbehalten. Hierzu zählen insbesondere das Recht der Übersetzung, Verfilmung und Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen und sonstige Medien, der mechanischen Vervielfältigung und der Vertonung (Neuvertonung), die Verwendung zu Bühnenzwecken, Vorlesungen und Aufführungen, gleich ob von Amateur- oder Profibühnen sowie anderen Interessenten.

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Text, Komposition sowie Text- und Musikmaterial des Bühnenwerks werden Bühnen / Veranstaltern ausschließlich für Zwecke der Aufführung nach Maßgabe des jeweiligen Aufführungsvertrags zur Verfügung gestellt. Jede darüber hinausgehende Verwertung von Text und /oder Musikmaterial des Bühnenwerks bedarf der ausdrücklichen vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für dessen Vervielfältigung, Verbreitung, elektronische Verarbeitung, Übermittlung an Dritte und Speicherung über die Laufzeit des Aufführungsvertrags hinaus. Die vorstehenden Sätze gelten entsprechend, wenn Bühnen / Veranstaltern der Text oder das Musikmaterial des Bühnenwerks ohne vorherigen Abschluss eines Aufführungsvertrages zur Ansicht zur Verfügung gestellt wird. Weitere Einzelheiten richten sich nach den zwischen Bühnen / Veranstaltern und Verlag getroffenen Vereinbarungen. Dieser Text und die damit verbundene Komposition gilt bis zum Tag der Uraufführung / deutschsprachigen Erstaufführung / bis zur Erstübersetzung / der Neuübersetzung als nicht veröffentlicht im Sinne des Urheberrechtsgesetzes. Es ist nicht gestattet, vor diesem Zeitpunkt das Werk oder einzelne Teile daraus zu beschreiben oder seinen Inhalt in sonstiger Weise öffentlich mitzuteilen oder sich öffentlich mit ihm auseinanderzusetzen. Nicht vom Verlag genehmigte Verwertungen verletzen das Urheberrecht und können zivilrechtliche und ggf. auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.

Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Dieses Material darf weder verkauft, noch verliehen, noch sonst irgendwie weitergegeben werden.

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Wird das Stück nicht zur Aufführung angenommen, so ist das Manuskript umgehend zurückzusenden an:

Musik und Bühne Verlagsgesellschaft mbH

Bahnhofstraße 44-46 | 65185 Wiesbaden ----------------------------------------------------------------e-mail: post@musikundbuehne.de Internet: www.musikundbuehne.de


Besetzung) Es#treten#auf#(in#der#Reihenfolge#ihres#Erscheinens#auf#der#Bühne):#

SILVIA)LOMBARDI#–#Schauspielerin##(Sopran)#

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BETTINA#–#Silvias#Kammerfrau#(Sprechrolle)# LOUISE#–#Probierdame#im#Modesalon#„La#Bella#di#Napoli“#(KoloraturESopran)# LAURA#–#Geschäftsführerin#ebenda#(Sprechrolle)#

DREI)MANNEQUINS#(später#DREI)ZOFEN)#(Sopran,#Mezzo#und#Alt#/#Tänzerinnen)# ANDREA)COCLÉ#–#künstlerischer#Leiter#des#Modesalons#(SpielEBariton)# SAM)BORZALINO#–#Reporter#(Buffo#/#Tenor#oder#Bariton)#

CARETTO#–#Polizeiminister#(Charakterkomiker#/#Bassbariton)#

BENEDETTO)LUGARINI#–#Ministerpräsident#und#Regierungschef,#verlobt#mit#Silvia#(Sprechrolle)# Diener#des#Ministerpräsidenten#(Sprechrolle)# PATER)ORSENIGO)(Sprechrolle)# Der#Vorsitzende#(Sprechrolle)#

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Ein#OfRizier#(Sprechrolle)#

CARLO)MARCELINI#(Sprechrolle)#

Richter,#Gerichtsdiener,#Soldaten#und#Zuschauer#im#Gerichtssaal#

Ort#der#Handlung:#Neapel# Zeit:#1820#


Besetzung)des)Kammerorchesters)

1)Flöte) 1)Klarinette)

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2)Klaviere
 (das%erste%spielt%auch%Celesta)%

Schlagwerk:
 Pauken,%Glockenspiel,%Xylophon,%Vibraphon,%Triangel,%Kleine%Trommel,%Tamburin,%Große%Trommel,% Becken,%Gong% 2)Violinen
 (eventuell%mehrfach%besetzt)% 1)Cello
 (eventuell%mehrfach%besetzt)%

N

IC

1)Trompete))A)links)der)Szene)


Inhaltsverzeichnis.

Nr.$1

Ouvertüre$(mit$szenischem$Vorspiel)$………………………………………………………

7

I..AKT.6.ERSTES.BILD.
 (Im$Modehaus$„Bella$di$Napoli“.$Am$nächsten$Morgen.)

9

Paris$(Louise,$Mannequins)$……………………………………………………………………

11

Nr.$3

Melodram$(Andreas$Auftritt)$………………………………………………………………….

14

Nr.$4

Lied.zur.Puppe$(Andrea)$……………………………………………………………………….

17

Nr.$5

Melodram$(Silvias$Auftritt)$…………………………………………………………………….

18

Nr.$6

„Ein.Modell.von.Coclé"$(Silvia)$………………………………………………………………

19

Nr.$7

„Ein.Schneider.ist.kein.Mann“$(Duett$Silvia$P$Andrea)$……………………………

27

Nr.$8

Arretierung.(Zwischenspiel:$Straße$vor$dem$Modehaus.$Mittags.)……………

37

Nr.$9

„Louise“$(Duett$Louise$P$Sam)$…………………………………………………………………

40

I..AKT.6.ZWEITES.BILD.
 (Amtszimmer$des$Ministerpräsidenten.$Am$gleichen$Tag.)

43

Nr.$10

Fanfare.………………………………………………………………………………………………….

43

Nr.$11

Lied.vom.Glück$(Silvia)$………………………………………………………………………….

48

Zwischenspiel.(Das$Vorzimmer$des$Ministers.$Unmittelbar$anschließend.).

53

Nr.$12

Polizeicouplet.(Caretto).………………………………………………………………………..

53

Nr.$13

Melodram$(Carettos$Abgang)$………………………………………………………………….

56

I..AKT.6.DRITTES.BILD$
 (Kerkerzelle$im$Castel$Uovo.$Abends.)

57

Nr.$14

„Ich.hab’.mich.so.verliebt“$(Andrea)$………………………………………………………

57

Nr.$15

Finaletto.[Melodram].(Silvia,$Andrea,$Caretto)$……………………………………….

66

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Nr.$2


Entr’akt$(wie$Nr.$9)$…………………………………………………………………………………

71

II..AKT.6.ERSTES.BILD$
 (Gerichtssaal.$Am$nächsten$Morgen.)

71

Nr.$17

Introduktion.…………………………………………………………………………………………

71

Nr.$18

Auftritt.der.Richter.………………………………………………………………………………

75

Nr.$19

Serenade.(Silvia,$Andrea).………………………………………………………………………

83

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Nr.$16

Nr.$20

Silvias.Abgang.………………………………………………………………………………………

87

Zwischenspiel.(Vorraum$des$Gerichtssaales.$Anschließend.)……………………

87

Entr'akt$(wie$Nr.$11)$………………………………………………………………………………

90

II..AKT.6.ZWEITES.BILD
 (Silvia$Lombardis$Boudoir.$Am$selben$Abend.)

90

Nr.$22

Tanz6Pantomime$(Die$3$Zofen)$………………………………………………………………..

91

Nr.$23

„Ohne.Dich“$(Silvias$Liebeslied)$……………………………………………………………….

92

Nr.$24

Melodram$(SouperPMusik)$………………………………………………………………………

98

Nr.$25

„Schönste.Nacht“$(Duett:$Silvia$P$Andrea)$……………………………………………….. 104

Nr.$21

Zwischenspiel.(Straße$vor$Silvias$Haus.$Anschließend.)…………………………… 106

Nr.$26

Marsch.und.Revolution$(Andrea,$Caretto,$Soldaten)$……………………………….. 106

109

Nr.$27

Fanfare.(wie$Nr.$10)$……………………………………………………………………………….

109

Nr.$28

Reminiszenz$(„Ich$hab$mich$so$verliebt“)$(Andrea)$…………………………………

116

Nr.$29

Modeschau$(Luise,$Andrea,$Mannequins)$……………………………………………….

118

Nr.$30

Interview$(Duett:$Luise$P$Sam)$……………………………………………………………….

123

Nr.$31

Melodram.und.Schlussgesang$(Silvia,$Andrea)$……………………………………..

135

N

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II..AKT.6.DRITTES.BILD
 (Amtszimmer$des$Ministerpräsidenten.$Zwei$Stunden$später.)


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NR. 1 OUVERTÜRE (MIT SZENISCHEM VORSPIEL)

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Bei geschlossenem Vorhang erklingt im Orchester geheimnisvoll-süße Liebesmusik. Erregte Steigerung. Die Musik reißt plötzlich ab; ein gellender Hilferuf ertönt hinter dem Vorhang, dazu das polternde Geräusch einer zu Boden fallenden Vase. Der Vorhang öffnet sich und beim Fenster steht zitternd und mit erschrockenen und aufgetanen Augen SILVIA LOMBARDI, die berühmte Schauspielerin, Stern erster Größe am Theaterhimmel Neapels. Sie ist in ein reizendes, durchscheinendes Negligé gehüllt, barfüßig. Die Bühne ist nur von einem silbernen Mondstrahl erhellt, der durch das offene Fenster fällt und nach und nach die Umrisse der Gegenstände, so auch Silvias malerisch drapiertes Rokokobett, erkennbar macht. Am Boden, nahe dem Fenster, liegen Blumen und eine schwere kupferne Vase. SILVIA

Zu Hilfe!!

BETTINA

(ihre KAMMERFRAU, eine rundliche Mulattin, kommt gleichfalls im Nachtgewand, aufgeregt von links)

Donna Silvia! Donna Silvia! – Was ist geschehen?

SILVIA

(halblaut)

Ein Mann war hier...

BETTINA

Jesus, Maria und Josef! Ein Mann!

SILVIA

IC

Ja...

N

(dann, ganz leicht)

Warum bist du so aufgeregt?

BETTINA

Das ist ja fürchterlich! Erzähl mir alles!

SILVIA (von BETTINA fürsorglich zu Bett gebracht) Ich lag in tiefem Schlaf. Plötzlich spüre ich jemanden im Zimmer. Ich fahre auf. Ein Mann steht an meinem Bett. ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!7!von!136!


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BETTINA Was für eine Art Mann? SILVIA (auf gekreuzten Beinen im Bett sitzend, hüllt sich fröstelnd in die Decke)

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Ich weiß nicht. Er trug eine Maske. BETTINA

Jesus, Maria und Josef! Eine Maske! — Was weiter!

SILVIA

Er packt mich am Arm, schleppt mich aus dem Bett zum Fenster. BETTINA

Wozu zum Fenster?

SILVIA

Ich weiß nicht. Ich rang mit ihm. Vergeblich! Ein ungewöhnlich kräftiger Mann! BETTINA

Ein Räuber! Er hat dich entführen wollen... Was weiter?

SILVIA

Er hat mich geküsst.

BETTINA

N

IC

Jesus, Maria und Josef!... Was weiter!

SILVIA

(indigniert)

Was meinst du, was weiter? Er hat mich geküsst. Ist das nicht genug? BETTINA

Verzeihung! SILVIA Zum Glück fiel die Vase zu Boden. Er erschrak und sprang aus dem Fenster. Dann bist du gekommen. ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!8!von!136!


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(Sie schlüpft unter die Decke, der Raum beginnt sich zu verdunkeln.) BETTINA Nein, so was! Bei der Braut des Ministerpräsidenten nach Mitternacht einzusteigen! Wir müssen sofort die Polizei verständigen - deinen Verlobten – ganz Neapel — (Sie schreit zum Fenster hinaus.)

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He! Hollah! He! – Luigi! Francesco! Auf! – Heraus aus euren Betten! (sich aus dem Fenster beugend)

Ein maskierter Mann wollte bei uns einbrechen!... Vielleicht ist er noch irgendwo versteckt! Bringt Lichter! Durchsucht das Haus, den Garten! Jeden Winkel! Schnell! (Die Bühne hat sich gänzlich verfinstert, nur im Fenster ist ein schwacher Schein der unten aufbrennenden Lichter.) SILVIA

(im Einschlafen)

Ein ungewöhnlich kräftiger Mann... I. AKT – ERSTES BILD

N

IC

„La Bella di Napoli“. Modesalon im Biedermeiergeschmack. Stil 1830. Empfangsraum. Im Hintergrund die für die Anprobe bestimmten Kabinen, die nach vorne durch einen Vorhang verschließbar sind. Bei der mittleren ist der Vorhang verzogen. Rechts und links ein paar Modepuppen, an denen die in Arbeit begriffenen Damenkleider hängen. Hohe Spiegel an den Wänden des Raumes, Modebilder. Die bebänderten Gardinen dämpfen das durch rundbogige Fenster eindringende Morgenlicht. In den Kabinen künstliche Beleuchtung, von hohen, verschleierten Lampen ausgehend. Es ist früher Vormittag, wenige Stunden nach dem vermuteten Einbruch in der Villa der SILVIA LOMBARDI. Beim Aufgehen des Vorhanges sehen wir drei PROBIERMAMSELLEN damit beschäftigt, das Zimmer für den zu erwartenden Kundenbesuch in Ordnung zu bringen. Auf die gleiche Art gekleidet machen sie einen uniformierten Eindruck. Die ihnen vorgesetzte LOUISE, eine kleine Pariserin, unterscheidet sich von ihnen durch einen damenhafteren Anzug. Die DREI MANNEQUINS schnattern aufgeregt durcheinander. 1. MANNEQUIN

Das ist ja entsetzlich! 2. MANNEQUIN Schauderhaft!

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3. MANNEQUIN Unglaublich! LOUISE (französischer Akzent)

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Chut! Wenn das wirklich alles ist und er gleich wieder aus dem Fenster gesprungen ist… Mon Dieu! Da passieren ganz andere Dinge in Paris! 2. MANNEQUIN

Was kümmert uns dein Paris? Wir sind hier in Neapel.

3. MANNEQUIN

Und die ganze Stadt ist in Aufruhr.

1. MANNEQUIN

In Aufruhr? Das ist nicht der erste Skandal in Neapel. Doch, hoffentlich der letzte. LOUISE

Eine Frau zu entführen, das ist doch nichts Neues!

3. MANNEQUIN

Erlauben Sie! Ich bin neunzehn Jahre alt und bei mir hat’s noch keiner versucht! LOUISE

Mon Dieu! In Paris…

1. MANNEQUIN

N

IC

Da ist das wohl an der Tagesordnung. Ich meine, bei Nacht? LOUISE

Bei Tag u n d Nacht.

1. MANNEQUIN

Erzähl‘ uns mehr von Paris!

2. MANNEQUIN Erzähl‘ uns alles. Wie isst -?

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3. MANNEQUIN Wie trinkt -? 1. MANNEQUIN Wie liebt man in Paris? LOUISE

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Wozu mit Essen und Trinken erst viel Zeit verlieren? Fangen wir gleich mit der Liebe an! NR. 2 „PARIS“ (LOUISE – MANNEQUINS)

LOUISE

WENN’S IN PARIS MITTERNACHT, ZU TOLLEM LEBEN DIE STADT ERWACHT, LICHTER, SIE SCHIMMERN UND FLIMMERN VON TAUSENDEN KERZEN. SINGEN UND KLINGEN, EIN LOCKEN, EIN LACHEN UND SCHERZEN, EIN ZÄRTLICH GEKICHER, EIN KÜSSEN UND KOSEN ERFÜLLET DIE LUFT, WIE BETÖRENDER DUFT VON EXOTISCHEN ROSEN. MANNEQUINS

AH…

LOUISE

EIN PARADIES IST PARIS, EIN WAHRES MÄRCHEN FÜR LIEBESPÄRCHEN.

2. MANNEQUIN

N

IC

MEIN GOTT, WIE AUFREGEND, WIE INT’RESSANT! 1. MANNEQUIN

ERZÄHL‘ UNS MEHR, BITTE, WIR SIND GESPANNT! 2. MANNEQUIN

ERZÄHL‘ VON MONTMARTRE UND ALL DEN BOULEVARDS – 3. MANNEQUIN

VON DEN KLEINEN CAFÉS UND DEN BERÜHMTEN BAZARS. 2. MANNEQUIN VON DEN PLÄTZCHEN UND LAUSCHIGEN ECKEN,

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3. MANNEQUIN WO VERLIEBTE SICH HEIMLICH VERSTECKEN, 2. MANNEQUIN VON DEN BÄNKEN IM PARK UND AM FLUSS, 1. MANNEQUIN

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WO BEI MONDSCHEIN MAN KÜSSEN SICH MUSS! LOUISE

JA, IN PARIS HAT MAN’S LEICHT JEDER VERLIEBTE SEIN ZIEL ERREICHT. REIZENDE FRAUEN SPAZIEREN, STOLZIEREN, FLANIEREN. BLICKE IM DUNKELN, SIE FUNKELN DEN MANN ZU VERFÜHREN. PARIS MUSS MAN SELBER ERLEBEN, DANN FÜHLT MAN DEN ZAUBER DER STADT. WER SIE EINMAL BETRAT, MUSS SICH IHR WILLIG ERGEBEN. MANNEQUINS

AH…

LOUISE

EIN PARADIES IST PARIS, EIN WAHRES MÄRCHEN FÜR LIEBESPÄRCHEN.

MANNEQUINS

N

IC

WENN’S IN PARIS MITTERNACHT, ZU TOLLEM LEBEN DIE STADT ERWACHT. REIZENDE FRAUEN SPAZIEREN, STOLZIEREN, FLANIEREN. BLICKE IM DUNKELN, SIE FUNKELN DEN MANN ZU VERFÜHREN. EIN ZÄRTLICH GEKICHER, EIN KÜSSEN UND KOSEN ERFÜLLET DIE LUFT, WIE EIN BETÖRENDER DUFT VON EXOTISCHEN ROSEN. EIN PARADIES IST PARIS, EIN WAHRES MÄRCHEN FÜR LIEBESPÄRCHEN! LAURA

(Die Direktrice des Unternehmens, eine nicht mehr ganz junge, spitznasige, mit einem Lorgnon bewaffnete Dame, ist während der letzten Takte eingetreten, missbilligend.)

Was treibt Ihr da? Ist heute Feiertag?

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1. MANNEQUIN Oh, Fräulein Laura, wir sind alle so aufgeregt! 2. MANNEQUIN Der Mann im Fenster! Der nächtliche Skandal! LAURA

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Ich interessiere mich nicht für nächtliche Skandale! – An die Arbeit! 3. MANNEQUIN

Der maskierte Räuber im Bett der Lombardi! Das Gespräch der Stadt!

LAURA

Was kümmert‘s uns?

(unvermittelt)

Was sagst du? Im Bett?

ALLE DREI MANNEQUINS

(durcheinander)

Ein maskierter Einschleicher! – Ein Räuber, jedenfalls! Wozu hätte er sonst die Maske - ? LAURA

N

IC

Ruhe, Kinder! - Nicht alle zugleich! - Ich verstehe kein Wort! Was ist geschehen? Was hatte er im Bett zu suchen? Im Bett der Braut des Ministerpräsidenten? ANDREA

(Junger Mann von geschmeidigen Umgangsformen. Modezeichner und so etwas wie das künstlerische Orakel des Unternehmens. Seine Zugehörigkeit zu diesem kommt durch ein um den Hals geschlungenes Zentimetermaß zum Ausdruck und durch die zum Aufstecken von Damenkleidern erforderlichen Stecknadeln, deren er eine große Anzahl in den Rocklappen seines modisch geschnittenen Anzuges trägt. Geräuschlos eintretend und an der Türe stehenbleibend, hört er dem Geschnatter eine Weile zu.) LOUISE

C’est evident. Er wollte die Frau, die darin lag, entführen.

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LAURA Gewaltsam? LOUISE Wie sonst! 2. MANNEQUIN

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Wie romantisch!

LAURA

Hat man ihn schon festgenommen?

3. MANNEQUIN

Man ist ihm nicht einmal auf der Spur!

1. MANNEQUIN

Wer weiß, was dahintersteckt? Bei einer Schauspielerin… NR. 3 MELODRAM (ANDREAS AUFTRITT)

ANDREA

(nach vorne kommend, mit betonter Missbilligung)

Meine Damen, ich kann nicht gestatten, dass hier von Silvia Lombardi in so respektlosem Ton gesprochen wird. LOUISE

IC

(sich über ANDREA lustig machend)

N

WIE GALANT!

1. MANNEQUIN

EIN KAVALIER!

2. UND 3. MANNEQUIN

EIN RITTER!

ANDREA Silvia Lombardi ist eine Dame. Und außerdem ist sie eine Kundin des Hauses. Und Kundinnen sind mir heilig. Wir leben ja von ihnen.

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LAURA Und wie könnten d i e leben ohne Ihre Toiletten, die berühmten Coclécreationen? ANDREA (sachlich)

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Meine Damen, an die Arbeit! (zu den MANNEQUINS)

Sie, Margherita, verlängern die Ärmel der Principessa Martini bis über die Achselhöhlen!

(Er erläutert seinen Auftrag an der im Entstehen begriffenen Toilette, die über einem Haubenstock hängt.)

Sie, Emilie, kürzen den Rock der Comtessa Amalfi,

(wie vorher das Problem am Objekt erläuternd)

um einen schwachen halben Finger breit. Sie hat reizende Knöchel. – Und Sie, meine gute Pauline, lassen das Decolleté der Baronin Arno etwas – beflügelter dem Blütenkelch Ihres Ballkleides entschweben. Hingegen können Sie den Hüftenschwung der Krinoline etwas entmaterialisieren. Verstehen Sie mich? 3. MANNEQUIN

Nein!

ANDREA

N

IC

Das wundert mich nicht! Sie werden sich an meine metaphorische Ausdrucksweise gewöhnen müssen. Ich bediene mich ihrer im geschäftlichen Verkehr, um die Poesie unseres Unternehmens ins Licht zu rücken. Im Privatleben bin ich durchaus normal. LAURA

(entzückt)

Er ist göttlich! Ich könnte ihm stundenlang lauschen!

ANDREA

(ohne auf das Kompliment zu reagieren, sich noch einmal dem DRITTEN MANNEQUIN zuwendend)

Und jetzt, meine Liebe, bringen Sie mir das Staatskleid der Silvia Lombardi.

