DADDY LONG LEGS Textbuch

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Textbuch (dt.) PIANO / C ONDUCTOR SCORE

Music and Lyrics by Paul Gordon Musik und Gesangstexte von PAUL GORDON Book by John Caird Buch von 
 Based on the novel by Jean Webster JOHN CAIRD

Nach dem Roman von JEAN WEBSTER

NOTICE: DO NOT DEFACE! Should you find it necessaryDeutsche Fassung von to mark cues or cuts, use a soft black lead pencil only.

MARIE-LUISE SCHOTTLEITNER und MARTIN FISCHERAUER

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NOT(2018) FOR SALE This book is rented for the period specified in your contract. It remains the property of:

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421 West 54th Street New York, NY 10019 (212) 541-4684

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Musik und Bühne Verlagsgesellschaft mbH

Bahnhofstraße 44-46 | 65185 Wiesbaden ----------------------------------------------------------------Libretto © 2009, 2015 John Caird e-mail: post@musikundbuehne.de Music and Lyrics © 2009, 2015 Paul Gordon Music (ASCAP) and Ronny Vance Music (ASCAP). Internet: www.musikundbuehne.de All rights reserved. 08/18


Alle Rechte vorbehalten. Hierzu zählen insbesondere das Recht der Übersetzung, Verfilmung und Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen und sonstige Medien, der mechanischen Vervielfältigung und der Vertonung (Neuvertonung), die Verwendung zu Bühnenzwecken, Vorlesungen und Aufführungen, gleich ob von Amateur- oder Profibühnen sowie anderen Interessenten.

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Text, Komposition sowie Text- und Musikmaterial des Bühnenwerks werden Bühnen / Veranstaltern ausschließlich für Zwecke der Aufführung nach Maßgabe des jeweiligen Aufführungsvertrags zur Verfügung gestellt. Jede darüber hinausgehende Verwertung von Text und /oder Musikmaterial des Bühnenwerks bedarf der ausdrücklichen vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für dessen Vervielfältigung, Verbreitung, elektronische Verarbeitung, Übermittlung an Dritte und Speicherung über die Laufzeit des Aufführungsvertrags hinaus. Die vorstehenden Sätze gelten entsprechend, wenn Bühnen / Veranstaltern der Text oder das Musikmaterial des Bühnenwerks ohne vorherigen Abschluss eines Aufführungsvertrages zur Ansicht zur Verfügung gestellt wird. Weitere Einzelheiten richten sich nach den zwischen Bühnen / Veranstaltern und Verlag getroffenen Vereinbarungen. Dieser Text und die damit verbundene Komposition gilt bis zum Tag der Uraufführung / deutschsprachigen Erstaufführung / bis zur Erstübersetzung / der Neuübersetzung als nicht veröffentlicht im Sinne des Urheberrechtsgesetzes. Es ist nicht gestattet, vor diesem Zeitpunkt das Werk oder einzelne Teile daraus zu beschreiben oder seinen Inhalt in sonstiger Weise öffentlich mitzuteilen oder sich öffentlich mit ihm auseinanderzusetzen. Nicht vom Verlag genehmigte Verwertungen verletzen das Urheberrecht und können zivilrechtliche und ggf. auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.

Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Dieses Material darf weder verkauft, noch verliehen, noch sonst irgendwie weitergegeben werden.

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Wird das Stück nicht zur Aufführung angenommen, so ist das Manuskript umgehend zurückzusenden an:

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#1 Ein vollkommen scheußlicher Tag .................................................................................................. 2 #2 Wer ist der Mann? ........................................................................................................................... 4 #3 Herr Mädchen-Hasser ..................................................................................................................... 6 #4 Ich wäre alt ...................................................................................................................................... 8 #5 Wie andre Mädchen auch .............................................................................................................. 11 #6 Freshman Year Studies .................................................................................................................. 16 #6a Bist du kahl? – (Underscore) ....................................................................................................... 18 #7 Dinge die ich nie lernte ................................................................................................................. 19 #7a Weihnachtsabend (Underscore) ................................................................................................... 22 #7b Was meint sie (Intro) ................................................................................................................... 24 #8 Was meint sie mit Liebe? .............................................................................................................. 24 #8a Eiszapfen-Walzer......................................................................................................................... 26 #9 Oh, ich Biest .................................................................................................................................. 27 #10 Wann soll es sein? ....................................................................................................................... 29 #10a Frühlingsluft (Underscore) ........................................................................................................ 31 #11 Deine Augenfarbe........................................................................................................................ 32 #12 Wie andre auch (Reprise) ............................................................................................................ 36 #12a Lock Willow (Underscore) ........................................................................................................ 38 #13 Der Schlüssel zum Glücklichsein ............................................................................................... 42 #14 Deine Augenfarbe (Reprise 1)..................................................................................................... 45 #15 Sophomore-Studienjahr .............................................................................................................. 49 #16 Mein Manhattan .......................................................................................................................... 55 #17 Ich kenne dich scheinbar nicht .................................................................................................... 62 #18 Ein andrer Mann.......................................................................................................................... 64 #19 Der Schlüssel zum Glücklichsein (Reprise 1)............................................................................. 67 #20 Weihnacht in Manhattan ............................................................................................................. 71 #21 Ausrangiert .................................................................................................................................. 78 #21a Senior Jahr (Intro) ..................................................................................................................... 78 #21b Ein vollkommen scheußlicher Tag (Reprise)/ Senior-Jahr ....................................................... 79 #21c Pre-Graduation (Underscore) .................................................................................................... 80 #22 Abschlusstag................................................................................................................................ 81 #23 Charity......................................................................................................................................... 84 #24 Ich erwarte nichts von dir............................................................................................................ 85 #24a Alles bedacht (Underscore) ....................................................................................................... 87 #25 Mein Manhattan (Reprise) .......................................................................................................... 87 #26 Deine Augenfarbe (Reprise 2)..................................................................................................... 88 #26a Ich vermisse ihn (Underscore) .................................................................................................. 89 #27 Der Schlüssel zum Glücklichsein (Reprise 2)............................................................................. 90 #28 Oh, ich Biest! Ich bin ein Fiasko................................................................................................. 93 #29 Schon die ganze Zeit ................................................................................................................... 94 #30 Bows und Exit Music .................................................................................................................. 96

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Jerusha, ein 18-jähriges Mädchen, betritt den Raum. Sie trägt eine unförmige, aufgetragene Uniform. Sie wirkt erschöpft.

#1 Ein vollkommen scheußlicher Tag JERUSHA:

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EIN VOLLKOMMEN SCHEUSSLICHER TAG, DER ERSTE MONTAG JEDES MONAT, JEDEM STAUBKORN WIRD DER KRIEG ERKLÄRT EIN VOLLKOMMEN SCHEUSSLICHER TAG, ALLE BETTEN OHNE FALTEN, JEDES HAAR SITZT BEI 97 WAISEN.

ARMES FRÄULEIN ABBOT, DIE ARBEIT MACHST WIE IMMER DU ALLEIN! ARMES FRÄULEIN ABBOT, ALS ÄLTESTE HIER IM WAISENHAUS. EIN VOLLKOMMEN SCHEUSSLICHER TAG, BESUCHSTAG FÜR DEN VORSTAND, NUR PAPIERKRAM ZWISCHEN DEN TEEPAUSEN DANN FAHREN SIE WIEDER HEIM, IN DIE STADT IN IHRE HÄUSER ICH MUSS ZUSEHN MIT 97 WAISEN.

ARMES FRÄULEIN ABBOT, DU STECKST WOHL FÜR IMMER HIER FEST! ARMES FRÄULEIN ABBOT: DIE ÄLTESTE HIER IM WAISENHAUS. Klein Thommy Dylan kommt die Treppe herunter: JERUSHA ALS THOMMY:

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JERUSHA ABBOT, KOMM GANZ DRINGEND INS BÜRO RAUF. BESSER DU BEEILST DICH JETZT! JERUSHA:

WAS IST DENN?

JERUSHA ALS THOMMY:

MISSIS LIPPERT WILL DICH SPRECHEN! WAS HAST DU DENN ANGESTELLT? JERUSHA:

WAS HAB ICH GETAN? WARN DIE BROTSCHEIBEN NICHT DÜNN GENUG? 2


WARN IM NUSSKUCHEN SCHALEN? WAS HAB ICH GETAN? HAT DAS LOCH IN SUSIES STRUMPF EINEN SCHLECHTEN EINDRUCK HINTERLASSEN?

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Ich laufe zum Büro. Der Gang und die Aula sind schon recht dunkel. Ein letzter Besucher verlässt das Haus durch das große Eingangstor und winkt den Wagen herbei. EIN VOLLKOMMEN SCHEUSSLICHER TAG, DIE SILHOUETTE AN DER WAND: GROSS UND SCHLAKSIG, GEHEIMNISVOLL UND DUNKEL. KANN SEIN GESICHT NICHT SEHN, BIN VOM SCHEINWERFER GEBLENDET UND DAS LICHT WIRFT SEINEN SCHATTEN AN DIE WAND SIEHT AUS WIE EIN „DADDY LONG LEGS“, EIN WEBERKNECHT VON RIESIGEM FORMAT! EIN RIESENGROSSER „DADDY LONG LEGS“! UND ICH LACHTE LOS! SO EIN MÖRDER-TAG. ICH, JERUSHA ABBOT. DIE ÄLTESTE HIER IM WAISENHAUS.

Der Song endet. Jerusha erinnert sich, was sie tun wollte. Mrs. Lippert! Ich laufe den Gang entlang. Ich betrete das Büro. Mrs. Lippert lächelt. Seltsam. Sie bittet mich Platz zu nehmen. Seltsamer. Sie überreicht mir einen Brief. Am seltsamsten.

Jerusha greift nach einem Brief, der in ihrer Hand erscheint. „Von wem ist der?“

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als Mrs. Lippert: „Nahmst du nicht Notiz von dem Gentleman, der uns soeben verließ?“ „Der Weberk.... ähm... große Mann?“

als Mrs. Lippert: „Der Brief ist von ihm. Öffne ihn und sei dankbar für die außergewöhnliche Gnade des Schicksals, die dir wiederfährt.“ „Dankeschön, Mrs. Lippert.“ Jerusha verlässt das Büro. Liest: Für Miss Abbot.

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#2 Wer ist der Mann? JERUSHA: Sie öffnet den Brief und liest.

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351 Riverside Drive, Manhattan, 1. Mai 1908 Die weitere Ausbildung von Miss Jerusha Abbot, ermöglicht durch Mister John Smith. Ein 9-Punkte-Plan. Jerusha schaut mit weit aufgerissenen Augen erstaunt ins Publikum. Weitere Ausbildung? Sie liest weiter.

Erstens. Aufgrund ihres außergewöhnlichen Talents, welches sie in ihren amüsanten und originellen Aufsätzen unter Beweis stellte, beschloss Mister Smith, Miss Abbot aufs College zu schicken. Zweitens. Es ist Mister Smiths Plan, Miss Abbot zur Schriftstellerin ausbilden zu lassen.

Drittens. Miss Abbots Studiengebühren und Miete werden direkt an das College ausbezahlt.

Viertens. Zusätzlich erhält sie während ihrer 4-jährigen Ausbildung ein monatliches Taschengeld von 35 Dollar, um die Gleichstellung mit ihren Studienkollegen zu gewährleisten.

Fünftens. Miss Abbot hat monatlich einen Brief zu verfassen, um Mister Smith auf dem Laufenden zu halten. Keine Danksagungen. Dank soll niemals enthalten sein.

Sechstens. Mister Smiths Name ist nicht Mister Smith, er möchte anonym bleiben. Für Miss Abbot wird er nie etwas anders sein als Mister Smith.

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Jervis kommt im Dunkeln an seinen Schreibtisch und setzt sich. Man sieht sein Gesicht nicht genau. WER IST DER MANN? DER DIESEN PLAN FÜR MICH ERSANN, WER UNTERSTÜTZT JERUSHA – WER SETZT ALLES DARAN? WIE KANN DAS SEIN? WER ÜBERNIMMT DIES GANZ ALLEIN? WER UNTERSTÜTZT JERUSHA – WEM FÄLLT SOWAS NUR EIN? ICH WERD IHN WOHL NIE TREFFEN UND SEINEN ECHTEN NAMEN KENN ICH NICHT. SO SIND DIE REGELN – SEIN WORT HAT GEWICHT. ICH LERN IHN WOHL NIE KENNEN DOCH SIEHT ER MICH ZUWEILEN IN BRIEFEN ZWISCHEN DEN ZEILEN.

Sieben. Die Briefe müssen den Fortschritt des Studiums und Einzelheiten ihres täglichen Lebens abbilden. Briefe, die sie ihrer Familie schreiben würde, ...

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Sie stoppt kurz. wenn sie eine hätte. Acht. Diese Briefe haben den Zweck, Miss Abbots literarische Ausdrucksweise zu fördern.

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Neun. Mister Smith wird diesen Briefen nicht die geringste Aufmerksamkeit schenken, geschweige denn jemals auf einen antworten. Er verabscheut Briefkonversation und allem voran – möge Miss Abbot ihm in keinster Weise zur Last fallen. Während Jerusha singt, streift sie die Waisenhausuniform ab und kleidet sich wie eine adrette Studentin.

OBWOHL ICH FAST ÜBERQUELLE VOR DANKBARKEIT WIRD ER MIR NICHT SCHREIBEN – NEIN, DAZU IST ER NICHT BEREIT ICH WERD IHN WOHL NIE TREFFEN, UND DOCH PACKT MICH DIE NEUGIER ZU ERFAHRN, WER FÖRDERT MICH, WER IST DIESER MANN? ICH LERN IHN WOHL NIE KENNEN DOCH SIEHT ER MICH ZUWEILEN IN BRIEFEN ZWISCHEN DEN ZEILEN.

1. STUDIENJAHR FERGUSSEN HALL – RAUM 215 24. SEPTEMBER 1908

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Jerusha setzt sich um zu schreiben. Jervis entdeckt ihren Brief in einem Stapel von Briefen und öffnet ihn mit einem eleganten Brieföffner. WIE SOLL ICH ES ERFAHREN? ER WIRD KEIN WORT VERLIEREN AN WEN SOLL ICH ADRESSIEREN? Jerusha schreibt. JERVIS:

liest. Liebes Vorstandsmitglied-das-Waisenmädchen-aufs-College-schickt! JERUSHA:

Da bin ich also! Nach einer vierstündigen Zugfahrt. Das ist ein komisches Gefühl, oder?

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JERVIS: Ich bin noch nie mit dem Zug gefahren. JERUSHA:

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Der Campus ist der größte, irreführendste Ort überhaupt. Ich verlaufe mich, sobald ich mein Zimmer verlasse. Ich beschreibe alles genauer, wenn sich die Verwirrung fürs erste gelegt hat. Die Vorlesungen beginnen erst am Montag, aber ich schreibe jetzt schon einen Brief, um mich langsam daran zu gewöhnen. Irgendwie fühlt es sich seltsam an, Briefe zu schreiben. JERVIS:

Ich habe in meinem Leben gerade mal drei Briefe geschrieben. Bitte verzeih, wenn sie nicht der Norm entsprechen. JERUSHA:

Bevor ich das Heim verließ, hatten Miss Lippert und ich ein sehr ernstes Gespräch. Sie wies mich an, wie ich mich für „den Rest meines Lebens“ zu verhalten habe, im speziellen gegenüber dem „großzügigen Gentleman, der so viel für mich tut“. Sie sagte mir, dass Mister Smith normalerweise nur Knaben (Jungs) aufs College schickt. Mädchen wären eine Vergeudung seiner Großzügigkeit, da es scheint, dass sie den erstbesten Mann heirateten und die Investition in ihre Ausbildung somit in den Sand gesetzt sei. So soll ich umso mehr darauf achten ein „sehr respektvolles zu Mädchen sein“. JERVIS:

Aber wie respektiert man jemandem, der sich John Smith nennt? JERUSHA:

Hätten Sie nicht einen Namen mit ein wenig Persönlichkeit aussuchen können? Genauso gut könnte ich schreiben an... „Lieber Bahnschranken!“

...oder „Liebe Kleiderstange!“

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JERVIS:

#3 Herr Mädchen-Hasser

JERUSHA:

Egal... Ich habe viel über Sie nachgedacht. Jemanden zu haben, der sich für mich interessiert... nach all den Jahren... ICH FÜHLE ES, ICH BIN JETZT NICHT MEHR ALLEIN – ICH HAB FAMILIE ICH FÜHLE ES, ICH BIN JETZT NICHT MEHR ALLEIN – MAN LEITET MICH FÜHL MICH BESCHÜTZT VON EINER GUTEN SEELE. 6


VON EINEM FREUND, DER IMMER ZU MIR STEHT. ICH FÜHLE ES, ICH BIN JETZT NICHT MEHR ALLEIN, DA IST EIN ENGEL. DAS COLLEGE IST FÜR MICH VIEL MEHR ALS NUR EIN INSTITUT DOCH ÜBER DICH WEISS ICH NOCH VIEL ZU WENIG DU BIST REICH UND UNGLAUBLICH GROSS DU BIST EIN MANN, DER MÄDCHEN HASST

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ICH KÖNNTE DICH NENNEN: HERR MÄDCHEN-HASSER, HERR MÄDCHEN-HASSER, DOCH DAS WÄR BELEIDIGEND FÜR MICH SO NENN ICH DICH NICHT ICH KÖNNTE SAGEN: LIEBER HERR REICHTUM, DANKE HERR REICHTUM! DOCH DAS WÄR BELEIDIGEND FÜR DICH UND WAS IST WENN DU MAL NICHT MEHR SO REICH BIST? DOCH GANZ SICHER BLEIBST DU SO GROSS!

