Magazin Museum.de Nr. 43

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Nr. 43

6,80 €

Sommer 2021

42 4 190485

406803

Bayerisches Nationalmuseum München


www.rob-light.com


In diesem Heft

Seite

Wiedenbrücker Schule Museum

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Mercedes-Benz Museum: 33 Extras

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Rotkreuz-Akademie vogelsang ip

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Frickingen – 3-Museen-Ort am Bodensee

30

Stadt- und Fachwerkmuseum

44

„Alte Universität“ Deutsches Kameramuseum

50

Stadtmuseum Siegburg

62

Görlitzer Museen

72

Museum Schloss Klippenstein

92

Deutsches Tagebucharchiv

98

Haus im Moos

108

DampfLandLeute – Museum Eslohe

120

Keramik-Museum Bürgel

130

Stadtmuseum Riesa

136

Bauernhausmuseum Bielefeld

142

Jüdisches Museum Creglingen

154

Wilhelm-Hauff-Museum 160 Oberrheinisches Tabakmuseum Mahlberg 166 Bayerisches Nationalmuseum

180

B

ayerisches Nationalmuseum

Das Jahr 2020 implementierte der Museumswelt eine Reihe hier zuvor undenkbarer Begriffe, wie Maskenpflicht, Einbahnregelung oder Hygienekonzept. Der Ausdruck „abgesagt“ erlebt bis heute eine unrühmlich hohe Frequenz. Und mit der Vokabel „systemrelevant“, mit der man angesichts des Lockdown alles nach seiner Unabdingbarkeit für das Funktionieren unserer Gesellschaft prüfte, wurden die Museen nicht sonderlich gesegnet. Dabei besteht kein Zweifel daran, dass sie wesenhaft zu unserem Dasein, unserer Zivilisation gehören. Sie zählen zu den effektvollsten Varianten der Vergangenheitserkundung und stellen die Idealform ästhetischer Weltaneignung dar. Sie sind genuiner Bestandteil europäischer Lebensweise, der eigenständig denkende und handelnde Individuen formen hilft. Also gar keine Frage, Museen sind für das Funktionieren unseres „sozialen Systems“ relevant – oder anders: Sie sind sozialrelevant!

Allerdings verdeutlicht der Verteidigungsbedarf dieser Position, dass die wichtige Rolle, die die Institution Museum für den Zusammenhalt der Gesellschaft spielt, wiederholt ins Bewusstsein gerückt werden muss. Kulturelle Bildung ist eine wesentliche Voraussetzung sozialer Leistungskraft und Selbstbehauptung. Der Begegnungsort Museum gehört zu deren wichtigsten Motoren. Horizonterweiterungen, Denkanstöße, produktive Diskurse mit der Vergangenheit und Brückenschläge in die Gegenwart zählen zu den Impulsen, die von Museumsaktivitäten ausgehen. Das sind elementare Aufgaben, denen sich auch das Bayerische Nationalmuseum immer wieder neu stellt. In dieser Hinsicht fokussiert es mit seiner derzeitigen Sonderausstellung „Kunst & Kapitalverbrechen“ die schillernde Beziehung von Kriminalität und Kreativität anhand eines 500 Jahre alten Falls – und provoziert damit zugleich die Frage nach der zeitlosen und immer wieder abrufbaren Aktualität spannungsvoller, die Gesellschaft bewegender Phänomene. Herzlichst, Ihr Dr. Frank Matthias Kammel

Dr. Frank Matthias Kammel, Generaldirektor des Bayerischen Nationalmuseums Titelseite: Bayerisches Nationalmuseum. Fotos: Bastian Krack © Bayerisches Nationalmuseum

MAGAZIN MUSEUM.DE

Ausgabe Nr. 43

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Ostwall 2

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Layout und Design: Sylvia Hänke

Sommer 2021

Uwe Strauch, Dipl.-Inf. TU

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Weltklasse-Schnitzkunst aus Ostwestfalen Wiedenbrücker Schule – Museum für Kunst- und Stadtgeschichte in Rheda-Wiedenbrück Autorin: Christiane Hoffmann M.A., Museumsleiterin des Wiedenbrücker Schule Museums

Mit der Gründung der Stiftung „Ausstellungs- und Begegnungsstätte Wiedenbrücker Schule“ und dem damit verbundenen Museumsprojekt fiel im Dezember 2005 der Startschuss zum heutigen Wiedenbrücker Schule Museum.

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Das ehemalige Werkstattgebäude der Altarbauwerkstatt Diedrichs & Knoche wurde bis Ende des Jahres 2008 umfassend renoviert und umgebaut und beherbergt seitdem ein außergewöhnliches Museum zur Kunstgeschichte des Historismus. Es

hat zudem einen Teil seiner Ausstellung der Wiedenbrücker Stadtgeschichte gewidmet. 1905 im historistischen Stil erbaut, steht es exemplarisch für die erfolgreiche Kunst


und Wirtschaftsgeschichte der Wiedenbrücker Schule. Unter dem Begriff „Wiedenbrücker Schule“ ist ein Künstler- und Handwerkerverbund zu verstehen. Selber empfanden sich die Künstler und Handwerker als verschworene Gemeinschaft im Geiste der Dombauhütten des Mittelalters. Von 1854 bis 1920 reichte die besondere Erfolgsgeschichte dieses Wirtschaftszweiges, der die Stadt Wiedenbrück dominierte und auch viele Kooperationen mit den Nachbarstädten zuließ. Gemeinsam war man sehr erfolgreich. Dieser Lebens- und Arbeitszusammenhang umfasst mehr als 25 Wiedenbrücker Werkstätten, die ihre weltweit beliebten Kunsthandwerksstücke im Westen bis Amerika, im Osten bis Japan und im Süden bis Afrika in die weite Welt hinaus verkauften. Geschichte der Wiedenbrücker Schule Das Wiedenbrücker Kunsthandwerk erlebte mit der Wiedenbrücker Schule seine Hoch-Zeit, hat seine Anfänge aber bereits im ausgehenden Mittelalter. Viele erhaltene Fachwerkhäuser aus dem 15., 16., 17. und 18. Jahrhundert, die heute noch das Stadtbild bestimmen, zeugen von dem handwerklichen Geschick der Wiedenbrücker Kunsthandwerker jener Zeit. Die Geschichte der Wiedenbrücker Schule begann 1854: Der 27-jährige Franz Anton Goldkuhle kehrte nach seiner Lehrzeit in Warendorf an seinen Geburtsort Wiedenbrück zurück, um sich mit einer Kunsttischlerwerkstatt selbstständig zu machen.

Linke Seite: Außenansicht des Museumsgebäudes der ehemaligen Altarbauwerkstatt Diedrichs & Knoche © Thomas Kleinert Rechte Seite, oben: Raum 1, Erdgeschoss mit Medientisch und Geschichte des Hauses © Thomas Kleinert Rechte Seite, unten: Raum 3, Obergeschoss – der Beginn: Franz Anton Goldkuhle © Thorsten Nienaber, Formlotse

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Die Anfänge Zu Anfang schnitzte er vor allem Kruzifixe und Holzschuhe für die ländliche Bevölkerung. Sein Fleiß und seine handwerklichen Fähigkeiten führten jedoch recht schnell dazu, dass er auch anspruchsvollere Aufträge bekam. 1863 / 64 fertigte Franz Anton Goldkuhle den Hochaltar für die Wiedenbrücker Franziskanerkirche an und knüpfte dadurch gleichzeitig Kontakte zu kirchlichen Auftraggebern. Die daraus resultierenden Aufträge waren so vielfältig, dass Goldkuhle 1865 bereits 25 Mitarbeiter beschäftigte und sich auf kirchliche Inneneinrichtungen spezialisieren konnte.

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Viele talentierte Künstler und Kunsthandwerker arbeiteten für Franz Anton Goldkuhle bis sie sich mit ihren eigenen Werkstätten und Ateliers zwischen den 1860er und 1890er Jahren selbstständig machten. So begab es sich, dass in Wiedenbrück zwischen den 1840er und 1930er Jahren über 25 Werkstätten und Ateliers für historistische kirchliche und weltliche Kunst und Kunsthandwerk existierten. Jede Werkstatt hatte eine eigene Spezialisierung. So gab es Kunsttischler, Bildhauer, Altarbauer, Maler, Polychromeure, Ornamentiker und andere Kunsthandwerker.


Da die Kirchen Hauptauftraggeber waren, wurden die Arbeiten fast ausschließlich in den historistischen Stilen der Neo-Gotik oder Neo-Romanik gefertigt. Die oft akademisch ausgebildeten Künstler und Kunsthandwerker in Wiedenbrück arbeiteten als Netzwerk von Werkstätten und teilten Aufträge untereinander auf. Diese Arbeitsweise ist in der deutschen Wirtschaftsgeschichte und Kunstgeschichte einmalig. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich der Begriff „Wiedenbrücker Schule“ für diesen Verbund von Wiedenbrücker Werkstätten für Kunst und Kunsthandwerk des Historismus entwickelt. Dabei waren es zunächst die Künstler und Kunsthandwerker selbst, die von der

Wiedenbrücker Schule sprachen, und unter diesem Oberbegriff werbewirksam den besonderen Stil, die Qualität und die spezielle Arbeitsweise des historistischen Wiedenbrücker Kunsthandwerks zusammenfassten. Der Begriff Wiedenbrücker Schule umfasst in seiner heutigen Bedeutung außerdem die Ausbildung sowie die Nachwuchsförderung der Wiedenbrücker Künstler und Kunsthandwerker.

Linke Seite: Raum 3, Obergeschoss – Maler der Wiedenbrücker Schule Mitte oben: Raum 3, Obergeschoss – Reliefkästen für neugotische Flügelaltäre Mitte unten: Raum 3, Obergeschoss – Modelle von Chorräumen Alle Fotos: © Thorsten Nienaber, Formlotse

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Der Höhepunkt Das Schaffen der Wiedenbrücker Schule erreichte um die Jahrhundertwende vom 19. auf das 20. Jahrhundert ihren Höhepunkt. In einer ausgehenden Epoche weitreichender internationaler Migration

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und vor dem Hintergrund des deutschen Kolonialismus breitete sich die Reputation der Wiedenbrücker Schule weit über die Grenzen Deutschlands hinaus aus. Dementsprechend stieg die weltweite

Nachfrage nach Wiedenbrücker Kunsthandwerk; nicht zuletzt wegen der Erschließung neuer deutscher Siedlungsgebiete. Aufträge kamen in jener Zeit aus vielen europäischen Staaten, darunter


Großbritannien, Frankreich, Italien und die Niederlande. Im Westen gelangten Werke der Wiedenbrücker Schule bis nach Kanada, in die USA, nach Lateinamerika und Brasilien. Im Süden wurde

bis nach Zentral-Afrika geliefert. Und im Osten schließlich fand man Wiedenbrücker Kunsthandwerk unter anderem in Jerusalem, aber auch in China. Die Wiedenbrücker Schule leistete somit einen

Linke Seite, oben: Raum 3, Obergeschoss – Filialen und Gemälde | Linke Seite, unten: Raum 2, Obergeschoss – Modellfigur des Grafen Kaunitz von C. v. Zumbusch | Rechte Seite: Raum 3, Obergeschoss – Altarteile und Heiligenfiguren Alle Fotos: © Thorsten Nienaber, Formlotse

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nicht zu unterschätzenden Beitrag für die Weltgeschichte und die Kunstgeschichte des Historismus. Stadtgeschichte Im Dachgeschoss des Museums findet sich darüber hinaus die Stadtgeschichte der ehemals selbständigen Stadt Wiedenbrück und seit 1970 auch der Stadt Rheda-Wiedenbrück. Wiedenbrück blickt auf eine mehr als 1000-jährige Geschichte zurück. In einer Urkunde von Kaiser Otto I. an den Bischof von Osnabrück wird Wiedenbrück erstmalig erwähnt. Die archäologischen Funde, die im Stadtgebiet gemacht wurden, werden anschaulich und interaktiv präsentiert. Der Patron der Hauptkirche St. Aegidius findet sich überall im Stadtbild. Auch als Gipsmodell wurde er bei den Künstlern der Wiedenbrücker Schule verwendet. In der Abteilung Gerichtsbarkeit wird anhand spannender Objekte auf diese Aspekte der Sozial- und Herrschaftsgeschichte eingegangen. Einen großen Raum nehmen die Handwerke und die sogenannten Ämter (ähnlich wie Gilden oder Zünfte) in Wiedenbrück ein. Besonders das Schreineramt, zu dem die Künstler und Handwerker der Wiedenbrücker Schule zählten, war sehr prägend. Die Gründung Wiedenbrücks nennt auch das Privileg der Münzprägung für den Stadtherren. Daher gab und gibt es bis heute noch historische Münzen und Notgeldscheine, die in Wiedenbrück geschlagen, bzw. gedruckt wurden. Das Museum wurde durch die Bundesministerin für Kultur im Rahmen des Neustart Programms mit einer Förderung unterstützt. Im Rahmen dieser Förderung