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LOUISE (auf die mittlere, durch einen vorgezogenen Vorhang abgeschlossene Kabine weisend:) Sie finden es zur Anprobe vorbereitet. ANDREA

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Umso besser. Donna Silvia hat mir ihren Besuch für heute Vormittag angekündigt. LAURA

Wenn sie nicht unterwegs geraubt wird!

ANDREA

Laura, keine unangebrachten Anspielungen! (ablehnend)

Sie sollten

(ihren Anzug kennerisch musternd)

das Jabeau unter ihrem Kinn etwas höher tragen! Noch etwas höher! So etwa! (Er rückt die Spitzenkravatte mit den Fingerspitzen zurecht.) LAURA

Oh, Signor Andrea, wie außerordentlich lieb von Ihnen, dass Sie sich persönlich um mein Jabeau bemühen. Darf ich darin ein, wenn auch nur flüchtiges Zeichen Ihrer Sympathie erblicken? ANDREA

IC

(trocken)

N

Damenkleider stehen meinem Herzen g l e i c h nahe. LAURA

Mit einem Wort, Ihr Herz ist ein Schneideratelier!

(ab mit LOUISE und den DREI PROBIERFRÄULEIN)

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NR. 4 LIED ZUR PUPPE (ANDREA) ANDREA

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(Allein zurückgeblieben, nähert er sich der verschlossenen Kleiderzelle und schickt sich an, den Vorhang beiseite zu ziehen. Überlegt es sich im letzten Augenblick, kehrt um und tritt vor einen Ankleidespiegel, um, wie vor einem Besuch, Halsbinde und Weste mit Schneidergriffen zurechtzurücken. Hierauf zieht er den Vorhang weg. Eine Kleiderpuppe, deren wächsernes Haupt Silvias Züge in täuschender Nachahmung aufweist, in festlicher Gewandung, entschleiert sich seinen anbetenden Blicken. ANDREA tritt bewegt zurück. Dann mit der stolzen Genugtuung des Künstlers:) JA, MADONNA SILVIA, SO SEH‘ ICH DICH IN MEINEM TRAUM! TAUSEND SÜSSE, SEHNSUCHTSVOLLE GRÜSSE, SEND‘ ICH JEDE NACHT ZU DIR. TAUSEND SÜSSE, UNGEKÜSSTE KÜSSE, BRENNEN AUF DEN LIPPEN MIR.

ES GIBT EINEN, DER DICH LIEBT, DOCH GIBT’S KEINEN, KEINEN HOFFNUNGSSCHIMMER, DER MIR SAGT, ICH WERD' NICHT IMMER GANZ ALLEIN SEIN. NIEMALS WIRST DU MEIN SEIN, NIEMALS WIRD MEIN TRAUM ERFÜLLT.

ACH DIESES KLEID, WEISS UM MEIN LEID, WEISS WIE VERLIEBT ICH BIN. STICH FÜR STICH, DACHT‘ ICH AN DICH, HAB‘ JA NUR DICH IM SINN. DU HOLDE ZAUBERIN!

TAUSEND GRÜSSE, UNGEZÄHLTE KÜSSE, SEND‘ ICH MIT DEM KLEID DIR HIN.

N

IC

SCHENK‘ DEM EINEN, DER DICH LIEBT, EINEN KLEINEN, KLEINEN HOFFNUNGSSCHIMMER, DER MIR SAGT, ICH WERD' NICHT IMMER GANZ ALLEIN SEIN, EINMAL WIRST DU MEIN SEIN, EINMAL WIRD MEIN TRAUM ERFÜLLT!

(Nachdem er seine Liebeserklärung beendet hat, zieht er den Vorhang vor und geht ab.)

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NR. 5 MELODRAM (SILVIAS AUFTRITT) (SILVIAs Motiv klingt im Orchester auf. Sie erscheint in der mittleren Türe. LAURA folgt ihr beflissen.) LAURA (sichtlich ein Gespräch fortsetzend)

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Entsetzlich! Dass Sie nicht in Ohnmacht fielen! Ich wäre in Ohnmacht gefallen! SILVIA

Meine liebe Laura, ich beschwöre Sie, sprechen Sie nicht über das Vorgefallene. Was geht mein Privatleben die Leute an? Seit dem frühen Morgen quält man mich mit Fragen. Die Reporter, die Polizei, mein Verlobter, das Komitée adeliger Damen zur Überwachung der öffentlichen Sittlichkeit und weiß der Himmel wer noch! LAURA

Wie peinlich, Donna Silvia!

SILVIA

Darum komme ich hierher. Um dieser lästigen Neugier zu entgehen. Um wenigstens für eine kurze Stunde nichts mehr hören zu müssen von maskierten Räubern und Entführern. LAURA

Ich verstehe.

SILVIA

Wo ist Andrea?

LAURA

N

IC

Er ist im Haus. Vielleicht mit einer Kundin beschäftigt. Ich schicke ihn gleich herein. SILVIA

Danke, Fräulein Laura.

LAURA

Bei dieser Gelegenheit! Eine kleine Kollektion entzückender Pariser Modelle ist soeben angekommen. Wenn wir Ihnen vielleicht etwas vorführen dürften. (SILVIA beim Spiegel, nickt gnädig.) Und bitte sich einstweilen mit diesen Süßigkeiten zu bedienen.

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(Sie weist auf ein Tablett mit Likör und Süßigkeiten.) Fürchten Sie nichts für Ihre Linie. Mit Ihrer Figur können Sie sich alles erlauben. (ab) NR. 6 „EIN MODELL VON COCLÉ“ (SILVIA)

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

(SILVIA schwärmt von Andreas „Coclé-Créationen“, während ihr gleichzeitig die DREI MANNEQUINS die Pariser Modelle vorführen.) SILVIA

WENN EINE FRAU VOR’M SPIEGEL STEHT, VOR IHREM BILD KOKETT SICH DREHT, WONACH IST IHR VERLANGEN; DENKT SIE MIT SÜSSEM BANGEN AN EIN KOLLIER, AN EIN PALAIS?

NEIN, KEINE SPUR, SIE WÜNSCHT SICH NUR: EIN MODELL VON COCLÉ, WIE’S JEDE FRAU IN NEAPEL ERSEHNT, WEIL JEDE WEISS, DASS ES SIE SCHMÜCKT UND VERSCHÖNT.

ES VERWIRRT UND VERFÜHRT SO GEHEIMNISVOLL, EIN PARFUM AUS PARIS. EIN MODELL VON COCLÉ IST WIE EIN STRAHLENDES LIEBESGEDICHT. ES HÄLT BEI NACHT, WAS ES AM ABEND VERSPRICHT, ES UMSCHMEICHELT UND STREICHELT SO SÜSS. OB ES EIN PRUNKKOSTÜM, EIN NEGLIGÉ INTIM, ES JEDEN MANN BESTICHT, HAT SIE ES AN ODER AUCH NICHT!

N

IC

EIN MODELL VON COCLÉ IST WIE EIN FRÜHLING, VON TIZIAN GEMALT. UND SELBST DER GATTE, DER DIE RECHNUNG BEZAHLT, BLEIBT NICHT KALT BEI DEM REIZENDEN DECOLLETÉ VON COCLÉ.

OB ES EIN PRUNKKOSTÜM, EIN NEGLIGÉ INTIM, ES JEDEN MANN BESTICHT, HAT SIE ES AN ODER AUCH NICHT!

EIN MODELL VON COCLÉ IST WIE EIN FRÜHLING, VON TIZIAN GEMALT. UND SELBST DER GATTE, DER DIE RECHNUNG BEZAHLT, BLEIBT NICHT KALT BEI DEM REIZENDEN DECOLLETÉ VON COCLÉ.

! ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!19!von!136!


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ANDREA (in großer Eile und Erbötigkeit herein, verbeugt sich tief) Donna Silvia Lombardi! SILVIA

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Ah, Signor Coclé! Wie befinden Sie sich? ANDREA

Überflüssige Frage, Verehrungswürdigste! Ich befinde mich im Himmel, wenn die bezauberndste Künstlerin Italiens diese irdischen Räume betritt. SILVIA

Keine Übertreibungen, mein Freund!

ANDREA

Angesichts Ihres Angesichts ist Übertreibung unmöglich! SILVIA

Vergessen Sie nicht, Herr Andrea, dass ich hierher kam, um meinen Schneider zu sehen. ANDREA

Ihr Schneider – ich bin’s. Mein äußerer Mensch, mein Gesicht, meine Hände, mein Anzug. Aber wenn Sie tiefer blicken, so werden Sie einem Künstler begegnen und noch etwas tiefer – einem Mann! SILVIA

E i n Grund mehr, Ihre Zunge zu hüten!

IC

ANDREA

N

Nicht meine Zunge, mein H e r z ! Es ist toll vor Liebe! SILVIA

Das kommt vor. Und wer ist die Glückliche! Ist sie schön? ANDREA

Die Schönste der Schönen.

SILVIA Eine Neapolitanerin?

! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!20!von!136!


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ANDREA (nickt) SILVIA Ich glaube, ich kenne sie. Ist sie nicht rotblond wie Mademoiselle Louise? ANDREA

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Mademoiselle Louise ist a u c h nicht rotblond. Aber das Haar der Dame, die ich hoffnungslos bewundere, ist Schwarz. Schwarz wie Ebenholz; schwarz SILVIA

Wie Ebenholz! Sie sagten es ja…

(Sie berührt unwillkürlich eine ihrer schwarzen Korkenzieher-Locken.)

Und – hat die Dame eine Ahnung, was Sie für sie empfinden? ANDREA

Sie weiß von nichts!

SILVIA

Warum sagen Sie’s ihr nicht!

ANDREA

Ausgeschlossen! Ihr Herz gehört einem anderen.

SILVIA

IC

In diesem Falle kann ich Ihnen nur raten, sie zu vergessen. ANDREA

N

Das ist gleichfalls ausgeschlossen.

SILVIA

Liebe ist wie jede andere Krankheit. Nach einer Zeit überwindet man sie. ANDREA

Oder man stirbt daran!

!

! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!21!von!136!


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SILVIA Romeo könnte das gesagt haben! (Sie lacht.) Und was macht mein Kleid?

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

ANDREA Es ist mein Meisterwerk. Wenn S i e es tragen werden. SILVIA

Kann ich es sehen?

ANDREA

Selbstverständlich. Treten Sie bitte hierher.

(Er lässt sie vor der Ankleidekabine Aufstellung nehmen, kalkuliert einen Augenblick lang den Effekt und zieht den Vorhang beiseite. Ein JUNGER MANN tritt aus der Zelle.) DER JUNGE MANN

Hocherfreut Ihre Bekanntschaft zu machen!

(ANDREA und SILVIA starren ihn befremdet an.) ANDREA

(fasst sich zuerst)

N

IC

Wer sind Sie? Und wie kommen Sie da herein?

SAM BORZALINO

(temperamentvoller junger Reporter, von der gewissen Art, die, wenn man ihn zur Tür hinauswirft, durchs Fenster zurückkommt)

Ich bin Reporter!

ANDREA

Das ist keine Entschuldigung: Dies hier ist eine ausschließlich der Damenwelt vorbehaltene Probierzelle. SAM

Darum bin ich hier. Ich habe den Auftrag, Silvia Lombardi zu interviewen. In solchen Fällen gehe ich durch die Wand – besonders, wenn sich in der Wand eine Tür befindet. ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!22!von!136!


!!

SILVIA Was will der Mensch? SAM

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Also Sie sind Donna Silvia! Ich war so frei, in Ihrer Villa vorauszusprechen. Ich hätte mir den Weg ersparen können. Wo trifft man eine berühmte Bühnenkünstlerin in den Morgenstunden? Bei ihrem Schneider! Kein Mensch steht dem Herzen einer schönen Frau näher als ihr Schneider! Nicht ihr Gatte und nicht einmal ihr Liebhaber! SILVIA

(lacht)

Ein verrückter Kauz! Ich habe ihn nie im Leben gesehen. SAM

Aber ich habe Sie gesehen! Gestern Abend als Julia. Ich hatte ein Freibillett. SILVIA

Was Sie nicht sagen! Und wie habe ich Ihnen gefallen? SAM

Ich habe Romeo beneidet!

ANDREA

Wer zum Teufel sind Sie?

SAM

(wirft sich in Positur)

N

IC

Sam Borzalino, der neue Lokalberichterstatter der „Gazetta di Napoli“. SILVIA

Ich lese Ihre Zeitung.

SAM

Ist uns bekannt. Und nun stellen Sie sich vor, wie enttäuscht Sie wären, wenn Sie heute Abend den Überfall in Ihrer Villa in unserem Blatt nicht erwähnt fänden.

!

! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!23!von!136!


!!!!

ANDREA (peinlich berührt) Theaterklatsch! Sie werden doch nicht glauben, dass dieses abenteuerliche Gerücht… SAM

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... mehr als eine Reklamenotiz ist? ANDREA

Lächerlich!

SAM

Vielleicht, aber wo verschaffe ich mir die Tatsachen? Den Einbrecher kann ich nicht fragen. Ich muss mich an sein Opfer halten. Das sind Sie! Also… (Er zückt seinen Bleistift.)

Bitte!

SILVIA

Was wollen Sie?

SAM

Die Tatsachen! Die oben erwähnten Tatsachen!

SILVIA

(setzt sich)

N

IC

Schön! Ich bin in Neapel geboren. Beruf: Schauspielerin. Ich spiele in Stücken von Shakespeare, Molière, Goldoni… SAM

Das wissen wir alles! Erzählen Sie mir etwas über den nächtlichen Besuch im Schlafzimmer. SILVIA

(wendet ihm den Rücken zu)

Darüber habe ich nichts zu sagen.

!

! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!24!von!136!


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SAM (zu SILVIA, um sie in Stimmung zu versetzen) Eine duftende Frühlingsnacht. Unendliche Stille, nur unterbrochen von dem Schluchzen einer einsamen Nachtigall im Garten. Das kann ich aus jedem Feuilleton abschreiben. Dann kommen die Fakten. Im bleichen Mondlicht überwächst eine dunkle Männergestalt das handgeschmiedete Eisengitter des Balkons… Sie haben doch einen Balkon?

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

SILVIA Wenn Sie es wünschen…

SAM

Und der Mann trug eine Maske?

SILVIA

(wendet sich verlegen ab)

SAM

(notiert)

Trug eine Maske. - Und - wer war dieser Balkon-Romeo? SILVIA

Ich habe keine Ahnung!

SAM

(notiert)

IC

Keine Ahnung! Und nachher im Zimmer, was geschah?

SILVIA

N

Darüber wünsche ich mich nicht zu äußern.

SAM

Keine Umarmung? Ein Kuss?

ANDREA

Herr Borzalino, Sie gehen entschieden zu weit! SAM Sie würden erstaunen, wie weit ein Reporter zuweilen zu gehen hat! ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!25!von!136!


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LAURA (gleichzeitig durch die Seitentür eintretend, ohne ANDREA zu bemerken) Bedaure unendlich, Signora Lombardi, ich kann Herrn Andrea… (bemerkt ANDREA)

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Ah, d a ist er! SILVIA

Unsere Unterhaltung ist zu Ende.

ANDREA

(öffnet, vorangehend, die Eingangstür)

Habe die Ehre, Herr Borzalino.

SAM

Ich verstehe die Anspielung.

(sich verabschiedend zu Silvia)

Meine Verehrung! Lesen Sie meinen Artikel im Abendblatt, Sie werden verblüfft sein über das sensationelle Interview, das Sie mir soeben verweigert haben! (ab)

ANDREA

Und nun…

IC

(zieht den Vorhang zur Ankleidekabine beiseite)

N

Ihr Kleid, Madonna! Zur Anprobe bereit!

SILVIA

Ich hoffe, Sie haben alle meine Wünsche berücksichtigt. (Sie beginnt sich zu entkleiden.)

LAURA (hat missvergnügt ihr Lorgnon gezückt) Kann ich vielleicht behilflich sein? ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!26!von!136!


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ANDREA Bemühen Sie sich nicht. Das besorge ich schon selbst! LAURA (mit einem Blick auf Silvias Dekolleté)

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Wenn Donna Silvia nichts dagegen einzuwenden hat. SILVIA

Nicht das Geringste! Ein Schneider ist kein Mann!

ANDREA

(zuckt zusammen, zu LAURA)

Haben Sie gehört, Laura, „Ein Schneider ist kein Mann!“ (deutet aufs Herz)

Das brennt!

LAURA

(sauer)

Sie werden sich noch mehr verbrennen! (ab)

NR. 7 „EIN SCHNEIDER IST KEIN MANN“ (DUETT: SILVIA – ANDREA)

N

IC

(bei gleichzeitiger Anprobe des Kleides)

SILVIA

EIN SCHNEIDER MACHT KLEIDER, EIN SCHNEIDER IST KEIN MANN! ICH ZIER‘ MICH NICHT, GENIER‘ MICH NICHT, SIEHT ER AUCH MEHR ALS MEIN GESICHT, DAS FICHT MICH GAR NICHT AN. ANDREA BIN SCHNEIDER, MACH‘ KLEIDER, FÜR SIE BIN ICH NUR LUFT!

! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!27!von!136!


!!!!

SILVIA ICH STEH‘ VOR IHM IM NEGLIGÉ, BLEIB‘ KÜHL WIE EINE GRUFT. ANDREA

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BIN LEIDER NUR SCHNEIDER UND ZIEH‘ DIE FRAUEN AUS UND AN. SILVIA

EIN SCHNEIDER IST KEIN MANN.

ANDREA

VOR SEHNSUCHT VERGEH‘ ICH UND SIE IST AHNUNGSLOS, ENTKLEIDET SICH UND WEIDET SICH AN MEINER QUAL NOCH SICHERLICH.

SILVIA

DER AUSSCHNITT IST ZU GROSS.

ANDREA

MEIN HERZ ES BLUTET, ES BRICHT ENTZWEI UND SIE BEMERKT ES NICHT, NEIN – SIE LACHT NOCH DABEI! SILVIA

ICH BIN BERÜCKT, ENTZÜCKT, DA IST EIN MEISTERWERK IHNEN GEGLÜCKT. ANDREA

N

IC

ICH DANKE SEHR!

SILVIA

ICH BITTE SEHR!

ANDREA

SIE TUN MIR ZUVIEL EHR! BIN LEIDER NUR SCHNEIDER, VOR LIEBE BIN ICH KRANK. MEIN PULS, ER SCHLÄGT GANZ AUFGEREGT UND SIE BLEIBT VÖLLIG UNBEWEGT. SILVIA DER ROCK IST VORN‘ ZU LANG!

! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!28!von!136!


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ANDREA SIE MACHT MICH RASEND, RAUBT MIR DIE RUH‘! UND SIE BEMERKT ES NICHT, NEIN, SIE LACHT NOCH DAZU. SILVIA

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

ICH BIN BEZAUBERT, ICH BIN ENTZÜCKT, DA IST EIN WUNDERWERK IHNEN GEGLÜCKT. ANDREA

ICH DANKE SEHR!

SILVIA

ICH BITTE SEHR!

ANDREA

SIE TUN MIR ZUVIEL EHR!

SILVIA

KEIN SCHNEIDER, KEIN SCHNEIDER, EIN KÜNSTLER SIND SIE – AU! ANDREA

HAB‘ ICH GEZWICKT?

SILVIA

WIE UNGESCHICKT!

ANDREA

N

IC

MIR BEBT DIE HAND…

SILVIA

WIE UNGALANT, MAN ZWICKT DOCH KEINE FRAU!

ANDREA

ICH MÖCHT‘ SIE AN MICH DRÜCKEN – UND SIE SPRICHT NUR VOM ZWICKEN! WIE SOLL ICH DAS ERTRAGEN? ES SCHLÄGT SICH MIR AUF DEN MAGEN!

SILVIA GENUG PROBIERT! SIE SCHEINEN IRRITIERT! ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!29!von!136!


!!!!

ANDREA BIN GANZ VERWIRRT! DIE ÄRMELLÄNGE? SILVIA GRADE RECHT!

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ANDREA DER HÜFTENSCHWUNG?

SILVIA

GANZ WIE ICH’S MÖCHT!

ANDREA

DIE TAILLE SITZT!

SILVIA

DER GÜRTEL BLITZT!

ANDREA

(mit Geste)

DIE BÜSTE WIRD GESTÜTZT.

SILVIA UND ANDREA

DIE SCHLEPPE WIRD NOCH MEHR GERAFFT, DIE GANZE LINIE NOCH GESTRAFFT. ANDREA

N

IC

ICH WEISS.

SILVIA

DEM MEISTER LOB UND PREIS!

ANDREA

ICH DANKE SEHR!

SILVIA

ICH BITTE SEHR! VOM HERZEN NEHMT MEIN KOMPLIMENT. ANDREA DEN SCHNEIDER FREUT IHR KOMPLIMENT. ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!30!von!136!


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SILVIA UND ANDREA DIE PROBE IST ZU END‘. LAURA (aufgeregt) Signor Andrea! Die P o l i z e i !

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

CARETTO

(tritt ein, verbeugt sich vor SILVIA)

Meine Verehrung, Signora!

(sich aufrichtend und ANDREA ins Auge fassend)

Ich bin der Polizeimeister von Neapel.

ANDREA

Mein Name ist Coclé.

SILVIA

Bin ich im Wege? Unsere Probe ist ohnehin zu Ende.

CARETTO

Im Gegenteil. Darf ich bitten, zu bleiben?

SILVIA

Wie Sie wünschen, bitte.

N

IC

(Sie setzt sich.)

ANDREA

Womit kann ich Ihnen dienen?

CARETTO

Ich wollte Sie um eine Auskunft bitten.

(entnimmt seiner Tasche eine schwarze Maske, die er an den Schnüren vor sich hinhält.) Diese Maske trägt Ihr Firmenzeichen. Erkennen Sie sie als ein Erzeugnis Ihres Salons?

! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!31!von!136!


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ANDREA Natürlich! Wir verkauften gestern acht Dutzend, anlässlich des Karnevals. CARETTO An wen? ANDREA

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Das wird sich schwer feststellen lassen. Zu viele Herren haben sich ihrer bedient. Ich selbst habe eine getragen. CARETTO

Wirklich? Könnte ich Ihre Maske sehen? Zu Vergleichszwecken? ANDREA

Bedaure. Ich… ich… habe sie nicht mehr.

CARETTO

(sichtlich interessiert)

Wahrhaftig?

ANDREA

(lachend)

Wahrhaftig!

CARETTO

IC

Wenn ich mir die Frage gestatten darf: Wie lange beteiligten Sie sich am Karneval? ANDREA

N

Bis – ungefähr bis Mitternacht.

CARETTO

Und nachher – Wohin begaben Sie sich?

ANDREA

Das kann ich Ihnen nicht sagen. CARETTO Warum nicht? ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!32!von!136!