BEIDE:

ALSO NENN ICH DICH DADDY LONG LEGS, WEBERKNECHT – LONG LEGS! JA, ICH NENN DICH NACH EINEM SPINNENTIER, DADDY LONG LEGS, SPITZNAME LONG LEGS, JERUSHA:

DENN ICH WEISS, DU BIST GROSS! ES LÄUTET! ICH MUSS LOS! GRUSS, JERUSHA ABBOT

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DEREN AUSBILDUNG ERMÖGLICHT WIRD VON EINEM UNBEKANNTEN HERRN BAHNSCHRANKEN-KLEIDERSTANGE – DADDY LONG LEGS – SMITH

Jervis dreht die letzte Seite um. JERVIS:

Ps. Ich weiß, dass ich keine Antwortschreiben zu erwarten habe und mir wurde aufgetragen, Sie nicht mit Fragen zu belästigen, aber, Daddy, verrate mir nur das eine: JERUSHA: Bist du schrecklich alt, oder nur ein bisschen alt?

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JERVIS: Und... bist du schon vollkommen grau – oder nur ein bisschen grau? JERUSHA: Es ist so schwierig, Sie als eine Art Abstraktion zu sehen, wie eine Angabe für eine geometrische Aufgabenstellung... Gegeben ist also ein großer, alter Mann, der Mädchen hasst.

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Doch für ein ganz spezielles Mädchen wäre es sehr wichtig eine Sache ganz genau zu wissen: Wie sehen Sie aus?

#4 Ich wäre alt

Jervis, noch immer im Dunkeln, nimmt den Brief und überfliegt ihn nochmals. JERVIS:

IRGENDWIE WITZIG UND WAS FÜR EIN STIL HAB SELTEN GELESEN, WAS BESSER GEWESEN, WAS MIR SO GEFIEL

ES BRINGT MICH ZUM SCHMUNZELN WIE SIE SICH AUSMALT:

Jervis dreht sich zum Publikum. Zum ersten Mal sieht man sein Gesicht im Licht. ICH WÄRE ALT

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Ist er augenscheinlich nicht. Er sieht aus wie ein Mann in seinen frühen Dreißigern. UND MÜRRISCH UND VIELLEICHT AUCH KALT ICH WÄRE ALT UND VON DER TRAURIGEN GESTALT. Er liest weiter.

INTERPUNKTIERT UND HUMORVOLL VERDREHT IN DIESER LEKTÜRE, ICH FÜHRE ES AUS, STECKT SO VIEL ORIGINALITÄT UND DOCH IST ES KOMISCH DENN SIE DENKT SICH GENAU ICH WÄRE GRAU, 8


SO, ALS WÜSSTE SIE GENAU ICH MACHE SCHLAPP UND GEBE BALD DEN LÖFFEL AB. DOCH ES HAT, SO LAUTET DIE VERPFLICHTUNG, DER SCHRIFTVERKEHR NUR EINE RICHTUNG KEIN ANTWORTBRIEF UND KEINE SICHTUNG

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JUNGS FRAGEN NIE NACH DER ÄUSSREN ERSCHEINUNG DER HELFENDEN HAND, DAS IST GUT MEINER MEINUNG. JUNGS MACHEN WENIGER KOMPLIKATIONEN!

Mein Aussehen sollte sie gar nicht kümmern, so wie mir ihres egal ist! Welche Haarfarbe hat sie? Ist sie dick oder dünn? Klein oder groß? Ich habe keine Ahnung und ich trachte auch nicht danach es zu erfahren. Was macht das schon aus? Sie hat Verstand. Nur das zählt! Verstand und Witz und eine furchtlose Ausdrucksweise. Dieses Mädchen verdient ihre Chance! IST SIE ERST GEBILDET, ICH KANN ES SCHON SEHN EINE JUNGE AUTORIN IN DEN BESTEN KREISEN VON JEDERMANN HOCH ANGESEHEN

SIE WIRD DIE CREME DE LA CREME DAS THEMA DER STADT EIN BESTSELLERAUTOR, DER WELTRUHM HAT

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SIE, ALS EIN GANZ GROSSER STERN! BIN STOLZ, NUR VON FERN, ICH, DER WEISS WIE ES BEGANN. IM HINTERGRUND. MÄDCHENVERACHTEND. ALS ALTER UND GRAUER MANN.

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1. Oktober:

JERUSHA:

Lieber Daddy Long Legs!

Ich liebe das College, und ich soll mich nicht bedanken, also lasse ich es, aber mir tun alle leid, die kein Mädchen sind und somit nicht hier sein können. JERVIS: Mein Zimmer ist hoch oben im Turm, der als Quarantänestation diente, bevor das Spital gebaut wurde. 9


JERUSHA: Nach 18 Jahre in einem Schlafsaal mit 20 Zimmergenossen ist es wirklich entspannend allein zu sein. Zum ersten Mal habe ich die Möglichkeit Jerusha Abbot wirklich kennen zu lernen. Ich denke, ich mag sie.

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JERVIS: Es wohnen noch 2 Erstsemestrige im selben Stockwerk, nämlich JERUSHA:

Sallie McBride JERVIS:

und Julia Ruttledge Pendelton.

Jervis ist überrascht. Das hatte er nicht kommen sehen. JERUSHA:

Sallie hat rote Haare und eine Stupsnase und ist wirklich nett. JERVIS:

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Julia stammt aus einer der besten Familien New Yorks und hat mich bis jetzt noch gar nicht bemerkt. JERUSHA:

Sallie ist die unterhaltsamste Person der Welt, JERVIS:

und Julia Ruttledge Pendelton das genaue Gegenteil.

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JERUSHA: Sie glaubt, dass es ausreicht eine Pendelton zu sein, um in den Himmel zu kommen. BEIDE:

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Julia und ich sind natürliche Feinde.

#5 Wie andre Mädchen auch

JERVIS:

Weißt du, Daddy, der Lernstoff wird nicht das Schwierige hier sein, sondern dieses Theater. Ich verstehe nur die Hälfte, wovon die Mädchen sprechen. Ihre Witze scheinen mit einer Vergangenheit zusammenzuhängen, die alle außer mir kennen. Es ist ein miserables Gefühl. Ich kenne es schon mein ganzes Leben lang. Jervis setzt sich und liest den Brief, während Jerusha singt. JERUSHA:

WAS FÜR EINE FREMDE WELT IHRE SPRACHE KENN ICH NICHT DASS NIEMAND WEISS, WO ICH ALS KIND GELEBT HAB MACHT MICH EINSAM INNERLICH WAS FÜR EINE FREMDE WELT...

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ICH BIN ANDERS, ICH WILL MEHR

ICH WEISS, ICH SOLL HIER EINE ROLLE SPIELEN.

DOCH DAS FÄLLT MIR SO FURCHTBAR SCHWER. UND ICH WEISS, DU WIRSTS NICHT GLAUBEN: BEIDE:

DOCH ICH WÄR GERN WIE

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JERUSHA: ANDRE MÄDCHEN AUCH BEIDE:

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SO SCHICK WIE JERUSHA:

ANDRE MÄDCHEN AUCH

SCHRIEB EIN MEISTERWERK DER LIT’RATUR UND SCHÜLER LERNTEN DRAUS. SO WIE ANDRE MÄDCHEN AUCH

SALLIE MCBRIDE IST MIR VERTRAUT.

VON MEINEN ELTERN WEISS SIE NICHTS.

ICH WILL NICHT SAGEN, WO ICH HERKOMM, DADDY! GILT DAS ALS LÜGE ODER NICHT?

WILL DIE ERINNERUNG VERGESSEN, BEIDE:

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DENN ICH WÄR GERN WIE JERUSHA:

ANDRE MÄDCHEN AUCH BEIDE:

MAG EIS, WIE JERUSHA:

ANDRE MÄDCHEN AUCH 12


RETTE MENSCHEN, SCHREIBE SYMPHONIEN, GEWINN DEN NOBELPREIS. SO WIE ANDRE MÄDCHEN AUCH Jerusha hält ein wunderschönes Ballkleid an und posiert wie vor dem Spiegel damit.

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ICH HAB EIN ABENDKLEID, UND ES IST NEU! JERVIS:

ICH KANN NICHT WISSEN, WIE ES WAR. JERUSHA:

DU KANNST NICHT WISSEN, WIE ES WAR.

LEBENSLANG IN SECOND HAND, NOCH DAZU VON MÄDCHEN, DIE DICH STETS VERACHTEN. JERVIS:

OH, WELCHE QUAL! JERUSHA:

WELCHE QUAL, DAS ABBILD DEINER FEINDE IM SPIEGEL ZU SEHN

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BEIDE:

FRISST DICH LANG LANGSAM AUF. JERUSHA :

WAS FÜR EINE FREMDE WELT...

ICH BIN ANDERS, ICH WILL MEHR

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JERVIS: WAS FÜR EINE FREMDE WELT... ICH BIN ANDERS, ICH WILL MEHR NOCH SO VIEL MEHR.

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BEIDE: ICH WEISS, ICH SOLL HIER EINE ROLLE SPIELEN.

DOCH DAS FÄLLT MIR SO FURCHTBAR SCHWER. JERUSHA:

UND DU MAGST VIELLEICHT DRAN ZWEIFELN, BEIDE:

DOCH ICH WÄR GERN WIE JERUSHA:

ANDRE MÄDCHEN AUCH

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BEIDE:

SO HÜBSCH WIE JERUSHA:

ANDRE MÄDCHEN AUCH

WERDE METHODISTISCH, MORALISTISCH, WISSENSCHAFTLICH, SOZIALISTISCH, JERVIS: METHODISTISCH, MORALISTISCH

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BEIDE: FABIANER, FREUDIANER KLASSENBESTE; WUNDERBAR!

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JERUSHA: WER WEISS, WAS IN DEN STERNEN STEHT SO WIE ANDRE MÄDCHEN AUCH JERVIS:

SO SÜSS ZU SEIN JERUSHA:

WIE ANDRE MÄDCHEN AUCH JERVIS:

BELIEBT ZU SEIN JERUSHA:

JERVIS:

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WIE ANDRE MÄDCHEN AUCH

WIE MÄDCHEN/ANDRE AUCH

12. Oktober JERVIS: Lieber Daddy Long Legs! 15


Ich denke, du wartest schon ungeduldig darauf zu erfahren, was ich gerade lerne? Jervis schenkt sich einen Drink ein, während Jerusha fortfährt. JERUSHA: Latein: 2. Punischer Krieg.

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#6 Freshman Year Studies

Hannibal und seine Streitmacht schlugen ihre Zelte beim trasimenischen See auf. Sie bereiteten einen Hinterhalt für die Römer vor und die Schlacht fand zur 4. Wache statt. Die Römer sind im Rückzug. DREI MUSKETIERE AUF FRANZÖSISCH JE LIS... C'EST TRES AMUSANT!

VON KEGELN UND ZYLINDERN LERN ICH IN – GEOMETRIE. ICH STUDIERE GANZ GENAU DES MENSCHEN KÖRPER PHYSIOLOGIE IST ZIEMLICH KOMPLEX Ich hoffe, du trinkst keinen Alkohol, Daddy. Jervis stoppt, das Glas an den Lippen.

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Er macht furchtbare Dinge mit deiner Leber. Er schaut ins Publikum.

Und ein Mann fortgeschrittenen Alters sollte da erst recht aufpassen. Er prostet fröhlich Jerusha zu.

DOCH JETZT HEISSTS GUT’ NACHT DADDY LONG LEGS Jervis steigt ein, er beginnt seinen Spitznamen zu mögen.

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JERUSHA & JERVIS: MEIN DADDY LONG LEGS SO NENN ICH DICH NACH ... EINER SPINNE, JA, DADDY LONG LEGS, SPITZNAME LONG LEGS JERUSHA:

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MEIN SPINNEN-PAPA! (oder: ICH SEHE ES KLAR) NUR DURCH DICH WIRD EIN TRAUM WAHR! GRUSS, JERUSHA ABBOT JERUSHA & JERVIS:

OHNE VERBINDUNG ZUM JOHN-GRIER-HEIM!

25. Oktober

JERUSHA:

Lieber Daddy Long Legs! Julia Pendelton hat entschieden sich heute Abend wieder blicken zu lassen. Sie blieb eine ganze Stunde. JERVIS:

Sie hat das Thema „Familie“ angeschnitten und ich konnte sie nicht davon abbringen. JERUSHA:

Sie wollte den Mädchennamen meiner Mutter wissen.

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JERVIS:

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Was für eine unangenehme Frage für jemanden, der aus dem Waisenhaus kommt. JERUSHA:

Ich fehlte der Mut ihr zu sagen, dass ich es nicht weiß. JERVIS:

Mrs Lippett greift immer auf Namen aus dem Telefonbuch zurück. ABBOT war auf der ersten Seite. JERUSHA las sie auf einem Grabstein.

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JERUSHA: Aber das konnte ich Julia nicht sagen. Also stotterte ich leise den erstbesten Namen, der mit einfiel. Montgomery. JERVIS:

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Dann hakte sie noch nach und wollte wissen, ob wir die Massachusetts oder die Virgina Montgomeries sind. JERUSHA:

Ihre Mutter war eine Rutherford. Diese Familie kam mit der Arche Noah herüber. JERVIS:

Und väterlicherseits recht ihr Stammbaum weiter zurück als der von Adam und Eva.

5. Dezember

#6a Bist du kahl? – (Underscore)

JERUSHA:

Lieber Daddy Long Legs!

Heute hat mir der Postbote drei Briefe gebracht. Alles Rechnungen. Wie immer. Vielleicht bekomme ich eines Tages einen persönlichen Brief. Wie das wohl wäre? Ich kann es mir nur vorstellen. JERVIS:

Da fällt mir ein, Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet. Es ist mir sehr wichtig.

N

IC

JERUSHA:

Sind – Sie – kahl? JERVIS:

Ich male mir aus, wie Sie aussehen – sehr zufriedenstellend – bis ich bei Ihrem Kopf ankomme – da stecke ich fest. JERUSHA:

Ich kann mich nicht entscheiden, ob Sie weißes oder schwarzes Haar oder eine Art grau meliertes Haar haben. Oder vielleicht gar keines? Ich bitte um Auskunft.

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#7 Dinge die ich nie lernte Oh, und Daddy... …haben Sie jemals von Michael Angelo gehört? JERVIS:

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Er war ein berühmter Künstler im Italien der Renaissance. Die ganze Klasse hat gelacht, denn ich dachte, er sei ein Erzengel. JERUSHA:

Michael Angelo, … klingt er nicht wie einer? Und noch peinlicher – jemand erwähnte Florence Nightingale und ich fragte, ob sie auch hier studiert. JERVIS:

Das war bald in aller Munde. JERUSHA:

Du würdest es nicht glauben, Daddy, in den Tiefen meines Geistes tun sich ob meiner Unwissenheit wahre Abgründe auf. JERVIS:

All das, was die meisten Mädchen aus gut situierten Familien, mit einer Bibliothek und einem intakten Freundeskreis einfach so mitbekommen haben´, ist absolutes Neuland für mich. ICH LERNTE NIE VON HEINRICH DEM ACHTEN, VON SEINEN VIELEN FRAUN UND DEM POETEN SHALLEY.

N

IC

ICH LERNTE NIE VON DEN MENSCHEN UND AFFEN, ALEXANDER WARS, DER GRIECHENLAND BESIEGTE. ICH LERNTE NIE, DASS DER GARTEN VON EDEN NUR ALS SCHÖNER MYTHOS BESTEHT.

NIEMALS LAS ICH GESCHICHTEN VON DICKENS NICHT „OLIVER TWIST“, NICHT DIE „GESCHICHTE AUS ZWEI STÄDTEN“

WEDER TRAF ICH „DIE ZWEI EDLEN VETTERN“, NOCH KREUZTEN MEINEN WEG DIE „MERRY WIVES OF WINDSOR“.

ICH SEH MICH SELBST OFT AM „JAHRMARKT DER EITELKEIT“ ALS „ALICE IM WUNDERLAND“.

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BEIDE: ES WAR EINMAL... JERUSHA: OH KÄPT’N, MEIN KÄPT’N!

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BEIDE: ICH LIEG NOCH SO WEIT ZURÜCK. JERUSHA:

ICH LIEG NOCH IMMER WEIT ZURÜCK. JERVIS:

ICH TRÄUMTE NIE VON SOLCH EINEM SCHARFSINN, VORSTELLUNGSKRAFT VON UNGEAHNTEM AUSMASS. NIEMALS HAT MICH EIN STIL SO BEGEISTERT, ICH GLAUB, ICH LES NOCHMAL DEN „GRAF VON MONTE CHRISTO“.

WAS GEHT HIER VOR? ICH VERPASSE TERMINE, WEIL SIE MICH VIEL MEHR INTERESSIERT. BIN RATLOS UND PERPLEX OH KÄPT’N, MEIN KÄPT’N! MUSS WIEDER AN DIE ARBEIT GEHN! WAS IM NÄCHSTEN BRIEF WOHL STEHN? JERUSHA:

N

IC

ICH HÖRTE NIE VON „MEG, JO, BETH UND AMY“. HOPKINS GEDICHTE KENN ICH NICHT UND WAS GEMEINT IST, WENN MAN NACH DEN STERNEN GREIFT. FÜHL MICH WIE „DER IDIOT“, WIE „DIE ARBEITER DES MEERS“, OH KÄPT’N, MEIN KÄPT’N! EINGEHÜLLT IN POESIE, IN EINER WELT VOLL PHANTASIE. ICH HÖRTE NIE DIE „MONDSCHEINSONATE“, DIE WALZER VON CHOPIN. BACH WAR MIR NICHT GELÄUFIG. STARS VON DER BÜHNE, WIE LILLIAN RUSSEL, MALER, WIE MONET, SIE SAGTEN MIR REIN GAR NICHTS. 20


UND DU WIRST LACHEN, ICH DACHTE GEORGE ELLIOT WAR OHNE ZWEIFEL EIN MANN. ICH HAB MEIN ZIEL IM BLICK. OH KÄPT’N, MEIN KÄPT’N!