Linke Seite: Raum 7, Dachgeschoss – Gipsfigur des Heiligen Aegidius Rechte Seite, oben: Raum 7, Dachgeschoss – Präsentation der Stadtgeschichte Rechte Seite, Mitte: Raum 7, Dachgeschoss – Stadtgeschichte: Präsentation der archäologischen Funde Rechte Seite, unten: Raum 7, Dachgeschoss – Geschichte der Handwerke und Ämter Alle Fotos: © Thorsten Nienaber, Formlotse

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konnte erstmals ein Museumsaudioguide für Erwachsene und für Kinder eingerichtet werden. Im Museum können die Besucherinnen und Besucher an 20 Stationen die Geschichte des Hauses als ehemalige Altarbauwerkstatt, die Geschichte der Wiedenbrücker Schule und der Stadtgeschichte von Rheda-Wiedenbrück hören und erfahren. Dazu gesellen sich weitere 40 Stationen der Kunst im öffentlichen Raum im gesamten Stadtraum von Rheda-Wiedenbrück. Fundierte und unterhaltsame Audiosequenzen, die mit dem eigenen Smartphone abgerufen werden können, bringen Innenraum und Außenraum zusammen. Viele der Kunstwerke stammen von einer Künstlerin und den Künstlern der Wiedenbrücker Schule.

Foto: Raum 7, Dachgeschoss – Gerichtsbarkeit mit Richtschwert © Thorsten Nienaber, Formlotse

AUDIOGUIDE WIEDENBRÜCKER SCHULE MUSEUM

www.museum.de/m/2473

Wiedenbrücker Schule Museum Hoetger-Gasse 1 33378 Rheda-Wiedenbrück Tel. 05242 - 378 55 26 info@wiedenbruecker-schule.de https://wiedenbruecker-schule.de

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33 Extras: Exponate der Automobilkultur im Mercedes-Benz Museum Serie Teil 6-8: Der Autoheilige, die Lederhaube, die Autokarte

Stuttgart. 160 Fahrzeuge und insgesamt 1.500 Exponate präsentiert die vielfältige Dauerausstellung des Mercedes-Benz Museums. Ein besonderer Bestandteil sind die „33 Extras“: Sie lassen am Beispiel oft überraschender Details Mobilitätshistorie und Automobilkultur lebendig werden. DER AUTOHEILIGE Schutzpatron Sankt Christophorus hat am 25. Juli seinen Gedenktag. Doch mit einer Plakette

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des Heiligen sind viele Menschen das ganze Jahr über im Automobil unterwegs. Denn Christophorus, einer der 14 Nothelfer der katholischen Kirche, ist Schutzpatron des Verkehrs – und damit auch der Kraftfahrer. Seine Tradition als Beschützer der Reisenden reicht lange zurück, bis weit in die Zeit vor der Erfindung des Automobils im Jahr 1886 durch Carl Benz. Dementsprechend gilt er auch als Schutzheiliger unter anderem der Fuhrleute, der See- und Fährleute, der Flößer sowie der Pilger. Bekannt ist er heute jedoch vor allem als Heiliger der Autofahrer.

Präsenz Üblicherweise ist Christophorus als kleines Bildnis im Sichtfeld des Fahrers präsent. Das kann beispielsweise eine am Armaturenbrett angebrachte Plakette sein. Oder man entscheidet sich für die Verbindung aus populärer Religiosität und Schmuck – so wie bei dem Exponat im Mercedes-Benz Museum: Hier dient die Darstellung des Heiligen als Armaturenbretthalterung für eine kleine Vase mit einer frischen Blume.


Vatikan Der Heilige Christophorus begleitet nicht nur die Fahrer, sondern auch ihre Passagiere. Berühmt ist hier das Beispiel der Mercedes-Benz Nürburg 460 PullmanLimousine (W 08), die im Jahr 1930 als repräsentatives Fahrzeug für den Papst gebaut wird. Rechts neben dem mit Brokat bezogenen Sessel des Heiligen

Vaters im Fond ist eine ChristophorusPlakette an der Fahrzeuginnenwand angebracht. Zu den weiteren christlichen Motiven im Interieur dieses ersten Papstwagens von Mercedes-Benz gehört die Darstellung des Heiligen Geistes an der Decke. Entworfen hat das Motiv seinerzeit Pater Cornelius, der Kunstsachverständige für Paramentenstickereien des Klosters Beuron. Flugrettung Den Namen des Heiligen Christophorus tragen auch die Hubschrauber, die in Deutschland seit Ende der 1960er-Jahre in der Luftrettung eingesetzt werden. Christoph 1 hat 1970 in München als erster ziviler Rettungshubschrauber Deutschlands Premiere. Oft arbeitet die Hubschrauberbesatzung bei Notfällen Hand in Hand mit den Teams von Rettungswagen. Diese werden schon seit Generationen auf Mercedes-Benz Fahrzeugen aufgebaut und seit 25 Jahren auf

Linke Seite: Übergabe der für den Vatikan als Papstwagen ausgebauten Mercedes-Benz Nürburg Pullman-Limousine an Papst Pius XI. durch Dr. Hans Nibel, Vorstandsmitglied der damaligen Daimler-Benz AG und Leiter des Konstruktionsbüros, am 23. Mai 1930. Im Fond ist direkt neben dem Sessel des Heiligen Vaters eine Plakette des Sankt Christophorus, Schutzpatron der Autofahrer, angebracht. Rechte Seite, oben: Interieur des Mercedes-Benz Nürburg Papstwagens aus dem Jahr 1930. Rechts an der Seitenwand des Fahrzeugs ist direkt neben dem Sessel des Heiligen Vaters eine Plakette des Heiligen Christophorus angebracht. Sie zeigt den Schutzpatron der Autofahrer mit Wanderstab, wie er das Christuskind auf seiner Schulter über einen Fluss trägt. Rechte Seite, links unten: Der Autoheilige: Die Darstellung von Sankt Christophorus zeigt den Heiligen mit Wanderstab, der das Christuskind auf seiner Schulter trägt. Das Motiv des Schutzpatrons der Autofahrer mit französischsprachiger Beschriftung ziert eine Vase, die am Armaturenbrett des Automobils befestigt werden kann – sie ist eines von „33 Extras“ im Mercedes-Benz Museum. Rechte Seite, rechts unten: Plakette im Mercedes-Benz Nürburg Papstwagen aus dem Jahr 1930: Sankt Christophorus mit Wanderstab trägt das Christuskind auf seiner Schulter über einen Fluss. Die Plakette des Schutzpatrons der Autofahrer ist rechts an der Seitenwand des Fahrzeugs direkt neben dem Sessel des Heiligen Vaters angebracht. Fotos: © Daimler AG

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dem Sprinter. Einen solchen Sprinter-Rettungswagen zeigt die Dauerausstellung des Mercedes-Benz Museums im Raum Collection 3: Galerie der Helfer. Vielseitigkeit Fast so vielfältig wie der Automobilverkehr von der Innenstadt bis zur Autobahn scheint die Bedeutung von Sankt Christophorus zu sein: Das „Lexikon der Heiligen“ berichtet beispielsweise, wofür er als Schutzpatron neben dem Automobil noch zuständig ist. Unter an-

DIE LEDERHAUBE Innovation Heute mag die Lederhaube ein wenig skurril erscheinen. Aber im frühen 20. Jahrhundert ist sie ein äußeres Merkmal des

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derem gilt er, der „zweifellos einer der bekanntesten und volkstümlichsten aller Heiligen“ sei, als Schutzpatron von Gärtnern, Obsthändlern, Hutmachern und Buchbindern sowie als Brückenheiliger. Erste Kirchen werden ihm schon im 5. Jahrhundert geweiht. Dennoch ist das Wissen um die Biografie des vermutlich um das Jahr 250 gestorbenen Mannes recht schmal. Er stammt aus Lykien – die antike griechische Bezeichnung für eine Landschaft im Südwesten Kleinasiens. Dargestellt wird er meist als bärtiger Riese, der das Christuskind über einen Fluss trägt.

Heilig’s Blechle

hohen Innovationstempos der Fahrzeugtechnik und der Kühnheit der Fahrer. Denn durch die rasante Weiterentwicklung des Automobils wächst dessen Höchstgeschwindigkeit kontinuierlich: Maximal 16 km/h sind es beim Benz Patent-Motorwagen aus dem Jahr 1886. 1901 erreicht

der Mercedes 35 PS bereits formidable 75 km/h, und die Kopfhaube ist längst ein notwendiger Schutz. 1909 durchbricht schließlich Victor Hémery auf der englischen Brooklands-Bahn mit dem Benz 200 PS Rekordwagen („Blitzen Benz“) erstmals in Europa die Marke von 200 km/h.

Mit dieser schwäbischen Redewendung, ursprünglich Ausruf in einem Moment der Überraschung, hat Sankt Christophorus nichts zu tun. Sie ist vielmehr abgeleitet von einem Blechabzeichen aus der Armenversorgung im einstigen Herzogtum Württemberg. Heute steht der Ausdruck jedoch längst auch für die regional selbstbewusste Wertschätzung des Automobils und der entsprechenden Industriebranche im Bundesland Baden-Württemberg.


Moderne Neben dem Automobil prägt das Flugzeug die Mobilität der Moderne im frühen 20. Jahrhundert. Von dessen Piloten stammt die Idee für eng anliegende Lederhauben, die gegen Wind und Witterung schützen. Systemlösung Die Lederhaube ist ein durchdachtes Ausrüstungselement: Verbreitet ist die Variante mit aufknöpfbarem Ohrenschutz, um nach Bedarf mehr Umweltgeräusche wahrnehmen oder sich stärker abzuschotten zu können – so wie bei der Lederhaube aus den 33 Extras im Mercedes-Benz Museum, die im Raum „Mythos 7: Rennen und Rekorde“ ausgestellt ist. Ergänzt wird sie fast immer durch eine Brille mit Gummizug zum Schutz der Augen. Stil: Offenheit Die Konjunktur der Haube spiegelt die Geschichte der Automobilkarosserie wider. Denn bis in die 1920er-Jahre hinein sind offene Fahrzeuge weit verbreitet. Erst ab dann wird die geschlossene Karosserie bei privaten Fahrzeugen zum Standard. Die Lederhaube ist damit quasi in der Frühzeit ein kleiner Karosserieersatz, der sich um den Kopf schmiegt. Und die Schutzbrille ist die körpernah getragene Alternative zur Windschutzscheibe.

Zunächst ist der Hauptzweck der Lederhaube der Schutz gegen Naturgewalten. Aber schnell wird sie ein stilvolles Accessoire des engagierten Automobilisten – als Erkennungsmerkmal des Sportfahrers und „Herrenfahrers“. Evolution Die Lederhaube begleitet die ersten Jahrzehnte des Motorsports. Bis Ende der 1930er-Jahre wird sie von Rennfahrern

getragen, oder diese nehmen das Pendant aus Baumwolle. Starke Kopfverletzungen kann die Haube bei einem Unfall natürlich nicht verhindern. Und so setzt sich im Motorsport ab den 1950er-Jahren der Helm durch. Sicherheit Der Helm wird laufend verbessert. Erst tragen die Rennfahrer eine Halbschale, weiterhin mit Leder oder Baumwollstoff an den Seiten als Ohrenschutz. Dann kommt der Jethelm auf, der die Ohren mit überdeckt. Schließlich wird der Vollvisierhelm zum Standard, der den Kopf vollständig umschließt – inklusive optimierter Passform, ausgefuchstem Luftmanagement für den Piloten und eingebauter Funkanbindung.