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ANDREA Das kann ich Ihnen auch nicht sagen. CARETTO Merkwürdig, aber vielleicht kann ich es Ihnen sagen. ANDREA

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Das wäre noch merkwürdiger!

CARETTO

Sie begaben sich auf dem kürzesten Weg nach Sorrent. In den Garten der Signora Lombardi. SILVIA

In meinen Garten? Stimmt das, Herr Andrea?

ANDREA

Ich… ich weiß wirklich nicht, wieso Sie zu dieser Vermutung – CARETTO

Dort verloren Sie Ihre Maske. Versuchen Sie nicht, es zu leugnen. ANDREA

(nach einer kurzen Überlegung)

Nun ja, allerdings – ich war im Garten.

SILVIA

IC

(überrascht)

N

Nicht möglich!

CARETTO

Und warum haben sie mir das nicht gleich gesagt?

ANDREA

Es war mir peinlich, in Gegenwart von Donna Silvia – (Er sieht sie hilfeflehend an.)

! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!33!von!136!


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SILVIA (überrascht) Höchst sonderbar! Was hatten Sie in meinem Garten zu suchen? ANDREA

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Mir selber rätselhaft. Eine geheimnisvolle Kraft zog mich hin. Ich wollte der Stadt entfliehen. Es war dumm von mir. Unbegreiflich dumm. Ein nichts von einem Schneider verirrt sich in den Garten einer berühmten Künstlerin. Und noch dazu bei Nacht! Andererseits gibt es kein Gesetz im Königreich Neapel, das einem Schneider verbieten würde, mit Blumen und Nachtigallen vertraute Zwiesprache zu halten. Von den Glühwürmern nicht zu reden. SILVIA

Zur Karnevalszeit gibt es keine Glühwürmer.

ANDREA

Ich meinte es mehr - metaphorisch.

CARETTO

Und was taten Sie, nachdem Sie sich mit den Blumen und Nachtgallen des Gartens mehr oder minder metaphorisch unterhalten haben? ANDREA

Ich stimmte ein Lied an. Eine Serenade.

SILVIA

Ich habe nichts gehört.

ANDREA

N

IC

Weil es eine stumme Serenade war. Nur meine Seele sang. Und was sie sang, war den Sternen zugesungen, den Blumen und SILVIA

- den Glühwürmern.

CARETTO

Und was taten Sie nach dieser sogenannten stummen Serenade? ANDREA Nachher begab ich mich auf den Heimweg.

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CARETTO Um wieviel Uhr war das? ANDREA Die Glocke von Maria Maggiore hatte eben Eins geschlagen. CARETTO

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Das stimmt nicht. Sie verließen den Garten nicht vor zwei Uhr nachts. ANDREA

Dann geht die Uhr von Maria Maggiore um eine Stunde nach. CARETTO

Machen Sie keine Witze. Die versuchte Entführung fand um zwei Uhr nachts statt. ANDREA

(höchst überrascht)

Was? So hat sie wirklich stattgefunden? Entsetzlich. Wer war der Mann? CARETTO

Sie?

ANDREA

Ich!

SILVIA

IC

(nicht minder überrascht)

N

Er!

CARETTO

Versuchen Sie nicht zu leugnen.

SILVIA

Entführung mit Gewalt? Warum? Wozu? Wohin? Wie haben Sie sich das eigentlich vorgestellt? ANDREA Es ist n i c h t w a h r, Madonna Silvia! Wer immer es war, i c h war es nicht! Ich hätte nie und nimmer gewagt ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!35!von!136!


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CARETTO Ein richtiger Neapolitaner wagt alles! ANDREA So? Und wie ist es mit Ihnen? CARETTO

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Ich stamme aus Florenz.

ANDREA

Lassen wir die Geographie! Glauben Sie mir: Ich bin nicht der, den Sie suchen. Alles was ich mir zu Schulden kommen ließ, ist, dass ich eine stumme Serenade sang. Das ist ein unschuldiges Verbrechen. CARETTO

Bedaure: Ihre Verlegenheit, Ihr Leugnen, Ihre Anwesenheit im Garten, der Verlust Ihrer Maske, all dies spricht gegen die von Ihnen behaupteten harmlosen Gesangskünste. Im Namen Seiner Majestät, des Königs, Sie sind verhaftet! (Er klatscht dreimal in die Hände.)

ANDREA

Verhaftet? Jetzt, vor dem Mittagessen? Ich bin hungrig!

CARETTO

Keine Angst! Der Appetit wird Ihnen vergehen!

(ZWEI GENDARMEN treten ein, nehmen salutierend Stellung.)

N

IC

Abführen!

SILVIA

(zu ANDREA)

Seien Sie unbesorgt! Ich gehe sofort zum Ministerpräsidenten! (eilig ab)

ANDREA

(der sich nun erst, während ihm die GENDARMEN Handschellen anlegen, des Ernstes der Situation bewusst wird) Herr Minister, ich beschwöre Sie, widerrufen Sie Ihren Befehl! Ich verliere meine Stellung – - - meine Arbeit… meine Kunden… ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!36!von!136!


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CARETTO Von denen können Sie sich für den Rest Ihres Lebens verabschieden. ANDREA Für den Rest - ! Wie meinen Sie das? CARETTO

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Auf Frauenraub steht bei uns die Todesstrafe!

ANDREA

(fassungslos)

Nein!

CARETTO

Vorwärts!

NR. 8 ARRETIERUNG

(Die BEIDEN GENDARMEN fassen den zusammenbrechenden ANDREA bei den Armen und marschieren mit ihm durch die von dem erschrocken zusammenlaufenden Personal offen gehaltene Türe.) Verdunklung

ZWISCHENSPIEL

Zwischenvorhang: darstellend die Straße vor dem Modehaus. Ein hohes Schaufenster, darüber ein Schild mit der Aufschrift: „La Bella di Napoli“. Mittags.

N

IC

SAM BORZALINO

(geht vor dem Schaufenster und dem daneben befindlichen Eingang auf und ab. Blickt von Zeit zu Zeit ungeduldig auf die Uhr. Sieht den ERSTEN MANNEQUIN eilig aus dem Haus schlüpfen und vertritt, entschlossen, dem Mädchen den Weg.)

Halloh -!

1. MANNEQUIN

(kurz) Halloh – (rasch ab) ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!37!von!136!


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SAM (ihr nachsehend) Die hat’s aber eilig! 2. UND 3. MANNEQUIN

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(Arm in Arm) SAM

Einen Augenblick, Ihr süßen Kleiderfeen! Ich habe mit Euch zu reden. Wie wär’s mit einem gemeinsamen Dejeuner? Zu dritt? 2. MANNEQUIN

Bedaure. Wir sind bereits verabredet. Zu viert! (um die Ecke)

SAM

Was ist los mit denen? Oder ist was los mit mir?

(blickt besorgt an sich herunter, fasst sich aber gleich wieder, da er LOUISE das Geschäft verlassen sieht, und eilt mit gewohnter Munterkeit hinter ihr her.)

Halloh, Bellissima, ein kleines Interview!

LOUISE

Mais non! Ich habe das Vergnügen Sie nicht zu kennen, Monsieur!

N

IC

(will an ihm vorbei)

SAM

(vertritt ihr den Weg)

Ich bin Sam Borzalino, erster Reporter hier bei „Gazetta di Napoli“. LOUISE

Adieu!

(Sie versucht, ihren Weg fortzusetzen.) SAM Nur über meine Leiche! ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!38!von!136!


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LOUISE Monsieur, vous etes horrible! Bei uns in Paris… SAM Sind Sie Pariserin? Parlez vous francaise! LOUISE

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(bleibt stehen)

Vous parlez francaise!

SAM

Aber natürlich! Comment vous portez vous? Allons enfants de la patrie! Honny soit y pense! Wie heißen Sie? LOUISE

(lachend)

Enchanté! Ich bin Mademoiselle Louise, erste Probierdame im Salon Coclé. SAM

Louise… Ich muss mit Ihnen sprechen.

LOUISE

Worüber?

SAM

IC

Über Andreas Verhaftung.

LOUISE

N

Was wissen Sie bereits?

SAM

Was glauben Sie? Ich wäre ein schöner Reporter, wenn ich das nicht wüsste! Aber sagen Sie: Ist er wirklich ein Wolf im Schafspelz? Ich meine: Hat er’s vielleicht bei Ihnen auch versucht? LOUISE Aber nein, niemals. Nicht einmal gezwickt hat er mich.

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SAM Unbegreiflich! Ich könnte ihm das nicht nachmachen. LOUISE (angenehm berührt)

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Sie sind ja ganz gefährlich! SAM

Und Sie erst! Und Sie haben keinen höheren Ehrgeiz als Ihr Leben im Schneideratelier zu verbringen? LOUISE

Oh doch. Ich möchte zum Theater gehen. Eine Schauspielerin wie Silvia Lombardi werden. SAM

Fein! Vielleicht kann ich Ihnen dabei helfen! Ich habe Beziehungen zum Theater. Alle Theaterdirektoren weichen mir im Bogen aus. LOUISE

Ich singe, tanze…

SAM

Lassen Sie sehen, Mademoiselle! Zeigen Sie, was Sie können! NR. 9 „LOUISE“ (DUETT: LOUISE – SAM) 1. Strophe

SAM

N

IC

WENN ICH WÜSST’, DASS EINE WAHRE KÜNSTLERIN DU BIST, NÄHM‘ ICH DICH IN DIE LEHRE. WENN DU TANZT UND AUSSERDEM GEWISSE DINGE KANNST, DANN MACHST DU SCHNELL KARRIERE. LOUISE

ALLE TÄNZE TANZ ICH UND BIN NICHT EINMAL EINUNDZWANZIG… SAM WAS FÜR EIN TALENT!

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LOUISE UND TEMPERAMENT! KANN JEDEN SCHRITT VOM CANCAN BIS ZUM REIGEN. SAM

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

GANZ IN DER NÄH‘, VIELLEICHT IN EINEM KLEINEN SEPARRÉ, KANNST DU MIR ALLES ZEIGEN. HOFFENTLICH IST AUCH DEIN HERZCHEN NOCH FREI, DENN WIR PASSEN ZUSAMM‘ – WIR ZWEI!

LOUISE, LOUISE, DU HAST ETWAS, LOUISE, DAS REIZT MICH KOLOSSAL! BERÜCKT MICH, BESTRICKT MICH, SAG‘ WAS IST DENN DAS? ICH MÖCHT' DICH KÜSSEN, HINGERISSEN, TAUSENDMAL! SAM UND LOUISE

DU HAST AUCH ZWEI AUGEN SO HIMMELBLAU. DIE SAGEN: DU KÜSST SO GERN WIE ICH. UM MICH IST’S GESCHEH’N, KANNST DU NICHT SEH’N: ICH FLIEG‘ AUF DICH! SAM

LOUISE, DU WÄRST ETWAS FÜR MICH!

2. Strophe

LOUISE

N

IC

WAS EIN MANN NICHT ALLES EINER FRAU VERSPRECHEN KANN, WILL ER IHR HERZ ERWEICHEN! JEDE FRAU KENNT DIESEN TRICK GENAU UND SAGT SICH SCHAU – JETZT WILL ER WAS ERREICHEN! SAM

ICH HAB‘ PLÄNE, KÜHNE, ÜBER NACHT BRING‘ ICH DICH ZUR BÜHNE… LOUISE

ACH WUNDERBAR!

SAM DU WIRST EIN STAR! JA, ALLE WELT SOLL ES HEUT‘ NOCH ERFAHREN.

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LOUISE OH, DAS IST GUT, VIELLEICHT KOMM‘ ICH DANN AUCH NACH HOLLYWOOD? SAM DAS ERST IN HUNDERT JAHREN! LOUISE

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

DORT SAGT VIELLEICHT MIR MEIN NEUESTER FLIRT, WAS ICH EBEN VON DIR GEHÖRT:

LOUISE, LOUISE, DU HAST ETWAS, LOUISE, DAS REIZT MICH KOLOSSAL! DU FLIMMERST UND SCHIMMERST, SAG‘ WIE MACHST DU DAS? ICH MÖCHT' DICH KÜSSEN, HINGERISSEN, TAUSENDMAL! SAM UND LOUISE

DU HAST AUCH ZWEI AUGEN SO HIMMELBLAU. DIE SAGEN: DU KÜSST SO GERN WIE ICH. UM MICH IST’S GESCHEH’N, KANNST DU NICHT SEH’N: ICH FLIEG‘ AUF DICH! LOUISE (AD LIB.)

AH…

SAM UND LOUISE

LOUISE, DU WÄRST ETWAS FÜR MICH!

LOUISE, DU BIST ETWAS FÜR MICH!

Verdunklung

N

IC

!

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I. AKT – ZWEITES BILD

NR. 10 FANFARE

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Das Büro des Ministerpräsidenten Lugarini. Am gleichen Tag. Rechts, schräg gestellt, prächtiger überdimensionaler Schreibtisch, zu dessen Seiten silberne Kandelaber, mehrere damastene Fauteuils. An der Wand vom Schreibtisch aus sichtbar: Lebensgroßes Portrait Lugarinis in napoleonischer Haltung. Beim Aufgehen des Vorhangs Fanfare hinter der Szene, Rufe: „Es lebe der Ministerpräsident!“

ZWEI SOLDATEN postieren sich zuseiten der Mitteltüre. LUGARINI tritt durch die Mitte auf, ein Zeitungsblatt in Händen, das er höchst aufgeregt durchfliegt. SOLDATEN ab. LUGARINI

Diese Bande! Unerhört! Nicht eine einzige Zeile über mich!

(während er die Zeitung verknüllt und zu Boden wirft, zwischen den Zähnen)

Schurken! Unfähige, perfide Schurken!

(lässt sich am Schreibtisch nieder und schwingt ungeduldig die Glocke)

He! He!

DIENER

(erscheint, verschlafen, in der Mitteltür)

IC

Exzellenz!

LUGARINI

N

Hat sich Caretto gemeldet?

DIENER

Noch nicht, Exzellenz.

LUGARINI

(schlägt mit der Faust auf den Tisch) Obedire! Muss ich ihm erst eine gedruckte Einladung schicken, wenn ich meinen Polizeiminister zu sehen wünsche? Dieses Ministerium besteht aus einer Verbrecherbande größenwahnsinniger Halunken.

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DIENER (mit einem müden Blick auf Lugarinis Bild) Jawohl, Exzellenz! LUGARINI

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Sobald er kommt, schicken Sie ihn unverzüglich zu mir. (Ein Klopfen an der Tür.)

Das wird er sein! – Herein!

(nimmt eine napoleonische Pose ein)

DIENER

(öffnet die Tür. SILVIA, sichtlich erregt, tritt eilig ein.) SILVIA

Exzellenz!

(und nachdem der SEKRETÄR abgegangen)

Benedetto!

LUGARINI

Was ist dir, Silvia? Du scheinst mir höchst aufgeregt. Eine Unannehmlichkeit im Theater? SILVIA

IC

Etwas viel Ärgeres!

LUGARINI

N

Was ist geschehen?

SILVIA

Ich bin verzweifelt. Etwas Fürchterliches hat sich ereignet! LUGARINI

Sprich! SILVIA M a n h a t m e i n e n S c h n e i d e r v e r h a f t e t. ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!44!von!136!


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LUGARINI (lachend) Das ist alles? Beruhige dich! (lädt sie zum Sitzen ein)

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

SILVIA (auf und ab)

Ich kann mich nicht beruhigen! Wie sollen meine Kostüme für die nächste Premiere fertig werden? Nicht einmal mein Staatskleid für den Geburtstagsempfang Seiner Majestät des Königs ist vollendet. (bleibt vor LUGARINI stehen)

Benedetto – du musst die sofortige Haftentlassung Andreas verfügen. LUGARINI

Wenn’s weiter nichts ist…

(beginnt zu schreiben)

Was hat denn dein unglücklicher Schneider verbrochen? SILVIA

(wegwerfend)

Ach - nichts.

(setzt sich)

N

IC

Er steht unter Verdacht, gestern Nacht bei mir im Schlafzimmer eingedrungen zu sein. LUGARINI

(legt die Feder weg, aufbrausend)

Was? Und du willst, dass ich diesen Menschen in Freiheit setze? Niemals! Weißt du nicht, was für eine Strafe im Königreich Neapel auf seinem Verbrechen steht?

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SILVIA Nein, ich weiß es nicht. (unschuldig) Muss er mich heiraten?

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LUGARINI Das Scherzen wird dir schon vergehen. Er wird seine Tat mit dem Tod büßen! SILVIA

Mit dem Tod? Benedetto, du scherzest!

LUGARINI

Das Gesetz in Neapel bestraft Frauenraub mit dem Tod. SILVIA

So ein Gesetz ist lächerlich. Inhuman und unmodern. Du wirst es einfach abändern. LUGARINI

Fällt mir gar nicht ein! (dramatisch)

An den Galgen mit dem Burschen, der die Geliebte des Ministerpräsidenten… SILVIA

LUGARINI

N

IC

Sei nicht komisch, Benedetto! Also ohne den Othello zu spielen, annulliere die Todesstrafe und setz‘ den Mann frei! Mir zuliebe!

Ich denke nicht daran. Im Gegenteil. In einem Augenblick wie diesem muss man ein Exempel statuieren! SILVIA

In einem Augenblick wie diesem! Was ist denn geschehen? LUGARINI

Heute Nacht wurde eine B o m b e unter meinem Bett gefunden!

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SILVIA Was du nicht sagst. Ist sie explodiert? LUGARINI Nein! Mein Diener entfernte sie, als er – als er etwas anderes unters Bett stellte. SILVIA

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Gott sei Dank! Aber warum steht nichts darüber in der Zeitung? LUGARINI

Die Nachricht wurde von der Zensur unterdrückt. Diese Zensur… Aber du wirst noch darüber lesen. Ich werde die Ordnung wieder herstellen in Neapel. Ich werde durchgreifen mit einer Hand von Eisen! SILVIA

(betrachtet seine Hand, die er auf napoleonische Art unter die Rockklappe steckt)

Benedetto, das Volk von Neapel liebt dich nicht!

LUGARINI

Diese undankbare Rotte! Ich arbeite für sie Tag und Nacht! (SILVIA unterdrückt ein Lächeln.)

Ich werde Neapel groß machen.

SILVIA

(mit gewinnender Anmut)

N

IC

Mach Neapel nicht groß, mach es glücklich, dann wirst auch du glücklich sein. Aber so – hör mich an, Benedetto –

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(setzt sich auf den Schreibtisch, sehr lieb)

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NR. 11 LIED VOM GLÜCK (SILVIA) SILVIA FREUND, DU LEBST VORBEI AM GLÜCK, VERSÄUMST DEN RECHTEN AUGENBLICK. JAGST NACH RUHM UND MACHT, PLAGST DICH TAG UND NACHT – UND VERGISST WAS GLÜCKLICH MACHT.

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GLAUB‘ EINER FRAU, DIE WEISS ES JA NUR ZU GENAU: GLÜCK, DAS IST EIN ZAUBERDING, GAUKELT WIE EIN SCHMETTERLING. HASCH‘ IHN, EH’S ZU SPÄT. JUGEND BALD VERGEHT, WIE EIN BLATT IM WIND VERWEHT.

EINMAL KOMMT DIE ZEIT, DA MAN BEREUT, WAS MAN JE VERSÄUMT, DEN TRAUM, DEN DU NIE GETRÄUMT, DANN DENKST DU AN MEIN WORT ZURÜCK: FREUND, DU LEBST VORBEI AM GLÜCK.

DRUM NIMM DEN RAT VON MIR, NIMM IHN ZU HERZEN DIR: JAG‘ NICHT NACH RUHM, NICHT NACH MACHT, NICHT NACH GELD, NUR DAS GLÜCK, DAS BISSCHEN GLÜCK, DAS ZÄHLT. NÜTZE JEDEN AUGENBLICK, SONST LEBST DU VORBEI AM GLÜCK! LUGARINI

(betrachtet sie wohlgefällig und küsst sie auf die Stirn)

IC

Du bist noch immer dieselbe sentimentale Idealistin, wie damals, als du, eine kleine Konservatoristin, zu mir kamst und ich dir den ersten Kuss raubte. SILVIA

N

Dafür hättest du eigentlich sterben müssen, nach den gesetzlichen Bestimmungen im Königreich Neapel. LUGARINI

Das war etwas ganz anderes. Ich war ein Volkstribun schon damals. Und jener Kuss… (Es wird an der Türe geklopft.)

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CARETTO (in angeregter Laune hereinkommend, überblickt die Situation und verbeugt sich, mit erzwungener Förmlichkeit, erst vor LUGARINI – und dann, um eine Spur vertraulicher, vor SILVIA) Exzellenz… Diva… SILVIA

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(ist aufgestanden)

Ich will nicht stören. Ich muss ohnehin ins Theater, Benedetto, vergiss nicht, dass ich dich um Abänderung eines gewissen Aktschlusses gebeten habe! Auf bald! (ab)

LUGARINI

(von der Tür zurückkommend)

Was singen Sie da?

CARETTO

(etwas verlegen)

Korngoldonis neuester Schlager. (markiert)

„Louise, Louise!“ Die ganze Stadt trällert ihn!

LUGARINI

IC

(unheilschwanger)

N

Genug! Sie haben nicht den geringsten Grund zum Trällern! CARETTO

Warum nicht?

LUGARINI

Es hat sich da etwas ereignet letzte Nacht. (glüht ihn mit aufgerissenen Augen an.) Ein Attentat, wenn ich nicht irre. ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!49!von!136!


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CARETTO Ich bitte untertänigst um Verzeihung, Exzellenz. Der Überfall auf Donna Silvia fand um zwei Uhr morgens statt. Um zehn Uhr wurde das Protokoll aufgenommen. Um die Mittagsstunde wurde der Verbrecher verhaftet. Morgen früh findet die Verhandlung statt, übermorgen wird er gehängt werden. Ich glaube, dass ein schnelleres Verfahren selbst im Rahmen u n s e r e r Verfassung nicht denkbar ist. LUGARINI

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Ich spreche nicht über d i e s e s Attentat. Mein lieber Caretto, (fasst ihn an der Schulter)

es scheint Ihrer Aufmerksamkeit entgangen zu sein, dass letzte Nacht ein Mordanschlag gegen m i c h versucht wurde. Ich war in Lebensgefahr und Sie schwelgen im Nachklang erotischer Abenteuer! CARETTO

Bitte um Vergebung!

LUGARINI

Wissen Sie, was geschehen wäre, hätte mein Diener nicht – unterm Bett nachgesehen? Ich wäre in die Luft geflogen. Ich, der Regierungschef persönlich! In die Luft! CARETTO

Grässlich!