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ICH LIEG NOCH SO WEIT ZURÜCK. ICH LIEG NOCH IMMER WEIT ZURÜCK.

MIR FALLN DIE AUGEN ZU, ICH SOLLTE SCHLAFEN GEHN, DENN, DADDY, FÜR MICH GIBT ES SO VIELES NOCH ZU VERSTEHN. JERVIS:

PS: Einige der Mädchen verkaufen ihre Bücher, wenn sie damit durch sind, aber ich werde meine behalten. Dann habe ich nach meinem Abschluss meine ganze Ausbildung im Bücherregal. JERUSHA:

Viel einfacher als zu versuchen alles im Kopf zu behalten.

19. Dezember

JERUSHA:

Lieber Daddy Long Legs!

N

IC

Die Weihnachtsferien beginnen nächste Woche. Die Korridore sind überfüllt mit Gepäck und jeder sprudelt über vor lauter Vorfreude auf Zuhause. Jeder – außer mir natürlich. JERVIS:

Aber ich werde wundervolle Ferien verbringen mit einer ganzen Bibliothek, die gelesen werden will, und drei freien Wochen, um nur das zu tun! Ich wäre überglücklich, wäre da nicht eine kleine bedrohliche Wolke am Horizont: Prüfungen im Februar. JERUSHA: Oh, und vergessen Sie nicht meine Frage zu beantworten. 21


JERVIS: Wenn Sie sich die Mühe ersparen möchten mir zu schreiben, kann Ihr Sekretär telegraphieren. Er kann einfach schreiben:

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JERUSHA: Mister Smith hat weiße Haare... JERVIS: ...oder...

JERUSHA:

Mister Smith hat wenig Haare... JERVIS: ...oder...

JERUSHA:

N

IC

Mister Smith ist kahl.

Jervis sieht besorgt aus. Nicht zurück zu schreiben, belastet ihn sichtlich. JERVIS:

Haben Sie ein wunderbares Weihnachtsfest, wo immer Sie auch sind!

#7a Weihnachtsabend (Underscore)

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24. Dezember Jerusha sitzt in ihrem Zimmer und schaut aus dem Fenster. JERUSHA:

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Lieber Daddy, Es ist Weihnachten. Ich bin oben in meinem Turm und alles schimmert im Dämmerlicht. JERVIS:

Draußen fallen Schneeflocken groß wie Suppenteller, doch ich bin glücklich hier drinnen, zusammengekuschelt auf meinem Fenstersitz mit meinem derzeitigen Lieblingsbuch... JERUSHA:

… Jane Eyre. Ich blieb die halbe Nacht auf um zu lesen und ich werde es heute wieder tun. Diese Brontes faszinieren mich. Ihre Bücher, ihr Leben, ihre Denkweise. Was inspirierte sie? Als ich von Klein-Janes Schwierigkeiten in der Armenschule las, wurde ich so wütend, dass ich sofort raus musste um einen Spaziergang zu machen. JERVIS:

JERUSHA:

N

IC

Damit will ich nicht sagen, dass es im John-Grier-Heim genauso war. Wir hatten genug zu essen und genug Kleidung und einen Ofen im Keller. Doch es gab eine furchtbare Übereinstimmung: unser Alltag war absolut monoton.

Sieh, Daddy, ich glaube, die wichtigste Eigenschaft in jedem Menschen ist die Vorstellungskraft. Sie hilft sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Sie macht sie gütig und mitfühlend und verständnisvoll. So etwas sollte im Kindesalter gefördert werden. JERVIS:

Aber das John-Grier-Heim erstickte den kleinsten Funken Vorstellungskraft im Keim. Das einzige was zählte, war Pflichterfüllung.

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JERUSHA: Ich denke, Kinder sollten dieses abscheuliche Wort gar nicht kennen. Sie sollten nichts aus einer Verpflichtung heraus tun – sondern alles aus Liebe.

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#7b Was meint sie (Intro) JERVIS:

Jetzt ist es schon fast dunkel. Mit halb geschlossenen Augen blinzle ich durch den fallenden Schnee und stelle mir vor, wie Sie aussehen. Ich frage mich ob Sie vielleicht dasselbe tun und ich... JERUSHA:

...sende dir meine Liebe. JERVIS:

...sende dir meine Liebe. Jerusha.

#8 Was meint sie mit Liebe?

JERUSHA:

N

IC

Das Wort LIEBE verstört Jervis und er starrt schweigend auf den Brief.

PS: Vielleicht ist es nicht angemessen dir in Liebe zu schreiben. Falls dem so ist, entschuldigen Sie bitte. Aber zu Weihnachten muss ich mit irgendjemanden in Liebe vereint sein! Und es gibt nur Sie und Mrs. Lippert. Und sie kann ich nicht liebhaben! Also wie Sie sehen, müssen Sie wohl damit klarkommen! Jervis schaut auf die Bücher in den Regalen um ihn herum und wieder auf den Brief. Er wirkt besorgt.

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JERVIS: ACH WIE VERWIRREND? SELTSAMER NACHSATZ LIEBE, DIE UNS VEREINT WAS HAT SIE DAMIT GEMEINT?

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Er steht vom Tisch auf und betrachtet die vollen Regale um ihn herum. IRGENDWIE ZUM LACHEN ICH KENNE EIN JEDES BUCH DOCH ICH KANN NICHTS MACHEN ICH FINDE NICHT, WONACH ICH SUCH Er nimmt ein Wörterbuch aus dem Regal.

ALSO SCHLAG ICH NACH WAS HAB ICH ÜBERSEHN? WAS SIE MIT LIEBE MEINT, ICH WEISS ES NICHT ICH WÜNSCHT ICH KÖNNTS VERSTEHN!

Er stellt das Wörterbuch zurück und nimmt einen anderen Band aus einem höheren Regal.

N

IC

ICH KENNE JEDEN SHAKESPEARE, ICH KANN GREY UND LOVELACE ZITIEREN UND DOCH BIN ICH SCHEINBAR ZU BLÖD DIE ESSENZ ZU KAPIEREN ALSO SCHLAG ICH NACH KOMM DER ANTWORT NICHT NÄHER WAS SIE MIT LIEBE MEINT DEM KLEINEN WORT DEM ICH MICH SO VERWEHR.

Er stellt das 2. Buch auch zurück und verfällt in eine kurze Träumerei. KINDHEITSERINNERUNG ALTE GEFÜHLE ALL DAS WAR IRGENDWANN LIEBE DAUERT NICHT AN JERUSHA JERUSHA

Er wendet sich wieder dem Brief zu.

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WOVOR HAB ICH ANGST? ES IST NUR EIN WORT AUF PAPIER! EILIG VERFASST. UND KEIN GRUND, FÜR MICH ZU RECHERCHIEREN.

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UND DOCH SCHLAG ICH NACH, OB ES IRGENDWO STEHT, WAS SIE MIT LIEBE MEINT UND WIE SIE HOFFT, DASS ES MIR DAMIT GEHT. Licht auf Jervis aus.

4. Februar 1909

#8a Eiszapfen-Walzer

JERUSHA:

Liebster Daddy Long Legs!

Ich habe Ihnen etwas wirklich, wirklich Furchtbares zu berichten. Heute ist der sonnigste, strahlendste Wintertag, mit Eiszapfen an den Tannenbäumen und die ganze Welt krümmt sich unter der Last des Schnees – außer mir, ich krümme mich unter der Last einer großen Sorge. JERVIS:

Ich bin in Mathematik durchgefallen und auch in Latein. Jetzt nehme ich Nachhilfe in beiden Fächern und werde die Prüfungen nächsten Monat wiederholen.

IC

JERUSHA:

N

Ich weiß, Sie sind sicher enttäuscht. Würden Sie mir verzeihen, wenn ich verspreche, nie wieder durchzufallen? bittend

Bitte sagen Sie, dass Sie mir verzeihen! Ihr Häufchen Elend

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14. Februar JERVIS: Lieber Mr. Smith!

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Dies ist ein Brief mitten im Monat und mitten in der Nacht, weil ich so, so allein bin und kein bisschen Schlaf finde. Ich bin seit 6 Tagen im Krankenhaus mit einer schweren Angina und furchtbarem Fieber... Jerusha setzt sich im Krankenbett auf, wütend, unglücklich und verwirrt. JERUSHA:

...und eigentlich weiß ich nicht, warum ich ausgerechnet IHNEN das erzähle.

#9 Oh, ich Biest

Unter all diesen gemeinen Vorstandsmitgliedern sind Sie wahrscheinlich der Allergemeinste! Und der einzige Grund, warum Sie mich ausbilden lassen, ist deine heuchlerische Idee von Wohltätigkeit! AUF MEINE FRAGEN KRIEG ICH KEINE ANTWORT, NIEMALS ZEIGST DU EIN FÜNKCHEN INTERESSE, NICHT AN MIR UND NICHT AN MEINEN BRIEFEN

DU BIST NICHT DER MANN, DEN ICH MIR VORGESTELLT!

N

IC

Jervis geht zum Telefon und wählt. Während Jerusha singt, spricht er leise in den Hörer. UND ICH KENN KEIN DETAIL AUS DEINEM LEBEN,

ICH WEISS NICHTS ÜBER AUSSEHEN UND FAMILIE KÜMMERT’S DICH, OB ICH LEBE, OB ICH ATME? HAST DU’S DIR GENAUSO VORGESTELLT, SPIELST DICH AUF ALS HELD, WIRFST MIT DEINEM GELD UM DICH!

Jervis hängt auf und schaut das Telefon vorwurfsvoll an. Er überlegt, ob er das Richtige getan hat. Gleichzeitig greift Jerusha in die Luft und ein eleganter, rosafarbener Rosenstrauß erscheint in ihrer Hand. 27


SIND DIE FÜR MICH? Sie liest die Karte und ein Ausdruck von Reue überfällt ihr Gesicht. OH ICH BIEST, WAR IN RAGE, DADDY. BITTE SAG, DU VERZEIHST!

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ICH WAR GEKRÄNKT UND GEMEIN. ABER DADDY, ICH KANN DIR NICHT BÖSE SEIN. Sie vergräbt ihr Gesicht in dem Rosenstrauß.

WAR VERLETZT, WAR VERWUNDET, DADDY. GLAUBTE ICH WÄR DIR EGAL.

ICH HAB GEWEINT NÄCHTELANG,

DOCH DADDY, ICH LAG FALSCH VON ANFANG AN. ICH DACHTE, ICH KENNE DICH, DADDY, JETZT VERSTEH ICH DEN ZWECK.

ICH ERWARTE AUCH KEINE ANTWORT,

NUR DEN LETZTEN BRIEF, WIRF BITTE WEG. Sie vergräbt ihr Gesicht in dem Rosenstrauß.

DU BIST ECHT, BIST KEIN GEIST, MEIN DADDY.

N

IC

ICH VERSPRECH DIR FELSENFEST, SICHER HAB ICH ERFOLG, UND, MEIN DADDY,

BITTE KLOPF MIT MIR AUF HOLZ,

EINES TAGES MACH ICH DICH GANZ FURCHTBAR STOLZ Jerusha schläft ein, die Rosen fest umklammernd. Jervis starrt in den Himmel, bewegt und perplex.

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Manhattan 1. April Jervis nimmt ein Briefpapier von seinem Schreibtisch. JERVIS:

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Aus dem Büro von Mr. Jervis.... Er schaut ins Publikum, sein Nachname ist ein furchtbares Geständnis. …Pendleton.

Er setzt den Stift an und schreibt. Manhattan, am 1. April.

…1. April. Was für ein Zufall.

#10 Wann soll es sein?

Liebe Miss Abbott!

N

IC

Ich schreibe diesen Brief mit Zaudern, aber doch mit dem Gefühl, Ihnen nach ihrem letzten Brief eine Antwort schuldig zu sein. ICH WILL DIR SCHREIBEN. ICH SITZE RATLOS AUF DEM STUHL. WIE KANN ICHS ERKLÄRN? ICH BIN NICHT WIRKLICH ALT.

ICH BIN KEINESFALLS DER MANN, DEN DU DIR VORSTELLST BIN NICHT DER, DER DEN ERWARTUNGEN ENTSPRICHT. UND JERUSHA, VIELLEICHT STÖRT ES DICH?

Natürlich widerspricht das meiner eigenen Regel, die doch jegliche Art der Kommunikation von meiner Seite aus verbietet. Aber bereits letzten Monat habe ich gegen meine Auflagen verstoßen indem ich Ihnen einen Blumenstrauß zukommen ließ. Also ist der Schaden vielleicht schon angerichtet.

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UND SCHON LANGSAM WIRD ES SCHWER DIR DIE ANTWORT ZU VERWEHREN VOR ALLEM WENN MAN LIEBT ZU ERZÄHLN UND ZUZUHÖRN UND ICH BRENN DARAUF ERFAHRUNGEN ZU TEILEN GEDANKEN AUSZUTAUSCHEN WÄRE SCHÖN DOCH JERUSHA WIE SOLL DAS GEHEN?

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Ich werde an einem der nächsten Nachmittag zum College fahren und mich vorstellen. Doch sei gewarnt: ICH KANN NICHT DEIN FREUND SEIN, ICH WILL MICH AUCH NICHT BINDEN, AN FAMILIE ODER BEKANNTE, WEIL SO ETWAS IN MIR NUR GRANT SCHAFFT. UND WEGEN PERSONEN WIE JULIA, HALT ICH DISTANZ ZUR VERWANDTSCHAFT. JERUSHA.... Er unterbricht sein Schreiben.

ALSO IST’S VIELLEICHT NICHT KLUG MICH SCHON JETZT ZU PRÄSENTIEREN ERST SOLLST DU MICH SEHN ALS DEN, DER ICH WIRKLICH BIN.

ICH STELL MICH GANZ EINFACH VOR ALS: JULIAS ONKEL UND WER DADDY IST, BLEIBT NOCH GEHEIM. OH, JERUSHA

Er zerknüllt den Brief und wirft ihn weg.

N

IC

WANN WIRD ES SEIN?

10. Mai

JERUSHA:

Lieber Daddy Long Legs!

Haben Sie das College eigentlich schon einmal gesehen? Es ist ein wunderschöner Ort im Mai.

30


#10a Frühlingsluft (Underscore) Alle Büsche stehen in voller Blüte und die Bäume tragen das lieblichste hellgrüne Blätterkleid und die Wiese ist bunt gesprenkelt vom gelben Löwenzahn und hunderten Mädchen in blauen und weißen und rosafarbenen Kleidern.

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Jervis erscheint das erste Mal in Jerushas Welt als der Campus um ihn zum Leben erwacht. Und oh, Daddy, was für ein Tag! Am Campus wurde ein fremder Mann gesichtet. Niemand kannte ihn zunächst. Die menschliche Population hier ist so exklusiv weiblich, dass jede Erscheinung eines unbekannten männlichen Exemplars einem Skandal gleicht. JERVIS:

Der Mann, um den es geht, ist ein gewisser Mr. Jervis Pendleton... JERUSHA:

…aus Julias Familie! JERVIS:

In aller Kürze – er ist ihr Onkel. JERUSHA:

N

IC

Oder in aller Länge – er hat genau so lange Beine wie du, Daddy Long Legs. JERVIS:

Seine Geschäfte führen in die Stadt und im Zuge dessen besucht er seine Nichte am College. JERUSHA:

Er ist der jüngste Bruder ihres Vaters, aber sie haben kein enges Verhältnis. Es scheint, als ob er sie als Baby einmal angesehen und beschlossen hat, dass er sie nicht mag.

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JERVIS: Julia und Sallie hatten Kurse, bei denen sie nicht fehlen durften... JERUSHA:

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…also bat Julia mich, ihn nachmittags zu begleiten. Wenig begeistert sagte ich zu, da ich bekanntlich nicht viel für Pendletons übrig habe.

#11 Deine Augenfarbe

Wie auch immer, es stellte sich heraus, dass er richtig menschlich ist - ganz und gar kein Pendleton. Er ist sanft wie ein Lamm und hat ein ernstes aber süßes Gesicht und verschmitztes Grinsen, das nie ganz zum Vorschein kommt, aber immer wieder durchblitzt. ER ERINNERT AN DICH IN JUNGER VERSION EINE SEHR EDLE UND STARKE PERSON

ER ERINNERT AN DICH, ICH KANN NICHT VERSTEHN WIE KANN ER MICH DENN ERINNERN AN DICH, DEN ICH NIEMALS GESEHN

UND PS: ICH WÜNSCHTE, DU WÄRST MIR EIN FREUND UND DU ZEIGTEST MIR MEHR, WER DU BIST UND PS: WIE SCHÖN WÄR DAS SCHREIBEN MIT DIR, WENN ICH DEINE AUGENFARBE WÜSST

BEIDE:

N

IC

Jervis und Jerusha sitzen in einem kleinen Café.

WIR GINGEN AUS IN EIN GARTENCAFE JERUSHA:

UND SEINE AUGEN SIND BLAU WIE DIE SEE

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BEIDE: WIR REDETEN VIEL DOCH DEIN PLATZ WAR LEER JERUSHA:

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UND DANN SPRACH ER NOCH VON MELVILLE UND WHITMAN ICH SCHWEBE SEITHER.