Linke Seite: Motorsport und Kopfschutz: Die Lederhaube aus der Serie „33 Extras“ im Raum „Mythos 7: Rennen und Rekorde“ des Mercedes-Benz Museums erinnert an die Anfänge der Fahrerkleidung. Rechte Seite, oben: Mit einfachem Kopfschutz, wie damals üblich: Christian Lautenschlager mit Beifahrer auf Mercedes 140 PS Grand-Prix-Rennwagen, Sieger beim Großen Preis von Frankreich auf dem Rundkurs bei Dieppe am 7. Juli 1908. Rechte Seite, unten: Mit Halbschalenhelm: Juan Manuel Fangio vor dem Großen Preis der Schweiz in Bremgarten am 22. August 1954 im Gespräch mit Rennleiter Alfred Neubauer. Fotos: © Daimler AG

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Integration

Komfort

Classic

Ende der 1990er-Jahre binden die Konstrukteure den Helm immer stärker in die Gesamtaerodynamik des Rennwagens ein – er wird als Bestandteil des Rennwagens betrachtet. Und das 2003 eingeführte System „Head And Neck Safety“ (HANS) verbindet Helm und Fahrzeug über den Sicherheitsgurt. Das schützt den oberen Bereich der Wirbelsäule bei einem Unfall vor starken Verletzungen.

Auch bei offenen Personenwagen von Mercedes-Benz haben zahlreiche Innovationen das Erbe der Lederhaube angetreten. In Roadstern und Cabriolets mit dem Stern bieten Windschott, AIRSCARF oder AIRCAP offenen Fahrgenuss mit hohem Komfort und unabhängig von Wind und Temperatur.

In der Szene der automobilen Klassik mit ihren faszinierenden Veranstaltungen lebt die Lederhaube weiter. Denn sie gehört oft zum Outfit von Fahrern früher historischer Automobile. Und dann gibt es natürlich die Verwegenen, die auch bei kühleren Außentemperaturen alle Systeme ausschalten und wie ehedem durch die Welt fahren: mit offenem Dach und selbstverständlich mit Lederhaube.


1960er-Jahren die Reihe „Sternfahrten“ heraus. Diese Automobilreiseführer folgen dem Motto „Reisen mit Nutzen und Genuss“. Platz sparen Informationsgehalt und Handlichkeit – das sollte eine Landkarte in Einklang bringen. Was nicht immer einfach ist. Denn große Kartenblätter mit vielen Details sind zwar besonders informativ, aber ihre Nutzung ist umständlich, insbesondere bei Wind und Wetter. Die Seefahrer des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit nutzen deshalb häufig sogenannte Portolankarten aus widerstandsfähigem Pergament, die platzsparend zusammengerollt werden. Das Exponat der „33 Extras“ im Mercedes-Benz Museum wendet ebenfalls das Prinzip der Rollkarte an und greift es sogar im Namen auf: Es ist eine „Rollka“-Straßenkarte aus der ersten Hälfe des 20. Jahrhunderts. Sie wird bis zum gewünschten Bereich ausgezogen und arretiert. Auf Knopfdruck lässt sie sich später wieder einrollen.

DIE AUTOKARTE

Gezeichnetes Wissen

Genial einfach

Neue Horizonte

Geografische Karten stellen einen Ausschnitt der Welt dar und geben Antworten auf konkrete Fragen: Was sind die wichtigsten Verkehrswege in der Region? Welche Punkte entlang des Reisewegs sind von Bedeutung? Und wie stellt man den Zusammenhang her zwischen kartografischer Darstellung und wirklicher Umgebung?

Gedruckte Straßenkarten werden früher von Kartografen gezeichnet. Dabei wenden sie das Prinzip der sogenannten Generalisierung an, denn um die Karte möglichst gut nutzbar zu machen, werden die vorhandenen Informationen je nach Landkartenzweck unterschiedlich gewertet. Das bedeutet bei Autokarten: Das Straßennetz ist detailliert, farbig und deutlich abgebildet sowie mit wichtigen Angaben versehen, zum Beispiel mit Nummern der Fernstraßen oder von Aufund Abfahrten. Karten etwa für Wanderer gewichten anders.

Der Erfolg des Automobils verändert den Blick der Menschen auf die Welt. Denn individuelle Mobilität über große Distanzen hinweg wird durch die Erfindung von Carl Benz so einfach wie nie zuvor. Das zeigt seine Ehefrau Bertha Benz bereits im August 1888 mit der ersten Fernfahrt der Automobilgeschichte von Mannheim nach Pforzheim. Aber die große Freiheit verlangt auch nach Orientierung. Diese liefern Autokarten – auf die Bedürfnisse der Kraftfahrer zugeschnittene Landkarten.

Linke Seite: Routenplanung mit der Straßenkarte auf der Motorhaube des Mercedes-Benz 190 SL (W 121), der auf dem Wagen eines Autoreisezugs in Lötschberg (Schweiz) steht. Foto aus dem Jahr 1955. Rechte Seite: Autokarten der 1920er-Jahre. Vorn die „Mercedes-Benz Landstraßen-Übersichtskarte von Deutschland“ im Maßstab 1:100.000, links „Ravensteins Verkehrs-, Rad- und Automobilkarte von Württemberg und Hohenzollern“ mit einer Werbung der Daimler-Motoren-Gesellschaft. Fotos: © Daimler AG

Massenmedium Straßenkarte Autokarten kommen Anfang des 20. Jahrhunderts auf. Neben Verlagen geben sie auch Automobilhersteller, Reifen- und Kraftstoffproduzenten sowie Automobilclubs heraus. Autokarten verbreiten sich zügig und sind damit ein echtes Massenmedium. Automobile Reiseführer Passend zur Straßenkarte gibt es für touristische Fahrten auch spezielle Automobilreiseführer. So liefert das Handbuch der britischen Automobile Association (AA) bereits 1908 Hinweise zu Automobilreisen ins kontinentaleuropäische Ausland. Mercedes-Benz bringt in den 1950er- und

Mit dem Finger reisen Wer eine gedruckte Autokarte nutzt, geht immer auch auf eine imaginäre Reise. Denn auf der Karte findet man nicht nur den gewünschten Weg von A nach B. Vielmehr öffnet sich der Blick für geografische Entdeckungen und interessante Aspekte der Umgebung. Und die großen Zusammenhänge lassen sich viel besser erfassen als auf einem kleinen Bildschirm.

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Falten oder blättern, wischen oder sprechen Für Autofahrer setzen sich zwei Varianten als Standard-Kartenmaterial mit verschiedenen Maßstäben durch – die Faltkarte und der Atlas. Ob Tourenplanung, das Nachschauen unterwegs und natürlich die Routenführung: Diese Aufgabe übernehmen heute Navigationsgeräte und Smartphones. Größter Unterschied neben der Bedienung durch Wischgesten und Sprachsteuerung: Die digitale Technik weiß genau, wo sich das Fahrzeug befindet, und passt die Darstellung kontinuierlich und auch entsprechend der Fahrtrichtung an. Navigation im Dialog Das Medium Stimme gehört bei der Reise schon immer zur Orientierung. Dem Beifahrer dient die Autokarte als Grundlage für seine Rolle als Navigator. Manch emotional geführte Debatte über die Auslegung der kartografischen Informationen inklusive. Die Computerstimme des Navigationsgeräts bleibt davon unbeirrt. Sie bietet eine bequeme und intuitive Form der Nutzung digitaler Kartendaten. Doch auch hier sind präzise Vorgaben notwendig, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden. Erfolgreiche Hinweise Ebenfalls per Stimme dirigiert Beifahrer Denis Jenkinson im Mai 1955 den Rennfahrer Stirling Moss zum legendären Mille-Miglia-Sieg. Jenkinson trägt auf Basis des „Gebetbuchs“ vor, eines damals neuartigen Streckenaufschriebs, den sie beim Training vorbereitet haben. Clever: Dieses Roadbook befindet sich auf einer Papierrolle in einem Spezialgehäuse und wird kontinuierlich weitergedreht. Es ist übrigens ebenfalls eins der „33 Extras“. Von Autos für Autos Mittlerweile tragen Autos selbst zur Erstellung von Straßenkarten bei. Die Daimler AG ist federführend an dem auf digitale Kartendaten spezialisierten Unternehmen HERE beteiligt, mit dem sie seit 2018 das Projekt HD Live Map betreibt. Die Idee dabei: Moderne Fahrzeuge mit ihrer leistungsfähigen Sensorik und Vernetzung sammeln reale Straßendaten, fügen sie in Echtzeit den kartografischen Informationen des Systems hinzu und stellen sie so auch anderen Verkehrsteilnehmern zur

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Verfügung. Aktueller kann eine Landkarte nicht sein. Digitale Kartendaten sind immens wichtig für immer leistungsfähigere Assistenzsysteme und die Zukunft des autonomen Fahrens.

Oben: Autokarten digital und analog: Im Vordergrund die Karten-App eines modernen Smartphones, im Hintergrund die „Rollka“-Autokarte „Deutschland Nord“. Sie ist eines von „33 Extras“ im Mercedes-Benz Museum. Foto: © Daimler AG

Mercedes-Benz Museum Mercedesstraße 100 70372 Stuttgart Tel. 0711 - 17 30 000 classic@daimler.com www.mercedes-benz.com/museum


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Die beiden Häuser des Rotkreuz-Museums vogelsang ip in der Abenddämmerung © rkmvip.de

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Ein besonderes Museum an einem außergewöhnlichen Ort Rotkreuz-Museum vogelsang ip

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Mitten im Nationalpark Eifel liegt das größte deutsche Rotkreuz-Museum mit seinen beiden Ausstellungshäusern, dem HUMANITARIUM und dem HAUS NORDRHEIN. Seit 2009 sind die Rotkreuz-Ehrenamtlichen auf dem Gelände der ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang aktiv beim Aufbau eines Rotkreuz-Campus der Humanität. Bei einem Besuch im Genfer Rotkreuz-Museum am Sitz des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz entstand die Idee zur Einrichtung eines eigenen Museums. Aus Kellern und Speichern der Rotkreuz-Unterkünfte sowie aus privaten Beständen waren schnell die ersten Exponate gefunden und platziert. Am 19. Juli 2011 wurde dann die erste provisorische Ausstellung eröffnet. In den Folgejahren ist im HUMANITARIUM die Ausstellung „Das Abenteuer Menschlichkeit“ entstanden. Hier erfahren die Gäste viel Interessantes über die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung. Sie folgen der Geschichte ausgehend von der Schlacht in Solferino und lernen viel Neues über die Grundsätze, wie Menschlichkeit oder Neutralität als auch deren Bedeutung oder Umsetzung. Sie erleben den Unterschied zwischen der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 und den Genfer Rotkreuz-Abkommen zum humanitären Völkerrecht von 1949. Krieg und Frieden, Schicksale von Kindern in Zeiten bewaffneter Konflikte, die Situation in Naturkatastrophen, Zeichen die Menschen schützen, internationale Hilfseinsätze, die Bedeutung der Prager Botschaft für die deutsche Einheit, die wichtige Arbeit des Suchdienstes nach den Weltkriegen und heute, die Arbeit der unzähligen Ehrenamtlichen in 192 Länder weltweit bei der Bekämpfung von Seuchen und ansteckenden Krankheiten wie in der Covid-19 Krise 2020, Teile einer der größten philatelistischen Sammlungen über das Rote Kreuz – die Ausstellung präsentiert großartige Eindrücke von der weltweiten Hilfe der größten humanitären Freiwilligen-Bewegung der Erde. Linke Seite: Das Gelände der ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang mitten im Nationalpark Eifel © Felix Lang Rechte Seite, oben: Herzlich Willkommen im HUMANITARIUM des Rotkreuz-Museums © rkmvip.de Rechte Seite, Mitte: Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht und ihre Bedeutung für unser Leben © rkmvip.de Rechte Seite, unten: Teilnehmer*innen im Rollenspiel zu internationalen Rotkreuz-Hilfseinsätzen © rkmvip.de