LUGARINI

Eben jetzt las ich die „Gazetta di Napoli“. Nicht ein Wort über mich. Neapel spricht ausschließlich über einen verliebten Fassadenkletterer in der Villa Lombardi! CARETTO

N

IC

Ich hielt es für geboten, das Attentat auf Eure Exzellenz totzuschweigen. LUGARINI

Totzuschweigen? Das sieht Ihnen ähnlich! Sie haben wohl noch nie etwas von Propaganda gehört? CARETTO

Nein, wohl eine moderne Erfindung?

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LUGARINI Jawohl! Das Attentat wird veröffentlicht! Ganz Neapel soll über m i c h sprechen, über die Gefahr, in der ich mich befunden habe. Dankprozessionen und Fackelzüge werden heute Nacht stattfinden. Spontan natürlich! Ich selbst werde vom Balkon meines Hauses sprechen. Extempore – hier ist das Konzept. Die „Gazette di Napoli“ wird es in einer Sonderausgabe in Extenso veröffentlichen. Verstanden! Die Bevölkerung wird jubeln und in einem bisher noch nicht dagewesenen Grade meine wunderbare Rettung feiern und lobpreisen!

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CARETTO (trocken)

Jetzt weiß ich, was Propaganda ist.

LUGARINI

Dann erst, wenn der Geist der Massen entsprechend vorbereitet ist, werde ich den Attentäter zur Verantwortung ziehen. Dieser Auswurf der Menschheit wird öffentlich prozessiert und gehängt werden. Auf der Piazza di Indipendenza. Wozu haben wir sie? Das Volk soll meine Faust im Nacken spüren. Ich werde diese Schlange zertreten, (schlägt mit der Faust auf den Tisch.)

wie einen elenden Wurm.

CARETTO

Zu Befehl, Exzellenz! Aber leider haben wir ihn noch nicht, den elenden Wurm. LUGARINI

(außer sich)

CARETTO

N

IC

Was? Sie haben den Kerl noch nicht gefangen? Das ist denn doch… Sie und Ihre Weibergeschichten! Hören Sie, Caretto! Dieser Meuchelmörder sitzt spätestens um Mitternacht hinter Schloss und Riegel. Widrigenfalls…

Exzellenz…

LUGARINI

Widrigenfalls sind Sie morgen früh entlassen. In Pension geschickt, ohne Pension. CARETTO Gnade Exzellenz! Bedenken Sie! Dreißig Jahre im Staatsdienst und nun – LUGARINI In Pension ohne Pension!

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CARETTO (fasst sichtlich einen Entschluss und richtet sich auf.) Bis Mitternacht! Exzellenz werden bedient sein! LUGARINI

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(reicht ihm die Hand.) Bis Mitternacht!

CARETTO

Ich lege mich zu Füßen. (ab)

LUGARINI

(kehrt im Schlenderschritt an seinen Schreibtisch zurück, ein paar Takte der angefangenen „Louise-Louise“-Melodie summend. Blickt, sich am Schreibtisch niederlassend, zu seinem Bild empor, hört auf zu trällern, nimmt, den Kopf im Nacken, mit vorgeschobenem Kinn eine heroische Pose an und haut mit der Faust auf den Tisch, dass die dort aufgehäuften Papiere auseinander stieben.) Verdunkelung

N

IC

!

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!!

ZWISCHENSPIEL Zwischenvorhang: darstellend einen Teil des Korridors, der zu den Amtsräumen des Ministers führt. Über einer Tür zur rechten die Aufschrift: PRÄSIDIAL – BUREAU und darunter: „EINTRITT NUR AUF VORANGEGANGENER ANMELDUNG“. CARETTO

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(sichtlich gebrochen) In Pension ohne Pension! Es gibt doch keinen unsicheren Beruf als den eines Sicherheitsministers. Warum bin ich nicht als Verbrecher auf die Welt gekommen, wie jeder anständige Mensch? Dann bräuchte ich keine Pension! NR. 12 POLIZEICOUPLET (CARETTO)

CARETTO

WÄR‘ ICH EIN VERBRECHER, EIN DIEB UND EIN SCHÄCHER, DANN BRAUCHT ICH JETZT NICHT PROTEKTION. EIN SCHUFT, EIN ERPRESSER, DER HAT’S EBEN BESSER, DER HAT SEINEN KLINGENDEN LOHN.

DIE LUMPEN, HALUNKEN, DIE LEBEN IN SAUS UND IN BRAUS! EIN RAUFER, EIN STECHER, KURZ JEDER VERBRECHER, DER HAT SEINE SATISFAKTION. EIN MÖRDER, EIN RÄUBER, EIN SCHÄNDER DER WEIBER, DER BRAUCHT KEINE STAATSPENSION.

N

IC

EIN STEHLER, EIN HEHLER, VON TIEREN EIN QUÄLER, EIN SÄUFER, EIN PRASSER, VON KLASSEN EIN HASSER, DAS PACK, DAS GESINDEL, DAS GROSS NUR DURCH SCHWINDEL, DAS LÜGT UND BETRÜGT – JA DAS SIEGT! DIE DUMMEN, DIE FÄNGT MAN, DIE KLEINEN, DIE HÄNGT MAN, DIE GROSSEN, DIE LAUFEN NOCH FREI! OB IM OSTEN, IM WESTEN, ICH WEISS DAS AM BESTEN, ICH BIN JA DIE STAATSPOLIZEI!

ACH, WARUM BIN ICH POLIZIST? WARUM BIN ICH NICHT ANARCHIST, NIHILIST, ATHEIST? EIN GUTER, EIN WAHRER, EIN EHRLICHER SPARER, ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!53!von!136!


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EIN FROMMER, GETREUER, ICH ZAHL‘ SOGAR STEUER, KEIN TRINKER, KEIN RAUCHER, KEIN FRAUENMISSBRAUCHER, WAS HAB‘ ICH DAVON? SPOTT UND HOHN!

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DA BIN ICH DOCH LIEBER VALUTENVERSCHIEBER UND BRINGE MEIN GELD IN DIE SCHWEIZ. DORT PLATZEN DIE BANKEN VON DOLLARS UND FRANKEN, DA SITZEN SIE ALLE BEREITS:

DIE LUMPEN, HALUNKEN UND LEBEN IN SAUS UND IN BRAUS! DIE DUMMEN, DIE FÄNGT MAN, DIE KLEINEN, DIE HÄNGT MAN, DIE GROSSEN, DIE LAUFEN NOCH FREI. OB IM OSTEN, IM WESTEN, ICH WEISS DAS AM BESTEN, ICH BIN JA DIE STAATSPOLIZEI!

(Ein DOMINIKANER-PATER kommt CARETTO von der entgegengesetzten Seite entgegen.) CARETTO

Gelobt sei Jesus Christus!

PATER

In Ewigkeit. Amen!

(Er bleibt stehen.)

IC

Du scheinst mich nicht zu erkennen mein Sohn.

CARETTO

N

Verzeihung, Hochwürden…

PATER

Ich bin Pater Orsenigo, der Beichtvater König Ferdinands. CARETTO

Aber natürlich! Hochwürden vergeben meine Kopflosigkeit! Womit kann ich dienen? PATER Ich überbringe eine Botschaft Seiner Majestät, den Attentäter betreffend. ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!54!von!136!


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CARETTO Welchen, Hochwürden? PATER Den, der die Bombe gelegt hat. CARETTO

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(rasch)

Hat Majestät ihn gefangen?

PATER

Nein. Aber heute Morgen geruhte Seine Majestät mich zu fragen: „Werde ich nicht bald vor Gottes Richterstuhl stehen?“ Der Gesundheitszustand Seiner Majestät lässt leider sehr zu wünschen übrig und sein Gewissen peinigt ihn. CARETTO

Was kann ein kleiner Mann wie ich…

PATER

Höre und staune! Seine Majestät haben sich höchst selbst zu einem außerordentlichen Gnadenakt entschlossen. Der König will anlässlich seines bevorstehenden 80. Geburtstagsfestes den Attentäter, der die Bombe unter das Bett des Herrn Staatsministers gelegt hat, bedingungslos begnadigen. (vertraulich)

Offenbar erfreut sich der Herr Attentäter bei Hof größerer Gnade als der Herr Ministerpräsident! CARETTO

N

IC

Kein Zweifel, dass diese Begnadigung ein außerordentlicher Akt der Großmut wäre. Die Sache hat nur leider einen Haken. PATER

Was für einen Haken?

CARETTO

Wenn ich mir die Bemerkung gestatten darf: Wir haben den Übeltäter nicht, den der König begnadigen will. PATER

Das ist deine Sache, mein Sohn. Der König hat entschieden, unter allen Umständen Gnade walten zu lassen. ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!55!von!136!


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CARETTO Vielleicht könnte seine Majestät bei m i r Gnade walten lassen? Ich soll pensioniert werden ohne Pension. PATER Leider, mein Sohn, bist du kein genügend großer Verbrecher!

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

CARETTO Ich bin glücklich, dass Hochwürden meine Amtsführung so milde beurteilen. PATER

Deine Aufgabe ist es, den Unhold zu verhaften. Sollte dir dies nicht gelingen, so würdest du Seine Majestät der Gelegenheit berauben, ihn zu begnadigen und das würde das Ende deiner Amtsführung bedeuten. Amen. (PATER ab)

CARETTO

(ratlos auf und ab)

Entlassung rechts, Entlassung links. Und ich steh‘ hilflos in der Mitte! NR. 13 MELODRAM (CARETTOS ABGANG)

(Er bleibt stehen, blickt düster vor sich hin. Plötzlich erhellt sich sein Gesichtsausdruck. Er hat sichtlich eine Eingebung, die ihm einen Ausweg zeigt.)

Halt!... Eine Idee!... Ja, so würde es geh’n!...

(pfeift im Tanzschritt „Louise – Louise“)

N

IC

ICH HAB‘ ETWAS!

!

(geht entschlossen, in entgegengesetzter Richtung, wie zuvor der PATER, ab.) Verdunkelung

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I. AKT – DRITTES BILD Unterirdische Sträflingszelle im Castel Uovo. Vergitterte Fensterluke, eisenbeschlagene Tür. Eine Pritsche, ein plump gezimmerter Tisch, darauf ein Wasserkrug mit danebenstehendem Glas. Es ist Abend. ANDREA

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(mit Handschellen, in gestreifter Sträflings-Gewandung, sitzt auf der Pritsche, in der Hand einen Napf mit Suppe, führt einen Löffel Suppe zum Mund, verzieht das Gesicht und stößt den Napf beiseite, trinkt einen Schluck Wasser, speit es im Bogen aus, schüttelt den Kopf, lehnt sich zurück, versucht die Augen zu schließen, um zu schlafen, springt auf, geht auf und ab und beginnt sein Schicksal, in einer Mischung von Liebe und Verzweiflung zu beklagen.)

NR. 14 „ICH HAB MICH SO VERLIEBT“ (ANDREA)

ICH SEH‘ DEIN BILD VOR MIR IN SONNENSTRAHLEN AN DER WAND. EIN SCHATTEN AN DER TÜR MALT DEIN PROFIL MIT ZAUBERHAND.

ICH FIND‘ AUCH KEINE RUH‘, HAB‘ ICH DIE AUGEN ZU, DENN WENN ICH TRÄUM‘, TRÄUM‘ ICH VON DIR UND SEH‘ DEIN BILD VOR MIR.

ICH HAB‘ MICH SO VERLIEBT, WIE’S DAS NUR EINMAL GIBT. ICH GRIFF NACH EINEM STERN, DER BLINKT SO KÜHL UND FERN. ES IST AUCH UNERLAUBT, DASS MAN AN WUNDER GLAUBT.

N

IC

DENN WUNDER GIBT ES HEUT‘ NICHT MEHR, D’RUM SITZ‘ ICH HIER BETRÜBT, ICH ARMER NARR, UND HOFF‘ UND HARR‘, HALS ÜBER KOPF VERLIEBT!

DASS ICH NICHT SCHLAFEN KANN, IST ZU BEGREIFEN. DASS ICH NICHT ESS‘ UND NICHT TRINK‘, DAS IST BÖS‘. MIR GEFÄLLT AUCH KEIN ANZUG MIT STREIFEN UND DIESER GALGEN DORT MACHT MICH NERVÖS. UND DU? UND DU? DER MORGENSCHLAF DICH SÜSS UMFÄNGT – UND ICH WERD' AUFGEHÄNGT! ICH HAB‘ MICH SO VERLIEBT, WIE’S DAS NUR EINMAL GIBT. ICH GRIFF NACH EINEM STERN, DER BLINKT SO KÜHL UND FERN. ES IST AUCH UNERLAUBT, DASS MAN AN WUNDER GLAUBT.

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DENN WUNDER GIBT ES HEUT‘ NICHT MEHR, D’RUM SITZ‘ ICH HIER BETRÜBT, ICH ARMER NARR, UND HOFF‘ UND HARR‘, HALS ÜBER KOPF VERLIEBT! ICH HAB‘ MICH SO VERLIEBT!

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

(Nach Beendigung des Liedes wird die Tür von außen rasselnd aufgeschlossen und geht in rostigen Angeln stöhnend auf.) CARETTO

Bona Sera! Es ist mir ein Vergnügen, Sie wiederzusehen! ANDREA

Das Vergnügen ist ganz Ihrerseits!

CARETTO

Wie geht’s Maestro?

ANDREA

Herrlich! Es war immer mein Traum, ein schmutziges, gestreiftes Sträflingsgewand zu tragen – (hebt die Arme)

Nicht zu reden von den Handschellen! Und all dies im sogenannten neunzehnten Jahrhundert!

CARETTO

IC

Dem kann abgeholfen werden.

N

(Er befreit ANDREA von den Handschellen.)

ANDREA

(schüttelt die befreiten Arme, streckt sich)

Sehen Sie sich nur an, wie dieser scheußliche Anzug gearbeitet ist. Die Streifen sollten wenigstens s e n k r e c h t verlaufen. Es würde nicht ein Centesimo mehr kosten und – CARETTO (unterbricht ihn) Lassen Sie das! Ich habe eine wichtige Neuigkeit für Sie! ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!58!von!136!


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ANDREA Hat die Voruntersuchung gegen mich bereits begonnen? CARETTO Natürlich! ANDREA

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Ist die Verhandlung anberaumt?

CARETTO

Natürlich!

ANDREA

Wann soll dieser lächerliche Prozess stattfinden?

CARETTO

Morgen früh – natürlich!

ANDREA

(lachend)

Womöglich wissen Sie auch schon das Urteil?

CARETTO

Natürlich!

ANDREA

CARETTO

N

IC

Nämlich!

Tod durch den Strang.

ANDREA

Das nennen Sie natürlich? Fürchten Sie nicht sich vor der ganzen Welt unsterblich zu blamieren? CARETTO Natürlich! Sorgen Sie sich nicht um mich. Unterschreiben Sie lieber das Geständnis!

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ANDREA Ich denke nicht daran! CARETTO Ich war auf diesen Widerstand gefasst. Sie zwingen mich, Sie mit Donna Silvia zu konfrontieren. Ich habe sie hergebeten.

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ANDREA Sie kommt?

CARETTO

Noch heute.

(andrer Ton)

Ein wahrer Jammer. Ein junger Mann wie Sie… Und das Leben ist doch so wundervoll. Bedenken Sie, was alles noch vor Ihnen liegt. Duftende Sommernächte, Frauenschönheit, Liebesglück. All die reizenden Kleider an den verführerischen Körpern, die auf Ihre Meisterhand warten. Bekommen Sie nicht Lust, dieses Dasein noch ein wenig auszukosten? ANDREA

Warum quälen Sie mich so?

CARETTO

Das Urteil steht fest: Tod… Trotzdem gibt es vielleicht einen Ausweg. ANDREA

Wirklich! Sprechen Sie!

IC

CARETTO

N

Alles was Sie zu tun haben, ist zu gestehen, dass Sie das Attentat auf den Staatsminister Lugarini begangen haben. ANDREA

Was? Bitte noch einmal – und langsam!

CARETTO

(wiederholt langsam) Alles was Sie zu tun haben, ist zu gestehen, dass Sie das Attentat auf den Staatsminister Lugarini begangen haben.

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!!

ANDREA Was? Hat den a u c h jemand entführen wollen? Merkwürdiger Geschmack! CARETTO Unsinn! Eine B o m b e wurde ihm unter’s Bett gesteckt. ANDREA

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Das ist was and’res! Aber was für ein interessantes Zusammentreffen! CARETTO

Noch viel interessanter, als Sie glauben. Soeben teilte mir Pater Orsenigo mit, dass Seine Majestät, der König, den Meuchelmörder, der den Anschlag auf Lugarini plante, bedingungslos zu begnadigen wünscht. ANDREA

Das wird den Attentäter freuen. Warum erzählen Sie das mir und nicht ihm? CARETTO

(kratzt sich am Kopf)

Die Sache ist die: Wir haben ihn nicht!

ANDREA

Was? Den habt Ihr auch nicht fangen können? Alle Achtung! CARETTO

Darum will man mich jetzt in Pension schicken – ohne Pension!

IC

(flehentlich)

N

Lieber Signor Andrea, nehmen Sie wenigstens dieses zweite Attentat auf sich! So können Sie m i c h retten und ich S i e . ANDREA

Sind Sie dessen sicher?

CARETTO

Bombensicher!

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!!!!

ANDREA Warum nehmen S i e den Mordanschlag nicht einfach auf sich? Wenn Ihnen doch nichts geschehen kann… CARETTO

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Machen Sie keine Witze! Sie haben nichts weiter zu tun, als bei der morgigen Gerichtsverhandlung zu brüllen: „Nieder mit der Protektionswirtschaft! Tod den Lebensmittelwuchern!“ Oder sonst etwas Populäres. ANDREA

„Nieder mit Caretto!“

CARETTO

Ausgezeichnet!

(besinnt sich)

Nein – lieber nicht! Ich bin nicht populär genug!

ANDREA

Und das ist alles, was Sie von mir erwarten?

CARETTO

Das ist alles!

ANDREA

Und nachher wär ich frei?

CARETTO

N

IC

Vogelfrei!

ANDREA

Ihr Wort darauf?

CARETTO

Mein Wort darauf!

ANDREA (nach kurzer Überlegung) Nein! Ich mach’s nicht! ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!62!von!136!


!!

CARETTO Warum aber nicht? ANDREA Ich bin weder ein Mann, der Frauen verschleppt, noch bin ich ein Mann, der Staatskanzlern nach dem Leben trachtet. Ich bin ein anständiger Mensch.

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CARETTO Dann sind wir verloren!

WACHE

(tritt ein, meldet)

Melde gehorsamst, Exzellenz! Signora Silvia Lombardi!

CARETTO

Ich lasse bitten.

WACHE

(ab)

ANDREA

(rückt mit Schneidergriffen den Anzug CARETTOs zurecht)

Das rechte Schulterblatt hängt ein bisschen, Exzellenz haben zwei ungleiche Schultern. CARETTO

IC

(verdrießlich)

N

Kümmern Sie sich nicht um meine Schultern! Kümmern Sie sich um Ihren Hals. SILVIA

(erscheint in der von der WACHE offen gehaltenen Kerkertür. Sie trägt ein Kostüm, das ihre ungewöhnliche Schönheit noch mehr ins Bildhafte erhöht.) CARETTO

(verbeugt sich hingerissen) Madonna! Ihre Schönheit ist überwältigend!

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!!!!

SILVIA (nickt ihm mit leichtem Lächeln zu, blickt neugierig auf ANDREA.) ANDREA Ihr untertänigster Diener, gnädige Frau... Verzeihen Sie, dass ich

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(mit Geste) quergestreift bin!

SILVIA

(mit bezaubernder Anmut)

Ich finde, der Anzug steht Ihnen vorzüglich…! (sich CARETTO zuwendend)

Sie schickten mir eine Vorladung, Exzellenz. Hier bin ich. CARETTO

Es handelt sich um den Überfall in Ihrer Villa. Das Untersuchungsprotokoll bedarf noch einiger Ergänzungen. Zumal Signor Coclé sich darin gefällt, hartnäckig zu leugnen. SILVIA

Unbegreiflich!

ANDREA

Madonna, glauben Sie wirklich, dass ich es war?

IC

SILVIA

N

Ich bin davon überzeugt. (zu ANDREA)

Oder sollte ich mich irren?

ANDREA

(beschwörend) Sie irren sich. Sie irren ganz und gar, Madonna! Bitte geben Sie es zu, dass Sie sich irren!

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!!

SILVIA Was für ein beneidenswerter Mann Sie doch eigentlich sind! Die Ehemänner wollen Sie hinter Schloss und Riegel und die Frauen öffnen Ihnen alle Fenster. Eine dankbare Rolle, die des Abenteurers. ANDREA Vielleicht, aber leider bin ich keiner!

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SILVIA Dankbarer jedenfalls, als die des stummen Tenors, der mit Nachtigallen und Glühwürmchen plaudert. Der erscheint uns lächerlich. ANDREA

Muss man in fremde Fenster einsteigen, um den Frauen zu gefallen? SILVIA

Wahrscheinlich!

ANDREA

Trotzdem, ich war es nicht!

CARETTO

Eigensinnig wie ein Maulesel!

ANDREA

Es war Nacht und der Mann trug eine Maske! (schnell)

IC

Was hat er gesagt?

N

SILVIA

Nichts. Aber seine Gestalt, sein Gang… Sie sind der Mann! ANDREA

Können Sie das beschwören, Madonna Silvia, (eindringlich)

Sie kennen mich, Sie wissen wie bescheiden, wie zurückhaltend ich bin. Ich b i n kein Abenteurer! Antworten Sie! Erkennen Sie mich? Ja oder Nein! Bedenken Sie, es geht um mein Leben!

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CARETTO Seien Sie doch nicht so wehleidig! SILVIA Jetzt weiß ich es bald selbst nicht mehr. CARETTO

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(zu SILVIA)

Da werden wir den Überfall, so wie er sich abgespielt hat, rekonstruieren müssen. ANDREA

Um keinen Preis! Ich spiele nicht mit!

CARETTO

Ich werde Ihnen die Stichworte bringen!

NR. 15 FINALETTO [MELODRAM] (SILVIA – ANDREA – CARETTO) (Die Musik des Vorspiels klingt auf.)

CARETTO

Wir nehmen an, es ist gestern Nacht. (zu SILVIA)

Darf ich Sie bitten, sich auf dieser Pritsche auszustrecken. Stellen Sie sich vor, Sie liegen in Ihrem Bett. Vollkommen ahnungslos…

IC

ANDREA

N

…von Romeo träumend.

SILVIA

Also jedenfalls nicht von einem stummen Troubadour.