Sie stehen auf und spazieren gemeinsam.

UND ICH WURDE ROT, DENN ER NAHM MEINE HAND. JERVIS:

ICH WURDE ROT JERUSHA:

UND ES SCHIEN EINFACH ALLES PERFEKT. ACH WÄRST DU DABEI JERVIS:

WÄR ICH DABEI JERUSHA:

KÖNNTEST DU MICH VERSTEHN UND ICH DEINE AUGENFARBE SEHN.

N

IC

BEIDE:

ES SCHIEN ALS KANNTEN WIR UNS SCHON SEIT LANGER ZEIT JERUSHA:

UND SEIN HUMOR NAHM MIR MEINE VERLEGENHEIT ES FÜHLT SICH RICHTIG AN JETZT ERWACHSEN ZU SEIN JERVIS: NA DANN BIN ICH ES WOHL AUCH

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JERUSHA: OH DIESEN MANN VERGESSE ICH NIE Jervis schaut auf seine Uhr. Es ist später, als er dachte. DA WAR EIN KNISTERN UND VIEL SYMPATHIE

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DANN NAHM ER DEN ZUG Jervis zieht seinen Hut und geht. UND ICH SEUFZTE AUF JERUSHA:

UND JULIA WAR BÖSE JERVIS:

UND JULIA WAR BÖSE JERUSHA:

WEIL ER SICH VON IHR NICHT VERABSCHIEDET HAT JERVIS:

ER SICH NICHT VERABSCHIEDET HAT

Jervis kommt zurück in sein Büro. Er ist erfreut über Julias Verärgerung.

N

IC

JERUSHA:

UND JETZT IST ES SPÄT JERVIS:

ES IST SCHON SPÄT. JERUSHA:

ICH BIN IMMER NOCH WACH MEINE SEELE VERFASST DIESE ZEILN

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JERVIS: SEELE VERFASST DIESE ZEILN BEIDE: TAUSEND MAL MEHR

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JERUSHA: WIRD MEIN HERZ JUBILIERN WENN ICH EINST DEINE AUGEN SEHEN KANN BEIDE:

ICH IN DEINE AUGEN SEHEN KANN JERUSHA:

PPS: Als ich heute Morgen in den Spiegel sah, entdeckte ich ein ganz neues Grübchen, das ich noch nie gesehen hatte. Ist das nicht seltsam? Wo glauben Sie kommt es her? JERVIS:

PPPS: Gestern hat mich Mr. Pendleton immer wieder so angesehn, als ob er mich genau kennen würde – fast besser als ich mich selbst.

IC

JERUSHA:

N

Aber er weiß genau gar nichts über mich. SIE sind der einzige Mann, der mich kennt, obwohl ich von IHNEN gar nichts weiß. JERVIS:

Mr. Pendleton ist ein Rätsel, soviel steht fest. JERUSHA:

Er scheint so kultiviert und gefestigt – typisch Pendleton... 35


JERVIS: fasziniert und empört … aber wenn er lacht, wird er zu einem kleinen Jungen und ist gar kein Pendleton mehr. JERUSHA:

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Doch dann geniert er sich vor sich selbst – Was hat er sich da nur erlaubt? – und steckt seine Jugendlichkeit wieder zurück in seine erwachsene Verpackung.

#12 Wie andre auch (Reprise)

Was sollen wir von Mr. Pendleton halten?

Jervis blickt fragend auf, Jerushas Brief in der Hand.

12. Mai

JERVIS:

DA STEHT MEIN NAME AM PAPIER.

UND SIE BESCHREIBT MICH LANG UND BREIT, LESE ICH EIGENTLICH NUR FREMDE BRIEFE? GEHT MEINE „HILFE“ SCHON ZU WEIT?

N

IC

DAS IST NICHT FÜR MICH BESTIMMT,

DAS IST NICHT FAIR, WAS ICH HIER TU,

ICH KANN NICHT WIDERSTEHN; SIE SCHREIBT SO FESSELND, UND SO LES ICH IMMERZU.

UND ICH KANN ES SELBST KAUM GLAUBEN,

DENN SIE WIRD NIEMALS SEIN WIE ANDRE FRAU’N, GIBT NIEMALS AUF WIE ANDRE FRAU’N.

IST NICHT HINTERHÄLTIG UND KEIN KLEINES BURGFRÄULEIN IN NOT, WIE ANDRE FRAU’N, WIE ANDRE FRAU’N, 36


WIE ANDRE FRAU’N. 30. Mai JERUSHA:

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Daddy Long Legs! Hilfe! Soeben erhielt ich einen Brief von Mrs. Lippett. Sie hofft, mein Benehmen werfe ein gutes Licht auf das John-Grier-Heim. Und da ich keine Pläne für diesen Sommer habe, bestellt sie mich zurück ins Heim um dort zu arbeiten, bis im Herbst das College wieder beginnt. Ich HASSE das John-Grier-Heim!

Eher würde ich sterben, als dorthin zurück zu gehen. Ihre, aufs heftigste auf Sie vertrauende...

1. Juni

Jervis sitzt an einer Schreibmaschine und tippt eine Antwort. JERVIS:

Liebe Miss Abbott!

Mr. Smith trug mir auf mich Ihnen mitzuteilen, er wäre erfreut... JERUSHA:

N

IC

…wenn Sie einwilligen würden, den Sommer auf der Farm Lock Willow zu verbringen. Adresse und weitere Anweisungen sind beigefügt. Er ist sich sicher, die Unterkunft erscheint Ihnen angemessen. JERVIS:

Bitte um Bestätigung.

Mit freundlichen Grüßen,

Er zieht das Blatt aus der Schreibmaschine und kritzelt eine Unterschrift darauf. Sehr zufrieden mit sich selbst. Mr. Smiths Sekretär! 37


2. Juni JERUSHA:

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Liebster Daddy Long Legs! Du bist ein Prachtkerl! JERVIS:

Prachtkerl!

JERUSHA:

Ich freue mich so, so sehr, Ihr Angebot anzunehmen, den Sommer auf der Farm Lock Willow zu verbringen! Allerdings habe ich ein bisschen Angst, dass Mrs. Lippert ihren langen Arm auch dort nach mir ausstrecken wird. JERVIS:

Lock Willow...

N

IC

#12a Lock Willow (Underscore)

JERUSHA:

...was für ein schöner Name für eine Farm. JERVIS:

Ich war noch nie auf einer Farm. Ich weiß nicht einmal was das ist. Aber ich weiß, dass ich es lieben werde. Ich werde es lieben, FREI zu sein.

38


Lock Willow 15. Juni JERUSHA: Oh, Daddy! Ein schöner Tag!

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Ich bin hier. Ich bin auf einer Farm! JERVIS:

Er kennt die Farm gut. Und es ist himmlisch! JERUSHA:

Das Haus ist groß und alt. JERVIS:

Hundert Jahre oder so. JERUSHA:

N

IC

Es steht auf einem Hügel... JERVIS:

...umgeben von Hemlocktannen... JERUSHA:

…und Ahornbäumen... JERVIS:

…und säuselnden Kiefern... 39


JERUSHA: …und man sieht von hier über viele Meilen über grüne Hügel bis zu einem weiteren Bergrücken.

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JERVIS: Die Leute hier sind Mr. und Mrs. Semple, die das Land bewirtschaften. Dann gibt es noch eine Magd, Carrie, und zwei Knechte, Amasai und den alten Ira Hatch.

Ich esse mehr als je zuvor in meinem Leben. Gestern hatten wir Schinken und Eier und Kekse und Honig und Pudding und Kuchen und Gurken und Käse und Tee zum Abendessen. JERUSHA:

Mit voller Überzeugung halte ich fest: Hier werde ich fett. JERVIS:

Mein Zimmer ist weitläufig mit niedlicher, altmodischer Einrichtung und Fenstern, die mit Stöcken aufgebockt werden... Jerusha nimmt ein nagelneues Notizbuch heraus und legt es ehrfürchtig vor sich hin. JERUSHA:

N

IC

…und einem großen Kieferntisch. Ich werde den ganzen Sommer hier verbringen, meine Ellenbogen darauf ausgebreiten und schreibe... und zwar einen Roman!

30. Juni

JERVIS:

Lieber Daddy!

Sonntage sind hier auf Lock Willow ein wahrer Charaktertest, aber dieser war am schlimmsten bis jetzt.

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JERUSHA: Wir stiegen in den Wagen und fuhren zur Kirche, wo der Priester predigte, allen irdischen Genüssen zu entsagen, aus Angst vor dem ewigen Fegefeuer. JERVIS:

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Ich finde es gefährlich mit den Semples über Religion zu sprechen. JERUSHA:

Ihr Gott – den Sie von Ihren entfernten puritanischen Vorfahren übernommen haben – ist eine engstirnige, irrationale, ungerechte, gemeine, rachsüchtige Person. Dem Himmel sei Dank, dass ich meinen Gott von niemandem übernommen habe! Es steht mir frei, meinen Gott nach meinen eigenen Vorstellungen zu haben. Er ist liebevoll und sympathisch und fantasievoll und verständnisvoll – und er hat Sinn für Humor. JERVIS:

Ich mag die Semples zwar sehr, aber sie sind frommer als ihr eigener Gott. Das habe ich ihnen auch gesagt – und sie damit wahnsinnig verstört. Sie glauben ich bin blasphemisch – JERUSHA:

– und ich glaube, sie sind es!

IC

JERVIS:

N

Auf dem Heimweg von der Kirche sprach niemand auch nur ein Sterbenswort. JERUSHA:

Als wir wieder auf der Farm ankamen, bemerkten wir, dass Buttercup, eine der Kühe, letzte Nacht in den Obstgarten entwischt war und dutzende Äpfel gefressen hatte, bis sie ihr zu Kopfe stiegen. Jetzt ist sie sturzbetrunken und all das ist meine Schuld! Ich hatte das Gatter offen gelassen.

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JERVIS: Und am Nachmittag beim Eier einsammeln am Heuboden fiel ich von einem Balken, zerschnitt mein Knie an einer Heugabel... JERUSHA:

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

…und zerbrach jedes einzelne Ei in meinem Korb. JERVIS:

Ich lief zurück zum Haus, rutschte aus und landete vor dem Gatter im Dreck. JERUSHA:

Ich hatte meine guten Schuhe an – die, die Sie mir gekauft haben – und nun werden sie nie wieder dieselben sein. JERVIS:

Haben Sie jemals zuvor von einer derartigen Verkettung widriger Umstände gehört?

#13 Der Schlüssel zum Glücklichsein

JERUSHA:

N

IC

Ich konnte bis zum späten Nachmittag nicht an meinem Roman arbeiten, aber als ich mich endlich an meinen Tisch setzte, wartete eine kleine Überraschung auf mich. JERVIS:

Da, mitten auf dem Papier, saß der größte, schönste Weberknecht, den ich je gesehen habe. Ich meine einen echten, Daddy, einen achtbeinigen Daddy Long Legs... Ich hob ihn behutsam an einem Bein auf und half ihm durch das Fenster in die Freiheit. Er segelte auf dem Wind wie eine Feder und landete sanft auf der Heckenkirsche.

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JERUSHA: Als ich ihm zusah, dachte ich über den heutigen Tag nach. Wissen Sie, Daddy, es sind nicht die großen Probleme, die einen charakterlich formen. Jeder kann tragischen Umständen die Stirn bieten und in einer Krise Größe beweisen. Aber die kleinen Stolpersteine Tag für Tag mit einem Lächeln auf den Lippen zu überwinden. Ich denke DAS erfordert wahre Größe.

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

PLÖTZLICH WEISS ICH, DER SCHLÜSSEL ZUM GLÜCKLICH SEIN LIEGT IN DER LEICHTIGKEIT. DENN JETZT KENN ICH DEN SCHLÜSSEL ZUM GLÜCK, ER SAGT: GENIESSE DEINE ZEIT! LASS DICH NICHT BREMSEN VON ÄRGER UND LEID, DENN...

PLÖTZLICH WEISS ICH, DER SCHLÜSSEL ZUM GLÜCKLICH SEIN HEISST: SCHAU VOR NICHT ZURÜCK! DENN JETZT KENN ICH DEN SCHLÜSSEL ZUM GLÜCK, ER SAGT: VERTRAU DEM AUGENBLICK! GLAUBST DU AN DICH, GEWINNST DU STÜCK FÜR STÜCK, DENN... DER SCHLÜSSEL, DER SCHLÜSSEL ZUM GLÜCKLICH SEIN.... JA, JETZT KENN ICH DEN SCHLÜSSEL ZUM GLÜCKLICH SEIN, UND ANGST WIRD SCHALL UND RAUCH. DENN JETZT WEISS ICH, DER SCHLÜSSEL ZUM GLÜCK, ER SAGT: HÖR STEHTS AUF DEINEN BAUCH. FÜRCHTE DICH NICHT, DAS HÄLT DICH DOCH NUR AUF, DENN DER SCHLÜSSEL, DER SCHLÜSSEL ZUM GLÜCKLICH SEIN SAGT:

N

IC

LEB IM JETZT UND HIER. LEB IN JEDEM AUGENBLICK, DENN DAFÜR SIND WIR HIER. DAS| IST UNSRE BESTIMMUNG.

PLÖTZLICH WEISS ICH, DER SCHLÜSSEL ZUM GLÜCKLICH SEIN ER PASST IN JEDES SCHLOSS DENN ICH WEISS JETZT, DER SCHLÜSSEL ZUM GLÜCK FÄLLT MIR GANZ EINFACH IN DEN SCHOSS HALT IHN NICHT FEST, DANN ES LÄSST ER DICH NICHT LOS, UND DER SCHLÜSSEL, DER SCHLÜSSEL ZUM GLÜCKLICH SEIN.... DER SCHLÜSSEL ZUM GLÜCKLICH SEIN IST KLAR, DER SCHLÜSSEL ZUM GLÜCKLICH SEIN IST NAH, DER SCHLÜSSEL ZUM GLÜCKLICH SEIN IST DA.

43


1. August JERVIS: Daddy!

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Heute habe ich eine verblüffende Entdeckung gemacht. Ich habe auf dem Dachboden nach etwas zu lesen gesucht, als ich auf eine riesige Holzkiste stieß, die mit einem Totenschädel bemalt war, wie eine Piratenschatzkiste. JERUSHA:

Ich öffnete sie und darin fand ich einen Stapel sehr abgegriffener Abenteuergeschichten. Eine hieß „Auf großer Fahrt“ – und quer über das Deckblatt waren mit der niedlichen Handschrift eines kleinen Jungen folgende Worte gekritzelt: BEIDE:

„Bring mich nach dem letzten Satz schnell zurück an meinen Platz. Zu“ – Jervis Pendleton.

Jervis verfällt in Panik. Er ist aufgeflogen- oder glaubt dies zumindest. JERUSHA:

N

IC

Ich lief hinunter zu Mrs. Semple – die mir erzählte, dass die Farm ursprünglich der Familie Pendleton gehörte und Julias Onkel, den sie Master Jervie nennt, ... JERVIS:

wiederholend und verwundert Master Jervie...

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JERUSHA: … den Sommer hier verbrachte, nachdem er einmal sehr krank gewesen war.

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Er war 11 Jahre alt und seine Mutter war gerade gestorben. Von da an kam er jeden Sommer auf die Farm. Später dann, als er erwachsen war und die Farm geerbt hatte, überließ er sie Mrs. Semple, die all die Jahre wie eine 2. Mutter für ihn gewesen war. BEIDE:

Ist das nicht eine wunderbare Geschichte? JERUSHA:

Doch mehr denn je schürt sie meine Neugier, was SIE betrifft. Kannten Sie Mr. Pendleton persönlich? – wohl eher seinen Vater oder Großvater, nehme ich an.

#14 Deine Augenfarbe (Reprise 1)

Wie alt sind Sie, Daddy? Sie werden es mir nicht sagen, ich weiß. Aber meine Neugier brennt schon fast Löcher ins Papier. JERUSHA:

WIE WAR DEIN TAG?

N

IC

SAG MIR GENAU,

SIND DEINE HAARE NUN WEISS ODER GRAU? WIE MAGST DU SEIN, WAS FÜR EIN MANN?

DU BIST WOHL EIN RENTNER IM STATTLICHEN ALTER VON GUT ACHTZIG JAHRN! UND WIE ES WOHL WÄR, FIELE AUF DICH EIN LICHT, DOCH DU LÄSST MICH IM DUNKELN HIER STEHN,

UND TRÄFEN WIR UNS, WÜRD MEIN HERZ JUBILIERN. DANN KÖNNT ICH IN DEINE AUGEN SEHN.

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Jervis erscheint an seinem Tisch und schreibt einen Brief. Er beginnt zögerlich und die Musik geht weiter. JERVIS:

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Ich versuche schon seit einiger Zeit mich zu überwinden Ihnen zu schreiben, aber ohne Erfolg. Es hätte sich ziemlich unehrlich angefühlt, Ihnen als Jervis Pendleton zu schreiben, wenn doch alle IHRE Briefe an mich als Daddy Long Legs adressiert waren. Also ließ ich es bleiben. Das war vielleicht ein Fehler, aber so war es. Er schaut auf und seufzt.

Aber auch jetzt weiß ich nicht, ob ich Ihnen als Jervis schreiben soll, dass ich Daddy bin, oder Ihnen als Daddy sagen soll, ich bin Jervis. Wie ich es auch drehe und wende, ich werde eine große Enttäuschung für Sie sein. Jervis zerknüllt den Brief.