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2018 entstand im benachbarten HAUS NORDRHEIN eine zweite Ausstellung: „Die Geschichte einer Idee“. Mit Mitteln der NRW-Stiftung, der Hans-Pohlandt-Stiftung und der Glücksspirale konnte die zweite Ausstellung erstellt und beide Häuser barrierearm umgebaut werden. Auch hier beginnt die Geschichte mit der Schlacht von Solferino und mit den Visionen von Henry Dunant. Von ersten Gründungen auf deutschem Boden folgt der Weg der Entwicklung in der preußischen Rheinprovinz von den Kriegen 1864, 1866 sowie 1870/71 bis zur Jahrtausendwende im DRK Landesverband Nordrhein und bis heute. Besuchende sehen zahlreiche historische Exponate aus den Gründungsjahren, Rädertragen, Gerätschaften, Geschichten von Zeitzeugen und ihre Hinterlassenschaften aus mehr als 150 Jahren Rotkreuz-Geschichte im Rheinland. Die Entwicklung von den vaterländischen Frauenvereinen, Sanitätskolonnen und Vereinen zur Pflege von Verwundeten und Kranken im Krieg in der Kaiserzeit, die Arbeit im Ersten Weltkrieg und nach den Versailler Verträgen in der Weimarer Zeit zeigen die wechselvollen Einflüsse auf das wachsende Rote Kreuz. Die schnelle Übernahme durch das NS-Regime und die Gleichschaltung des DRK in dieser Zeit sowie die Einsätze der Helferinnen und Helfer im Zweiten Weltkrieg werden in einem eigenen Kapitel kritisch behandelt. Gefolgt vom Verbot durch die Alliierten 1945 und den schwierigen Nachkriegsjahren mit Millionen Geflüchteten aus den östlichen Teilen des vergangenen Deutschen Reiches und Millionen Kriegsheimkehrern in die zerstörten Städte des verwüsteten Rheinlands.

Linke Seite, oben: Henry Dunants „Erinnerungen an Solferino“ sind der Ursprung der internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung Linke Seite, Mitte: Nach 1945 forscht der RotkreuzSuchdienst nach Millionen vermissten Menschen Linke Seite, unten: Internationale Jugendgruppe beim Memory-Spiel im HAUS NORDRHEIN des Museums Rechte Seite: Die Versorgung von Zivilbevölkerung und Kriegsgefangenen mit Hilfspaketen in der Nachkriegszeit Fotos: © rkmvip.de

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Auf die Neugründung des DRK in der Bundesrepublik auf dem Koblenzer Rittersturz folgen rund fünfzig Jahre Bonner Zeit, mit dem Neuaufbau im Katastrophenschutz und der Entwicklung des Rettungsdienstes in den Siebzigerjahren. Die Flutkatastrophe an der Küste 1962, die Schiffseinsätze mit der Helgoland und der Flora, Erdbeben und andere Naturkatastrophen in vielen Teilen der Welt – die Einsatzkräfte des Deutschen Roten Kreuzes sind immer dabei. Die Ausstellung folgt der Geschichte im Rheinland bis zum Einsatz für die DDR-Flüchtlinge in der Prager Botschaft – dem Beginn einer neuen Zeit, mit der Wiedervereinigung und dem Zusammenschluss der beiden Deutschen RotkreuzGesellschaften. Der vierte und letzte Bereich ist dem neuen Dienstsitz, nach dem Umzug von Bonn nach Berlin, und der Zeit nach der Jahrtausendwende gewidmet. Die beiden Häuser des Rotkreuz-Museums präsentieren auf fast 1.000 m2 Ausstellungsfläche einen weiten und lebendigen Überblick über die Geschichte, die

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Entwicklung und die großartige Arbeit dieser einmaligen humanitären Weltbewegung. Einer Bewegung mit weltweit gleichen Grundsätzen, eine Gemeinschaft von Millionen Freiwilligen, die einer gemeinsamen Vision folgen: der Vision Henry Dunants notleidenden zur Seite zu stehen, ihre Not zu lindern und die Ursachen zu bekämpfen. Wie Bundespräsident Joachim Gauck auf dem Festakt zum 150ten Jahrestag der Gründung auf deutschem Boden, in der Stuttgarter Liederhalle, sagte: „Führen Sie Ihre Arbeit zum Wohl der Menschen, die Hilfe benötigen, auch weiterhin mit Energie, mit Hingabe und mit Weitsicht fort. Ich danke allen Haupt- und Ehrenamtlichen für ihren großen Einsatz. Aber einen Satz muss ich noch hinzufügen: Heute, da dürfen Sie auch einmal stolz sein, in dieser großartigen Institution mitzuarbeiten. Ich danke Ihnen.“

Unten: Eine Jugendgruppe löst das Rotkreuz-Rothalbmond-Tangram Foto: © rkmvip.de

AUDIOGUIDE ROTKREUZ-MUSEUM VOGELSANG IP

www.museum.de/m/5922

Rotkreuz-Akademie vogelsang ip Vogelsang 41 53937 Schleiden Tel. 02444 - 91 49 136 Info@rkmvip.de www.rkmvip.de


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3-Museen-Ort im Zentrum des Obstanbaus am Bodensee Bodensee-Obstmuseum – Tüftler-Werkstatt-Museum – Gerbermuseum zur Lohmühle Autorin: Jutta Metzler

Wenn wir heute Obst vom Bodensee überall im Supermarkt finden, hat das ganz viel mit einem kleinen Ort im Hinterland zu tun. Und auch der Strom für Maschinen Marke Eigenbau, urtümlich anmutende Baumspritzen, feines Leder und derbe Sohlen entstanden hier. In hügelige Wiesen gekuschelt liegt die ländliche Gemeinde Frickingen nahe Salem. Dass hier im Badischen schon immer hart gearbeitet wurde, Erfindergeist gedeihen durfte, geschätzt wurde, was die Natur Gutes hervorbringt, zeigen gleich drei sehr unterschiedlich geartete Museen: das Bodensee Obstmuseum, das Tüftler-Werkstatt-Museum und das Gerbermuseum zur Lohmühle. Sie machen die „Apfelgemeinde“ Frickingen, übrigens staatlich anerkannter Erholungsort, zur 3-Museen-Gemeinde. Sommerfrischler gab es in diesem verträumten Winkel Süddeutschlands schon in frühen Zeiten. Und bereits 1905 wurde Frickingen, im zweitgrößten Apfelanbaugebiet Deutschlands gelegen, per Eisenbahn erschlossen. So kam auch der Obstbau richtig in Schwung und die Obstbauern konnten ihre prächtigen Früchte innerhalb des Landes und sogar bis nach Italien verkaufen. Vom früheren Ortspfarrer Ludwig Herr als Obstgenossenschaft gegründet, hat sich heute die Marke „Obst vom Bodensee“ längst etabliert. Zeit also, mehr über die Ursprünge zu erfahren. Das Bodensee-Obstmuseum Paradies auch für kleine Früchtchen Fröhliches Kinderlachen hört man heute in dem stattlichen Haus bei der üppigen Kastanie mitten im Ort. Das Bodensee-Obstmuseum ist untergebracht in der Scheune des historischen Petershauser Hofs aus dem Jahr 1591, damals Lehenshof des Konstanzer Klosters Petershausen. Er ist einer der ältesten Eindachhöfe der Bodenseeregion. Die riesigen Dimen-

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sionen des Dachraumes lassen die Schwere der Handarbeit beim Einbringen von Heu und Stroh erkennen. Durch die großen Flügeltore der Tenne konnte ein- und ausgefahren werden. Die Struktur des Hauses bildet einen bäuerlichen Betrieb ab, wie er jahrhundertelang üblich war – ein Gemischtbetrieb mit allen Sparten: Viehhaltung, Ackerbau, Obstbau. Heute gibt es solche Betriebe kaum noch. Die Landwirte im Ort sind Vollerwerbsobstbauern – mit 10 ha Anbaufläche oder mehr – oder sie betreiben den Obstbau im Nebenerwerb mit 1 bis 2 Hektar Fläche. Die Tenne dient stattdessen u.a. als Raum für kulturelle Veranstaltungen, der ehemalige Heuboden im Obergeschoss z.B. für Filmvorführungen. Der ehemalige Kuhstall mit dem ursprünglichen Stallboden und den Futterkrippen bildet das Herzstück der Ausstellung. Hier wird anhand von originalen Werkzeugen sowie historischem Bildmaterial anschaulich über die Geschichte des Obstanbaus, seine Entwicklung und seine Bedeutung informiert. Kleinen Besuchern erklärt der „Apfel-Krabb“ in einer interaktiven 3 D-Animation die Herkunft des Apfels. Um den Apfel schließlich ranken sich schon seit Eva die faszinierendsten Geschichten. Selbst das hinterfragt das Museum, wenn es um die Entwicklung der Früchte zu den heute so köstlichen Appetithappen geht. Auch die Museums-Themen Veredeln, Züchten und Schneiden, Pflanzenschutz, Ernte und Verarbeitung treiben Naturschützer, Obstbauern und Konsumenten bis heute um. Konservieren, dörren, brennen, so machte man das Obst haltbar. Sogar die ausgestellte Brennerei stammt aus Frickingen. Im ehemaligen Wohnbereich des Gebäudes ist heute der Waldorfkindergarten untergebracht. Schon hier ist der Erfindergeist spürbar zu Hause.


Oben links: Apfelblüte in Frickingen Oben rechts: Wildapfel Unten: Die Tenne hat ihren ländlichen Charme bewahrt Fotos: © Gemeinde Frickingen

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Oben: Bodensee Obstmuseum Frickingen Rechte Seite: Tüftler-Werkstatt-Museum – Scheint, als hätte der Hausherr nur kurz die Werkstatt verlassen Fotos: © Gemeinde Frickingen

Bodenseeobst-Museum Kirchstraße 9 88699 Frickingen Tel.: 07554 9830-30 info@frickingen.de www.bodensee-obstmuseum.de

Gleich in der Nachbarschaft, im Frickinger Ortsteil Altheim, befindet sich das Haus eines Tüftlers und Erfinders, der bis über die Grenzen hinaus bekannt wurde.

Das Tüftler-Werkstatt-Museum – der Geruch von Maschinenöl in der Luft Karl Widmer, das war ein handwerkliches Urgestein weit über die Region hinaus, seine überdimensionale, selbstgebaute Drehbank legendär, die Maschinen, die sich bis heute im Originalzustand zeigen, wasserbetrieben – denn auch für die Umleitung des Dorfbächleins war natürlich Widmer zuständig, als er einen heimischen Maurermeister mit der Kanalisierung bis ans Gebäude beauftragte. Mit der Wasserkraft und dem Transmissionsriemen-System wurden nicht nur die Maschinen angetrieben – es wurde in der Werkstatt auch schon vor der Elektrifizierung im Jahre 1924 Strom hergestellt. Und auch wenn das „fliegende Auto“ nicht in der Tüftlerwerkstatt geplant wurde, steht es doch für den Aufstieg von Josef Maier, der hier seine Lehre machte, als pfiffiger Erfinder große Erfolge verbuchen und so auch entscheidend zum Fortbestehen der genialen Werkstatt beitragen konnte.

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AUDIOGUIDE BODENSEE-OBSTMUSEUM

www.museum.de/m/5607

Bis zur Blütezeit der Mechanisierung Mitte des 20. Jahrhunderts war ein Mechaniker auf dem Land vor allem bei der Reparatur von Mühleneinrichtungen und stationären Dampfmaschinen gefragt. Mit der Mechanisierung kamen Mähbinder, Futterschneidmaschinen, kleine Dreschmaschinen und vieles mehr hinzu. Die Tüftler aus Altheim bauten alte Autos zu fahrbaren Baumspritzen um, Balkenmäher wurden zum Selbstfahrgerät aufgerüstet und bald schon stieg man auch in den Fahrradhandel ein. Für die Fertigung von Ersatzteilen war die Werkstatt genauso bekannt wie für die fahrbare Holzsäge, mit der die Widmers zur Kundschaft fuhren, um vor Ort das Brennholz aufzubereiten. Karl Widmer war zeitlebens unter Strom, arbeitete bis zu seinem 98. Lebensjahr täglich in seiner Werkstatt und gab die Zustimmung zur Umgestaltung der Werkstatt in ein Museum nur unter der Bedingung, dass er weiter – wann immer er wolle - darin arbeiten dürfe.