CARETTO

Ein Mann kriecht durchs Fenster… Wenn’s beliebt, Signor Andrea, kriechen Sie! ANDREA Ich bin kein Kriecher!

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!!

CARETTO Dann treten Sie wenigstens an das Bett unserer Diva. Dagegen werden Sie doch nichts einzuwenden haben. (ANDREA stellt sich, etwas widerwillig, neben der Pritsche auf.) CARETTO

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Stimmt es so? SILVIA

Vollkommen!

CARETTO

Also dann weiter!

SILVIA

Bitte!

(nach einer Pause)

Nein, so geht’s nicht. Ich kann mich nicht konzentrieren. Ich meine, ich habe nicht genug Bewegungsfreiheit. (zu CARETTO)

Am besten, Sie gehen hinaus.

CARETTO

N

IC

Warum?

SILVIA

(sehr lieb)

Der Mann mit der Maske und ich waren auch allein.

CARETTO

Bitte, wenn Sie’s so wünschen, werde ich die Rekonstruktion des Tatbestandes vor der Türe abwarten. (ab)

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!!!!

SILVIA Also, die Probe kann beginnen! ANDREA Was habe ich zu tun? SILVIA

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Zunächst gar nichts. Sie treten an mein Bett. Näher. Noch näher. ANDREA

(befolgt schweigend die Regie – Vorschriften)

SILVIA

So. Und jetzt beugen Sie sich zu mir herunter. Ich muss Ihren Atem mit geschlossenen Augen auf meinem Gesicht fühlen. Daraufhin erwache ich… Ich sehe nichts im Dunkeln als zwei brennende Augen über mir funkeln… Aber ich bin zu schwach, um zu schreien. ANDREA

Gott sei Dank! Was dann?

SILVIA

Sie fassen meinen Arm und pressen ihn. Nein, nicht so zart. Stärker! Wilder! Ja… Ungefähr… Au! (aufatmend)

Jetzt war’s richtig!

ANDREA

SILVIA

N

IC

Und was dann?

Dann nehmen Sie mich in die Arme und tragen mich zum Fenster! ANDREA

(hebt sie gelehrig und trägt sie zum Zellenfenster.)

Und dann schrien Sie auf und Ihre Leute kamen. SILVIA Nein, - ich schrie noch nicht. - Erst etwas später,… weil… ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!68!von!136!


!!

ANDREA Weil? SILVIA (ratlos lächelnd)

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Weil Sie – Sie Bandit – Sie Brigant – Sie Wüstling – weil Sie mich – küssten! (ANDREA küsst sie leidenschaftlich.)

Ja – so war es! Genau so!

CARETTO

(aufgeregt hereinstürzend)

Also stimmt’s? Er war es?

ANDREA

Antworten Sie, Madonna: War ich’s?

SILVIA

(nach kurzer Überlegung)

Ja. Sie waren es! Ich habe Ihren Kuss erkannt!

CARETTO

Bravo! Ein lückenloser Indizienbeweis!

SILVIA

IC

(zu CARETTO)

N

Den Sie zu erbringen haben werden! (zu ANDREA)

Auf Wiedersehen bei der Verhandlung! (schlüpft zur Tür hinaus)

!

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!!!!

ANDREA (starrt ihr nach, erregt) Hexe oder Madonna? CARETTO

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Sie Glückspilz, sie liebt Sie, sie liebt Sie! Wär‘ es nicht wundervoll, für so eine Frau zu leben? ANDREA

(flammt auf)

Ja, Sie haben Recht!

(streckt CARETTO beide Hände entgegen)

Legen Sie mir die Handschellen wieder an! I c h b i n d e r M a n n m i t d e r B o m b e !

N

IC

VORHANG ZU!

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!!

NR. 16 ENTR’AKT = NR. 9

II. AKT – ERSTES BILD

NR.17 INTRODUKTION

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Gerichtssaal.

Rechts, erhöht, der Verhandlungstisch. Dahinter eine kleine Tür, durch die später die Richter eintreten. Mitteltüre, durch die später der Angeklagte hereingeführt wird; eine andere Tür, links, geht auf den Korridor hinaus und ist für das Publikum bestimmt. Der Verhandlungstisch mit den dazugehörenden Stühlen für die drei Richter und den Schriftführer steht auf einem bis in die Mitte der Bühne reichenden Podium. Der Platz des Vorsitzenden, zwischen den beiden Beisitzern, ist durch einen hochlehnigen Armsessel gekennzeichnet. Auf dem Tisch ein Kruzifix.

Beim Aufgehen des Vorhangs sehen wir den GERICHTSDIENER mit dem Abstauben und Zurechtrücken der Zuschauerbänke beschäftigt. SAM BORZALINO kommt aufgeregt, mit dem Hut in der Hand, durch die vom Korridor hereinführende Türe. SAM

(blickt atemlos um sich, entdeckt den GERICHTSDIENER.)

Guten Morgen, mein Wertgeschätzter, guten Morgen… bin ich zu spät? (Der DIENER setzt seine Tätigkeit fort, ohne zu antworten.)

LOUISE

N

IC

(LOUISEs vergnügter Frühjahrshut wird in der aufgehenden Tür sichtbar. Sie erblickt SAM und kommt eilig herein.)

Bon jour, Monsieur!

SAM

Bon jour, cherie!

LOUISE Bin ich zu früh?

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SAM Gerade recht! Ich habe gute Nachrichten für Sie. LOUISE Was? Wirklich? SAM

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Ein mir befreundeter Theaterdirektor hat sich bereit erklärt, Sie heute nach der Verhandlung zum Vorsingen zu bestellen. LOUISE

Sie sind ein Engel!

(CARETTO tritt ein.)

SAM

Signore Caretto!

(zu LOUISE)

Einen Augenblick! Lesen Sie inzwischen meinen Artikel über den heutigen Prozess. LOUISE

Was?? Der wird doch erst stattfinden?

SAM

Ist das ein Hindernis?

IC

(LOUISE entfaltet das Blatt, während SAM sich an den nach vorne kommenden CARETTO heranmacht.)

N

Ihr Diener, Exzellenz! Genehmigen Sie, bitte, meinen aufrichtigen Glückwunsch! CARETTO

Danke… danke…!

(will an ihm vorbei)

SAM Zwei Attentäter in einer Person und auf einen Schlag… das ist eine Leistung! (zieht sein Notizbuch und zückt den Bleistift.) ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!72!von!136!


!!

CARETTO (ein Interview witternd) Es hat sich so ergeben, dass… SAM

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Danke vielmals – das genügt. Eine einzige Frage noch! Wie ist es möglich, dass ein Mann mit der einen Hand eine Frau entführt und mit der anderen eine Bombe unter das Bett des Regierungschefs praktiziert? Wahrhaftig, die Seele eines Menschen ist ein Abgrund, ein dunkler psychologischer Abgrund… Danke, Exzellenz, für das äußerst aufschlussreiche Interview! CARETTO

Es war mir ein Vergnügen! Aber bitte um Entschuldigung, ich sehe den Herrn Ministerpräsidenten… SAM

Arivederlo!

(zu LUGARINI)

Meine Verehrung, Exzellenz! Ich vertrete die „Gazetta di Napoli“. LUGARINI

Ich war immer ein Förderer der Presse, so lange sie druckt, was der Regierung genehm ist. Womit kann ich… SAM

Nur ein paar Worte – ich meine: Winke: ein Damenschneider ist über Nacht der Held des Tages geworden!

IC

LUGARINI

N

Sein Ruhm wird von kurzer Dauer sein.

SAM

Ich weiß. Daher werde ich dem Verblichenen einen Nachruf schreiben, der mich selbst vor Neid erbleichen lassen wird. LUGARINI

(erblickt SILVIA, die begleitet von Ihrer KAMMERFRAU BETTINA, eben eintritt.) Oh, Caressima!

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!!!!

SILVIA (kühl) Haben Sie das Gesetz geändert? LUGARINI

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Im Gegenteil. Ich werde Ihre Einvernahme als Kronzeugin im Entführungsprozess beantragen. SILVIA

Ich werde nicht aussagen!

LUGARINI

Doch, Sie sind zur Aussage verpflichtet!

SILVIA

Nicht, wenn sie mir zur Unehre gereichen sollte. Das Gesetz sieht diesen Fall vor. LUGARINI

(überrascht)

Woher wissen Sie das?

SILVIA

Aus einer Komödie, in der ich voriges Jahr gespielt habe. LUGARINI

IC

Aber, wenn Sie sich nicht vernehmen lassen, warum sind Sie denn überhaupt gekommen? SILVIA

N

Der Prozess gegen den Mann, der mich entführen wollte, interessiert mich, begreiflicherweise. LUGARINI

Der Prozess oder der Angeklagte?

SILVIA

Erlassen Sie mir Exzellenz die Antwort. Ich würde entweder Sie oder meine Wahrheitsliebe verletzten.

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!!

NR. 18 AUFTRITT DER RICHTER

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Gedämpfte Trommel hinter der Szene. Die Tür zum Korridor wird vom GERICHTSDIENER geöffnet. VIER WACHSOLDATEN in ihren malerischen Uniformen, mit geschultertem Gewehr, marschieren auf und nehmen an den beiden Türen zur Rechten und Linken des Gerichtstisches Aufstellung. Ihnen folgt eine Anzahl ZUGELASSENER PERSONEN, die sich auf den längs der Seitenwände des Zuschauerraumes aufgestellten Bänken niederlassen. Einige von ihnen tragen das neapolitanische Nationalkostüm. Die DREI MANNEQUINS, LAURA und zuletzt PATER ORSENIGO, werden inmitten der schnatternden Schar sichtbar. Der PATER, von allen Seiten ehrerbietig gegrüßt, geht nach vorne, um neben LUGARINI und SILVIA auf dem zur rechten LUGARINIs bereitgestellten Ehrensessel Platz zu nehmen.

Abermaliger Trommelwirbel, die Mitteltüre wird von außen geöffnet, der GERICHTSDIENER, diesmal in seiner malerischen Amtstracht, tritt vor und ruft mit lauter Stimme in den Saal: „Der Gerichtshof". Das KOLLEGIUM DER RICHTER tritt auf, hinter ihnen der GERICHTSSCHREIBER mit seiner Ledermappe unterm Arm. Alle DREI RICHTER in roten Talaren, der VORSITZENDE mit Hermelinbesatz an den Säumen des Talars und auf dem gleichfarbigen Barett. Die GARDEN präsentieren das Gewehr.

Die Musik verstummt, wenn der VORSITZENDE mit einem Wink die Türen schließen lässt, worauf er sich auf seinem Platz erhebt, und nach einer angemessenen Pause die Worte spricht:

"Im Namen Seiner Majestät des Königs! Ich eröffne die Verhandlung!" Sodann, nach einer neuerlichen Pause:

"Der Angeklagte ist vorzuführen!"

ZWEI SOLDATEN machen kehrt und marschieren rechts ab. Die Tür hinter ihnen bleibt offen. SAM

IC

(benutzt die Unterbrechung, um sich mit einem Bückling dem VORSITZENDEN zu nähern.)

N

Mein Name ist Borzalino. Ich bin der Gerichtssaal-Reporter der "Gazetta di Napoli". VORSITZENDER

Was wünschen Sie?

SAM

Ich kann unglücklicherweise, das Ende der Verhandlung nicht abwarten. Mein Bericht muss bis Mittag im Satz sein. VORSITZENDER Und - ? ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!75!von!136!


!!!!

SAM Wenn mir der Herr Vorsitzende ein paar Worte für unser Nachmittagsblatt zur Verfügung stellen wollte… (holt sein Notizbuch hervor) Vielleicht etwas über das Urteil?

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VORSITZENDER

Unerhört!

(wendet sich an ANDREA, der mittlerweile vorgeführt wird.)

Sie sind Andrea Coclé?

(unterdrückte Hochrufe im Publikum)

ANDREA

Jawohl, Herr Gerichtspräsident!

VORSITZENDER

Damenschneider?

ANDREA

Jawohl, Herr Gerichtspräsident. Obwohl das Wort Schneider den Umfang meiner Tätigkeit vielleicht nicht voll erschöpft. Ich darf ohne Unbescheidenheit behaupten, dass mir der weibliche Teil der Bevölkerung Neapels den Rang eines Künstlers zugesteht. VORSITZENDER

ANDREA

N

IC

Geboren?

In Neapel, Herr Präsident.

VORSITZENDER

Bürger von - ?

ANDREA

Neapel. VORSITZENDER Wohnhaft in - ? ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!76!von!136!


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ANDREA Neapel. LUGARINI (trocken)

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Gestorben und begraben in Neapel. VORSITZENDER

Ihr Familienstand?

ANDREA

Leider, ledig.

VORSITZENDER

Seine Exzellenz, der Herr Ministerpräsident hat das Wort! LUGARINI

(tritt an den Gerichtstisch und dreht langsam den Kopf, das Publikum ins Auge fassend. Dann)

Andrea Coclé, Sie stehen unter Mordanklage. Bekennen Sie sich schuldig oder nicht schuldig? ANDREA

Schuldig!

(Bewegung im Zuschauerraum)

IC

LUGARINI

N

Sie gestatten also…

ANDREA

Dass ich mir erlaubt habe, Ihnen eine B o m b e unters Bett zu legen! LAURA

(springt auf)

Hoher Gerichtshof, ich habe eine Mitteilung zu machen. VORSITZENDER Eine Zeugenaussage? ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!77!von!136!


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LAURA Jawohl! VORSITZENDER (nachdem er sich mit seinen BEIDEN BEISITZERN verständigt hat)

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Reden Sie. LAURA

Mein Name ist Laura Bianchi. Ich bin Direktorin des Modesalons „La Bella di Napoli“. LUGARINI

Eine Angestellte des Angeklagten. Aussage wertlos.

VORSITZENDER

Wir wollen abwarten, was die Signorina zu sagen hat.

LAURA

Es ist unmöglich, dass Herr Andrea die Bombe gelegt hat, weil… weil… VORSITZENDER

(beugt sich vor)

LAURA

… weil Herr Coclé die Nacht mit mir verbracht hat.

IC

(allgemeine Überraschung)

LUGARINI

N

(fixiert sie durch die Lorgnette)

Mit Ihnen? Höchst unglaubwürdig!

VORSITZENDER

(zu ANDREA)

Was haben Sie darauf zu erwidern?

!

! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!78!von!136!


!!

ANDREA (achselzuckend) Ein mädchenhafter Einfall der Signorina Laura. Sie opfert sich und ihre Unschuld, um mein Leben zu retten. CARETTO

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Sollte Signorina Laura wirklich noch im Stand der Unschuld - ? VORSITZENDER

Diese Frage ist unzulässig, Herr Sicherheitsminister.

CARETTO

Ich frage nicht, ich w u n d e r e mich…

VORSITZENDER

D a s ist zulässig.

ANDREA

(zu LAURA)

Ich kann Ihr Opfer nicht annehmen. Ich habe die Bombe gestern gelegt, i c h . Ich a l l e i n ! (Gemurmel im Zuschauerraum: „Bravo Andrea!“) LAURA

Wenn Signor Andrea mein Opfer ablehnt… Wenn er…

VORSITZENDER

N

IC

(Sie bricht in Tränen aus.)

Weinen Sie nicht, Fräulein Bianchi!

LAURA

Ich bitte den hohen Gerichtshof um die Erlaubnis weinen zu dürfen. VORSITZENDER

(nach kurzer Verständigung mit den BEISITZERN) Der Gerichtshof gestattet Ihnen, zu weinen.

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LAURA (schluchzend) Danke! VORSITZENDER

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Die Verhandlung nimmt Ihren Fortgang. Seine Exzellenz, der Herr Ministerpräsident hat das Wort. LUGARINI

Ich werde nicht nur kurz sein, sondern auch zur Abkürzung des Verfahrens beitragen, indem ich in selbstverfügter Vertretung des Staatsanwaltes die sofortige Aburteilung des Angeklagten beantrage. Andrea Coclé hat seinen Mordanschlag eingestanden. Dieses revolutionäre Gezücht muss ausgetilgt werden wie Ungeziefer. Ich verlange die Todesstrafe für den Modezeichner Andrea Coclé. (setzt sich)

VORSITZENDER

Der Angeklagte hat das Wort. Was haben Sie zu erwidern, Andrea Coclé? ANDREA

(steht auf, beifälliges, unter den drohenden Blicken des Gerichtshofes rasch unterdrücktes Gemurmel)

Hoher Gerichtshof, Volk von Neapel, Genossen! Die Stadt besitzt keinen treueren Sohn als mich. Ich liebe mein Land, ich liebe mein Volk, das Meer, die Berge, die Schönheit von Neapel, ich… LUGARINI

Ist das eine Verteidigungsrede oder eine Liebeserklärung?

VORSITZENDER

IC

(zu ANDREA)

N

Beschränken Sie sich auf den Gegenstand der Verhandlung! ANDREA

Jawohl, Herr Ministerpräsident! Unsere Stadt ist die Residenz eines greisen Königs, dem die Zügel der Regierung entglitten sind. Ein Unmensch, ein Tyrann hat sie an sich gerissen. (wendet sich an das Publikum im Gerichtssaal.) Volk von Neapel, was denkst du von Lugarini? (feindselige Ausrufe gegen LUGARINI im Publikum) ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!80!von!136!


!!

LUGARINI Ich entziehe Ihnen das Wort! Sie wollen Revolution machen im Gerichtssaal! Ich zertrete Sie wie — wie – (ringt nach Atem) ANDREA

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- wie Ungeziefer! Sie haben das bereits einmal gesagt. (höhnisches Lachen im Zuschauerraum)

VORSITZENDER

(schwingt die Glocke)

Ruhe! Ruhe! Ruhe für das Geständnis des Angeklagten! (zu ANDREA)

Zur Sache! Wir wünschen Ihre persönlichen Gründe für das Attentat zu erfahren. ANDREA

Ist Vaterlandsliebe unpersönlich? Aber vielleicht habe ich noch einen persönlicheren Grund. Es lebt eine Frau in Neapel... SILVIA

(erhebt sich langsam mit visionären Augen, die auf ANDREA gerichtet bleiben.) ANDREA

N

IC

Eine wunderbare Frau. Ihre Gestalt ist die einer Königin. Ihr Haar ist schwarz wie Ebenholz. Ihre Augen können nur in Sonetten besungen werden. Diese Frau hat ihr Herz und ihre Seele einem Mann anvertraut, der selbst weder Herz noch Seele besitzt. Ist es da nicht denkbar, dass sich in Neapel ein Mann gefunden hat, in dessen Brust der Wunsch immer unwiderstehlicher wurde, diese Frau au befreien - und wäre dieser Mann auch nur ein Schneider, und dieser Schneider — — — ich selbst? LUGARINI

(vollkommen ruhig, kalt)

Ich habe den romantischen Schneidergesellen ausreden lassen, um ihm Gelegenheit zu geben, sich zu verraten. He! Er h a t sich verraten. Vor Ihnen steht der Mann, der gestern Nacht in das Landhaus in Sorrent eingedrungen ist, um Silvia Lombardi zu entführen. Er gibt es selber zu und weiß, dass im Königreich Neapel auf die Tat, deren er sich erkühnt hat, der Tod steht. Er hat ihn zweimal verdient. LOUISE Aber, das ist ja lächerlich! Wegen eines Kusses...

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!!!!

VORSITZENDER Ruhig! LOUISE Wenn in Paris jeder, der versucht, einer Frau einen Kuss zu rauben, gehängt würde, wäre Paris schon längst eine tote Stadt!

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VORSITZENDER Ruhe! Oder ich lasse den Saal räumen! (zu ANDREA)

Sie geben also zu, dass Sie die Absicht hatten Signora Silvia Lombardi zu entführen? ANDREA

Nein. Mein Verbrechen bestand darin, dass ich ihr in ihrem Garten ein stummes Ständchen brachte. VORSITZENDER

Ein stummes Ständchen? Was soll das heißen? (Er blättert den Akt auf.)

Richtig, hier heißt es, dass Sie Zwiesprach‘ pflegten mit den Nachtigallen und Glühwürmchen des Gartens... das kann man doch kein Ständchen nennen. ANDREA

Jawohl, an jenem Abend, nach dem Karneval... (Musik setzt leise ein.)

N

IC

!

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!!

NR. 19 SERENADE (SILVIA – ANDREA) zwang mich eine magische Gewalt zu ihrem Hause. Ich stahl mich in den Garten, ich schaute zu einem erleuchteten Fenster empor und den Nachtschmetterlingen, die ins Licht flatterten, den Blumen und den Nachtigallen habe ich mein Lied, mein ungesungenes Lied, anvertraut. Und d i e haben mich verstanden. ANDREA

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MEIN HERZ SCHWEBT DURCH DIE NACHT ZUR DIR. ES SINGT UND BRINGT DIR MEINE STUMME SERENADE. UND SEHNSUCHTSVOLL BANG TÖNT IM WIND VERWEHT, WAS SIE DIR NICHT GESTEHT – WIE SCHADE! GEHEIM MUSS MEINE LIEBE SEIN. DRUM SING‘ UND BRING‘ ICH DIR NUR LIEDER OHNE WORTE. WAS DIR MEIN MUND VERHEHLT: DASS DICH MEIN HERZ ERWÄHLT, VERRIET MEIN LIED UND HAT ES STUMM ERZÄHLT. SILVIA

EIN STERN ERHELLT DIE STILLE NACHT. VIELLEICHT ERREICHT SIE IHN, DIE STUMME SERENADE. GEHEIMNISVOLL BANG SCHWEBT SIE HIMMELWÄRTS UND DRINGT NICHT AN MEIN HERZ – WIE SCHADE! GEHEIM MUSS SEINE LIEBE SEIN. DRUM SINGT UND BRINGT ER MIR NUR LIEDER OHNE WORTE. WAS MIR SEIN MUND VERHEHLT: DASS MICH SEIN HERZ ERWÄHLT, VERRIET SEIN LIED DEM STERN, DER MIR’S ERZÄHLT. AH…

ANDREA

WAS DIR MEIN MUND VERHEHLT: DASS DICH MEIN HERZ ERWÄHLT, VERRIET MEIN LIED UND HAT ES STUMM ERZÄHLT.

N

IC

AH…

LAURA

(im letzten Takt aufseufzend)

Oh!...

(Sie fällt in Ohnmacht.)

VORSITZENDER (schwingt die Glocke) Was ist geschehen? ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!83!von!136!


!!!!

SAM Ein Glühwurm ist in Ohnmacht gefallen. (Stimmen aus dem Zuschauerraum: „Bravo Coclé! Eviva Andrea! Hoch!“ Zunehmende Begeisterung. Einzelne Zuschauer springen von ihren Stühlen auf, werfen Hüte und Taschentücher in die Luft und umdrängen ANDREA.) VORSITZENDER

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(schwingt die Glocke)

Ruhe, jeder begebe sich auf seinen Platz!