WAS SCHREIB ICH BLOSS? WAS IST JETZT KLUG?

VON MEINEN TRICKS HAB ICH SELBST SCHON GENUG.

DENN MEIN FALSCHES SPIEL HOLT MICH LANGSAM EIN, WAS DU VERDIENST IST DIE WAHRHEIT,

N

IC

ICH WILL KEIN BETRÜGER MEHR SEIN. JERUSHA:

WIE MAGST DU SEIN? JERVIS:

UND WAS DU WOHL DENKT, WENN DU WEISST WER ICH BIN. UND BEMERKST, WER SICH DIR VORGESTELLT.

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JERUSHA: ICH BIN GESPANNT, WER DU BIST! JERVIS:

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UND WIE STELL ICH’S AN, DASS DU MICH NICHT VERLÄSST, WENN DU SIEHST:

MEIN KARTENHAUS ZERFÄLLT. JERUSHA:

ICH FRAGE MICH, JERVIS:

KANN’S NICHT GESTEHN JERUSHA:

WIE BIST DU BLOSS?

DARFST DU NICHT SEHN ICH BIN DER MANN

N

IC

JERVIS:

JERUSHA:

WANN WERD ICH BLOSS JERVIS:

DER ICH WOHL NIEMALS BIN

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IC

PAUSE

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N

JERUSHA:

IN DEINE AUGEN SEHN?

Das Licht verlöscht langsam.

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AKT 2 2. Studienjahr Fergussen Hall 25. September 1909

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#15 Sophomore-Studienjahr

Jervis kommt herein und setzt sich an den Schreibtisch, die Füße faul auf dem Tisch, und liest Jerushas letzten Brief. Jerusha kommt herein, sie sieht beängstigend erwachsen aus. JERUSHA:

Lieber Daddy!

ICH FÜHL MICH JETZT WIE EIN ERWACHSENER MENSCH. EIN ECHTER SOPHOMORE.

ICH FÜHLE JETZT, DASS ICH SCHON SO VIEL MEHR BIN ALS EIN KIND. DIE NEUEN SIND NOCH GRÜN HINTER DEN OHREN, UND AUSSERDEM SCHRECKLICH NAIV.

ICH FÜHL MICH JETZT WIE EIN ERWACHSENER MENSCH. SO EIGENSTÄNDIG.

UND RATE, MIT WEM ICH ZUSAMMENWOHN’?

N

IC

SALLIE MCBRIDE! JERVIS:

Und Julia Rutledge Pendleton. Wirklich!!! JERUSHA:

EIN PENDLETON WOHNT JETZT MIT EINER WAISEN. EIN HOCH AUF UNSRE DEMOKRATIE!

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Sallie kandidiert als Klassensprecher und wenn nicht alles täuscht, wird sie auch gewählt. JERVIS: Eine intrigenschwangere Atmosphäre – Sie sollten sehen, wie wir uns als Politiker machen!

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JERUSHA: Oh, ich sage Ihnen Daddy, wenn wir Frauen unsere Rechte bekommen, müsst ihr Männer euch warm anziehen, um eure zu behalten! ICH FÜHL MICH JETZT WIE EIN ERWACHSENER MENSCH. SO AKADEMISCH.

KURSE HAB ICH IN LYRIK, POESIE UND AUCH LATEIN. ICH MISCHE SALZ MIT CHLORWASSERSTOFFSÄURE UND SEHR KOMPLEX IST GEOMETRIE. Pass auf, was ich gelernt habe:

Die Mantelfläche einer regelmäßigen Pyramide ist die Hälfte des Produkts des Grundumfangs mal der Höhe der Seitenflächen. Es klingt nicht logisch, aber es stimmt! Oh, und Daddy, wissen Sie was?

29. November

N

IC

SALLIE MCBRIDE, SIE LUD MICH EIN

DIE WEIHNACHTSZEIT BEI IHR ZU SEIN IN MASSACHUSETTS, KANNST DU DIR VORSTELLN,

WIE SEHR ICH MICH DARAUF FREU ICH KENN SO WAS NICHT. BEIDE:

EIN FAMILIENFEST WIE IM BUCHE, WIE DADDY LONG LEGS ...

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JERUSHA: … PASS ICH DA WOHL REIN? Stonegate

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Weihnachtstag JERVIS:

Familien! Nicht im Traum konnte ich mir vorstellen, wie schön das ist. JERUSHA:

Sallie hat einen Vater! UND eine Mutter! UND eine Großmutter! UND die

allersüßeste kleine dreijährige Babyschwester! UND einen mittelgroßen Bruder, der immer vergisst, seine Schuhe abzustreifen. JERVIS:

Er mag den Tonfall gar nicht.

UND einen großen, gutaussehenden Bruder namens Jimmie, der ein Junior in Princeton ist. JERUSHA:

ICH BIN HIER ERST EINE KNAPPE WOCHE

N

IC

RATE MAL, WAS ALLES PASSIERT:

EINEN BALL GAB MAN MIR ZU EHREN,

DER ERSTE BALL, DEN ICH BESUCHTE.

MIT WEISSEN HANDSCHUHN UND WEISSEN SCHUHN; ICH DEBÜTIERTE... JERVIS:

… MIT SALLIES BRUDER JIM!

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JERUSHA: ACH KÖNNTEST DU MICH MIT IHM TANZEN SEHN, JA, DADDY LONG LEGS, DIES BILD VON JERUSHA UND JIMMIE MC-BRIDE.

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Jervis wird immer unruhiger. Wären Sie wahnsinnig enttäuscht, Daddy, wenn ich keine große Schriftstellerin werde, sondern nur ein ganz gewöhnliches Mädchen? Jervis zieht hastig seinen Mantel an und verlässt den Raum.

Fergussen Hall

15. Februar 1910

JERVIS:

Lieber Daddy!

Julias heiß begehrter Onkel besuchte uns heute Nachmittag –

Jervis erscheint upstage, eine große Schachtel Pralinen – mit einer Satinschleife geschmückt – versteckend. – und brachte uns eine riesengroße Schachtel Pralinen.

N

IC

Jervis lässt die Schachtel mit Genugtuung fallen, wie wenn er einen Wettbewerb gewonnen hätte. JERUSHA:

Dann blieb er zum Tee in unserem Studierzimmer, obwohl es ziemlich umständlich war, dafür die Erlaubnis zu bekommen. Julia musste notariell beglaubigen lassen, dass er wirklich ihr Onkel war. JERVIS:

Sallie meinte, der Direktor hätte es niemals erlaubt, wenn er gesehen hätte, wie jugendlich und gutaussehend Onkel Jervis ist.

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Jervis grinst ziemlich ordinär ins Publikum. JERUSHA: Ich erzählte ihm, dass ich den Sommer auf Lock Willow verbracht habe. Er war überrascht, dass ich die Farm kenne...

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JERVIS:

...auch er erinnerte sich sehr gut. JERUSHA:

Wir hatten eine, wunderbaren Plausch über... BEIDE:

…die Semples... JERUSHA:

…und die Pferde... JERVIS:

N

IC

…und die Hühner... JERUSHA:

...und die Kühe... JERVIS:

… und die Frösche...

53


JERUSHA: …und die süßen kleine Stinktiere! JERVIS:

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fragend Süße kleine Stinktiere? JERUSHA:

Er erinnerte sich sogar an die Piratenschatzkiste am Dachboden. JERVIS:

Und die Abenteuergeschichten. JERUSHA:

Er fragte, ob sie noch immer… BEIDE:

...die Donuts...

IC

JERVIS:

N

in der gelben Schüssel mit dem blauen Teller darauf im untersten Regal der Speisekammer aufbewahren. BEIDE:

Ja – das tun sie!

54


JERUSHA: Ich nannte ihn „Master Jervie“ und er schien nicht beleidigt zu sein. Julia sagte, sie habe ihn noch nie so liebenswert erlebt. Aber Julia hat auch kein Taktgefühl, und ich meine, im Umgang mit Männern braucht man davon recht viel. Fasst man sie richtig an, schnurren sie wie Kätzchen, wenn nicht – pfauchen sie.

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Oh, und Daddy...

#16 Mein Manhattan

… jetzt kommt das Beste. Mr. Pendleton hat Julia und Sallie und mich nächsten Freitag nach New York eingeladen! JERVIS:

Julia wird selbstverständlich bei ihrer Familie wohnen, … JERUSHA:

… aber Sallie und ich wohnen im Martha Washington Hotel. Ich war noch nie in einem Hotel! JERVIS:

JERUSHA:

N

IC

Haben Sie jemals von etwas so etwas Aufregendem gehört?

Ich glaube, ich will gar nicht in den Himmel kommen, ich bekomme doch alles schon hier unten.

New York

7. April 1910

Jervis zeigt Jerusha die Sehenswürdigkeiten von Manhattan.

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JERVIS: DER LICHTERGLANZ, DER NEW YORKER TANZ, DAS GETÜMMEL IN DER STADT DU BIST LEBENSFROH UND WEISST NICHT WIESO NUR DIE HITZE MACHT DICH MATT

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DEIN HERZSCHLAG UND DIE STRASSE SPIELN DAS SELBE LIED HEUTE MORGEN NOCH HAST DU’S NICHT GEAHNT, DOCH ES IST SO VIELES DA.

UND JETZT SIEH DICH AN, KEINE ZWEIFEL DRAN, ES BLEIBT NICHTS SO WIE ES WAR.

DIE STADT STELLT VIELE FRAGEN, FIND DIE ANTWORT DRAUF! KOMM, ICH ZEIG DIR MEIN MANHATTAN

SO FASZINIEREND, FÜR DICH EIN GREIFBARER TRAUM DU WIRST AUFBLÜHN IN MANHATTAN JERUSHA:

FASZINIEREND

IC

JERVIS:

N

UND TAUSEND LICHTER WIRST DU SEHN, KANNST NICHT WIDERSTEHN KOMM, ICH ZEIG DIR MEIN MANHATTAN, JERUSHA MIT DER STRASSENBAHN AN DEN BARS ENTLANG, IM SCHLENDERGANG DURCH DIE PARKS. DANN DIE POLITIK, EIN THEATERSTÜCK ÜBER DEN KÖNIG DÄNEMARKS DIE STADT, DIE NIEMALS SCHLÄFT, STELL DIR DAS NUR MAL VOR! 56


KOMM, ICH ZEIG DIR MEIN MANHATTAN ES IST BEZAUBERND, DIE NEW YORK TIMES VOR DER TÜR JERUSHA:

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ES IST BEZAUBERND JERVIS:

DU WIRST AUFBLÜHN IN MANHATTAN JERUSHA:

FASZINIEREND JERVIS:

UND DIESES WUNDER MACHT DICH REICH, ES IST NICHTS VERGLEICHBAR! KOMM, ICH ZEIG DIR MEIN MANHATTAN, JERUSHA JERUSHA:

IC

Wahnsinn, Daddy! New York ist ja riesig! Sie wollen mir also erklären, Sie leben tatsächlich hier in all diesem Wirrwarr?! Ich werde Monate brauchen, um mich von den 2 Tagen zu erholen!

N

Oh, und Daddy, ist Shakespeare nicht wunderbar? Master Jervie ging mit uns in „Hamlet“! JERVIS:

Falls Sie es noch nicht auf der Bühne gesehen haben, müssen Sie das unbedingt! Es ist wirklich klasse! JERUSHA:

Ich habe so oft schon von diesem Shakespeare gehört, aber ich ahnte nicht, dass er wirklich so gut schrieb! 57


JERVIS: Ich dachte immer, er hatte einfach nur einen guten Ruf! SEI WILLKOMMEN IN MANHATTAN

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ES WARTET AUF DICH RENDEZVOUS AM TIMES SQUARE JERUSHA:

DA! GEORGE M. COHAN! JERVIS:

NUTZ DIE CHANCE IN MANHATTAN JERUSHA:

5TH AVENUE JERVIS:

AUF WOLKENKRATZERN BEIDE:

JERVIS:

N

IC

OBEN STEHN UND DANN RUNTERSEHN

SCHREIB EIN BUCH ÜBER MANHATTAN JERUSHA:

DIE OPERETTE

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JERVIS: DAS PLAZA, DEINE FREUNDSCHAFT MIT DER QUEEN AUF EINEN DRINK MIT OSCAR

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BEIDE: HAMMERSTEIN JERVIS:

DAS BELASCO UND DIE MET JERUSHA:

CONEY ISLAND JERVIS:

WAS FÜR EIN SPANNENDES DUETT JERUSHA:

N

IC

DA IST J. P. MORGAN BEIDE:

DANN SPRING AUF DIE 9TH AVENUE LINE DIE STADT KÖNNTE JETZT UNSRE SEIN MEIN MANHATTAN JERUSHA:

DEIN MANHATTAN

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JERVIS: DEIN MANHATTAN! BEIDE:

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OH! MANHATTAN! Fergussen Hall 2. Juni

Jervis kommt wieder in sein Studierzimmer, Jerusha in ihres zurück. JERUSHA:

Mr. Daddy Long Legs Smith! BEIDE: Sir.

JERVIS:

Da ich die Technik perfektioniert habe, meine Arbeiten in mehrere Unterpunkte aufzugliedern, übertrage ich dieses formelle Stilmittel nun auch auf unsere Korrespondenz. Fakten – kein unnötiges Geschwätz! JERUSHA:

N

IC

1. Diese Woche hatten wir schriftliche Prüfungen in: a. Chemie b. Geschichte JERVIS:

2. Heute gab es Pudding zum Nachtisch, gewürzt mit: a. Vanille b. Muskatnuss JERUSHA:

3. Ich schreibe einen Abhandlung über die Quellen von Shakespeares Stücken.

60


JERVIS: 4. Louisa McMahon stürzte heute beim Basketball und sie: a. renkte sich die Schulter aus b. prellte sich das Knie JERUSHA:

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5. Ich habe einen neuen Hut mit a. einem blauen Samtband b. zwei indigoblauen Federn c. drei roten Pompoms JERVIS:

6. Es ist halb 10. JERUSHA:

7. Gute Nacht. JERVIS:

PS: Oh, und Daddy! Sie werden nicht erraten, was mir wunderbares passiert ist! Mrs. McBride lud mich ein, diesen Sommer mit der ganzen Familie auf ihrem Landsitz zu verbringen. Jimmie McBride wird einige Collegefreunde zu Besuch haben, also gibt es dort Tanzpartner im Überfluss! Jervis geht geradewegs zu seiner Schreibmaschine.

5. Juni

Liebe Miss Abbott! Mr. Smith wünscht die Einladung von Mrs. McBride abzulehnen!

N

IC

6. Juni

JERUSHA:

Warum, warum, warum, Daddy???

Mrs. McBride will mich unbedingt dabeihaben, wirklich und ehrlich. Ich wäre ihr eine Hilfe.

Es ist eine gute Möglichkeit für mich, Hauswirtschaft zu erlernen. Jede Frau sollte etwas davon verstehen und ich verstehe nur etwas von Heim-Wirtschaft. Und sie möchte mich als Gesellschaft für Sallie. Jervis beginnt weich zu werden. 61


Wir wollen so viel miteinander lesen. Und Jimmie McBride wird mir zeigen, wie man reitet... Jervis zuckt zusammen. …und Kanufahren und Schießen und Fischen und alles, was ich schon immer wollte.

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Bitte, lassen Sie mich fahren, Daddy! Nichts wollte ich jemals so sehr! Jervis wird ernster.

7. Juni

JERVIS:

Miss Abbott! Mr. Smiths Entschluss steht fest.

Sie werden diesen Sommer auf Lock Willow verbringen, genau wie letztes Jahr! Er zieht den Brief aus der Maschine und unterschreibt ihn.

#17 Ich kenne dich scheinbar nicht 10. Juni

JERUSHA: bitter Sir,

N

IC

Bezugnehmend auf den Brief vom 7. Juni. Den Anordnungen entsprechend, die ich durch ihren Sekretär erhielt, werde ich nächsten Freitag nach Lock Willow reisen, um dort den Sommer zu verbringen. Mit freundlichen Grüßen, Jerusha.

Einen Atemzug später. Abbott.

Noch einen Atemzug später. Miss.

62


Lock Willow 10. August Jerusha sitzt in warmem Licht und schreibt einen Brief.

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FAST ZWEI MONATE HER SCHON SEIT ICH ZULETZT SCHRIEB. DOCH GLAUBE MIR, ES TUT MIR LEID, DU WEISST, SO ETWAS IST NICHT MEINE ART.

ICH SEHE SALLIE NICHT IM SOMMER, DU HATTEST SICHER DEINE GRÜNDE, DU WOLLTEST FÜR MICH NUR DAS BESTE, DADDY. ICH VERSTEH NICHT, WARUM DU SO BIST: NUR EIN WORT, NUR EIN SATZ, DER MIR SAGT WAS NUN DEIN PLAN FÜR MICH IST.

DU STELLST MICH VOR DEN FESTEN BESCHLUSS ICH HAB HIER GAR KEIN GEWICHT, ICH KENNE DICH SCHEINBAR NICHT. LANGE ZEIT HATT’ ICH MIR VORGESTELLT, DU WÄRST NETT, DU WÄRST GROSS UND SEHR ALT. ABER ICH HÄTT’ NIE GEDACHT, DASS DU SO HERZLOS UND KALT ZU MIR BIST, IRGENDWAS TRÜBT MEINE SICHT, ICH KENNE DICH SCHEINBAR NICHT.