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Heute noch zeigt sich die Werkstatt mit vielen Maschinen aus Eigenbau und vor über 120 Jahren eingerichtet nahezu unverändert und in allen Teilen voll funktionsfähig. Wie damals können heute noch alle Maschinen mit Hilfe der Wasserkraft über ein ausgeklügeltes Transmissionsriemen-System angetrieben werden. Über Wellen und Riemenscheiben wird die Kraft zu den Maschinen gebracht. Um sie „einzuschalten“ muss der Riemen auf die Riemenscheibe „geworfen“ werden.

AUDIOGUIDE TÜFTLER-WERKSTATT-MUSEUM

www.museum.de/m/5608

Tüftler-Werkstatt-Museum Hauptstraße 1 88699 Frickingen-Altheim Tel.: 07554 9830-30 info@frickingen.de www.tueftler-werkstatt-museum.de

Linke Seite, oben: Lehrling Josef Maier Linke Seite, Mitte: Blütezeit der Mechanisierung Linke Seite, unten: Lohe – zum Gerben verwendete Baumrinde oder Blätter Rechte Seite, kleines Bild oben: Der Gerberbrunnen zeigt Paul Mantz, den letzten Frickinger Gerber Rechte Seite, kleines Bild unten: Vorbereitung der Weichleder mit „Hundekoth“ Fotos: © Gemeinde Frickingen Rechte Seite, oben: Lederverarbeitung Foto: © Volurol – stock.adobe.com

Wie im Tüftler-Werkstatt-Museum war Wasserkraft auch dominierendes Element für die Lohmühle, frühere Heimat des Gerbers am Ort. Das Gerbermuseum zur Lohmühle: Einblicke in ein einst anrüchiges Handwerk Nicht ein Müller, sondern ein Gerber übte in der Lohmühle im Ortsteil Leustetten sein Handwerk aus. Das Gerben von Häuten und Fellen – also die Umwandlung zu Leder – ist eine der ältesten Künste der Menschheit, wenn auch immer wieder kritisch diskutiert, was die Herstellung angeht. Dennoch ist, selbst wenn wir heute

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vieles durch Plastik und Leder-Imitat ersetzen, das echte Leder höchst begehrt. Tatsache ist: Ohne schwere Schuhe mit festen Ledersohlen wären die meisten landwirtschaftlichen und handwerklichen Berufe damals kaum auszuführen gewesen. Nachweislich seit dem 18. Jahrhundert war der Gerber am Ort tätig und stellte außer Ledersohlen beispielsweise das Leder für Pferdegeschirre, für Zaumzeug und Sättel her. Noch bis Ende des 20. Jahrhunderts wurde hier mit Rinderhaut und -fell gearbeitet. Neben den 11 Gruben auf dem Dorfplatz, in denen die Häute gegerbt wurden, fanden sich in der Gerberei 7 Gruben des Farbganges, die zur sogenannten Wasserwerkstatt zählen. In diese Gruben wurden die vorbereiteten Häute unter Zugabe von Lohe, also gemahlener Rinde, und Wasser eingeschichtet und ruhten über mindestens vier Monate. In der dunklen Rindenbrühe reiften die Häute allmählich zu Leder, wurden fester und nahmen Farbe an. Freundlich und einladend mit seinem Fachwerk-Gesicht steht das Museum aus

dem Jahr 1835 heute über dem Ort. Gut vorstellbar, dass man Gerber früher ungern mitten im Ort hatte. Die Gerüche scheinen die Nase bis heute derbe zu kitzeln, auch wenn ausschließlich natürliche Materialien verwendet wurden. Selbst Taubenmist, der im Taubenschlag des Wohnhauses immer wieder anfiel, wurde für den Gerb-Vorgang eingesetzt. Ohne Wasser läuft bis heute beim Gerben gar nichts. In der Lohmühle wurde mit der Wasserkraft die zum sogenannten Rotgerben benötigte Rinde zerkleinert, nachdem man sie vorher von den Bäumen geschält, im Obergeschoss der Mühle gelagert und dann mit der „Lohmühle“ zerschreddert hatte. Diese Hackschnitzel landeten dann in der Lohgrube. Auch die weiteren Arbeitsschritte, von der rohen Tierhaut zum widerstandsfähigen Hartleder, erfolgten hier. Bis heute ist dieses seltene Zeugnis vorindustrieller Handwerkskunst originalgetreu erhalten. Wieder ist es der Dorfbach, der schlau genutzt wurde, über ein Wehr mit einem Fallenstock gestaut, auf einem offenen Kanal auf das Wasserrad der Lohmühle geleitet. In Betrieb gesetzt

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treibt dieses die großen Maschinen im Museum an. Damit ist die Lohmühle Leustetten die einzige erhaltene Lohmühle in der Region Oberschwaben-Bodensee. Die 3-Museen-Runde Auf 5,5 oder 6,5 oder auf insgesamt 12 Kilometern ist der Rundweg mit dem Apfelsignet auf gelbem Grund gekennzeichnet. Der Weg führt in Altheim am Tüftler-Werkstatt-Museum vorbei und in Leustetten am Gerbermuseum zur Lohmühle, Museen, die sich ebenso wie das Bodensee-Obstmuseum über webbasierte Video-Guides erklären. Linke Seite: So hübsch wie hier hatten es Gerber früher selten Rechte Seite, oben: Die Restauration der Lohmühle Fotos: © Gemeinde Frickingen

AUDIOGUIDE GERBERMUSEUM ZUR LOHMÜHLE

www.museum.de/m/5609

Gerbermuseum zur Lohmühle Dorfstraße 14 88699 Frickingen-Leustetten Tel.: 07554 9830-30 info@frickingen.de www.gerbermuseum-lohmuehle.de

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Licht für das Morgen Individuelle Beleuchtung für Museen Autorin: Anja Bröscky, mawa design

»Wie groß ist meine Welt?« Diese und andere Fragen beleuchtet mawa im Futurium Berlin. Das im September 2019 eröffnete „Haus der Zukünfte“ ist direkt an der Spree, zwischen Hauptbahnhof und Reichstagsgebäude, gelegen und stellt den Austausch über wissenschaftliche, technische und gesellschaftliche Entwicklungen in den Mittelpunkt. Faszinierende Einblicke auf drei Etagen Das Erdgeschoss dient als Ort der Zusammenkunft. Es verbindet die gegenüberliegenden Haupteingänge, beherbergt zentrale Funktionsbereiche und das Veranstaltungsforum.

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ist anschaulich erlebbar, wie spannend Zukunftsforschung sein kann. Hohe Räume und dunkle Flächen Dunkel gefärbter Sichtbeton und schwarzer Gussasphaltboden prägen die über sechs Meter hohen Ausstellungsräume im Ober- und Untergeschoss. Um eine multifunktionale Bespielbarkeit der Flächen zu gewährleisten, wurden stromführende Schienen in Deckenkanäle eingelassen oder von der Decke abgependelt. Das ermöglicht Leuchten mit entsprechendem Adapter entlang der Schienengeometrie individuell zu platzieren und nachträglich zu versetzen.

Eine Etage darüber lässt sich eine rund 3.000 m2 große, zusammenhängende Ausstellungsfläche erkunden. Untergliedert in drei „Denkräume“ widmet sie sich zukunftsrelevanten Fragen rund um Mensch, Natur und Technik.

Aufgrund der großen Raumhöhe waren neben musealer Lichtqualität vor allem Leistungsstärke, enge Abstrahlcharakteristik und komfortable Bedienung gefragt. Das waren nur einige von vielen Gründen, die für die Zusammenarbeit mit mawa und den Einsatz des Lichtwerkzeuges „seventies 70’s“ sprachen.

Erfinder und Experimentierfreudige kommen im „Futurium Lab“ auf ihre Kosten. Auf 600 unterirdischen Quadratmetern

Unten: Außenansicht des Futurium Rechte Seite: „Denkraum Mensch“ – Obergeschoss Fotos: © Stefan Wolf Lucks


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mawa als zuverlässiger und flexibler Partner

Lichtwerkzeug und Museumsspezialist

Mehr als zwanzig Jahre Erfahrung machen mawa zu einem professionellen Partner in Sachen Beleuchtung. Die hauseigene Produktion nahe Potsdam ermöglicht es zudem kurzfristig auf individuelle Kundenwünsche einzugehen. So wurde kurzerhand eine alternative LED-Geometrie ins Serienprodukt „seventies 70’s“ eingebracht, um eine noch engere Abstrahlcharakteristik zu erreichen.

Seit 2013 produziert mawa die „seventies 70’s“-Serie, die mit zeitlosem Design, formaler Klarheit und Perfektion bis ins Detail überzeugt. Professionelle LED-Technik mit hoher Farbwiedergabe und Farbortgenauigkeit bringen Exponate realitätsgetreu zum Strahlen. Der Einsatz hochwertiger Vorschaltgeräte ermöglicht ein flickerfreies, HDTV-taugliches Beleuchtungsergebnis bei hoher Systemeffizienz. In Verbindung mit Leistungsstärke sowie großer Vielfalt an Dimmoptionen und leicht zu wechselndem Zubehör ist ein wandlungsfähiges Lichtwerkzeug entstanden. Es begeistert Planer und Kuratoren gleichermaßen und wird von mawa kontinuierlich weiterentwickelt.

Im Zuge voranschreitender Ausstellungsplanung ergab sich außerdem der spontane Bedarf eines bereichsbezogenen Lichtfarbenwechsels. Trotz bereits ausgelöster Bestellung und laufendem Fertigungsprozess machte mawa dies möglich.

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Ausstellungbeleuchtung: mawa design GmbH Neu-Langerwisch 36 / Palmhof 14552 Michendorf Tel +49(0)33205.2288 22 info@mawa-design.de www.mawa-design.de Planung Ausstellungbeleuchtung: Studio Dinnebier

Oben links: Deckenuntersicht – Galerie Oben rechts: Galerieraum Unten links: „Stadtdschungel“ – Obergeschoss Unten Mitte: „Futurium Lab“ – Untergeschoss Unten rechts: seventies-Stromschienenstrahler Rechte Seite: „Denkraum Natur“ – Obergeschoss Alle Fotos: © Stefan Wolf Lucks


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Foto: Jan Blieske

Foto: blieske architects lighting designers

seventies 70’s in individueller RAL-Farbe Nationalmuseum Kirgistan in Bischkek Weltweit für exzellentes Licht im Einsatz Bibliothek Alexis de Tocqueville Caen, Bibliothek Het Predikheren Mechelen, Deutsche Oper Berlin, Deutscher Werkbund Ausstellung Venedig, Dior Fragrance Stores weltweit, Futurium Berlin, Goethe Institut Kiew, Humboldt Forum Berlin, Jüdisches Museum Berlin, Kunsthalle Schweinfurt, Museum Hotel Antakya, Museum Marta Herford, Museum für Ostasiatische Kunst Köln, Museum of Innocence Istanbul, Neue Nationalgalerie Berlin, Reisezentren SBB Schweiz, u. v. m.


Ausgezeichnetes Design Good Design 2016 German Design Award Nominee 2015

seventies 70’s Das Original – Made in Germany. Engineered 2013. Der Museumsspezialist zertifizierte Museumstauglichkeit mit hohem Leuchtenwirkungsgrad

sehr engstrahlende Abstrahlcharakteristik möglich (11°– 79°)

Farbkonsistenz (2-Step-MacAdam)

Leuchtenserie mit Konturenstrahler und Fokussiereinheiten (11°– 50°)

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sehr hohe Farbwiedergabe (Ra > 95 (typ. 97))

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verschiedene Leistungsklassen in einer Leuchtengröße

>95

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HDTV-tauglich und flickerfrei umfangreiches Zubehör

mawa‒design.de


Im Herzen des Kraichgaus Das Stadt- und Fachwerkmuseum "Alte Universität" in Eppingen Autor: Peter Riek


Der Kraichgau ist eine der ältesten Kulturlandschaften Europas, hier fanden sich Spuren des Homo Heidelbergensis, datiert auf eine halbe Million Jahre. Die fruchtbaren Lösslehmschicht bildet die Lebensbasis für die früh entstandenen bäuerlichen Kulturen, die bis in unsere heutige Zeit für eine lückenlose Siedlungskontinuität von den frühen steinzeitlichen Kulturen über die Kelten und Römer, bis zu den Alemannen und Franken sorgten. Die stolze Fachwerkstadt Eppingen findet im Jahr 985 erstmals urkundliche Erwähnung und bleibt selbst im 30-jährigen Krieg trotz wiederholter Besetzungen

und Plünderungen bis heute unzerstört. Die ummauerte Altstadt und die spätere Erweiterung der Vorstadt lassen sich gut nachvollziehen und die Silhouette erinnert immer noch an die Ansicht auf dem Kupferstich von Matthäus Merian.