(Die WACHE drängt mit quergehaltenem Gewehr die nach vorne Steuernden gegen die Seitenwände.)

Der Gerichtshof zieht sich zur Urteilsberatung zurück!

(Die RICHTER stehen auf und treten hinter dem Stuhl des Vorsitzenden in einer Weise zusammen, dass sie dem Publikum den Rücken zukehren, währenddem) SILVIA

(die sich erhoben hat und auf ANDREA zutritt)

Empfangen Sie meinen Glückwunsch! Ich bewundere Sie! Sie sind ein Held! ANDREA

(leise)

Spät bemerken Sie das.

SILVIA

N

IC

Nicht zu s p ä t !

LUGARINI

(tritt hinter SILVIA)

Ich wünsche nicht, dass Sie mit diesem Manne reden!

SILVIA

(ohne LUGARINI zu betrachten) Ich habe Sie nicht verstanden!

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!!

ANDREA Es war nicht Ihre Schuld. SILVIA Können Sie mir verzeihen? ANDREA

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(neigt sich über ihre Hand)

Madonna!

(Sie kehrt lachend zu ihrem Platz zurück.)

CARETTO

(hat sich ANDREA von der anderen Seite genähert, drückt ihm schmunzelnd seine Hand)

Es geht nach Wunsch! Es geht nach Wunsch! Die Richter sind im Begriff sich zu einigen. (Da ANDREA sichtlich etwas erwidern will.)

Stille! Wir sind so weit!

(Die RICHTER haben ihre früheren Plätze eingenommen. Der VORSITZENDE gibt das Glockenzeichen. Es wird sofort still.) VORSITZENDER

(sich erhebend)

IC

Im Namen seiner Majestät des Königs! Der Gerichtshof hat zu Recht erkannt:

N

Andrea Coclé, Bürger von Neapel, Modezeichner des Modehauses “La Bella di Napoli" nach durchgeführter Verhandlung schuldig befunden des Doppelverbrechens: a) eines Mordanschlag auf das Leben des Staatskanzlers Benedetto Lugarini und b) der versuchten Entführung der Schauspielerin Silvia Lombardi in der gleichen Nacht wurde unter Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des neapolitanischen Strafgesetzes 195 resp. 273 verurteilt: 1. zum Tode durch Erhängen und 2. zum Ersatz der Gerichtskosten. SAM (halblaut)

Gebühren auch noch?

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!!!!

VORSITZENDER: (zu ANDREA) Andrea Coclé! Nehmen Sie die Strafe an? ANDREA

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(wechselt einen Blick mit CARETTO) Ich nehme die Strafe an!

VORSITZENDER

Der Gerichtshof nimmt Ihre Entscheidung zur Kenntnis. Sie beweist einen unter Schneidern nicht alltäglichen Mut und zeigt, dass Sie als ein richtiger Neapolitaner zu leben und zu sterben wissen. Die Exekution wird kurz nach Mitternacht stattfinden. Für die unmittelbar vorangehende Zeit einen Wunsch auszusprechen, ist dem Delinquenten freigegeben. Wir werden ihn nach Möglichkeit zu erfüllen trachten. Haben Sie einen letzten Wunsch? ANDREA

Einen letzten Wunsch? Nicht dass ich wüsste. Oder doch... ja: ich habe einen. Ich wünsche für heute Nacht ein exquisites Souper mit allerfeinsten Leckerbissen, Champagner, Blumen und Lichtern… VORSITZENDER

Bewilligt!

ANDREA

Aber nicht in meiner Zelle und nicht allein. Ich wünsche meinen Abschied von der Welt Gesellschaft einer wunderschönen Frau zu feiern, deren Seele mir ein Rätsel ist und deren Herz ich ergründen möchte! Ich erbitte mir die Gunst mit Donna Silvia Lombardi ein letztes Mal zu Abend essen zu dürfen.

IC

LUGARINI

N

(empört)

Unverschämt!

VORSITZENDER

Darüber hat der Gerichtshof nicht zu entscheiden. Die Gewährung Ihres Wunsches hängt ausschließlich von Donna Silvia ab. LUGARINI (rasch) Und von mir! Ich verbiete es ihr! ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!86!von!136!


!!

SILVIA (verharrt in reglosem Schweigen. Alle Blicke sind auf sie gerichtet. Erst nach einer Weile steht sie langsam auf und tritt auf ANDREA zu, um ihm mit klarer Stimme ihre Entscheidung bekanntzugeben.) Andrea Coclé, ich erwarte Sie zum Abendessen im Boudoir meiner Villa. NR. 20 SILVIAS ABGANG

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(Worauf sie, an LUGARINI vorbei, durch die aufjubelnde Menge zur Tür schreitet, von ihrer DUENNA gefolgt. Die BEIDEN SOLDATEN, die an der Türe stehen, präsentieren das Gewehr.) Verdunkelung

ZWISCHENSPIEL

Zwischenvorhang: Den Vorraum des Verhandlungssaales darstellend. Rechts und links Säulen. SILVIA

(gefolgt von ihrer KAMMERFRAU, tritt auf. Gleich darauf LUGARINI, der ihr in heftiger Gemütsbewegung folgt, sichtlich bestrebt, sie vor dem Verlassen des Gerichtsgebäudes einzuholen. Sein DIENER begleitet ihn.) LUGARINI

(SILVIA den Weg vertretend)

Einen Augenblick Silvia! Wir haben miteinander abzurechnen!

(BETTINA und der DIENER ziehen sich diskret zurück.) SILVIA

N

IC

Bin ich Ihnen etwas schuldig?

LUGARINI

Jawohl! Eine Aufklärung! Sie sind meine Braut! Als Braut des Staatskanzlers hatten Sie nicht das Recht, diesen Coclé zum Nachtessen einzuladen. SILVIA

Das war Christenpflicht! Ein Mann, der vor dem Tode steht! Sogar das Gesetz sieht die Erfüllung seines letzten Wunsches vor. (mit Anspielung) Sie haben es nicht abgeändert. ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!87!von!136!


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LUGARINI Ein gemeiner Verbrecher! SIVIA Ein Patriot! Ein Idealist! Ein Mensch wie aus einem Heldenbuch! LUGARINI

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Erscheint es Ihnen so heldenhaft, weil er mich in die Luft blasen wollte? SILVIA

Er setzte sein Leben aufs Spiel.

LUGARINI

Sie meinen: m e i n Leben!

SILVIA

Seit Jahren war er mein Schneider. Wer hätte geahnt, was in ihm steckt? Er war so schüchtern, so behutsam… ein Traumichnicht! LUGARINI

Ich finde, er hat sich genug getraut!

SILVIA

(verfolgt ihren Gedankengang)

Und was hat diese Handlung hervorgebracht? Die Liebe…

LUGARINI

N

IC

… zu Ihnen!

SILVIA

Ich weiß nicht. Vielleicht. Er hatte nicht den Mut, sie mir zu gestehen. LUGARINI

Doch hatte er den Mut, um Mitternacht in Ihr Schlafzimmer zu dringen.

!

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!!

SILVIA (mit aufflammendem Blick) Weil er ein wirklicher kann ist. Er redet nicht, er handelt. Wenn man ihn festnimmt, leugnet er alles. Ein ängstlicher Schneider, denken die Leute. Er aber schweigt, nicht aus Ängstlichkeit, sondern aus Ritterlichkeit. Um den Ruf der Frau zu schonen. Ein ganzer, ein wahrer Mann! LUGARINI

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Genug! Wie können Sie es wagen, mir ins Gesicht von ihm zu schwärmen? SILVIA

Wie ich es wagen kann? Was soll das heißen? Ich bin nicht Ihre Sklavin! Sie können Neapel unterjochen - nicht mich! LUGARINI

Vermeiden wir große Worte, Silvia! Sie werden sich die Sache überlegen und Ihre törichte Nachtmahleinladung widerrufen. SILVIA

Und wenn ich sie nicht widerrufe?

LUGARINI

Dann sind wir geschiedene Leute.

SILVIA

Gut!

(ruft)

IC

Bettina!

N

(BETTINA und der DIENER nach vorne)

SILVIA

(streift ihren Ring vom Finger)

Hier, Bettina! Gib dem Herrn Staatskanzler diesen Ring zurück. (Sie reicht ihr den Ring.)

!

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BETTINA (zum DIENER) Gib ihm den Ring! (Sie überhändigt dem DIENER den Ring.)

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SILVIA (eilt dem Ausgang zu, gefolgt von BETTINA)

DIENER

(mit einem tiefen Bückling)

Der Ring Exzellenz!

LUGARINI

(reißt ihm den Ring aus der Hand und schleudert ihn wütend zu Boden. Der DIENER tritt erschrocken zurück.) Verdunkelung

NR. 21 ENTR’AKT = NR. 11

II. AKT – ZWEITES BILD

N

IC

Boudoir in der Villa Lombardi, am selben Abend. Reizend ausgestattet, intim, im Geschmack der Epoche. An den Wänden Gobelins. Rechts und links Türen. Im Hintergrund eine doppelflügige Glastüre, die auf die Terrasse hinausführt. Ausblick auf glitzernde Häuser-Lichter, dahinter das dunkelblaue Meer. Sternenhimmel. Im Vordergrund ein langer, aus fünf kleinen Tischen zusammengesetzter Tisch, rechts und links je ein Armstuhl.

!

Jedes der fünf Tischchen ist mit einem eigenen feinen Tischtuch bedeckt, der Eindruck ist nichtsdestoweniger der einer einzigen, langen, von e i n e m Tischtuch bedeckten Tafel.

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!!

NR. 22 TANZ-PANTOMIME (DIE 3 ZOFEN)

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(Beim Aufgehen des Vorhangs ist der in Dämmerung gehüllte Raum leer. Dann öffnet sich die Seitentür links und DREI JUNGE KAMMERMÄDCHEN (dargestellt von den DREI MANNEQUINS) kommen herein, Blumenschmuck und mehrarmige Leuchter mit brennenden Kerzen tragend. Sie stellen Leuchter und Blumen auf den Tisch und beginnen die Tafel — im Verlauf einer Art Tanz-Pantomime - zu decken mit kostbarem Porzellan, kristallenen Gläsern und feinstem Silber-Essbesteck. Zum Schluss wird die ganze Tafel mit Rosen und anderen leuchtenden Blumen künstlerisch geschmückt.) 1. KAMMERMÄDCHEN

(über die Blumen gebeugt)

Wie stark die Rosen duften!

2. KAMMERMÄDCHEN

(die Luft durch die Nase einziehend)

Ich dachte es sei der Fisch…

SILVIA

(noch im Negligé, tritt nervös ein)

Seid Ihr fertig - Kinder?

(mustert kritisch die Tafel)

Sehr hübsch - geschmackvoll - nur vielleicht – (mit entsprechender Geste)

N

IC

ein wenig umständlich für die Konversation. Schiebt die Tafel ein wenig zusammen!

(Die MÄDCHEN heben Tischchen Nr. 2 weg, stellen es an die Wand, vereinen Tisch Nr. 1 mit Nr. 3) SILVIA

(nach weiterer Prüfung)

Noch ein bisschen…

(Tisch Nr. 4 wird entfernt, 5 und 3 aneinandergerückt.) So ist's recht! — Wo ist das Menu?

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1. KAMMERMÄDCHEN (reicht es ihr) SILVIA Danke.

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(liest) "Consommé a la Napoleon"

(zu den MÄDCHEN)

Ändern Sie das in „Consommé a la Coclé“, „Nachtigallenzungen mit Sauce Serenad“. Sehr angemessen! "Beauf a la dictatur", "Salat und Kompott d‘amour". Und zum Schluss: "Bombe glacée“. (gibt das Menu zurück)

Ein ideales Menu.

1. KAMMERMÄDCHEN

Danke, Donna Silvia.

(Die DREI MÄDCHEN ab.)

SILVIA

(ruft ihnen nach)

Vergesst nicht den Champagner einzukühlen! NR. 23 „OHNE DICH" (SILVIAS LIEBESLIED)

N

IC

(Allein geblieben, geht sie nach hinten, öffnet die Flügel der Glastüre zur Terrasse und gibt sich erwartungsvoll der Poesie der Sternennacht hin.)

Ich bin verliebt. Zum ersten Mal verliebt!

DIE NACHT IST EINSAM OHNE DICH! KOMM‘, GELIEBTER, KÜSSE MICH! JEDE SEKUNDE WIRD ZUR STUNDE OHNE DICH, OHNE DICH! IST NICHT DER ZAUBER DIESER NACHT FÜR UNS BEIDE NUR ERDACHT? SO UNERMESSLICH, UNVERGESSLICH, BIS DAS LICHT DES TAGS IHN ZERBRICHT? DIE NACHT IST UNSER, LASS MICH NICHT OHNE DICH! BISHER WAR LIEBE MIR NICHTS WEITER ALS EIN SPIEL. NIE HAT MEIN HERZ GEKANNT

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!!

DIES SELIGE GEFÜHL. JETZT WEISS ICH, DASS ICH NICHT GELEBT BIS ZU JENER STUND‘, DA DU KAMST, IN DIE ARME MICH NAHMST UND MIR KÜSSTEST MEINEN MUND.

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EILE DOCH ZU MIR, KOMM IN MEINEN ARM, FLIEGE AN MEIN HERZ! DIE NACHT IST EINSAM OHNE DICH. KOMM‘, GELIEBTER, SÄUME NICHT! WILL MICH DIR GEBEN, WILL NICHT LEBEN OHNE DICH, OHNE DICH! DIE NACHT IST UNSER! LIEBST DU MICH, LASS MICH NICHT HEUTE NACHT OHNE DICH!

(ab nach ihrem Lied)

DIE DREI KAMMERMÄDCHEN

(kehren mit Eiskübeln, Wein-und Champagnerflaschen zurück.) ZWEI SOLDATEN

(treten rechts durch die Tür ein, die offen bleibt, nehmen zu beiden Seiten der Tür Stellung.) ANDREA

(im Frack mit Handschellen, durch die offene Tür herein) 1. KAMMERMÄDCHEN

(sichtlich erschrocken)

IC

Verzeihung! Aber wir erwarten einen Gast!

ANDREA

N

Ich weiß.

(kennerisch um sich blickend)

Entzückendes Zimmer…

(auf einen die Wand schmückenden Gobelin deutend)

Echt? (tritt näher)

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1. KAMMERMÄDCHEN Wie meinen der Herr? ANDREA Lassen Sie sehen!

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(zupft nach Schneiderart an ihrer Bluse) Etwas zu weit — vorne! Und rückwärts — zu eng!

1. KAMMERMÄDCHEN

(zuckt bei der Berührung der an ihrem Hals klappernden Handschellen zurück.)

Aber, bitte…

ANDREA

Kein aber, wenn's beliebt! Ich bin Fachmann! Wenn ich sage, um den Hals zu weit, so ist es zu weit. (Er setzt seine kritische Musterung des Raumes fort.)

Englisches Silber… Capo di Monte… Service… Melden sie mich…

1. KAMMERMÄDCHEN

Ich habe den Auftrag, niemand vorzulassen. Meine Dame erwartet einen Gast. ANDREA

Ich weiß!

IC

(Hebt ein Weinglas auf und hält es gegen das Licht. Stellt das Glas wieder hin.)

N

Ich bin der Gast!

CARETTO

(tritt ein)

Melden Sie ihn an. Auf meine Verantwortung.

(Auf seinen Wink entfernen sich die BEIDEN SOLDATEN.)

!

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!!

ANDREA (während sich die MÄDCHEN durch die linke Tür davon machen) Danke‚ Exzellenz! CARETTO

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Mein lieber Andrea, ich hoffe, Sie sind mit mir zufrieden. Gar nicht so übel - für eine Todeszelle‚ wie? ANDREA

Todeszelle! Ich wollte ich könnte hier bleiben bis ans Ende meiner Tage! CARETTO

(ihm wohlwollend auf die Schulter klopfend)

Das werden Sie lieber Freund — hoffentlich!

ANDREA

Ist es wahr, dass Lugarini mit Silvia Lombardi gebrochen hat? CARETTO

Er musste. Nach dem Skandal im Gerichtssaal…

ANDREA

Und wie steht es mit meiner Begnadigung?

CARETTO

IC

Das diesbezügliche Schriftstück wurde Seiner Majestät zur Unterschrift unterbreitet. ANDREA

N

Und - hat der König unterschrieben?

CARETTO

Seien Sie nicht ungeduldig! Das geht nicht so schnell!

ANDREA

Entschuldigen Sie! — Man hat mich schnell genug verurteilt! CARETTO Natürlich! Das geht immer schneller! ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!95!von!136!


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ANDREA (während er sich an den Tisch setzt und über die hohe Blumenvase hinweg zu einem imaginären Vis-a-vis hinüberzusehen versucht) Verständigen Sie mich, bitte, nur sogleich von der erfolgten Unterschrift. Es soll sehr gesund sein, mit vollem Magen gehängt zu werden. CARETTO

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Seien Sie unbesorgt! Der König bricht sein Versprechen nicht! ANDREA

(ist aufgestanden und vertauscht die störende Vase mit einer kleinen Blumenschale.)

Aber wenn er vergisst? Wenn er einschläft?

CARETTO

Ja, aufwecken darf ich ihn nicht. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun? ANDREA

(wiederum an der Tafel sitzend und hinüberblickend, noch immer nicht völlig befriedigt)

Ja Exzellenz! Helfen Sie mir, bitte, den Mitteltisch zu entfernen. CARETTO

Sie sind ein Wüstling!

IC

(der Mitteltisch wird entfernt, die beiden verbleibenden Tischchen zusammengerückt) ANDREA

N

Danke, Exzellenz!

CARETTO

Guten Appetit! (ab)

!

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1. KAMMERMÄDCHEN (tritt fast gleichzeitig aus der Türe links, meldet an) Donna Silvia! (Hält die Türe offen.)

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SILVIA (tritt ein, in einem festlichen Abendkleid, reich geschmückt.) ANDREA

(auf sie zu, küsst die Hand)

Madonna…! Wie soll ich Ihnen danken!

SILVIA

(lächelnd)

Ich erfülle Ihren letzten Wunsch. Der Tisch ist bereit. Wie gefällt Ihnen mein Kleid? (betont)

I h r Kleid?

ANDREA

Meine eigene Schöpfung! Welch entzückende Aufmerksamkeit! Aber war es nicht unerlaubt kühn von mir, diese letzte Gunst zu erbitten? SILVIA

N

IC

Durchaus nicht. Ein Mann in Ihrer Lage hat einen gesetzlichen Anspruch auf eine Mahlzeit nach seinem Geschmack! Sind Sie hungrig? ANDREA

(sieht sie an; nach einer Pause, leise)

Sehr!

!

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SILVIA (lächelt, schwingt die Tischglocke) Dann wollen wir keine Zeit verlieren! (ERSTES KAMMERMÄDCHEN tritt ein)

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Lass‘ gleich servieren! (setzt sich und bedeutet ANDREA ihr gegenüber Platz zu nehmen.)

NR. 24 MELODRAM (SOUPER-MUSIK)

1. KAMMERMÄDCHEN

(wendet sich in der Türe und winkt)

SILVIA

(zu ANDREA)

Ich bewundere Ihre Ruhe! Dass Sie unter diesen Umständen überhaupt essen können! ANDREA

Familientradition. Wir Coclés können immer essen.

(hat Platz genommen, während das ZWEITE KAMMERMÄDCHEN bereits die Suppe serviert.) 3. KAMMERMÄDCHEN

(gießt Wein ein)

IC

ANDREA

N

Napoleonsuppe! Mein Leibgericht!

SILVIA

(sieht ihn lieb an)

Wenn’s nur schmeckt!

ANDREA (hebt das Weinglas) Stoßen wir an! ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!98!von!136!


!!

SILVIA Auf was? ANDREA Auf was Sie wollen? SILVIA

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Die – stumme Serenade?

ANDREA

Eviva la serenata!

SILVIA

(Sie trinken gleichzeitig.)

Ja, – damit hat alles angefangen!

ANDREA

Die Suppe ist himmlisch – könnte ich noch einen Löffel - ? SILVIA

(betrachtet ihn)

Unglaublich!

ANDREA

IC

Was ist unglaublich?

SILVIA

N

Wie klar Ihre Augen sind! Wie ruhig! Haben Sie denn nicht ein bisschen Angst? ANDREA

Sogar g r o ß e Angst!

SILVIA

Vor – morgen früh?

!

! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!99!von!136!


!!!!

ANDREA Nein! Vor heute Nacht! Ich weiß nicht, wie ich Ihnen das erklären soll… Versetzen Sie sich, bitte, in meine Lage… Ich liebe eine wunderschöne Frau… Ich liebe sie, wie ich mit gutem Gewissen und ohne geringste Übertreibung behaupten darf, mehr als mein Leben… Und ich weiß nicht, wie ich es ihr gestehen soll — SILVIA

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Und das ängstigt Sie in d i e s e m Augenblick‚ in m e i n e r Gesellschaft?

ANDREA

Ja — denn S i e s i n d diese Frau!

SILVIA

Nicht möglich!

ANDREA

Doch! Ich kann es Ihnen nicht länger verschweigen! Es wäre unbescheiden von mir, ein solches Geheimnis mit ins Grab nehmen zu wollen. (mit dem Mut der Verzweiflung)

Ich liebe Sie!

(worauf eine Pause entsteht, da die DREI KAMMERMÄDCHEN flink auftretend, den nächsten Gang servieren.) SILVIA

(sowie die Bedienung abgegangen und sie wieder allein sind)

ANDREA

N

IC

Dann waren Sie's also doch - der Attentäter?

Sie meinen das Attentat auf Lugarini?

SILVIA

Ich meine das Attentat auf mich.

ANDREA (nach einer Pause) Ja, ich war's! ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!100!von!136!


!!

SILVIA (aufseufzend) Endlich! Sie wollten mich also einfach so — so (Sie schnalzt unhörbar mit den Fingern.)

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wegtragen, wie ein Löwe seine Beute. ANDREA

Es war kein augenblicklicher Einfall. Ich habe lange darüber nachgedacht. SILVIA

Wie lange, Herr Löwe?

ANDREA

Drei Jahre.

SILVIA

Und das Attentat auf Lugarini - wie lange brauchten Sie, um d a s zu beschließen? ANDREA

Drei Minuten.

SILVIA

Das ist ein Unterschied!