N

IC

ICH BIN HIER, AUF DER FARM, AUF DEM LANDE, MIT SELBSTGEBACKNEM BROT. MISSIS SEMPLE IST WIRKLICH SEHR FREUNDLICH UND HIER HERRSCHT KEINE NOT. UND MORGEN STREICHEN WIR DEN STALL IN EINEM ANDREN ROT! ES GIBT BIBELSTUNDEN NUR FÜR MÄDCHEN, WÄRE ICH NUR TOT! WÄRN DOCH DIE ORTE IN BÜCHERN REAL, KÖNNT' ICH DORTHIN ENTFLIEHN AUS DIESEM HÜHNERSTALL.

DANN WÜRDE ICH MILTONS HIMMEL BEGEHN ANSTATT HIER NUR DÄUMCHEN ZU DREHN. (DU) ZEIGTEST MIR SO VIELES, DOCH NIEMALS SAH ICH DEIN GESICHT; WARUM KAUFST DU MICH FREI UND SPERRST MICH DANN WIEDER EIN? 63


ICH KENNE DICH SCHEINBAR NICHT!

Jervis geht zu seinem Schreibtisch. Er atmet tief durch, nimmt seinen Mut zusammen und schreibt. Jerusha lümmelt am Boden, während Jervis seine Antwort verfasst. 16. August

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JERVIS: Aus dem Büro von Mr. Jervis Pendleton Liebe Jerusha!

Genug ist genug. Aus mit dem falschen Spiel. Keine Lügen mehr. Der Mann, den du glaubst zu kennen als ... Mr. Smith oder Daddy Long Legs, wie du ihn so originell zu nennen pflegst, ist kein anderer als... Er stockt, sucht nach der richtigen Formulierung.

…dein Freund … dein guter Freund ... dein lieber Freund ... Julias Onkel ... Jervis.

Ich bin es, nicht Daddy Long Legs, der deinen lustigen Aufsatz gelesen, dich aus dem Waisenhaus geholt, dich aufs College geschickt, für deine Kleidung, deine Bücher, und alles andere bezahlt hat, das du besitzt. Er weiß, dass er ihr diesen Brief nicht schicken kann. Er starrt auf das Blatt.

#18 Ein andrer Mann

JERVIS:

N

IC

Ich fürchte, Daddy Long Legs ist nur deiner Vorstellungskraft entsprungen. Er ist dein persönliches Hirngespinst. – so wie Mr. Smith meines ist.

ICH BIN EIN IDIOT NUR EIN FÄLSCHER, EIN KLISCHEE WIE DIE FEE AUS ARTHURS SEE DIE WELLE DES BETRUGS BRICHT ÜBER MIR UND DASS ICH NICHT ERTRINK, LIEGT NUR AN DIR ICH WILL DIR ALLES SAGEN, DOCH VIEL ZU VIEL IST WAS AUF DEM SPIEL STEHT DU VERFLUCHTEST UND HASSTEST MICH UND SCHULDIG BIN ALLEIN NUR ICH Jervis überlegt einen Moment. 64


WARUM SOLLT ICH RISKIERN DICH ALS FREUND ZU VERLIERN WÄHREND SICH DIE WAHRHEIT BIEGT GEB ICH VOR, ICH WÄR EIN ANDRER MANN JEMAND, DER ICH SELBST NIE WERDEN KANN

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Er zerknüllt den Brief. Vorsichtig zieht er ein neues Blatt Papier heraus und schreibt händisch.

Liebe Miss Abbott! Soeben erfuhr ich von Julia, dass Sie diesen Sommer auf Lock Willow verbringen! Sie Glückliche! Durch einen besonderen Zufall werde ich eine kränkliche alte Tante – er überlegt – Onkel –

er entscheidet sich für „Tante“

– Tante, die dort in der Gegend wohnt, besuchen und werde etwa eine Woche später wieder auf dem Heimweg sein. Jervis zieht sich schnell eine ländliche Tracht an, während er weiterschreibt.

Ich werde es mir nicht nehmen lassen vorbeizukommen um den Semples meinen Respekt zu zollen, also hoffe ich, Sie haben nichts dagegen ein paar Tage mit mir an diesem Ort zu verbringen. Ich freue mich schon darauf, Lock Willow nach so vielen Jahren wieder zu sehen; und auf Sie natürlich. 25. August

IC

JERUSHA:

N

Also, Daddy, Sie werden nie, nie, niemals erraten, wer in Lock Willow angekommen ist... Jervis springt in die Lock Willow Szene. BEIDE:

Master Jervie! JERUSHA:

Wir hatten so eine schöne Zeit! Ich jedenfalls, und ich denke er auch – er ist nun schon 10 Tage hier und macht keine Anstalten abzureisen. Er sieht noch immer aus wie ein echter Pendelton, verhält sich aber überhaupt nicht so, so unkompliziert, süß und natürlich wie er ist.

65


JERVIS: Wir erlebten so viele Abenteuer. JERUSHA: Wir erkundeten das Land...

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JERVIS: ...meilenweit... JERUSHA:

...und ich lernte Fischen... JERVIS:

...mit lustigen kleinen Fliegen... JERUSHA:

...aus Zwirn und Federn... JERVIS:

...und mit einem Revolver zu schießen... JERUSHA:

…und Kanufahren... JERVIS:

N

IC

…und Reiten. JERUSHA:

Am Sonntag schockierten wir die Semples, indem wir nicht in die Messe gingen. JERVIS:

Stattdessen bestiegen wir den Sky Hill. JERUSHA:

Das ist ein Berg in der Nähe. JERVIS: Kein besonders hoher Berg, kein Schnee auf dem Gipfel, 66


JERUSHA: trotzdem ist man ziemlich außer Atem, wenn man den Gipfel erreicht. JERVIS: Wir blieben bis zum Sonnenuntergang und kochten unser Abendessen über einem kleinen Feuer.

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

JERUSHA:

Im Mondlicht stiegen wir ab. Es war so wunderschön! JERVIS:

Wir lachten und scherzten und redeten den ganzen Weg. JERUSHA:

Er hat alle Bücher gelesen, die ich auch gelesen habe und noch viele mehr.

#19 Der Schlüssel zum Glücklichsein (Reprise 1) JERVIS:

Bevor wir zu Hause ankamen, erwischte uns ein Regenschauer und wir rannten wie überdrehte Kinder und suchten Unterschlupf in einem Kiefernwäldchen. JERUSHA:

N

IC

Wir schwiegen miteinander, bis der Regen aufhörte und der Mond wieder hinter den Wolken zum Vorschein kam.

JERVIS:

PLÖTZLICH WEISS ICH, DER SCHLÜSSEL ZUM GLÜCKLICH SEIN HEISST: SCHAU VOR, NICHT ZURÜCK! DENN JETZT WEISS ICH, WER IMMER NUR LÄUFT VERPASST AM WEG DAS KLEINE GLÜCK! GLAUBST DU AN DICH, GEWINNST DU STÜCK FÜR STÜCK. UND ICH DACHTE, DEN SCHLÜSSEL ZUM GLÜCK FINDET MAN DURCH BESCHEIDENHEIT. DOCH JETZT WEISS ICH, DER SCHLÜSSEL ZUM GLÜCK 67


ER KOMMT ZU DIR, BIST DU SOWEIT. BEIDE: GLÜCKLICH SEIN IST NOCH VIEL SCHÖNER ZU ZWEIT. JERVIS:

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

UND … DER SCHLÜSSEL, DER SCHLÜSSEL ZUM GLÜCK; ER SAGT: LEB IM JETZT UND HIER. LEB IN JEDEM AUGENBLICK, DENN DAFÜR SIND WIR HIER. DAS| IST UNSRE BESTIMMUNG. BEIDE:

PLÖTZLICH SEH ICH JERVIS:

DEN SCHLÜSSEL ZUM GLÜCKLICHSEIN, BEIDE:

WIE STERNE IN DER NACHT. DOCH ICH WEISS AUCH, JERVIS:

DASS GLÜCK EIN GEHEIMNIS IST BEIDE:

VON EINER HÖH'REN MACHT.

N

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JERVIS:

SIE | GIBT AUF DEN ZAUBER DES AUGENBLICKS ACHT UND... ICH SEH IHN, DEN SCHLÜSSEL ZUM GLÜCKLICHSEIN SO... BEIDE:

DEN SCHLÜSSEL ZUM GLÜCKLICHSEIN JERVIS:

SO KLAR. BEIDE: DEN SCHLÜSSEL ZUM GLÜCKLICHSEIN 68


JERVIS: SO NAH. BEIDE:

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

DER SCHLÜSSEL ZUM GLÜCKLICHSEIN IST DA.

JUNIOR JAHR Fergussen Hall 1. Oktober

JERUSHA:

Lieber, lieber Daddy!

Ich freue mich so, wieder zurück am College zu sein und weiter zu arbeiten – obwohl ich in Lock Willow wirklich viel geschrieben habe: Sechs Kurzgeschichten und sieben Gedichte. Ein paar habe ich an diverse Magazine geschickt, dankenswerter Weise kamen sie alle postwendend zurück. Aber das macht nichts. Es ist eine gute Übung. Jervis erscheint wieder in seinem Büro. Jerusha zieht sich in ein bisschen erwachseneres Kleid um, während sie weitererzählt. Und nun, Daddy, gibt es Neuigkeiten aus akademischen Gefilden! Ich habe heuer Wirtschaft belegt... JERVIS:

...ein sehr aufschlussreiches Fach.

N

IC

JERUSHA:

Wenn ich es abgeschlossen habe... JERVIS:

...werde ich Wohlfahrt und Reformwesen belegen. JERUSHA:

Und dann, wertes Vorstandsmitglied des John-Grier-Heim, werde ich genau wissen, wie man ein Waisenhaus leitet. JERVIS: Und Sie werden staunen, was für ein Heim ich leiten werde! 69


JERUSHA: Das ist mein Lieblingsritual, abends vor dem Einschlafen. JERVIS:

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Ich plane das Leben meiner Waisenkinder bis ins kleinste Detail – ihre Mahlzeiten, was sie anziehen und ihre Schulstunden – JERUSHA:

– und ihre Strafen, denn selbst meine überragenden Vorzeige-Waisen sind manchmal unartig. JERVIS:

Ach, wie dem auch sei, werde ich sie glücklich machen. Und da wäre noch etwas... JERUSHA:

…denken Sie nicht, ich wäre eine großartige WählerIN- wenn Frauen ihre Rechte hätten? Letzte Woche wurde ich einundzwanzig. Es ist doch ein furchtbar unverantwortliches Land, das auf eine so ehrliche… JERVIS:

…gebildete… JERUSHA:

…bewusste… JERVIS:

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…intelligente… BEIDE:

…Bürgerin

JERUSHA:

wie mich und meine Qualitäten verzichten würde. JERVIS:

Oh, das erinnert mich an gestern. In der Kirche predigte ein Geistlicher aus Georgia, dass wir Mädchen aufpassen müssen, unseren Intellekt nicht auf Kosten unserer Weiblichkeit zu entwickeln.

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JERUSHA: Es ist immer das gleiche! Warum zum Teufel gehen die nicht in Colleges für Burschen um dort die Studenten zu beschwören, sie mögen ihre Männlichkeit vor zu viel geistiger Aktivität in Acht nehmen. JERVIS:

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PS: Julia hat mich eingeladen, Weihnachten mit ihrer Familie in New York zu verbringen. Die schicke Jerusha Abbot aus dem John-Grier-Heim sitzt an der Tafel der Reichen. Ich würde lieber zu Sallie fahren, aber Julia hat mich zuerst gefragt.

#20 Weihnacht in Manhattan 10. Jänner 1911

JERUSHA:

Lieber Daddy Long Legs! Weihnachten bei den Pendletons war eine sehr aufschlussreiche Zeit, aber ich bin froh, nicht zu so einer Familie zu gehören. Die materialistische Atmosphäre des Hauses war erdrückend. Ich hörte kein einziges ehrliches, echtes Gespräch von meiner Ankunft bis zu meiner Abreise. Ich glaube, noch nie überschritt ein sinnvoller Gedanke die Schwelle dieses Hauses. VOLLKOMMEN SCHEUSSLICHE ZEIT WEIHNACHT IN MANHATTAN VOLLER SELBSTLOB UND OBERFLÄCHLICHKEITEN

ARMES FRÄULEIN ABBOT SCHWEIGE, UND ERTRAGE DIESE QUAL! ARMES FRÄULEIN ABBOT DIE EINZIGE WAISE IN DER UPPER EAST SIDE

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VOLLKOMMEN SCHEUSSLICHE ZEIT DER DUFT VON ÜBERSCHÄTZUNG ICH WAR HILFLOS, BEDRÄNGT VON ALLEN SEITEN.

Jervis kommt in die Szene. Er benimmt sich seltsam und kann Jerusha nicht in die Augen schauen.

Falls ich jemals heirate und eine Familie gründe, will ich die Kinder zu kleinen Sallies und Jimmies erziehen. Für kein Geld der Welt würde ich es zulassen, dass sich meine Kinder zu Pendletons entwickeln. Master Jervie habe ich nur einmal zum Tee gesehen, aber ich hatte keine Chance, alleine mit ihm zu sprechen. Jervis nickt Jerusha höflich zu und setzt sich steif in gehörigem Abstand. Er war so verklemmt, gar nicht er selbst.

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JERVIS: In Gegenwart seiner Verwandten scheint sein Blut zu gefrieren. JERUSHA:

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Julias Mutter meint, seine Unausgeglichenheit ist der Tatsache geschuldet, dass er Junggeselle ist. Sie hätte ihm etliche geeignete Anwärterinnen vorgestellt, aber an jeder einzelnen hatte er etwas auszusetzen. JERVIS:

Julias Tante sagt, dass ihm einmal eine gefiel, diese ihn aber für einen Englischen Herzog fallen gelassen hätte. Das habe er nie überwunden. JERUSHA:

Julias Großmutter vermutet, er sei ein Sozialist. Sie kann sich nicht erklären, woher er seine seltsamen Ideen nimmt. Er lässt sein Haare wachsen... JERVIS:

...und verschleudert sein Geld für jegliche Art verrückter und liberaler Umgestaltung, anstatt es in vernünftige Dinge, wie Yachten, Automobile oder Polo-Ponys zu investieren. Er nickt Jerusha förmlich, fast schon wütend zu, und verlässt die Szene. JERUSHA:

Wissen Sie, Daddy, ich denke, ich werde auch eine Sozialistin sein. Es würde dich doch nicht stören, oder? Ich bin wahrscheinlich schon eine. Ich bin mir ganz sicher, ich gehöre zum Proletariat.

IC

MIR FALLN DIE AUGEN ZU WIR WERDEN ES SCHON SEHN WELCHEN WEG ALS SOZIALIST WERD ICH GEHN

N

11. Mai

Jervis ist zurück in seinem Büro und liest Jerushas letzten Brief. JERVIS:

Lieber Kamerad! Hurra, ich bin ein Fabier! JERUSHA:

Das ist ein Sozialist, der Willens ist zu warten.

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JERVIS: Wir wollen keine soziale Revolution von heute auf morgen. Das würde alles durcheinander bringen. JERUSHA:

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Wir möchten diese schrittweise und in einer fernen Zukunft, wenn wir alle vorbereitet sind und den Schock aushalten können. (Unser Handlungsprinzip ist eher die Evolution der Gesellschaft anstatt einer Revolution.) JERVIS:

In der Zwischenzeit bereiten wir uns darauf vor. Wir reformieren Bildung, Industrie und – BEIDE:

– den Umgang mit Waisenkindern. JERUSHA:

In brüderlicher Liebe, Jerusha

4. Juni

JERVIS:

Lieber Daddy! So eine geschäftige Zeit – in 10 Tagen sind Ferien und morgen noch Prüfungen. Viel ist noch zu lernen, viel zu packen – obwohl es richtig weh tut, bei so schönem Wetter drinnen zu sein. JERUSHA:

N

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Julia fährt ins Ausland diesen Sommer – nach Paris – und sie möchte, dass ich sie begleite. Sallie und Jimmie wollen, dass ich mit ihnen wieder in die Adirondacks komme. Wie, glauben Sie habe ich mich entschieden? Drei Mal dürfen Sie raten! JERVIS: Paris?

JERUSHA: Falsch. JERVIS:

Die Adirondacks? 73


JERUSHA: Falsch. Ich verrate es, Daddy, wenn Sie versprechen, keinen Einspruch zu erheben. Ihr Sekretär sei gewarnt: mein Entschluss steht fest. JERVIS:

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Ich werde – arbeiten.

JERUSHA:

Mein Leben mit Sallie und Julia war eine Strapaze für meinen stoischen Geist. Die beiden hatten alles, seit sie auf der Welt sind. Die Welt, glauben die beiden, schulde ihnen die Erfüllung all ihrer Wünsche. Und vielleicht stimmt das auch, denn es scheint, dass sich alles immer zu ihrem Vorteil fügt. Mir jedenfalls schuldet die Welt nichts, doch es ist nun an der Zeit, meine Schulden zurückzuzahlen. Also werde ich diesen Sommer Französisch und Algebra unterrichten und anfangen für mich selbst zu sorgen. 10. Juni

JERVIS:

Meine liebe Jerusha! Soeben hörte ich von Julia, dass du ihre Einladung nach Paris abgeschlagen hast. Bist du verrückt? Auslandsreisen sind ein essentieller Teil deiner Ausbildung und Paris ist die überwältigendste Stadt der Welt. Abgesehen davon werde ich selbst dort sein und ich glaube, es wäre machbar, sich von den Pendletons davonzustehlen, um ein einfaches Abendessen zu genießen in einem kleinen, gemütlichen Bistro. Antworte mir, dass du deine Meinung geändert hast. Jervis Pendleton

IC

11. Juni

JERUSHA:

N

Lieber Mister Pendleton! Eine Meinungsänderung ist vollkommen ausgeschlossen. Ich habe bereits eine Stelle zugesagt bei einer Mrs. Charles Paterson und ihrer süßen, kleinen Tochter Florence… Deine Jerusha

12. Juni

JERVIS: Jerusha! Du bist wohl das dümmste, törichteste, irrationalste, närrischste, idiotischste, sturste KIND, das ich jemals getroffen habe.