Linke Seite: Eppingens "Alte Universität" in der heute das Stadt- und Fachwerkmuseum untergebracht ist Rechte Seite: Stahlskulptur von Rüdiger Seidt mit Blick auf die Fachwerkstadt Eppingen und das im Entstehen befindliche Gartenschaugelände Fotos: Konrad Plank © Stadt- und Fachwerkmuseum „Alte Universität“

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Die "Alte Universität", in der heute das Stadt- und Fachwerkmuseum untergebracht ist, ist mit einer Höhe von 22 m und sechs Geschossen das mächtigste Haus im Zentrum der historischen Altstadt. Der Name des Gebäudes erinnert an eine Begebenheit aus dem Jahr 1564, als in Heidelberg die Pest grassierte und ein Teil der Universität für wenige Wochen nach Eppingen verlegt wurde. Der oberdeutsche Fachwerkbau, erbaut kurz nach der Entdeckung Amerikas, stammt aus dem Jahr 1495 und gehört mit seinen Spitzbogenfenstern und der von massiven Eichenpfeilern getragenen Konstruktion zu den herausragendsten Fachwerkbauten der Region. Nach ersten Fachwerkfreilegungs- und Instandsetzungsmaßnahmen um 1950 erwarb die Stadt nach und nach die Eigentumsrechte, um das imposante Architekturdenkmal durch eine Generalsanierung zu erhalten. Schon damals wurde im Erdgeschoss eine erste Heimatstube eingerichtet, ein Vorläufer des heutigen Museums, das sich schnell zum kulturellen Zentrum der historischen Altstadt entwickelte und heute mit über 800 m2 Ausstellungsfläche das kulturelle Erbe der Stadt bewahrt und für Bürger und Besucher erlebbar macht. Auch wenn das Haus als Mehrspartenhaus in der Schulstadt Eppingen bewusst verschiedene Bereiche abdeckt, gibt es doch zwei deutliche Schwerpunkte in der ständigen Sammlung: Die Entwicklung der Stadt und die Geschichte des Fachwerkbaus. Diesen beiden Themen sind einzelne Stockwerke gewidmet. Chronologisch wird die Stadthistorie mit Funden wie einem Mammutstoßzahn, bandkeramischen Gefäßen, Bronzebeilen, römischer Keramik und alemannischen Langschwertern von den Anfängen der Besiedlung bis zur wohlhabenden Fachwerkstadt erzählt. Den „Eppinger Linien“, erbaut vor 300 Jahren im pfälzischen Erbfolgekrieg, ist eine besondere Inszenierung mit einem kleinen Wäldchen gewidmet. Das unüberwindbare Bollwerk errichtet gegen die Armeen Ludwigs XIV. unter dem gefürchteten General Melac sorgte schließlich für ein Ende des Schreckens. Heute führt ein premiumzertifizierter Wanderweg von Eppingen entlang des ehemaligen Wallund Grabensystems über Maulbronn bis Pforzheim, vorbei an Rekonstruktionen einer Chartaque und künstlerischen

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Interventionen, die Einblicke in das oft verklärte 17. Jahrhundert geben, denn das Barock war vor allem ein Jahrhundert des Krieges, der Armut und der Seuchen. Erstaunlich ist die hohe Zahl der gut erhaltenen Fachwerkbauten in Eppingen, was nicht nur zeigt, dass die Stadt von Kriegen weitgehend verschont blieb, sondern auch vor größeren Brandkataststrophen. Wenn man bedenkt, dass zum Bau jedes einzelnen Fachwerkhauses zwischen 80 und 300 Bäume notwendig sind, steht einem die Gefährdung noch deutlicher vor Augen. Der Wald mit seinen großen Eichenbeständen war deshalb über viele Jahrhunderte Quelle des Wohlstands der Stadt, die heute noch die zweitwaldreichste Kommune im Regierungsbezirk Stuttgart ist.

In der Abteilung zur Geschichte des Fachwerks wird die Entstehung des frühen Holzbaus von den Pfahlbauten bis zum Fachwerkhaus anhand zahlreicher Modellrekonstruktionen, Werkzeugen und einer Vielzahl von Originalstücken überregional dargestellt und ausführlich erzählt. Die gesamte Altstadt steht längst unter Denkmalschutz und hier finden sich einige der bemerkenswertesten Häuser Süddeutschlands. Allen voran das sogenannte „Baumannsche Haus“, das zu den drei schönsten Bürgerhäusern zwischen Schwarzwald und Odenwald zählt und jüngst mit einer Sondermarke der Deutsch Bundespost geehrt wurde. Natürlich gibt es in der "Alten Universität" und dem angrenzenden und einbezogenen kleinen Baumannschen Haus noch viel mehr zu entdecken, wie zum Beispiel


die Werkstatt und das Motorrad des Artisten und Tüftlers Günther Bossert, der einst den Motorrad-Salto-Mortale erfand oder den gut erhaltenen Kolonialwarenladen Morlock, der das komplette verfügbare Angebot eines vorindustriellen bäuerlichen Lebens präsentiert, von Sauerkraut und Suppensternchen bis zu Kaffee und Kernseife. All dies lässt sich Dank des neuen Audioguides an zahlreichen Stationen auch digital erleben – nicht nur in Deutsch, sondern ebenso in Englisch oder Französisch, was für die Besucher aus den Partnerstädten oder den Nachfahren, der im 19. Jahrhundert nach Übersee ausgewanderten Familien, eine wichtige Bereicherung darstellt. Und auch an die jüngsten Besucher ist gedacht, die sich mit einem Pappköfferchen auf eine Reise durch das Haus machen können. Überall gibt es Mitmach-Stationen, etwas Besonderes zu entdecken, Rätsel zu lösen oder Bildkarten einzusammeln. Ein Museum lebt natürlich nicht von den ständigen Sammlungen allein, sondern beweist seine Lebendigkeit in wechselnden Ausstellungen und Aktionen. So findet in diesem Jahr während der Sommermonate das Künstlerfahnenfestival zwischen Pfeifferturm und Museum bereits zum 25. Mal statt. Zehn jeweils 12 m2 große Flaggen werden jährlich von einem Künstler gestaltet und laden zur begleitenden Ausstellung in der großen Halle der "Alten Universität" ein.

Daneben gibt es Ausstellungen zu kulturhistorischen Themen, zur Gegenwartskunst und alle drei Jahre eine große KinderMitmach-Ausstellung.

Linke Seite, oben: Schanzkörbe bilden das Tor zum kleinen Waldstückchen im Museum, das die „Eppinger Linien“ behandelt Linke Seite, unten: In zahlreichen Modellen wird die Geschichte des Fachwerkbaus erzählt Rechte Seite, oben: Der Motorrad-Salto-Mortale ist eine Erfindung des Eppinger Tüftlers und Sportlers Günther Bossert Rechte Seite, oben: „Stadt im Mittelalter“ – eine Inszenierung zum Spielen und Entdecken für Groß und Klein Fotos: Konrad Plank © Stadt- und Fachwerkmuseum „Alte Universität“

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2021 sollte ein ganz besonderes Jahr für Eppingen werden, das sich herausputzte für eine Gartenschau, die auch die Schönheit der alten Reichsstadt wieder besonders leuchten lässt. Alles ist nun bereit – das Museum zeigt im öffentlichen Raum über 30 große Skulpturen von Karl-Henning Seemann, Guido Messer, Gunther Stilling und Rüdiger Seidt – doch die Pandemie machte einen Strich durch die Rechnung. Die Gartenschau wird auf das kommende Jahr verschoben. Dann gibt es zwischen Mai und Oktober auf dem Parkgelände zahlreiche Veranstaltungen und auch ein Steinbildhauersymposium mit vier Künstlern aus England, Frankreich, Ungarn und Deutschland, aus den Regionen, mit denen die Stadt Partnerschaften unterhält, bei denen sich miterleben lässt, wie aus einem Sandsteinblock eine Skulptur entsteht. Und in einem temporär als Galerie genutzten Haus am Pfeiffertum wird mit „Aus die Maus?“ die Geschichte der Mausefalle vom Mittelalter bis zur Gegenwart erzählt, die mit den zahlreichen Würge-, Quetsch-, Schafott- und Massenfallen viele Parallelen zur Geschichte des menschlichen Strafvollzugs und Hinrichtungspraktiken aufzeigt. Aber auch in diesem Jahr gibt es natürlich viel zu erleben in dem einst ummauerten Altstadtrund, wie etwa die begehbaren Kulturdenkmäler. Besondere Häuser, Tür-

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me oder technische Einrichtungen, die vom Museum mit einer Dauerausstellung versehen wurden, wie der Pfeifferturm mit der Schau „Hier ist bös sein“ zur Geschichte des Strafvollzugs, das Jordanbad, einem jüdischen Ritualbad mit der Darstellung des jüdischen Lebens vor Ort oder das Stellwerk West zur Geschichte der Eisenbahn. Und wem das noch nicht reicht, der kann noch viel mehr entdecken, denn Eppingen besteht neben der Kernstadt aus sechs Teilgemeinden, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Vor Ort gibt es dort deshalb je eine Museumsdependance, die diese Besonderheiten thematisieren: Das Steinhauermuseum in Mühlbach, in dem in diesem Jahr eine Werkschau des Bildhauers Guido Messer gezeigt wird, das Bauernmuseum in Richen, das Tabakmuseum in Elsenz und das Weinbaumuseum in Kleingartach. Eine Reise in den Kraichgau ist immer eine Entdeckungsreise und wird mit einem Besuch des Stadt- und Fachwerkmuseums "Alte Universität" im Herzen der Stadt auch zu einer spannenden Reise in die Vergangenheit.

Oben: Künstlerfahnen von Susanna Taras in der historischen Altstadt. Foto: Konrad Plank © Stadt- und Fachwerkmuseum "Alte Universität"

AUDIOGUIDE STADT- UND FACHWERKMUSEUM "ALTE UNIVERSITÄT"

www.museum.de/m/3864

Stadt- und Fachwerkmuseum "Alte Universität" Marktplatz 1-5 75031 Eppingen Tel. 07262 - 920 - 1151 rathaus@eppingen.de www.eppingen.de/freizeit/museen/stadtund-fachwerkmuseum-alte-universitaet


Horizont erweitern war gestern. Erweitern Sie Ihre Realität! Mit der PilkingtonAR App können Sie der Pumpeninstallation im Deutschen Bergbau-Museum Bochum einen virtuellen Besuch abstatten. Laden Sie sich dazu einfach die PilkingtonAR App aus dem App Store oder dem Google Play Store herunter und starten Sie die Anwendung. Sie können sich die Pumpeninstallation ins heimische Wohnzimmer, auf den Schreibtisch oder in den Garten stellen, skalieren und begehen. Es warten viele spannende Infos auf Sie!