ANDREA

N

IC

Das glaub ich! Es ist ja auch um so viel einfacher, eine Bombe zu legen, als eine Frau zu entführen. Eine Bombe explodiert oder explodiert nicht. Alles Übrige ergibt sich von selbst. Aber eine Frau entführen! Das ist ganz etwas anderes! SILVIA

Warum nicht gar! Man packt sie an und schleppt sie weg! Fertig! ANDREA

Und die Verantwortung? Die Verpflichtung? Ich bin ein gewissenhafter Entführer! Wenn man einen Minister ins Jenseits befördert, so ist das eine endgültige Erledigung. Man zahlt mit seinem Leben — aus! Aber eine Frau entführen! Da fängt ja die Geschichte erst an. Man kann sie doch nicht die ganze Zeit in den Armen halten. Man muss sie doch auch einmal - niederstellen! Und was dann? Ja, Bomben werfen, das ist ein Kinderspiel! Aber das Leben einer Frau für alle Zukunft in die Hand nehmen, das will was heißen… ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!101!von!136!


!!!!

SILVIA (das Kinn in ihre Hand gestützt, ohne zu essen) Sie sind ein seltener Mensch, Andrea! ANDREA

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Was war das? SILVIA

Was?

ANDREA

Sie haben mich beim Vornamen genannt! Bitte, tun Sie's noch einmal! SILVIA

(lächelnd)

Aber ja, Andrea — !

ANDREA

Madonna!

SILVIA

(reicht ihm die Hand über den Tisch)

Warum sagen Sie nicht Silvia?

ANDREA

N

IC

Ich — Sie — Silvia?

SILVIA

Ich habe noch nie einen so furchtsamen Helden gesehen. Es ist Ihre letzte Nacht, Andrea! Seien Sie mutig! Seien Sie verwegen! So verwegen wie vorgestern Nacht, als Sie zu mir ins Zimmer kamen! Morgen ist alles aus! Alles vergessen…! Ich meine für Sie! Aber heut‘ gehör ich Ihnen! Gehören Sie mir! (Sie hat seine beiden Hände erfasst und löst die Armfesseln.)

Umarmen Sie mich! ANDREA Sie lösen meine Fesseln! Das ist ja wie im Märchen. - Woher wissen sie, wie man das tut? ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!102!von!136!


!!

SILVIA (sachlich) Von der Bühne. ANDREA

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Und Sie lieben mich? Sie lieben mich wirklich? SILVIA

(mit wahrer Empfindung)

Wirklich, Andrea!

ANDREA

Aber wen, Silvia? Wen lieben Sie? Den Frauenräuber oder den politischen Attentäter? SILVIA

Ich liebe S i e !

ANDREA

Den Modezeichner oder den stummen Sänger verliebter Serenaden? SILVIA

Ich liebe Sie!

ANDREA

Silvia! Engel!

N

IC

(Zunehmendes Geräusch hinter der Szene: ein Fackelzug, der sich jenseits der Garteneinfassung die Straße entlang bewegt. Laute Hochrufe auf ANDREA wechseln ab mit: "Nieder mit Lugarini - An die Laterne mit Lugarini") SILVIA

Das Volk von Neapel feiert Sie! Sie sind der Held des Tages! ANDREA

Der Held dieser Nacht! Das ist mehr! Viel mehr! SILVIA Darauf wollen wir ein Glas Champagner leeren! ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!103!von!136!


!!!!

ANDREA Auf diese Nacht! Meine letzte! Und Morgen… SILVIA Kein Wort von Morgen! Noch ist es heute!

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

(leise anschwellende Musik) Kommen Sie, Andrea! – Komm, Geliebter! (aufstehend)

Tanzen wir!

NR. 25 „SCHÖNSTE NACHT" (DUETT: SILVIA – ANDREA) ANDREA

SCHÖNSTE NACHT, LETZTE NACHT MEINES LEBENS, SEI BEDANKT, DASS ICH NICHT GELEBT VERGEBENS. HAND IN HAND, HERZ AN HERZ, MIT DIR IM TANZ MICH ZU DREHN, FÜLLT DIE BRUST MIT SEL’GER LUST, MAG AUCH DIE WELT UNTERGEHN! SILVIA

SCHÖNSTE NACHT, ERSTE NACHT UNSRER LIEBE, DASS SIE DOCH FÜR UNS ZWEI AUF EWIG BLIEBE! ALL MEIN SEHNEN IST GESTILLT, ALL MEIN TRÄUMEN HAST DU ERFÜLLT, GOLD’NER HIMMEL MIR LACHT, DA ZUR LIEBE ICH HEUT‘ ERWACHT.

N

IC

ERSTER KUSS – LETZTES GLÜCK – SCHÖNSTE NACHT. SILVIA UND ANDREA

DIE STUMME SERENADE TÖNT. WAS LANG… SILVIA

…SEIN MUND VERHEHLT, DASS MICH SEIN HERZ ERWÄHLT, VERRIET SEIN LIED…

ANDREA …MEIN MUND VERHEHLT, DASS DICH MEIN HERZ ERWÄHLT, VERRIET MEIN LIED…

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!!

SILVIA UND ANDREA …UND HAT ES ERST SO GANZ IM WALZERTANZ ERZÄHLT. (Der Tanz endet mit einem langen, leidenschaftlichen Kuss. Lärm im Vorderzimmer, rechts, CARETTO reißt die Türe auf, hinter ihm VIER SOLDATEN) CARETTO

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

(in großer Aufregung) Silvia! Andrea! Etwas Schreckliches ist geschehen!

SILVIA

Was? Um Gotteswillen!

CARETTO

Der König… der König…

SILVIA

Wie? Was? Heraus mit der Sprache!

CARETTO

(fasst sich)

Der König ist t o t ! Es lebe der König!

ANDREA

(erbleicht)

N

IC

Es lebe der König! Einverstanden! Aber, was wird aus mir? CARETTO

(trocken)

Nichts! Sie werden gehängt!

!

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!!!!

ZWISCHENSPIEL

NR. 26 MARSCH UND REVOLUTION (ANDREA – CARETTO – SOLDATEN) (Die SOLDATEN treten vor, legen ANDREA die abgestreiften Handschellen wieder an und führen ihn ab. CARETTO folgt. SILVIA, allein zurückgeblieben, blickt ihnen verzweifelt nach.)

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Verdunklung

(bei gleichzeitig einsetzender Marschmusik)

Zwischenvorhang: Ein Stück der Straße vor der Villa Lombardi, ein doppelflügiges barockes Gittertor, an das beiderseits ein Stück des Parkgitters anschließt. Dahinter eine Reihe blühender Kastanienbäume. Sternenklarer Nachthimmel. Die WACHABTEILUNG mit CARETTO und dem wankenden ANDREA in der Mitte marschiert im Gleichschritt über die Bühne. ANDREA

(den ihm zur Seite etwas vorangehenden CARETTO am Arm fassend)

Exzellenz…! Herr Polizeiminister!

CARETTO

Was beliebt?

(Die WACHABTEILUNG hat ihren Schritt verlangsamt, bewegt aber an Ort und Stelle weiter im Takt der Musik die Beine.)

IC

Zug – Halt!...

N

(Die Wachabteilung steht ruckartig still.)

Haben Sie noch einen Wunsch?

ANDREA

„Noch einen Wunsch“ ist gut. Wissen Sie nicht mehr, was Sie mir versprochen haben?

!

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!!

CARETTO (etwas ungehalten) Bedaure unendlich! Aber was kann denn ich machen? Das Gesuch war vorschriftsmäßig ausgefertigt und rechtzeitig vorgelegt. In zwei Exemplaren, mit –Stempeln. Ja, dass der König im Augenblick, wo er‘s unterschreiben soll, tot umfällt – das ist etwas, was auch der gewissenhafteste Beamte nicht voraussehen kann… Wenn sie jetzt wirklich gehängt werden - ich bin unschuldig!

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Vorwärts – Marsch! (Die WACHABTEILUNG setzt sich wieder in Bewegung.) ANDREA

(zu CARETTO, der jetzt voranschreitend an die Spitze des kleinen Zuges getreten ist)

Exzellenz! Exzellenz!

CARETTO

(ungeduldig sich umwendend)

Was denn noch?

(kommandiert)

Zug – Halt…!

(zu ANDREA)

Um was handelt’s sich! Aber schnell, bitte!

IC

ANDREA

N

(atemlos)

Kann ich nicht ein neuerliches Gesuch um Begnadigung einbringen? CARETTO

Ausgezeichnete Idee! Bringen Sie’s ein!

(hebt den Arm, um das Kommando zu geben)

!

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!!!!

ANDREA (ihm in den Arm fallend) Aber bei wem? Bei wem hab‘ ich’s einzubringen? CARETTO

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Beim Regenten natürlich! ANDREA

Wer ist das?

CARETTO

Herr Minister Lugarini. Er hat sich selbst zum Regenten ernannt. (kommandiert)

Vorwärts – Marsch!

(ANDREA knickt zusammen, die WACHABTEILUNG schreitet aus und marschiert ab. Die Musik schwillt an.) Verdunklung

Vorhang zu

N

IC

!

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!!

II. AKT – DRITTES BILD Zwei Stunden später. Zimmer des Präsidenten wie im ersten Akt. Nachts. Alle Kerzen in den silbernen Kandelabern erstrahlen in vollstem Licht.

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Beim Aufgehen des Vorhangs, zu den Klängen der immer lauter gewordenen Marschmusik postieren sich in raschem Schritt rechts und links von der weit geöffneten Mitteltüre SOLDATEN in Prunkuniformen und bilden Spalier.) NR. 27 FANFARE = NR. 10

Hinter der Szene erregte Rufe:

Eviva Napoli! Es lebe der Ministerpräsident!

Eine Fanfare ertönt. Nach einem kurzen Augenblick der Spannung erscheint der Ministerpräsident: Es ist ANDREA, in ministerieller Galauniform, hinter ihm CARETTO, gefolgt von einer kleinen lärmenden Menschenmenge. RUFE

Es lebe Andrea Coclé! Es lebe der neue Ministerpräsident! Hoch! Hoch! EIN OFFIZIER

(ANDREA ein Pergament überreichend)

Exzellenz, melde gehorsamst: Signor Lugarini ist gefangen gesetzt, hat abgedankt und hat als letzte Regierungshandlung Ihre Ernennung zum Staatschef bestätigt. Morgen früh um 10 wird die neue Regierung vereidigt. Hier die Urkunde! ANDREA

IC

(wie betäubt)

N

Ich danke Ihnen.

ERNEUTE HOCHRUFE

Eviva Andrea! Es lebe die Freiheit. Andrea soll reden! Reden!

!

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!!!!

ANDREA (versucht sich zu fassen) Meine Freunde, ich danke Ihnen für meine Rettung, ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen. Ich habe immer versucht, ein guter Schneider zu sein — da haben sie mich zum Minister gemacht. Vielleicht, wenn ich nun versuchen werde, ein guter Minister zu sein, werden Sie mich…

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(mit fester Stimme) Aber wie auch immer, Freunde: Die Tyrannei ist vorüber! Von jetzt ab regiert in Neapel die Freiheit und wir alle, Sie und ich, jeder, j e d e r soll glücklich sein! Und nun – gute Nacht! BEGEISTERTE HOCHRUFE

Eviva Andrea! Eviva Caretto!

(Leise Marschmusik. Die SOLDATEN entfernen sich und drängen die Menge im Hintergrund hinaus, während der DIENER alle Kerzen, bis auf die den Schreibtisch erhellenden, verlöscht. Dann geht er auch ab, schließt die Türe hinter sich.) ANDREA

(sinkt erschöpft in den Besucherfauteuil)

Was war das, Caretto? Was war das?

CARETTO

(ruhig)

Nichts besonders. Eine kleine Revolution. Ein kleines, nettes Revolutiönchen, das wir Ihrer heutigen Rede im Gerichtssaal zu verdanken haben! Das Volk ist gegen Lugarini, also hat es ihn arretiert, das Volk ist für Sie, also hat es Sie befreit, und macht Sie zum Ministerpräsidenten. C’est tout!

IC

ANDREA

N

Aber ich verstehe nichts von Politik…

CARETTO

Dann verstehen Sie davon ungefähr ebenso viel wie die meisten berühmten Staatsmänner. ANDREA

(mit gerungenen Händen)

Mitleid, Caretto! Lassen Sie mich zurück in meinen Salon.

!

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!!

CARETTO (trocken) Das ist ausgeschlossen! Jetzt wollen Sie sich mit ein paar Damenkundschaften begnügen, wo Sie für die ganze Bevölkerung von Neapel arbeiten können? Da! (weist auf den Schreibtisch)

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Sehen Sie all diese Papiere auf Ihrem Schreibtisch? Setzen Sie sich nieder und unterschreiben Sie sie. ANDREA

(geht zum Schreibtisch, seufzend)

Nun gut - so werde ich für das Wohl meines Volkes meine Nachtruhe opfern — und all diese Papiere lesen. (beginnt, die Akten durchzublättern)

CARETTO

(schlägt die Hände über dem Kopf zusammen)

Was fällt Ihnen ein?! Seit wann liest ein Minister etwas, was er ohnehin unterschreibt? Und überhaupt: Lassen Sie sich Zeit. ANDREA

(hebt ein paar Akten hoch)

Aber sehen Sie doch nur: all diese Akten tragen den Vermerk: "Dringend" CARETTO

N

IC

Sie werden schon von selbst dahinterkommen, dass sich der dringendste Akt ganz von selbst erledigt, wenn man ihn n i c h t erledigt! ANDREA

(hat indessen lächelnd ein Papier nach dem andern zu unterzeichnen begonnen.) CARETTO

(sieht ihm staunend zu, streut Streusand auf jedes unterfertigte Blatt.)

Sehen Sie — es geht ja glänzend - sie arbeiten sich wunderbar ein!

!

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DIENER (tritt ein) Entschuldigen, Exzellenz – ANDREA

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Was gibt‘s? DIENER

Einer der neuen Sträflinge wünscht dringend eine Audienz. Er will sieh beschweren. ANDREA

Das kann ich ihm nachfühlen. Lass ihn herein! Wir sind für jeden Bürger des Königreichs Neapel zu sprechen. (DIENER winkt, LUGARINI wird gefesselt hereingeführt, bleibt trotzig stehen.) ANDREA

Ah - Benny -.Sie sind’s! Treten Sie näher! Nicht so förmlich! Ich freu‘ mich direkt, Sie zu sehen… LUGARINI

Wirklich?

ANDREA

In diesem Gewande – mein ich!

LUGARINI

IC

Es ist scheußlich!

ANDREA

N

"Sie haben r e c h t - es ist scheußlich. Ich werde gleich morgen früh ein neues Modell entwerfen, bei dem die Streifen senkrecht verlaufen… (zu CARETTO gewendet)

wie ich es gestern bereits angeregt hatte…

LUGARINI Die Bluse ist zu eng; ich kann sie nicht einmal zuknöpfen.

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ANDREA Mein Lieber – Sie haben im Amt ein bisschen Fett angesetzt! Aber keine Sorge: das werden Sie hier schon wieder loswerden! Bei unserer Sträflingskost. —- Und was ist Ihre Beschwerde? LUGARINI Eben diene Kost – ungenießbar! Mehlsuppe und Kartoffelschalen!

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ANDREA Ich habe dieselbe Mehlsuppe und dieselben Kartoffelschalen vorgesetzt bekommen. Wir leben eben seit einer Stunde in einer Demokratie! Was sonst? LUGARINI

Man verlangt von mir, dass ich arbeiten soll! Unerhört! Wie komme ich dazu, zu arbeiten? (dröhnend)

Ich bin Politiker!

ANDREA

Und ich –

(fein)

ein Freund von neuen Moden! – (streng)

Abführen!

LUGARINI

IC

(protestiert)

N

Tyrannei! Barbarei! Aber ich warne Sie! Sie mit Ihrer Operettenrevolution! Sie werden noch Ihre Wunder erleben! ANDREA

(ihm zuwinkend, leicht)

Gute Nacht – Benny! Angenehme Träume!

!

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!!!!

LUGARINI (wird abgeführt) CARETTO Mein Kompliment, Exzellenz! Phänomenal, wie Sie mit jeder Minute in Ihr neues Amt mehr und mehr hineinwachsen!

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ANDREA Nein, Caretto! Nicht hinein, heraus aus dem Amt! Und Sie müssen mir dabei behilflich sein! Bieten Sie alle Ihre Macht auf und schaffen Sie mir den wirklichen Attentäter zur Stelle. CARETTO

Ich sehe nicht ein, wozu.

ANDREA

Mein Gewissen! Muss ich Ihnen das erst erklären? Dass ich den Ministerposten einer Lüge zu verdanken habe — schön! – das ist im öffentlichen Leben nicht anders. Aber ich habe auch Donna Silvia betrogen. Sie hält mich für einen Helden, für einen Tyrannenmörder und Frauenräuber und darum liebt sie mich. Wie sie jemals erfährt, dass ich nichts als ein Schwindler bin, ein armseliges kleines Schneiderlein – CARETTO

Sie müssen‘s ihr ja nicht sagen! Die Liebe besteht ja in den meisten Fällen aus 90 Prozent Täuschung! ANDREA

So. Und was sind die restlichen 10 Prozent?

CARETTO

IC

(trocken)

N

Betrug.

(aufstehend)

Exzellenz, ich werde nicht verfehlen, mein Möglichstes für Sie zu tun. ANDREA

(erhebt sich gleichfalls, reicht ihm die Hand) Danke, Caretto.

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CARETTO Angenehme Ruhe, Exzellenz. Und arbeiten Sie nicht zu viel! Das wirkt demoralisierend auf den ganzen Beamtenstand. Und vergessen Sie, bitte, nicht‚ dass morgen um 10 Uhr Vormittag die neue Regierung vereidigt wird. ANDREA (interessiert)

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Ja, richtig! Da werde ich wohl im Staatsfrack erscheinen müssen? CARETTO

Freilich! Auch ich werde pünktlich in meiner Galauniform antreten. ANDREA

Galauniform… Stammt die nicht aus unserer Herrenabteilung? Halsweite 55, Brust 98, Bauch 149 – ich erinnere mich genau, obwohl es schon 2 Jahre her ist. CARETTO

Exzellenz, haben ein caesarisches Gedächtnis. (verbeugt sich, ab)

ANDREA

(allein, lässt sich zurück in seinen Schreibtischsessel fallen, resigniert)

N

IC

Also wirklich… da sitz‘ ich… Ministerpräsident des Königreichs Neapel…! Dahin die goldenen Tage, da ich von früh bis abends kostbare Stoffe wählen, Farben zusammenstellen, in Spitzenwäsche wühlen, Seide um stolze Frauenhüften schmiegen durfte, nicht zu reden von jenen beseligenden Momenten der Inspiration, wenn in der Seele des schaffenden Schneiders ein neues Modell wie eine Melodie aufblüht, das dann in allen Variationen mit Trillern und Florituren geschmückt, in der Probierzelle dreifach gespiegelt, zur göttlichen Symphonie der Frauenschönheit wurde… Vorbei! Jetzt muss ich Papiere unterschreiben, die ich nicht einmal gelesen habe… und das alles kommt davon…

!

(Musik beginnt)

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NR.28 REMINISZENZ („ICH HAB MICH SO VERLIEBT“) (ANDREA) … weil ich mich so verliebt hab‘, wie’s das nur einmal gibt. – (singt)

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ICH GRIFF NACH EINEM STERN, DER SCHIEN SO KÜHL UND FERN… ES BLEIBT AUCH UNERLAUBT, DASS MAN AN WUNDER GLAUBT. DENN TROTZ DER WUNDER, HEUT‘ ERLEBT, SITZ‘ ICH UND DENK‘ BETRÜBT: GILT IHRE HULD NUR MEINER SCHULD ODER: IST SIE IN MICH VERLIEBT? IST SIE IN MICH VERLIEBT?

(Es klopft an der Türe.)

DIENER

(kommt)

Ein Herr Borzalino von der "Gazetta" wartet draußen und Mademoiselle Louise vom Modehaus ist soeben gekommen. ANDREA

(sichtlich erfreut)

Unsere Louise? Herein mit ihr!

(Diener ab, gleich darauf Louise mit einer Rolle in der Hand — herein.) LOUISE

IC

(mit Hofknix)

N

Herr Chef - ich meine: Exzellenz! Meinen untertänigsten Glückwunsch! ANDREA

Kleine Louise! Reizend, wie immer! (kneift sie in die Wange)

Und tapfer! Mitten in der Nacht – während einer Revolution… LOUISE Bah! Revolution nennen Sie das? Meine Großmutter hat die Bastille gestürzt! ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!116!von!136!


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ANDREA Mir ist schon d i e Revolution zu viel! Und wie gefällt Ihnen mein neues – Geschäftslokal? LOUISE (bewundernd umherblickend)

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Herrlich! Die silbernen Kandelaber… Dieser Damast… (prüft einen Sesselüberzug kennerisch)

Mindestens 5 Dukaten die Elle!

ANDREA

(sachlich)

Ist Seide jetzt so teuer? Und was macht der Salon, seit ich fort bin? Wie geht das Geschäft? LOUISE

Seit Ihrer heutigen Gerichtsverhandlung besser denn je! Die Frauen schlagen sich geradezu um Ihre Modelle. Jede möchte ein von Ihnen entworfenes Kleid haben. (das in der Hand gehaltene Papier aufrollend)

Ich habe hier die dringendsten Gesuche zusammengestellt. ANDREA

Mein liebes Kind, sehen Sie sich doch diesen Schreibtisch an! Gleichfalls! – Lauter dringende Gesuche! LOUISE

N

IC

Natürlich - der Staat kommt zuerst. Aber können Sie nicht, wenigstens für einen kurzen Augenblick Staat und Salon vereinigen und unsern Probierdamen Ihre fachmännische Beratung zuteilwerden lassen? Sie warten draußen – angetan mit unseren jüngsten Kreationen. ANDREA

Ich glaube nicht, dass der Staat gleich Bankrott gehen wird, wenn ich der „Bella di Napoli“ ein Viertelstündchen widme. Die Damen sind willkommen.

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NR. 29 MODESCHAU (LOUISE – ANDREA – MANNEQUINS)

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(LOUISE eilt zur Türe, öffnet sie. Die DREI MANNEQUINS treten herein. ANDREA, mit gekreuzten Armen in der Mitte des Raumes stehend‚ nimmt vorerst kritisch die Parade ab. Alsbald jedoch, da LOUISE aus einem Musterkoffer immer neue Zutaten zu den vorgeführten Kleidern entnimmt: Schleifen, Shawls, Hüte und Mantillen und sie den tanzenden Schönen umhängt, erwärmt sich ANDREA und beginnt kleine Änderungen an den Toiletten vorzunehmen. Er entfernt eine Schleife, fängt spitzfingerig eine Mantille auf, setzt der einen einen Lampenschirm als Hut auf, drapiert geschickt einen rasch herunter gerissenen Vorhang um eine andere etc. etc.) LOUISE

GESCHWIND HEREINSPAZIERT! IN REIH‘ UND GLIED POSTIERT!