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Er blickt auf die Schreibmaschine. Du musst wirklich lernen, Ratschläge anzunehmen von denen, die älter und weiser sind als du. Bitte überdenke deinen lächerlichen Plan. Jervis Er beginnt zu tippen.

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12. Juni

Liebe Miss Abbott!

Mr. Smith ist strikt gegen Ihren Plan, ihre Zeit und ihr Talent mit der zwecklosen Zurschaustellung von Selbstständigkeit zu vergeuden. Er würde es bei weitem bevorzugen, wenn Sie das sehr zuvorkommende Angebot, mit den Pendeltons nach Paris zu reisen, wo ihre schriftstellerische Karriere auf den Nährboden vornehmster Gesellschaft fallen würde, annehmen. Mit freundlichen Grüßen

18. Juni

JERUSHA:

Lieber Daddy! Zu spät! Ich bin schon hier am Meer und prügle die Nomen der ersten Deklination in KleinFlorence Patersons Hirn. Sie ist ziemlich schwer von Begriff, fürchte ich – und schnell abgelenkt. Sie musste sich noch nie auf etwas Schwierigeres konzentrieren als auf Eiscreme-Soda.

Aber ich schreibe jeden Tag ganze drei Stunden vor dem Frühstück an meinen Roman – sorgen Sie sich also nicht um meine schriftstellerische Karriere.

IC

Natürlich wäre ich gerne mit Julia und Master Jervie nach Paris gegangen – und wenn er nicht so bevormundend gewesen wäre, hätte ich es mir vielleicht noch einmal überlegt – aber er nannte mich ein dummes, törichtes, irrationales, närrisches, idiotisches, stures KIND... das war es, was meinem Entschluss besiegelte!

N

Bitte verurteilen Sie mich nicht, Daddy. Es ist schon schlimm genug, dass ich mit Jervie gestritten habe. Haben Sie einen schönen Sommer, wo auch immer Sie sind! Immer in Liebe, Jerusha

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20. August JERVIS: auf einmal sehr nett und süß Jerusha, ma chèrie!

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Ich bin erst zurück aus Paris. Was für eine faszinierende Stadt – und wie bedauernswert sind jene, die sie nicht sehen. Was denkst du? Mein Kalender verrät mir, dass die erste Septemberwoche erstaunlich leer ist und sich ein Besuch in Lock Willow anbieten würde. Ich nehme an, du hast Zeit mich zu begleiten. Du brauchst nicht zu antworten, wir sehen uns dort! Jervis

26. August

JERUSHA:

Lieber Daddy!

Ein furchtbar selbstgefälliger, kurzer Brief erreichte mich von Master Jervie, der mich im September in Lock Willow erwartet, und ein netter, langer Brief von Sallie lud mich zur gleichen Zeit nach Camp McBride ein. Brauche ich Ihre Zustimmung um zu fahren? Oder darf ich entscheiden? Ich bin mir sicher, ich darf. Ich bin nun fast schon ein Senior, wie Sie wissen.

Jedenfalls möchte ich Sallie und Jimmie gerne sehen, und ich möchte, dass Master Jervie in Lock Willow ankommt, und mich dort NICHT vorfindet.

Ich muss ihm zeigen, dass er mich nicht herumkommandieren kann. Niemand kann das – nur Sie, Daddy – und das auch nicht immer!

IC

Ich breche auf ... ab in den Wald!

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30. August

Jervis tippt wütend. JERVIS:

Miss Abbott! Mr. Smith verbietet Ihnen noch mehr Zeit mit rein sozial motivierten Exkursionen in die Adirondacks zu verschwenden...

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Camp McBride 1. September JERUSHA: Entschuldige Daddy, aber Ihr Brief kam zu spät an! Soll ich Ihre Anweisungen befolgen, müssen Sie Ihren Sekretär anweisen, etwas früher aufzustehen.

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Der Wald ist schön, auch das Camp, und auch das Wetter und auch die McBrides und die ganze Welt! Ich bin sehr, sehr glücklich.

4. September

Jervis kann nicht akzeptieren, geschlagen worden zu sein. JERVIS: Jerusha,

Ich fürchte, ich kann doch nicht nach Lock Willow kommen. Ich erhielt eine Einladung von sehr engen Freunden, mit ihrer Yacht bei Rhode Island in See zu stechen. Habe einen schönen Sommer und genieße die Farm! Jervis

9. September

JERUSHA:

Lieber Daddy! Sehr schlau.

IC

Was halten SIE davon? Eine Nachricht von Master Jervie, nach Lock Willow geschickt und hierher weitergeleitet.

N

Er ist untröstlich, aber er kann mich dort nicht treffen. Er SEGELT mit Freunden stattdessen!

Aber er wusste doch die ganze Zeit, dass ich bei den McBrides bin, denn Sallie hat es Julia erzählt, und sie ihm. Jervis erstarrt wie ein Reh, wenn es blitzt. Er wurde durchschaut.

Ihr Männer solltet Intrigen lieber uns Frauen überlassen. Ihr habt nicht das geringste Gespür für solche Unterfangen. Oh, Jimmie ruft mich zum Kanufahren! Mach’s gut!

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Jervis fällt in seinen Sessel.

#21 Ausrangiert JERVIS:

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MEIN GOTT, WIE ERNÜCHTERND, WENN SIE MICH IGNORIERT, WIE EIN ALTER ZUG BIN ICH NICHT MEHR GENUG, ICH BIN ABGESTELLT UND AUSRANGIERT.

EGAL, OB IHR DADDY DIKTIERT, OB ES JERVIS PROBIERT, ZURZEIT WIDERSETZT SIE SICH UNGENIERT. JETZT TRIFFT SIE JIMMIE MCBRIDE DIE GANZE ZEIT.

WER BIN ICH NUR GEWORDEN, DURCH DICH ICH WAR HART UND ICH LOG, KEIN VERTRAUN UND KEIN REINER TISCH. DU GEHST JETZT DEINEN EIGENEN WEG GEWINNST UND VERLIERST AUSSER SICHT. BIEGE MEIN HERZ BIS ES BRICHT, ICH HAB’S NICHT VORHERGESEHN ICH KENNE MICH SCHEINBAR NICHT.

SENIOR-JAHR Fergussen Hall 3. Oktober

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#21a Senior Jahr (Intro)

JERUSHA:

Lieber Daddy Long Legs!

Zurück am College und ein Senior! Außerdem Redakteurin der Studentenzeitung!

Ich liebe mein Studentenleben – aber dieses Jahr wird anders, weil es das letzte ist. Die Zeit rinnt nur so durch meine Finger.

Keine Neuigkeiten von Master Jervie. Ich fürchte er wird mir nicht verzeihen, dass ich ihn diesen Sommer ignoriert habe. Aber jetzt darf ich nicht an ihn denken. Jetzt muss ich studieren und schreiben und mich ganz Ihnen widmen und all dem, was Sie für mich getan haben.

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#21b Ein vollkommen scheußlicher Tag (Reprise)/ Senior-Jahr 17. Dezember JERUSHA:

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Oh, Daddy! Ein Schandfleck fiel auf meine Karriere! Ich habe den ganzen Sommer an meinem Roman geschrieben und ihn schließlich vor 2 Wochen an einen Verleger geschickt. EIN VOLLKOMMEN SCHEUSSLICHER TAG MEIN BUCH IST ABGEWIESEN Sie liest von der Absage ab.

ES SEI FADE UND EINFALLSLOS GESCHRIEBEN DIE HANDLUNG ÜBERREIZT DIE HAUPTFIGUREN FARBLOS HUMORISTISCH GAR UNREIF AUFGEBLASEN

ARMES FRÄULEIN ABBOT HILFLOS UND AM BODEN ZERSTÖRT ARMES FRÄULEIN ABBOT NUR EIN WAISENMÄDCHEN AUS DEM JOHN-GRIER-HEIM

Ich nahm mein Manuskript gestern mit auf einen Spaziergang und als ich am Heizhaus vorbeikam, trat ich ein und fragte den Hausmeister, ob ich seinen Ofen ausborgen dürfte. Freundlich öffnete er die Türe und mit meinen eigenen Händen warf ich es hinein.

JERVIS:

N

IC

Ich fühlte mich, als ob ich mein eigenes Kind eingeäschert hätte.

Ich bin so froh, dass Master Jervie meine Enttäuschung nicht sehen konnte. Diese Schmach kann ich nur mit Ihnen teilen, Daddy. JERUSHA:

Letzte Nacht ging ich vollkommen entmutigt zu Bett. Ich dachte, ich werde es nie zu irgendetwas bringen – und dass Sie ihr ganzes Geld für nichts und wieder nichts vergeudet haben. Aber was glauben Sie?

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JERVIS: Heute Morgen erwachte ich mit einer neuen wunderschönen Geschichte in meinem Kopf und ich habe den ganzen Tag damit zugebracht mit aller Freude meine Charaktere zu planen. JERUSHA: Master Jervie wäre stolz auf mich.

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JERVIS:

„Gib niemals auf“, sagte er immer. Obwohl es so scheint, als hätte er mich aufgegeben. Jervis starrt auf den Brief in seiner Hand, hilflos.

4. April 1912

JERUSHA:

Liebster Daddy! Bitte beachten Sie den Poststempel. Sallie und ich sind über Ostern auf Lock Willow, wir wandern über die Hügel und lesen und schreiben. Diesen Morgen bestiegen wir den Sky Hill, wo Master Jervie und ich damals unser Abendessen kochten – es scheint unmöglich, dass das schon fast 2 Jahre her ist. JERVIS:

Ich konnte noch die Stelle sehen, wo der Rauch den Stein verfärbt hat. Ich fühlte mich ein bisschen einsam, ganz ohne ihn dort zu sein. JERUSHA:

Einsam und ein bisschen ängstlich. Wie ist dieser Mann? Ich darf nicht darüber nachdenken.

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#21c Pre-Graduation (Underscore)

Mit meinem Buch geht es voran. Stück für Stück. Ich habe das Geheimnis entdeckt. Master Jervie hat meistens Recht und in dieser Sache ganz bestimmt. Man ist am überzeugendsten, wenn man über etwas schreibt, das man kennt. Und dieses Mal kenne alle Einzelheiten. Rate, wo die Handlung stattfindet? JERVIS:

Im John-Grier-Heim.

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JERUSHA: Und es ist gut, Daddy, – es handelt von den Kleinigkeiten, die jeden Tag passieren – und es wird fertiggestellt und verlegt werden. Sie werden sehen! Wenn man etwas wirklich möchte und man hartnäckig bleibt, … BEIDE:

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...dann wird man es am Ende schaffen. JERUSHA:

Seit vier Jahren schon versuche ich Ihnen einen Brief zu entlocken – und habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. 17. Mai

Nächsten Mittwoch sind es noch drei Wochen bis zum Abschluss. Sie werden doch kommen und meine Bekanntschaft machen, oder? Wenn nicht, sollte ich Sie hassen. Sallie lädt Jimmie McB.... ein... und Julia Master Jervie. So sehe ich ihn endlich wieder, aber er kommt nicht wegen mir. Er macht sich gar nichts mehr aus mir. Da bin ich mir jetzt sicher. Also, wen kann ich einladen? Nur Sie und Mrs. Lippett und sie will ich nicht dabeihaben.

#22 Abschlusstag

verzweifelt

Sie MÜSSEN kommen, Daddy. Um stolz auf mich zu sein. Nur dieses eine Mal.

12. Juni 1912

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Während sie singt, legt Jerusha ihre Robe an und setzt ihren Graduationshut auf. JERUSHA:

FAST SO ALS KÖNNTE ICH FLIEGEN TRAUMHAFT, ICH GLAUBE ES KAUM DENN ICH STEH VOR DER TÜR EINER WEITEN WELT

Jervis erscheint in der Szene, er sucht Jerusha. Sie entdecken einander und Jervis schüttelt ihr herzlich die Hand. Sie lächelt abwesend, die Menge nach Mr. Smith absuchend. JERUSHA: ICH SEH SO VIELE STOLZE GESICHTER DAS HÄTT ICH NIE ZU TRÄUMEN GEWAGT 81


DA IST EIN LEERER STUHL DESSEN ANBLICK ICH NICHT ERTRAG DOCH, ICH WEINE HEUTE NICHT NEIN, ICH WEINE HEUTE NICHT AN MEINEM ABSCHLUSSTAG FEIERLICH, FREUDIGER ANLASS! MIT SUMMA CUM LAUDE BELOHNT.

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DOCH EIN NETZ IST NICHTS WERT, WENN DIE SPINNE NICHT DARIN WOHNT. UND, ICH WEINE HEUTE NICHT NEIN, ICH WEINE HEUTE NICHT AN MEINEM ABSCHLUSSTAG

Jervis beobachtet Jerusha, als sie ihr Diplom bekommt. JERVIS:

SIEH HER JERUSHA! WIE UNSICHTBAR STEH ICH VOR DIR SIEH HER JERUSHA! DER MANN DEN DU VERMISST, … ER IST HIER!

Jerusha steht, ihr Diplom in der Hand, und sucht die Menge nach einem Zeichen von Daddy Long Legs ab, aber er ist nirgends zu sehen. SIEH HER JERUSHA! SIEH HER JERUSHA! UND, ICH WEINE HEUTE NICHT NEIN, ICH WEINE HEUTE NICHT AN DEINEM ABSCHLUSSTAG

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JERUSHA:

DIES IST NUN DEIN PECH, MÄDCHEN-HASSER JERVIS:

ICH BIN JA HIER JERUSHA:

LIEBER BAHNSCHRANKEN, MISTER JOHN SMITH! JERVIS: STEH DIREKT VOR DIR!

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JERUSHA: ODER WIE MAN DICH NENNT, DU TAUCHST NICHT AUF, JERVIS: ICH STEHE HIER

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JERUSHA:

DU BIST NICHT DA, DOCH ICH WEINE HEUTE NICHT JERVIS:

NEIN ICH WEINE NICHT JERUSHA:

ZEIGE MEIN GESICHT UND ALLE WELT WIRD AUF MICH SCHAUN, JERVIS:

DENN DU VERWIRKLICHST DEINEN TRAUM. JERUSHA:

ICH FOLGE MEINEN TRAUM.

Manhattan 19. Juni

JERVIS:

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IC

Jervis kommt in sein Büro zurück. Jerusha geht ab und zieht ihre Robe aus und legt den Hut ab.

Jerusha Abbot – Bachelor Of Arts – Abschlussklasse 1912. Summa cum laude. Klassenbeste. Du hast es geschafft. Ich habe ein bisschen geholfen – aber das war nur Geld. Geld hat nun, wie es scheint, seinen Zweck verloren. Er öffnet die Schreibtischlade und legt die Urkunde und andere Dokumente von Jerusha hinein. Also, Mister John Smith- Philanthrop und Greis – Ruhe in Frieden. Jervis schließt die Schublade mit einem tiefen Seufzer. Wohltätigkeit, Barmherzigkeit, Nächstenliebe, Gutes-Tun... Das nennt man also: Charity... 83


#23 Charity JERVIS: Es verbrennt die Finger der helfenden Hand. Es zerreißt das Herz des Gönners, wie rein seine Absichten auch sein mögen. Charity…

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Wenn einem eine Person wahrhaft am Herzen liegt, wie kann dann Geld jemals genug sein? Geld baut eine Mauer aus Dankbarkeit auf, die niemals überwunden werden kann – von keiner Seite. CHARITY, OH CHARITY MEIN VERFLUCHTES GELD. ICH BIN NUR EIN GEIST FÜR DICH DOCH DU BIST MEINE WELT!

CHARITY, OH CHARITY LANGSAM SEH ICH EIN, WIE KOMFORTABEL SCHENKEN IST, UND | WIE SCHWER, BESCHENKT ZU SEIN. OH WAS FÜR EIN HAUPTGEWINN DAS ENDE DER QUAL’N. WAS ICH DIR SCHULDIG BIN IST NICHT ZU BEZAHL’N. CHARITY, OH CHARITY WER UNTERSTÜTZT HIER WEN?

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DU BIST FREI AUF DEINEM WEG, KEIN MENSCH DER DICH BESCHWÖRT. DAS HERZ, DAS ICH AN DICH VERLOR HAT NIEMALS MIR GEHÖRT. OH WAS FÜR EIN HAUPTGEWINN DAS ENDE DER QUAL’N. WAS ICH DIR SCHULDIG BIN IST NICHT ZU BEZAHL’N. CHARITY, OH CHARITY WER UNTERSTÜTZT HIER WEN?

CHARITY WER UNTERSTÜTZT HIER WEN? WER UNTERSTÜTZT HIER WEN?

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Lock Willow 4. Juli Lieber Daddy Long Legs! Ich bin ausgebildet. Mein Diplom liegt in der untersten Schublade meiner Kommode zusammen mit meinen zwei besten Kleidern.

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Ich bin hier in Lock Willow für den Sommer. Vielleicht auch für immer. Die Miete ist günstig, die Umgebung ruhig und einem Literatenleben zuträglich. Ich bin besessen von meinem Buch. Tagsüber dreht sich jeder Gedanke darum und in der Nacht träume ich davon.