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Haben Sie Fragen oder Anregungen? Schreiben Sie uns eine Email: marketingDE@nsg.com Pilkington Deutschland AG | www.pilkington.de


Deutsches Kameramuseum in Plech: Das Mekka für Photographica-Sammler 2021 besteht das Museum zehn Jahre – Auch in Corona-Zeiten sehr aktiv Autor: Kurt Tauber

PLECH - Nach außen hin ist es in den Corona-Monaten etwas ruhig um das Deutsche Kameramuseum in Plech geworden. Doch das täuscht: Die Arbeit ging – auch ohne Publikum – sehr intensiv weiter: Beispielsweise musste man zwei Großspenden mit Hunderten an Exponaten aufarbeiten, katalogisieren und in den Bestand integrieren und ein professioneller Audioguide mit 37 Stationen wurde erstellt. Fernsehproduktionen für ARD und RTL wurden mit rund 200 zeitgenössischen Foto- und Filmgeräten ausgestattet. Übrigens, wegen Corona geht das bisher etwas unter: Das Plecher Museum – im Dezember 2011 eröffnet und Pfingsten 2012 eingeweiht – wird in diesem Jahr zehn Jahre alt. Die Anfänge der „Sammlung Kurt Tauber“ liegen aber 30 Jahre davor. Über 20.000 Exponate im Bestand Die weit über 20.000 Exponate gehören der 2008 gegründeten gemeinnützigen fiduziarischen „Stiftung Kameramuseum Kurt Tauber“ (in der Verwaltung der Marktgemeinde Plech), die Räume werden von der Gemeinde im Plecher Schulhaus zur Verfügung gestellt, weitere öffentliche Zuschüsse für den Unterhalt und Betrieb erhält das Museum nicht. Den Betrieb verantwortet der gemeinnützige „Förderverein Deutsches Kameramuseum in Plech e.V.“, dem derzeit über 50 Mitglieder aus der ganzen Bundesrepublik angehören und dem praktischerweise der Erste Bürgermeister der Marktgemeinde, Karlheinz Escher, vorsteht. Bereits 2014 erhielt das Museum einen Kulturpreis des Landkreises Bayreuth. Museumsgründer und -leiter Kurt Tauber (Jahrgang 1951), dessen private Sammlung 2008 den Grundstock des Museums bildete – der Rest kam inzwischen als

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Spende oder Zustiftung aus ganz Europa – koordiniert von seiner Privatwohnung in Pegnitz aus (dem sogenannten Museumsbüro) den Betrieb. Der ehemalige Lokaljournalist, Fotograf, Autor und Galerist betreut den Internetauftritt (einen der weltweit größten auf die-


sem Gebiet mit über 4.000 Seiten und fast 30.000 Dateien), sorgt für die Pressearbeit und hält Kontakt zu internationalen Sammlern und Fotografen, die wiederum mit ihrer Arbeit das Museum unterstützen. Ein harter Kern von etwa zehn Mitgliedern aus ganz Nordbayern teilt sich in die tagesaktuelle Museumsarbeit von der Katalogisierung der Exponate bis zur Sicherstellung der Öffnungszeiten (sonntags 11 bis 17 Uhr) sowie extra vereinbarter Gruppenführungen außerhalb der Öffnungszeiten. Vier Wochen Arbeitsdienst am Stück Mehrere der auswärts wohnenden Mitglieder und Helfer kommen mehrmals im Jahr zum „freiwilligen Arbeitsdienst“ nach Plech, quartieren sich im Gasthaus oder in einer Ferienwohnung ein und arbeiten bis zu vier Wochen von früh bis spät im Museum, um etwa beim Dachausbau Geld zu sparen oder die umfangreiche Bibliothek in Ordnung zu halten.

Wolfgang Kreib, ein fotobegeisterter Rentner aus Bremen – um nur ein Beispiel zu nennen – absolviert dieses etwas andere Urlaubsprogramm schon seit zehn Jahren und das drei- bis viermal pro Jahr. Das Deutsche Kameramuseum in Plech ist nach Meinung von vielen Besuchern und Fachleuten – zum Beispiel vom renommierten (Sammler-) „Club Daguerre“ – derzeit wohl die bedeutendste Einrichtung dieser Art in der Bundesrepublik, was Zahl und Vielseitigkeit der ausgestellten Exponate angeht. Mit alleine über 2.000 gleichzeitig präsentierten Fotokameras übertrifft das Plecher Museum sogar die Fotoabteilung des Deutschen Museums in München. Das Plecher Museum ist übrigens barrierefrei zugänglich und besitzt neuerdings einen modernen Audioguide mit 37 Stationen. Die Polizei, dein Freund und Spender Vor einigen Monaten hat das Museum von einer Polizeiinspektion in Niedersachsen auf einen Schlag 70 ausgemusterte Nikon-Spiegelreflexkameras und viele weitere

Fotogeräte kostenlos übereignet bekommen. Ein Team aus Andy Wolf, Thomas Wanka, Holger Grzimek, Wolfgang Schanderl und Ulli Möller hat Coronakonform die Polizeikameras gesichtet und sortiert. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen – will heißen, die doppelt vorhandenen Apparate wurden mit Einverständnis der Spender an Sammler verkauft, um den Museumsbetrieb finanzieren zu können. 150 DDR-Dia- und Filmprojektoren Vor mittlerweile einem Jahr brachte ein Ehepaar aus Magdeburg mit einem eigens angemieteten Kleintransporter, der bis unters Dach beladen war, ungefähr 150 Diaprojektoren aus der früheren DDR nach Plech – die umfangreiche Sammlung des verstorbenen Vaters der Spenderin. Jetzt, wo das Museum ohnehin aufgrund von Corona (und dann aufgrund der Winterpause) geschlossen war, übernahm Wolfgang Schanderl die Sisyphus-Aufgabe, diese Neuzugänge sowie mindestens so viele Diaprojektoren aus dem Altbestand zu sortieren, zu kontrollieren, zu fotografieren und zu katalogisieren.

Foto: Schier unglaubliche 40.000 Bilder schafft die Zeitlupenkamera Pentacon Pentazet 35 LZ 1 aus der früheren DDR pro Sekunde – nicht etwa pro Stunde oder Minute! Allerdings sind die Aufnahmen auf 35-mmKinofilm winzig klein und können nur mit einem speziellen Betrachtungsgerät ausgewertet werden. © Kurt Tauber


Ausleihen an TV und Museen „Das Deutsche Kameramuseum hat in der Vergangenheit schon verschiedenen privaten und öffentlich-rechtlichen TVTeams Filmaufnahmen mit zeitgenössischen Fotogeräten als Kulisse ermöglicht“, berichtet stolz Museumsleiter Kurt Tauber. Zum Beispiel wurde an die Kölner Produktionsgesellschaft „Zeitsprung“ Foto- und Filmequipment für Dreharbeiten ausgelie-

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hen. Die TV-Filme „Jack The Ripper“ (Ausstrahlung 2016 auf SAT 1) und im Jahr 2020 „Das weiße Haus am Rhein“ (ARD, Sendung geplant für Winter 2021) wurden so mit jeweils Dutzenden Geräten ausgestattet. Gerade hat man wieder über 100 Exponate herausgesucht und zusammengestellt, um die Dreharbeiten zu einem RTL-Fernsehfilm über Tennislegende Boris Becker authentisch auszustatten, in dem seine Wimbledon-Jahre neu erzählt werden.

Daneben sind derzeit etwa ein Dutzend Exponate aus dem Plecher Museum an große staatliche Museen in Deutschland und an das Lumen-Museum am Kronplatz in den südtiroler Dolomiten ausgeliehen. Riesiges Angebot im Internet Das Deutsche Kameramuseum in Plech existiert nur, ist sich Tauber sicher, weil es seit Mitte der 1990er Jahre einen immer


größer gewordenen Internetauftritt gibt, der auch zu hervorragenden Platzierungen bei Google geführt hat: „So finden potentielle Besucher, interessierte Medien und Spender die fränkische Einrichtung. 90 Prozent der Neuzugänge wurden über das Internet angebahnt.“ Inzwischen haben sich (Stand März 2021) folgende Größenordnungen des Web-Projektes „www.kameramuseum.de“ erge-

ben: gut 29.000 Dateien insgesamt mit einer Gesamtgröße von 2,3 Gigabyte online; davon 16.000 Bilder (rund zwei GB); 98.000 Hyperlinks (davon 8.700 externe Links auf fremde Seiten) und rund 89.300 interne Hyperlinks (Links, die auf andere eigene Seiten verweisen). Die Besucherstatistik weist für das Jahr 2020 täglich 40.000 bis 65.000 einzelne Besucher mit 175.000 bis 225.000 verschiedenen Seitenaufrufen aus – ebenfalls pro Tag.

Fotos: Das Deutsche Kameramuseum verfügt über eine riesige Sammlung an Foto- und Filmgeräten – alleine 7.000 Fotokameras (Bild links ein kleiner Vorgeschmack) und wie man jetzt weiß - über 800 Diaprojektoren (einige Beispiele rechts). Die Coronabedingte Zwangsschließung nutzte man intensiv zur Katalogisierung der Bestände

Besondere „Schmankerl“ Doch auch das reale Museum hat für Amateure und Profis, für Fachbesucher wie für weniger Interessierte Omas, Mütter und

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Oben: Das größte Exponat im Museum – vom Fotoladen einmal abgesehen – ist eine betagte Reprokamera des Leipziger Herstellers Falz & Werner. Das hölzerne Monstrum ist 4,40 Meter lang und weist ein Negativformat von 70 x 70 cm auf. Die original erhaltenen Kohlebogenlampen sind die Besonderheit des an und für sich schon beeindruckenden Kamera-Riesen Mitte: Kamerasammler Kurt Tauber lachte sich dieses Fotogeschäft aus Ostfriesland schon an, als er noch gar nicht wusste, ob er jemals seine Museumspläne verwirklichen könne. Jahrelang waren die Möbel aus den 1950er-Jahren und die Dekorationen in einer Firma eingelagert bis sie 2008 ins künftige Deutsche Kameramuseum „übersiedelten“ und dort wieder zu einem richtigen Laden zusammengebaut wurden Links unten: Das Plecher Museum ist im Obergeschoss der örtlichen Grundschule untergebracht und ist seit einigen Jahren auch für Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte mittels einen Außenaufzugs barrierefrei zu erreichen. Direkt vor dem Gebäude gibt es reichlich kostenlose Parkplätze, auch für Omnibusse und Wohnmobile Rechts unten: Das Deutsche Kameramuseum präsentiert in seiner Dauerausstellung von Fotoapparaten aus aller Herren Länder, geordnet in einer Zeitschiene oder nach Herstellern, ständig mehr als 2.000 Kameras Alle Fotos: © Kurt Tauber

Kinder im Schlepptau des sammelwütigen Fotografen so Einiges zu bieten, was nicht jedes Museum hat. Natürlich sind – wie in jedem Museum schon alleine aus Platzgründen – längst nicht alle der Exponate ausgestellt oder zugänglich.

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Einige Höhepunkte: • Insgesamt mehr als 20.000 Exponate, darunter rund 6.000 Fotokameras (davon alleine 1.500 verschiedene Pocketkameras) und Hunderte Filmkameras • Hölzerne Riesen-Reprokamera Falz & Werner (4,40 Meter Länge, Negativformat 70 x 70 cm, Baujahr etwa 1928) mit einer antiken Beleuchtung mittels Kohlebogenlampen • Hochgeschwindigkeitskamera Pentacon Pentazet LZ 35 ZL 1 mit bis zu 40.000 Bildern pro Sekunde (!) • Crass-Trickfilmtisch für 35-mm- und 16-mm-Kinofilme (ehemals beim WDR in Köln beheimatet) • Sammlung von Hunderten unterschiedlichsten Diaprojektoren, darunter alleine 100 Leitz-Diaprojektoren (von 1928 bis in die Moderne) • Über 500 Filmkameras (von 35-mmKino- über 16-mm-Reporterkameras bis hin zu Super-8-Geräten)

• Fotolabor aus den 1930er Jahren und jede Menge Laborgeräte aus allen Jahrzehnten • Textarchiv der Nürnberger Firmen Carl Braun (Kameras, Diaprojektoren) sowie Foto-Quelle (Revue) mit über 75 Foto-Quelle-Katalogen, Archiv Till Beck (Nürnberg) • Über 20.000 Original-Bedienungsanleitungen, Tausende Prospekte, Fachbücher, Bildbände und Zeitschriften, DVDs • Komplett rekonstruierter Fotoladen aus den 1950er Jahren (aus Ostfriesland) • Arbeitsplatz aus einer Kamerareparaturwerkstatt in Pforzheim

AUDIOGUIDE DEUTSCHES KAMERAMUSEUM

www.museum.de/m/44239 Auch im Jubiläumsjahr 2021 reißt die Arbeit nicht ab: Zum Beispiel wurde eine Zustiftung von einigen hundert Rollei- Deutsches Kameramuseum® Kameras nebst Objektiven und Zubehör, Schulstraße 8, 91287 Plech *Preise undund Leistungen Leistungen gelten gelten nur beibei Buchung Buchung über kugeleis kugeleis reisen! reisen! Rolleiflexen, Rolleicords und wie *Preise die beTel: 09244 -nur 982 54 99 über * * gehrten Apparate alle heißen, von einem info@kameramuseum.de ab 21,– ab 21,– /3,50 /3,50 SichSich verirren verirren und und seine seine Sinne Sinne neu neu • Bustransfer • Bustransfer MTZ MTZ 49 49 entdecken, entdecken, denndenn IrrenIrren ist menschist mensch• Eintritt • Eintritt (Rundgangdauer (Rundgangdauer ca. ca. privaten Sammler angekündigt … www.kameramuseum.de lich lich und und das auf das 4000qm auf 4000qm und und auf ca. auf ca. 2 Std. 2 Std. auf Wunsch auf Wunsch auchauch mit mit selbst selbst 3,5 3,5 km km Wegenetz Wegenetz an der an der frischen frischen gegrillter gegrillter Wurst Wurst vomvom offenen offenen Feuer) Feuer) LuftLuft in reizvoller in reizvoller Umgebung. Umgebung.