(zu ANDREA)

UND NUN GESCHÄRFT DEN MEISTERBLICK, WIR SIND GESPANNT AUF DIE KRITIK! ANDREA

JEDE FRAU SCHWÄRMT FÜR EINE MODESCHAU. SIE HAT OHNEHIN NIE WAS ANZUZIEH’N, AUSSER IHRER KRINOLIN‘!

MANNEQUINS

DIE ARME!

ANDREA

N

IC

REIZEND SÜSS FINDET SIE EIN KLEID WIE DIES, DIESE KREATION EINE SENSATION, DIE DEN CLOU DER HAUTE SAISON!

MANNEQUINS

BEZAUBERND.

LOUISE

PARISER CHARME, PARISER CHIC

ANDREA MACHEN IHR WARM, REIZEN IHREN KENNERBLICK. NEUES BRAUCHT DIE FRAU, ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!118!von!136!


!!

DARUM KAUFT SIE SCHLAU GLEICH DIE GANZE MODESCHAU. (hat inzwischen die MANNEQUINS gemustert) AN DIESEM MORGENKLEID STÖRT MICH ‘NE KLEINIGKEIT. (mehr gesprochen)

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

RASCH EIN GESCHICKTER GRIFF UND SCHON HAT ES DEN RECHTEN SCHLIFF. HIER DIESE GRAND TOILETTE SCHEINT MIR NICHT GANZ KOMPLETT. MIT EINEM KLEINEN TRICK WIRKT SIE AUF EINMAL DOPPELT CHIC.

(reißt ihr das Kleid ab, sie steht im Höschen) UND DIESES BRAUTKOSTÜM WIRKT WIE EIN UNGETÜM.

(gesprochen)

DAS DENK‘ ICH MIR GRAZIÖSER UND CHARMANTER, CAPRIZIÖSER UND PIKANTER. DARUM, MEIN LIEBES KIND, DREH‘ DICH HERUM GESCHWIND.

(zu LOUISE)

UND DU WIRST SEH’N, WIE HOLD UND SCHÖN EIN NEUES BRÄUTCHEN WIRD ERSTEH’N!

IC

LOUISE

N

AH!…

MANNEQUINS

JEDE FRAU SCHWÄRMT FÜR EINE MODESCHAU. SIE HAT OHNEHIN NIE WAS ANZUZIEH’N,

ANDREA UND MANNEQUINS AUSSER IHRER KRINOLIN‘! MANNEQUINS DIE ARME! ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!119!von!136!


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REIZEND SÜSS FINDET SIE EIN KLEID WIE DIES, DIESE KREATION EINE SENSATION, ANDREA UND MANNEQUINS DIE DEN CLOU DER HAUTE SAISON.

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

MANNEQUINS BEZAUBERND! AH!…

LOUISE

PARISER CHARME, PARISER CHIC AH…

MANNEQUINS

MACHEN IHR WARM, REIZEN IHREN KENNERBLICK.

ANDREA UND MANNEQUINS

NEUES BRAUCHT DIE FRAU, DARUM KAUFT SIE SCHLAU GLEICH DIE GANZE MODESCHAU!

MANNEQUINS

JA, DIE GANZE MODESCHAU!

LOUISE

IC

(nachdem die tanzenden MODEFRÄULEIN unter Hofknixen mit einem wirbelnden Entrechat entschwunden sind)

N

Und jetzt, Exzellenz, muss auch ich mich empfehlen.

ANDREA

Es war mir ein Vergnügen. Sie haben mir für eine Minute mein früheres Leben vor Augen gezaubert. Ich danke Ihnen. Und grüßen Sie das Personal von mir! Besonders Fräulein Laura! LOUISE Die werden wir leider bald verlieren. Sie heiratet.

! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!120!von!136!


!!

ANDREA Wen denn? LOUISE Exzellenz erinnern sich vielleicht an den heutigen Zwischenfall in Ihrem Prozess und dem Artikel von Borzalino im Nachmittagsblatt „Die Jungfrau von Neapel“. Zwei Stunden später war sie mit Heiratsanträgen überschwemmt.

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

ANDREA

Bravo! Und wie ist das mit Ihnen, kleine Louise? Werden Sie nicht auch bald in den heiligen Stand der Ehe…? LOUISE

Dazu müsste mein Bräutigam erst eine fixe Stellung haben. Ohne fixe Stellung… ANDREA

Die soll er haben! Wer ist der Glückliche?

LOUISE

Derselbe Borzalino.

ANDREA

Was Sie nicht sagen! Das trifft sich! Der wartet ja im Vorzimmer! (öffnet die Türe und ruft hinaus)

Signor Borzalino!

LOUISE

N

IC

Exzellenz wollten wirklich?

ANDREA

Aber natürlich! Warum denn nicht? Wenn ich schon der Regierungschef im Königreich Neapel bin… (zu BORZALINO, der sich verbeugend eintritt)

Signor Borzalino, ich ernenne Sie hiermit zum Pressechef! SAM Pressechef! (sinkt wie ohnmächtig in den Besuchersessel)

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!!!!

ANDREA Wenn Sie sich rechtzeitig erholen, können Sie Morgen mit Ihrer Arbeit beginnen. LOUISE (kniet bei SAM)

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Sam, Sam – (zu ANDREA)

Tun Sie doch etwas…!

ANDREA

Ich hole Cognac. Es muss doch Cognac geben – in einem Ministerium. (ab)

LOUISE

(schüttelt SAM heftigst)

Sami! Wach auf, wach auf! (verzweifelt)

Mon Dieu!

SAM

(schlägt die Augen auf, mit matter Stimme)

IC

Hast du gerufen? –

N

(erholt sich zusehends)

Pressechef! Ich kann’s nicht fassen!

LOUISE

Wie hab ich das gemacht? Revanchiere dich wenigstens und erzähle mir rasch, wie meine Engagementaussichten stehen. Wie hab’ ich deinem Freund, dem Direktor gefallen? SAM Großartig! Durch und durch gefallen! Du bekommst einen Kontrakt fürs Leben!

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!!

LOUISE Wirklich! SAM Ja!

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

(mit Betonung) Als Frau Sam Borzalino!

LOUISE

(ein bisschen enttäuscht)

Also – durch und durch durchgefallen!

SAM

Und in meiner Eigenschaft als Pressechef bitte ich sogleich um das erste Interview über deine neue Rolle: Wann wird geheiratet? Wohin geht die Hochzeitsreise? Wie viele Kinder…? (zückt den Bleistift)

NR. 30 INTERVIEW (DUETT: LOUISE – SAM)

LOUISE

SEI NICHT SO INDISKRET!

SAM

SEI LIEBER NICHT SO SPRÖD! GIB MIR DAS INTERVIEW –

IC

LOUISE

N

NUN GUT, - FRAG‘ IMMERZU!

SAM

WANN IST DIE HOCHZEIT, KIND?

LOUISE

BIS ICH ‘NE WOHNUNG FIND‘!

SAM WO GEHT DIE HOCHZEITSREISE HIN?

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!!!!

LOUISE VIELLEICHT NACH ROM, PARIS UND WIEN! SAM DAS WIRD KOSTSPIELIG SEIN! LOUISE

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

NA, DANN FAHR‘ HALT ALLEIN! SAM

ABER SCHÄTZCHEN, WAS FÄLLT DIR EIN? ICH GEH‘ MIT…

1. Strophe

DIR ANS END‘ DER WELT, WEIL KEINE ANDRE MIR SO WOHL GEFÄLLT. HAT ES AUCH DICH WIE MICH GEPACKT, DANN SCHLÄGT DEIN HERZ IM GLEICHEN TAKT: DU GEHST MIT MIR ANS END‘ DER WELT, WEIL NIEMAND ANDRER DIR SO WOHL GEFÄLLT! LOUISE

JETZT MACH ICH’S UMGEKEHRT!

SAM

JETZT WERDE ICH VERHÖRT.

LOUISE

JETZT GIB MIR DU EIN INTERVIEW.

IC

SAM

N

NUN SCHÖN, FRAG‘ ZU!

LOUISE

WIE HÄLTST DU’S MIT DER TREU‘?

SAM

DU WEISST, ICH BIN JA SCHEU. JEDOCH EIN KLEINER SEITENSPRUNG, SO AB UND ZU, ERHÄLT UNS JUNG.

LOUISE UNVERSCHÄMT! UNERHÖRT! ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!124!von!136!


!!

SAM TU‘ DOCH NICHT SO EMPÖRT! LOUISE UNSER GLÜCK HAST DU NUN ZERSTÖRT. ICH GEH MIT…

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

2. Strophe DEM ANS END‘ DER WELT, DEM KEINE ANDRE JE BESSER GEFÄLLT. HAT ES AUCH DICH WIE MICH GEPACKT, DANN SCHLÄGT DEIN HERZ IM GLEICHEN TAKT: DU GEHST MIT MIR ANS END‘ DER WELT, WEIL KEINE ANDRE DIR BESSER GEFÄLLT.

(ad lib.) AH…

SAM

DAS END‘ DER WELT IST NICHT ZU FERN. ICH ZEIG‘ MEIN KABINETT DIR GERN. HEUT‘ ABEND WÄR‘ NOCH ZEIT… LOUISE

DOCH NICHT VOR DER HOCHZEIT! AH…

SAM

ICH GEH MIT DIR ANS END‘ DER WELT,…

IC

LOUISE UND SAM

N

WEIL DIR, WIE MIR NIEMAND SO WOHL GEFÄLLT.

(Küsse. – Graziöser Abtanz)

ANDREA

(kommt aus dem Nebenzimmer mit einem Gläschen Cognac. Er blickt sich um, zuckt die Achseln, lächelt, trinkt selber; dann setzt er sich an seinen Schreibtisch und beginnt emsig zu arbeiten. Nach einer kleinen Weile tritt SILVIA ein, geht freudig auf ihn zu.) SILVIA

Andrea! ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!125!von!136!


!!!!

ANDREA (legt die Feder weg) Silvia - Liebling — endlich! SILVIA

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Welche wunderbare Wendung des Geschicks! Lugarini im Gefängnis! Du Ministerpräsident – bist du nicht glücklich! ANDREA

(nicht überzeugend)

Ich bin’s!

SILVIA

(blickt in sein kummervolles Gesicht)

Das sagst du so bekümmert? Wir haben uns wieder - die Welt gehört uns - und du bist traurig! Was hast du Andrea? ANDREA

Nichts.

(verlegen)

Nichts.

(fährt sich über die Stirne)

IC

Ich bin müde. Das ist alles!

SILVIA

N

Nein, das ist es nicht! Wir Frauen fühlen so etwas. Worüber machst du dir Sorgen? ANDREA

Ein Minister hat einen ganzen Haufen Sorgen.

SILVIA

Das mein‘ ich nicht! Du verbirgst mir etwas! Warum vertraust du dich mir nicht an? Liebst du mich nicht mehr?

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!!

ANDREA (gequält) Silvia! (umarmt sie)

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SILVIA (mit plötzlicher Eingebung)

J e t z t weiß ich’s!

ANDREA

Was?

SILVIA

Plötzlich ist mir alles sonnenklar! Deine Unruhe! Deine Geheimnistuerei! - Andrea! (fasst ihn ins Auge)

Gestehe: das war nicht die einzige Bombe, die du gelegt hast! Wahrscheinlich hast du schon eine ganze Unmenge Menschen in die Luft gesprengt und dein Gewissen quält dich jetzt… ANDREA

Silvia - ich schwöre dir: ich habe niemanden in die Luft gesprengt. Aber… ich h a b e ein Geheimnis. SILVIA

IC

Um Gotteswillen! Du bist verheiratet?

ANDREA

N

Nein! Ich bin nicht der Mann, für den du mich hältst!

SILVIA

Was willst du d a m i t sagen?

ANDREA

Dass ich weder die noch je eine andere Bombe gelegt habe. Ich habe mit der ganzen Sache nichts zu tun! SILVIA Du warst es nicht… ? ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016–!Seite!127!von!136!


!!!!

ANDREA Nein. Ich weiß, dass du mich jetzt verachtest. Aber ich musste meinen Seelenfrieden wieder haben, auf die Gefahr hin, dass ich deine Liebe verliere! SILVIA Meine Liebe? Wieso?

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ANDREA Sagtest du nicht, dass du mich liebtest, weil ich die Bombe gelegt habe? SILVIA

(nachdenklich)

Möglich - heute, bei Gericht, mag ich so gedacht haben… ANDREA

So darf ich hoffen, dass du mich noch liebst, trotzdem ich kein Mörder bin? SILVIA

(heiter)

Weißt du was? Ich bin eigentlich sogar froh, dass du keiner bist. Schließlich, sein ganzes Leben mit einem Mann im selben Bett zu verbringen, der die Gewohnheit hat, Bomben unters Bett zu legen, ist kein anheimelnder Gedanke. ANDREA

Silvia, Engel! Du machst mich g l ü c k l i c h!

SILVIA

N

IC

Ich komme gerade zur Erkenntnis, wie glücklich i c h über dein Geständnis bin. Ich h a s s e nämlich Gewalt - jede Art von Gewalt. ANDREA

(mit aufkeimender Hoffnung)

Jede Art? Hasst du vielleicht auch Männer, die des nachts heimlich durch Balkonfenster in weibliche Schlafzimmer klettern und…

!

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!!

SILVIA (unterbricht ihn) Aber Dummerl! - Das ist doch etwas ganz anderes! Jede Frau schwärmt für d i e s e Art von Gewalt! Mach dir darüber keine Sorgen. Jetzt liebe ich dich n o c h mehr! Du bist zwar kein Held, der Bomben wirft, aber du bist der Held, m e i n Held, der mich entführen wollte! Geliebter!

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(küsst ihn) ANDREA

(nach einer kleinen Pause, elendig)

Weißt du was, Silvia - du siehst a u c h müde aus!

SILVIA

Ich b i n müde! Kein Wunder - nach den Ereignissen dieser Nacht! ANDREA

(ihre Hand streichelnd)

Ich mache dir einen Vorschlag, Silvia. Ruh dich ein bisschen aus, da drinnen (hinter sich deutend)

auf meiner ministeriellen Chaiselongue. Ich erledige indessen meine Akten und nachher (ihre Hand küssend)

führe ich dich in der Staatskarosse nach Haus und wir können unser angefangenes Souper beenden.

IC

SILVIA

N

Das ist eine gute Idee. Also – (mit Kusshand)

auf bald, mein Lieber!

(ab ins Nebenzimmer)

ANDREA (allein, wirft sich neuerdings in seine Akten)

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DIENER (erscheint zaghaft in der Türe) Exzellenz, — ein Mann ist draußen, der darauf besteht, vorgelassen zu werden. ANDREA

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So spät noch. Wer ist es denn? CARLO MARCELINI

(stürzt herein)

Ich bin nicht gewöhnt, zu antichambrieren! (zum DIENER)

Lassen Sie uns allein! Marsch! Hinaus! (DIENER geht)

MARCELINI

(pflanzt sich vor ANDREA auf)

Also Sie sind der neue Ministerpräsident?

ANDREA

Mit Ihrer gütigen Erlaubnis.

MARCELINI

IC

(brüllend)

N

Die haben Sie n i c h t !

ANDREA

Schreien Sie nicht — und sagen Sie mir, was Sie wünschen! MARCELINI

Ich wünsche, auf diesem Sessel zu sitzen!

ANDREA Auf meinem Sessel? Sind Sie wahnsinnig? (greift nach der Glocke) ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!130!von!136!


!!

MARCELINI Lassen Sie die Glocke. Wissen Sie wer ich bin? ANDREA Nein.

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(lächelnd) Napoleon der Zweite?

MARCELINI

Ich bin Carlo Marcelini!

ANDREA

Der Revolutionär?

MARCELINI

Ich bin der Attentäter!

ANDREA

(springt auf)

W a s sagen Sie?

MARCELINI

Sind sie taub? Ich bin der A t t e n t ä t e r !

ANDREA

N

IC

Sie?

(setzt sich wieder)

Ein Mann, ganz ohne jeden Sexappeal? Unmöglich? Wie haben sie das angestellt? MARCELINI

Bah – ein Kinderspiel, wenn Sie ein bisschen Übung in solchen Dingen haben. Man klettert zum Fenster empor… ANDREA Niemand sah Sie…

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MARCELINI (sachlich) Die Nacht war dunkel. Durchs Fenster schlich ich in das Schlafzimmer - zum Bett - bückte mich – ANDREA

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- und küssten Sie?! MARCELINI

(verächtlich)

Küssten sie? Wen? Sind Sie verrückt?

ANDREA

Was sonst taten Sie?

MARCELINI

Ich hab sie einfach unters Bett gelegt!

ANDREA

(rasch)

Was? U n t e r s Bett? Davon hat sie mir nie ein Wort erzählt! Warum haben Sie sie unters Bett gelegt? MARCELINI

Damit sie dort explodiert! Die Bombe, Sie Narr!

IC

ANDREA

N

(erlöst)

Die Bombe! Nicht möglich!

MARCELINI

Sie wagen, an meinen Worten zu zweifeln? Wollen Sie vielleicht Beweise? Wir Marcelinis sind seit Generationen gewöhnt, Bomben zu werfen. Schon mein Ur-ur-urgroßvater wurde gerädert wegen eines Bombenattentates. Ebenso mein Großvater, mein Vater und meine zwei Onkels. In meiner Familie ist überhaupt noch nie jemand eines natürlichen Todes gestorben. ANDREA

Ich hoffe, Sie werden dieser Familientradition treu bleiben…! Meinen Sessel können Sie haben, aber sagen Sie mir, werden Sie auch Ihren Anspruch auf Madonna Silvias Hand geltend machen? ! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!132!von!136!


!!

MARCELINI Was ist das? Ich kenne die Dame nicht. Und abgesehen davon: wir Marcelinis sind eingefleischte Junggesellen. Und was gut genug für meinen Vater, ist auch gut genug für mich! ANDREA Ich freue mich, dass Sie wenigstens in dieser Beziehung genügsam sind.

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MARCELINI Im Übrigen sind wir Marcelinis nicht gewöhnt, uns in Fragen, das weibliche Geschlecht betreffend, in Verhandlungen einzulassen: wenn uns eine Frau gefällt, nehmen wir sie; wenn sie uns nicht gefällt, lassen wir sie stehen. Gefallen w i r ihnen nicht — bringen wir sie um! Bis jetzt haben in meiner Familie 17 Eifersuchtsmorde stattgefunden. ANDREA

Was für eine Familie!

MARCELINI

Und jetzt B a s t a mit diesem albernen Liebesgeschwätz! Ich habe Wichtigeres zu tun. (großartig)

Ich werde Italien einigen!

ANDREA

(steht auf)

Bitte sehr! — Nehmen Sie hierzu gefälligst Platz im Ministersessel. I c h kehre zur „Bella di Napoli“ zurück. Bringen S i e Italien in Ordnung! I c h aber muss mein L e b e n in Ordnung bringen. Und dazu müssen Sie mir helfen!

IC

MARCELINI

N

Ich?

!

(beginnt fieberlich Akten durchzublättern)

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!!!!

ANDREA Es war gerichtsprotokollarisch festgestellt, dass der Bombenattentäter und der Frauenräuber ein und dieselbe Person waren. Diese Theorie haben Sie zerschmettert! Wer w a r nun der romantische Eindringling? Wie kann ich Madonna Silvia heiraten, wenn ich weiter in der beständigen Angst leben muss, dass eines schönen Tages der nächtliche Entführer auftaucht und sie mir wegnimmt? Geben Sie mir einen Rat! (klammert sich an ihn)

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Ich beschwöre Sie!

MARCELINI

Lassen Sie mich in Frieden, Sie verliebter Narr! Sehen Sie denn nicht, dass ich für das Wohl des italienischen Volkes arbeite? ANDREA

(will etwas sagen)

Aber –

MARCELINI

(aufspringend, mit Stentorstimme)

Ruhe!

(haut auf den Tisch. Im Nebenzimmer fällt etwas zu Boden.) ANDREA

Jetzt haben Sie sie aufgeweckt!

IC

MARCELINI

N

Wen? Die Italiener?

ANDREA

(zornig)

Nein! Silvia Lombardi, die nebenan schläft! – Sie ist erwacht! (auf die Tür zu, die sich lautlos von innen öffnet)

!

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!!

NR. 31 MELODRAM UND SCHLUSSGESANG (SILVIA – ANDREA) (In die vom Mondlicht silbrig erhellte Umrahmung der Türe tritt SILVIA und bleibt, mit halbgeschlossenen Augen, zögernd stehen, genau in der Haltung, wie in der korrespondierenden Szene der Ouvertüre. Musik klingt leise, später anschwellend, auf.) ANDREA

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Was ist das? MARCELINI

(wieder sitzend und von seinen Akten aufblickend)

Eine Schlafwandlerin! Das sieht doch jeder normale Politiker auf den ersten Blick! (vertieft sich in den Akt)

SILVIA

(in unveränderter Haltung, mit ausgestreckten Armen auf ANDREA zuschreitend)

Andrea!

(traumbefangen)

Du kommst zu mir!

ANDREA

(entzückt)

Sie träumt von mir!

IC

MARCELINI

N

Und da soll ein Mensch ein Memorandum zur Bekämpfung des Mädchenhandels in Neapel lesen! (Rafft ein paar Akten zusammen und stürmt damit ins Nebenzimmer.) ANDREA

Aber wenn sie von mir träumt wie d a m a l s , dann hat sie vielleicht auch d a m a l s - von mir geträumt! Dann bin ich ja wirklich der romantische Eindringling! (Er zieht die ihm Zusinkende in seine Arme, laut, um sie zu wecken.) Silvia!

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SILVIA (erwacht, schlägt die Augen auf) Andrea! Geliebter! (Sie küsst ihn.)

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SCHLUSSGESANG SILVIA

DIE NACHT IST EINSAM OHNE DICH, KOMM‘, GELIEBTER, KÜSSE MICH!

ANDREA

DIE NACHT IST EINSAM OHNE DICH, O KOMM‘, GELIEBTE, KÜSSE MICH!

SILVIA UND ANDREA

WILL MICH DIR GEBEN, KANN NICHT LEBEN OHNE DICH, (nur Andrea:) OHNE DICH, OHNE DICH! IST NICHT DER ZAUBER DIESER NACHT FÜR UNS BEIDE NUR ERDACHT? DIE NACHT IST UNSER – LIEBE MICH, KÜSSE MICH EWIGLICH!

(Vorhang zu!)

N

IC

E N D E.

! ! DIE!STUMME!SERENADE!–!Textbuch!dt.!–!20.09.2016!–!Seite!136!von!136!


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