Master Jervie schrieb mir einen sehr süßen Brief in der Woche nach der Abschlussfeier, voll mit guten Wünschen für die Zukunft. Er scheint sein altes, liebenswertes, sonniges, witziges Ich wiedergefunden zu haben. Aber irgendetwas fehlt noch, und ich komme nicht dahinter, was es ist.

Oh, und Jimmie McBride wird im Sommer vorbeikommen. Er arbeitet nun bei einem Pfandbriefinstitut und fährt durchs Land wegen Gutsverkäufen. Er verbindet eine Dienstreise für die „Farmer National“ mit einem Besuch bei mir. Ich dachte immer, dass auch Sie eines Tages in Lock Willow Halt machen würden, ...

#24 Ich erwarte nichts von dir

…aber als Sie nicht einmal bei meiner Abschlussfeier waren, habe ich diesen hoffnungslosen Traum für immer aufgegeben und begraben. JERUSHA:

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ICH ERWARTE NICHTS VON DIR ICH BIN FREI VON ILLUSIONEN UND VON JEDER HOFFNUNG, DICH ALS MENSCH VOR MIR ZU SEHN:

ICH ERWARTE NICHTS VON DIR DU WIRST NIEMALS FÜR MICH DA SEIN, NICHT IN DIESEM LEBEN. WARST DU NIEMALS MEIN FREUND? DU WIRST NIEMALS DA SEIN, DADDY. DER TRAUM IST AUSGETRÄUMT. JERVIS:

CHARITY!

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JERUSHA:

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ICH ERWARTE NICHTS VON DIR UND ICH LASSE MIR NICHT WEH TUN. ICH MACH ES KURZ UND SCHMERZLOS, KEIN LETZTER WUNSCH, KEIN LETZTES FLEHN. DU HAST DEINE FREIHEIT, DADDY DOCH MICH HAST DU NICHT.

JERVIS:

UNTERSTÜTZT ICH DICH? JERUSHA:

ICH BRAUCH DICH NICHT. JERVIS:

UNTERSTÜTZT DU MICH? JERUSHA:

ICH BRAUCHE DICH NICHT. JERVIS:

WER LÄSST HIER WEN IM STICH?

30. Juli

Jervis öffnet Jerushas letzten Brief.

Lieber Mister Smith!

N

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JERUSHA:

Ich sollte Sie wissen lassen, dass ich darüber nachdenke, umzuziehen. Sallie McBride wird nächsten Winter in Boston Sozialarbeit leisten, wir könnten gemeinsam ein Studio bewohnen. Ich könnte schreiben während sie – so…zialisiert. JERVIS:

Ich bin jetzt eine echte Schriftstellerin. Und um das zu beweisen, schicke ich Ihnen einen Scheck... Er nimmt einen Scheck aus dem Umschlag. …über 1000 Dollar.

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JERUSHA: Es fühlt sich komisch an, dass ich DIR Geld schicke. Wo glauben Sie, habe ich es her? JERVIS:

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begeistert Ich habe meine Geschichte verkauft.

#24a Alles bedacht (Underscore)

JERUSHA:

Sie wird veröffentlicht! Erst in sieben Episoden und dann als Buch! Ich schulde Ihnen noch 2000 Dollar. Den Rest bekommen Sie in Raten. Bitte scheuen Sie sich nicht davor, es anzunehmen! Ich schulde Ihnen mehr als Geld und werde Ihnen mein Leben lang Dankbarkeit und Respekt zollen.

Wenn ich dann meine Schulden bei Ihnen abbezahlt habe, werden alle meine zukünftigen Tantiemen an das John-Grier-Heim gehen. Wenn es mit dem Buch wirklich gut läuft, werde ich auch zu einem Vorstandsmitglied, so wie Sie. Dann müssen Sie du mich wohl treffen. Sie sehen, Mister Smith, ich habe alles bedacht. Meine erste Amtshandlung als neues Vorstandsmitglied wird es dann sein, das Heim unter einem neuen Management zu reformieren. Sie werden mir doch helfen, oder? Mrs. Lippett muss durch einen klugen, warmherzigen und fröhlichen Menschen ersetzt werden. Glauben Sie nicht auch, Sallie McBride wäre eine großartige Wahl?

PS.: Der Scheck ist nicht vollständig ausgefüllt, damit Sie ihren echten Namen eintragen können wie auch immer der lautet.

#25 Mein Manhattan (Reprise)

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JERVIS:

MEIN ATEM STOCKT. NUR EIN BRIEF, UND ICH TRAUE MEINEN AUGEN NICHT. ICH GLAUBTE DRAN JETZT IST ES ERREICHT SO EIN GROSSER MEILENSTEIN MISS JERUSHA ABBOT WIRD AUTORIN SEIN ICH BIN HIN UND WEG ICH VERSTEHE, SIE SETZT DIE DIE SEGEL IN DEN WIND SIE HAT FREIE BAHN, GREIFT DIE ZUKUNFT AN. EIN KAPITEL DAS BEGINNT. 87


JEDES WORT IST GOLD UND WILL GELESEN SEIN.

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UND ICH STRAHLE IN MANHATTAN BIN WIE BERAUSCHT VON UNERMESSLICHEM GLÜCK BIN IM HIMMEL IN MANHATTAN DOCH ICH SCHWANKE HIN UND HER DENN DA IST NOCH MEHR EINE FRAGE IN MANHATTAN AN JERUSHA

Jervis verlässt sein Büro und erscheint im Sonnenlicht Lock Willows.

19. September

Jerusha kommt nach vorne in die Mitte der Bühne, ernst und besorgt. JERUSHA:

Lieber Daddy! Es ist etwas passiert.

Jervis schaut zu Jerusha, verlegen lächelnd.

Ich weiß, ich wollte nie wieder etwas von Ihnen wissen, aber ich brauche einen Rat. Von Ihnen und von niemandem sonst auf der Welt.

#26 Deine Augenfarbe (Reprise 2)

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Sie wissen, ich fühlte mich Ihnen immer schon sehr nahe, aber ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, wenn ich Ihnen sage, dass ich mich einem bestimmten Mann noch näher fühle? ER ERINNERT AN DICH EIN TOLLES GEFÜHL. UND OFFENSICHTLICH VERBINDET UNS VIEL. WIR DENKEN STETS GLEICH, WIR TEILEN DEN TRAUM. UND WENN WIR UNS AMÜSIEREN, DANN REISEN WIR DURCH ZEIT UND RAUM. Jervis nähert sich Jerusha.

DOCH DADDY, ICH WEISS, ICH HAB IHN SEHR VERLETZT, WAR ZU MEINEM MENTOR GEMEIN DENN LETZTE NACHT BAT JERVIS UM MEINE HAND.

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Jervis kniet sich vor Jerusha hin und nimmt ihre Hand. JERVIS: Heirate mich, Jerusha. Schenk mir dein Herz. Du weißt, meines ist lange schon dein. Sie schaut zu Jervis und dann ins Publikum.

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JERUSHA: WARUM WIES ICH IHN ZURÜCK?

Jervis ist verzweifelt. Er steht auf und geht langsam fort.

Jetzt ist er fort und glaubt, dass ich Jimmie McBride heiraten möchte. Das stimmt überhaupt nicht. Jimmie ist ein lieber Junge, aber er ist nicht reif genug – und ich denke, er wird es auch niemals sein. Die Wahrheit ist, Daddy, dass ich Mr. Pendleton zu sehr mag, um ihn zu heiraten, denn ich weiß, eines Tages würde er es bereuen – und das könnte ich nicht ertragen. Es fühlt sich einfach nicht richtig an für jemanden wie mich in so eine Familie wie die seine einzuheiraten. Und ich habe noch nicht den Mut aufgebracht, ihm vom John-Grier-Heim zu erzählen.

Dass – ich nicht weiß, wer ich bin. Meine Familie könnte furchtbar sein, weißt du? Und seine Familie ist so herausragend. Und ich bin es auch.

Jervis kommt wieder in sein Büro und nimmt den Brief, den Jerusha schreibt. Er öffnet ihn und liest mit zitternden Händen.

Ich denke sehr intensiv darüber nach. Immerhin ist er ein Sozialist und er hat unkonventionelle Ideen. Vielleicht würde es ihn nicht so sehr stören, ein unbekanntes Waisenmädchen zu heiraten wie andere Männer.

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Wenn zwei Menschen perfekt im Einklang miteinander sind, immer glücklich wenn sie zusammen, aber einsam wenn sie getrennt sind, so sollten sie doch nichts auf der Welt erlauben zwischen ihnen zu stehen. Jedenfalls will ich das glauben! Angenommen, ich ginge zu ihm und würde erklären, dass nicht Jimmie das Problem ist, sondern das John-Grier-Heim – wäre das furchtbar? Ich müsste eine Menge Mut aufbringen. Fast wäre es mir lieber mich lebenslang elend zu fühlen.

#26a Ich vermisse ihn (Underscore)

Aber Daddy, ich vermisse ihn, und vermisse ihn, und vermisse ihn. Die ganze Welt erscheint mir leer und schmerzvoll ohne ihn. Ich hasse das Mondlicht, weil es so schön ist, und er nicht hier ist

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um es mit mir anzusehen. Aber vielleicht haben Sie auch einmal geliebt, und Sie wissen, wie ich fühle? Wenn ja, dann muss ich es nicht erklären. Wenn nicht, dann kann ich es nicht erklären. Daddy, was soll ich tun? Bitte lass mich Sie treffen! Bitte!

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4. Oktober Jervis sitzt und schreibt einen Brief. Während er schreibt, hebt Jerusha eben diesen Brief auf und öffnet ihn. Es ist der erste Brief von Daddy Long Legs. JERVIS:

Meine liebe, junge Lady!

Bitte treffen Sie mich ... nächsten ... Mittwochnachmittag ... um 16:00 Uhr. Ich hoffe, Sie finden ohne Schwierigkeiten zu der oben angeführten Adresse.

Ich fürchte, dennoch werde ich nicht mit dieser Art von Lebenserfahrung aufwarten können die Sie sich erhoffen.

In Wahrheit bin ich ... eher ungeübt ... was Herzensangelegenheiten betrifft … Was Sie, wie ich fürchte, sehr schnell selbst herausfinden werden, wenn wir uns letztendlich treffen. Dein...

Jerusha drückt den Brief an ihre Brust. JERUSHA: Dein...

Daddy Long Legs.

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BEIDE:

#27 Der Schlüssel zum Glücklichsein (Reprise 2)

während Jerusha singt, bewegt sich Jervis weg von seinem Schreibtisch und in eine dunklere Ecke seines Büros. JERUSHA:

UND JETZT WEIß ICH, DEN SCHLÜSSEL ZUM GLÜCKLICH SEIN FINDE ICH MITTWOCHS SCHON DENN JETZT KENN ICH 90


DEN SCHLÜSSEL ZUM GLÜCKLICH SEIN, ICH TREFF DICH IN PERSON! EIN MANN SO GEHEIMNISVOLL WIE DER IM MOND.

351 Riverside Drive, Manhattan 10. Oktober

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Das Licht geht langsam in Jervis Büro an. Jerusha betritt zum ersten Mal seinen Bereich. JERUSHA: Hallo?

Sie späht in den Raum. Der Sessel am Schreibtisch ist leer. Hallo?

Sie kommt weiter herein und sieht Jervis im Dunkeln sitzen. Mister Smith?

Jervis dreht sich zu ihr um und sieht sie an. Sie erkennt ihn und ist verwundert. Was machst du denn hier?

Er holt Luft, kann aber nicht sprechen.

Kennst du Mister Smith? Oder wie auch immer er heißt? JERVIS:

Ja, … ja das tue ich.

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IC

JERUSHA:

Also weißt du Bescheid über mich? Über das John-Grier-Heim? JERVIS:

Ja, das tue ich. JERUSHA:

plötzlich sehr heftig

Wie lange weißt du es schon? Jervis ringt nach Worten, und dann... Sag es nicht, ... du bist ... doch nicht sein Sekretär? 91


JERVIS: Nun, nicht ganz... JERUSHA: Wo IST er?

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JERVIS: Ich befürchte, er ist hier. Jerusha ist sprachlos. JERUSHA:

Du? Du hast meine Briefe gelesen? Jervis nickt gequält.

Alle meine Briefe? Auch die über dich? Ein weiteres erbärmliches Nicken. Geschockt, entrüstet.

Das waren private Briefe!! JERVIS: Ich weiß.

JERUSHA:

N

IC

Es waren Briefe an ihn. Nicht an dich! JERVIS: Ich weiß.

JERUSHA:

Er hätte so etwas nie getan!

Jervis weiß nicht, was er sagen soll. Aufs äußerste enttäuscht Du bist nicht einmal ALT.

Sie dreht sich von ihm weg, entrüstet und aufgebracht, und lässt sich in seinen Stuhl fallen. 92


#28 Oh, ich Biest! Ich bin ein Fiasko JERVIS: Schuldig. Schuldig im Sinne der Anklage.

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OH ICH BIEST! ICH BIN EIN FIASKO,

ICH HAB DICH NICHT VERDIENT!

ICH WAR FALSCH, LIESS DICH ALLEIN.

OH JERUSHA, ES IST SCHWER, SO STARK ZU SEIN. JERUSHA:

Wie stark muss man denn sein, um eine Füllfeder in die Hand zu nehmen? JERVIS:

OFT HABE ICH VERSUCHT DIR ZU SCHREIBEN, MICH VERLIESS DER MUT Sie dreht sich von ihm weg.

UND ICH FÜHLE DEINE ENTTÄUSCHUNG, DU VERACHTEST MICH ICH HAB'S VERDIENT.

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OH, ICH BIEST, ICH WAR ÜBEREIFRIG UND VON EIFERSUCHT BEHERRSCHT JERUSHA:

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Wie in aller Welt konntest du nur glauben, dass ich Jimmie McBride heirate? JERVIS:

ICH WAR DUMM UND GEMEIN. DOCH ICH WOLLTE NIEMALS GRAUSAM ZU DIR SEIN

Jervis ist plötzlich überwältigt von Jerushas Anwesenheit in seinem Büro. Außerdem war das alles deine Schuld.

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JERUSHA: MEINE Schuld?? JERVIS: Ich hatte nie vor, dir auch nur die geringste Aufmerksamkeit zu schenken. Das habe ich ganz klar in meinem detailliertem 9-Punkte-Plan formuliert.

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Aber dann schicktest du mir diese aberwitzig expressiven Briefe, und meine Neugier tat das übrige. Ich musste das impulsive, entzückende Geschöpf kennenlernen. Und ich konnte mich ja schlecht als ein 80-jähriger, kahlköpfiger Greis verkleiden. Also ging ich als ich selbst. So wie ich bin. JERUSHA: Weiter.

JERVIS:

Ich hätte niemals so etwas dummes, törichtes, irrationales, närrisches, idiotisches, stures, kindisches getan, wenn ich nur eine Ahnung ... irgendeine Ahnung davon gehabt hätte, dass ich mich vollkommen, wahnsinnig und hoffnungslos in dich verlieben würde. Er entfernt sich von ihr. Jerusha ist noch immer aufgebracht und fassungslos, aber sehr berührt.

#29 Schon die ganze Zeit

JERUSHA:

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SCHON DIE GANZE ZEIT, WAR ICH SO NAH DRAN, JETZT, DA ICH DICH SEHEN KANN TRAU ICH MEINEN EIGNEN AUGEN NICHT: DADDY HATTE IMMER DEIN GESICHT.

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Sie steht auf und sieht sich um: Die Bücher, die Briefe, die Schreibmaschine, das Tintenfass. JETZT STEHST DU IM LICHT UND ALLES SPRICHT DAFÜR DU WARST IMMER NAH BEI MIR. ICH TRAU MEINEN EIGNEN AUGEN NICHT: DADDY HATTE IMMER DEIN GESICHT.

DENNOCH HAST DU MICH TIEF ENTTÄUSCHT, BLOSSGESTELLT UND MICH OFT BELOGEN! DOCH ICH KÖNNT ES NICHT KLARER SEHN, ES WÄRE FALSCH, LIESS ICH DICH GEHN!

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ZEIT VERRINNT SO SCHNELL, JERVIS: DIE ZEIT VERRINNT NOCH SCHNELLER OHNE DICH JERUSHA:

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UND LIEBE IST NICHT FAIR. JERVIS:

ICH WEISS, ES WAR NICHT FAIR, BEIDE:

TROTZDEM FÜHL ICHS IMMER MEHR JERUSHA:

ICH WILL MEIN GANZES LEBEN ZU DIR STEHN JERVIS:

IMMER ZU DIR STEHN JERUSHA:

LIEBE IST: IN DEINE AUGEN SEHN. BEIDE:

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UND ES KLINGT WIE EIN LIEBESBRIEF WIE DER ERSTE, DEN ICH JE SCHREIBE. ES FÄLLT LEICHT, DENN DAS EIS, ES BRICHT VON ANGESICHT ZU ANGESICHT.

Jervis kniet sich vor Jerusha hin, so wie in Lock Willow. JERUSHA:

ICH WAR DIR STETS NAH DU BIST NICHT ALLEIN DENN ICH BIN FÜR IMMER DEIN Jerusha kniet sich zu ihm.

JERUSHA, DIE DICH STÄRKT, IST DIR AUCH BANG. SIE VERGIBT AUCH DADDY LONG LEGS NICHT SO GROSS ZU SEIN,

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JERVIS: ODER GRAU JERUSHA: ODER KAHL

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Sie küssen sich. BEIDE:

DASS ER SICH VERSTECKT HIELT SO LANG. Sie umarmen sich.

ENDE

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#30 Bows und Exit Music

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