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Linke Seite, oben links: Startseite des Leitsystems mit Besucherguiding, Aussenansicht Klimahaus © Alstermedia Moin GmbH und © Klimahaus® Betriebsgesellschaft mbH, Foto: Voigts Linke Seite, unten: Tablet UI Sprachwahl © Alstermedia Moin GmbH, Foto: Voigts / Pfeifer Rechte Seite: Strand in Samoa © Klimahaus® Betriebsgesellschaft mbH, Foto: Schwarz


Beim Durchwandern der vielfältigen Klimazonen hören und sehen die Besucher Menschen, deren Alltag durch das jeweils vorherrschende Klima stark beeinflusst wird. So entstehen hautnahe audiovisuelle Einblicke in die Klimata der Erde.

GmbH, Norderstedt. Webdesign: Associate Professor Imke Lohmann

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PCs oder in den Ausstellungsbereichen über Tablets. Die individuell gestaltete Benutzeroberfläche bietet direkte Kontrolle und klare Statusanzeige für alle Räume und Geräte.

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Den guten Ton getroffen Siegburger Steinzeug als das „Gold“ der Frühen Neuzeit Autorinnen: Dr. Gundula Caspary und Dr. Marion Roehmer

Das Stadtmuseum Siegburg ist ein Kleinod der Geschichte, Kunst und Kultur. In der ehemaligen Lateinschule am Markt, dem Geburtshaus von Engelbert Humperdinck, zeigt es seit 1990 über vier Etagen die wichtigsten Epochen der Stadt und der Region von der Vorgeschichte bis in die Gegenwart. Eine der wichtigsten Abteilungen widmet sich der Bedeutung des Siegburger Steinzeugs, das die Stadt in Mittelalter und Früher Neuzeit in ganz Europa berühmt machte. Nun erscheint die auf der Basis neuester Erkenntnisse grundlegend neu gestaltete Abteilung in frischem Glanz – genauer gesagt in frischem Grün, der edlen Modefarbe der reichen Bürger und Kaufleute des 16. Jahrhunderts. Zufallsfund Goldgrube Eigentlich waren sie auf der Suche nach Erzen, als die Siegburger im 12. Jahrhundert auf eine Tonader stießen. Auf diesen Ton von extrem seltener Güte, wie er in ganz Europa kaum vorkommt, gründete

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sich die jahrhundertelange Berühmtheit des Siegburger Steinzeugs. Kurz vor 1300 stellten die Siegburger als erste Töpfer Europas Steinzeug her, indem sie die Gefäße bei besonders hohen Temperaturen brannten. Bei über 1200 Grad verschmelzen die Tonbestandteile zu einer glasharten Masse, sie sintern. Dadurch sind die Gefäße bereits nach dem

ersten Brand wasserdicht. Sie verwendeten keine farbigen Glasuren, aber durch den Anflug metallhaltiger Bestandteile aus dem Feuerholz ergab sich beim Brand eine teilweise glänzende Oberfläche. Das Spektrum des Siegburger Steinzeugs ist immens vielfältig und dennoch stilistisch gut einzuordnen. Auf den Märkten Europas war made in Siegburg eine Marke von hoher und beständiger Qualität.


Zunftordnung Schon im Mittelalter waren die Siegburger Töpfer in einer Bruderschaft organisiert. Sie diente vor allem dazu, in Not geratenen Kollegen zu helfen, für Witwen und deren Kinder zu sorgen und sich gegenseitig bei besonderen Arbeiten wie dem Ofenbrand und der Erschließung von Tongruben zu helfen.

Im 15. Jahrhundert wurde die Bruderschaft in eine Zunft umgewandelt, deren Regeln strenger und detaillierter waren. Die Zunftordnung hatte das Ziel, die wirtschaftliche Stellung der Töpfer zu verbessern und die Qualitätssicherung und den Verkauf verlässlich und langfristig gewährleisten zu können. Sie wurde vom Siegburger Abt rechtskräftig erlassen, Regelverstöße konnten von nun an vor

dem Schöffengericht verhandelt werden. Mehrere Fassungen des Siegburger Zunftbriefes (zwischen 1516 und 1706) sind erhalten, aber nur wenige Bestimmungen wurden darin verändert oder aktualisiert. Er war auch ein Regulativ zur Eigenkontrolle der Zunftbrüder, die alle den gleichen Wettbewerbsbedingungen unterliegen sollten. Darin wurde u.a. festgelegt, welche Gefäßtypen und -größen hergestellt, zu welchen Preisen sie verkauft, wie viele Öfen im Jahr gebrannt werden durften; sowie der Umgang mit Werkleuten, die Entgelte und die Beschäftigungsverhältnisse für Hilfsarbeiter; und dass die Witwen den Betrieb ihrer verstorbenen Männer gleichberechtigt übernahmen und die Söhne als Lehrlinge in der Werkstatt des Vaters lernten – nicht unbedingt jedem Knaben schmeckte diese berufliche Verpflichtung. Niemand sollte Oben: Abteilung Linke Seite, unten: Tonwand Rechte Seite, unten: Zunftbrief Fotos: © Stadtmuseum Siegburg

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bei Kerzenschein arbeiten, und zwischen St. Martin und Aschermittwoch sollte die Arbeit komplett ruhen. Die Strafen bei Zuwiderhandlungen waren genau festgelegt. Alle Meister mussten sich mit ihrem Siegel unter der Urkunde zur Einhaltung der Regeln verpflichten. Die Werkstatt Die Zunftmeister gaben für alle Werkstätten die Gefäßtypen vor, ungewöhnliche Gefäße oder solche von abweichender Größe zu machen, war verboten, es sei denn, es handelte sich um Auftragsarbeiten. Dadurch wurden große Mengen an Gefäßen hergestellt, die nicht nur gleich aussahen, sondern auch gleich groß waren. Die Kunden wussten also beim Kauf eines Gefäßes, wieviel hineinpasst. Entsprechend konnten Großabnehmer aus Adel, Klerus und Bürgertum unbesehen große Mengen an Gefäßen bestellen, die sie zur Verteilung von feststehenden gleichen Portionen wie flüssigem Brei, Bier oder Wein nutzen konnten. Noch heute richten sich unsere gängigen Flaschengrößen nach den Maßeinheiten, die im Siegburger Zunftbrief festgeschrieben sind. Die Siegburger drehten auf der Nabe eines einfachen Wagenrades. Einmal in Schwung gebracht, konnte der Dreher im Akkord viele gleichförmige Krüge

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hintereinander drehen. Waren sie lederhart getrocknet, wurden sie zu hunderten, in größeren Öfen gar zu tausenden gestapelt und gebrannt. Zehn Tage und Nächste lang wachten die Töpfer über den Brand eines Ofens – das Gelingen dieses Prozesses entschied über Wohl und Weh wochenlanger Arbeit. Am Ende eines Jahres waren gut und gerne an die 20 - 30.000 Krüge pro Werkstatt entstanden. Ausschuss wurde nicht etwa als zweite Wahl verkauft, sondern auf dem Scherbenhügel entsorgt. Nur beste Ware kam auf den Markt. Die Kunst der Auflagen Im ausgehenden 15. Jahrhundert entwickelte sich die Auflagentechnik, mit der die Siegburger ihre Krüge aufs Feinste verzierten – sie dienten den Käufern als Ausdruck ihrer gesellschaftlichen Stellung oder Einstellung und als Stoff für Tischgespräche. Zunächst schnitt der Formenschneider ein Model nach Motivvorlagen aus der Bibel oder von anderen Zeichnungen. In diese Negativmodel wurde nasser weicher Ton gedrückt, die Auflagen für die Gefäße. Diese Auflagen mit Wappen oder religiösen Szenen zierten vor allem im 16. Jahrhundert Trichterhalsbecher und – formatfüllend – die sogenannten Siegburger Schnellen. Es bedurfte großen handwerklichen Geschicks, die Matrizen

ohne Lufteinschlüsse und ohne Beschädigung der filigranen, detailreichen Motive auf die Krüge aufzubringen. In der Regel war dies die Aufgabe der Frauen, die sie im Akkord leisteten. In der Zeit der Reformation zierten auch ketzerische Motive einzelne Gefäße, die von Anhängern des neuen Glaubens in Auftrag gegeben worden waren. Linke Seite, oben: Werkstatt Linke Seite, unten: Interimsschnelle Rechte Seite: Schnelle Jael Fotos: © Stadtmuseum Siegburg


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Auftragsarbeiten © Stadtmuseum Siegburg

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Auftragsarbeiten Die Zunftmeister überwachten die Qualität der Ware und die Zahl der für jede Werkstatt festgelegten Ofenbrände. Lediglich speziell in Auftrag gegebene Sonderarbeiten waren von den Zunftbestimmungen ausgenommen. Sie konnten zu jeder Zeit in jeder Menge und Gefäßform je nach Auftrag hergestellt werden. Unter den nachweisbaren Auftraggebern finden sich neben Fürsten und adligen Herren auch Äbte, reiche Bürger und Bruderschaften. Die Auftraggeber wählten die für ihre Zwecke geeignete Form und bestellten davon meist mehrere hundert oder auch etliche tausend zugleich. Damit statteten sie ihre Burgbesatzung oder Klosterbrüder, Laien, Pilger und Gäste mit normierten Krügen aus. Auch Städte kauften in Großaufträgen beträchtliche Mengen an gleichen Krügen zur Verpflegung der Mittellosen und Hausarmen in Hospitälern oder Gasthäusern. Bei den gleichförmigen Gefäßen konnte jeder Empfänger sicher sein, dieselbe Ration zu bekommen, und die ausgeschenkten Mengen konnten einfach kontrolliert werden. Seit dem 16. Jahrhundert gab es zusätzlich Bestellungen von Städten für mehrere hundert gleiche Krüge mit ihrem Wappen. Sie wurden an verdiente Beamte oder an auswärtige Gesandte verschenkt. Aber auch individuelle Gefäße wurden als Auftragsarbeiten angefertigt. Sie waren grundsätzlich doppelt so teuer wie ein vorgefertigtes Gefäß, weil hierfür nach Vorgabe eigens ein neues Model vom Formenschneider angefertigt werden

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musste. Sehr häufig handelte es sich um Wappen mit erläuternder Umschrift und Jahreszahl, gelegentlich aber auch um religiöse Motive. Diese einzigartigen Gefäße dienten bei festlichen Tafeln als identitätsstiftender Mittelpunkt oder wurden als kostbare Geschenke weitergereicht.

tum Berg und der lokale Handel in der näheren Umgebung, womit sie meist befreundete Kölner Kaufleute beauftragten. Mit dem Dreißigjährigen Krieg brachen die Handelswege und europäischen Märkte zusammen. Es war der Anfang vom Ende des berühmten Siegburger Steinzeugs.

Handel Das Mittelalter kannte keinen freien Warenfluss. Der jeweilige Stadt- oder Landesherr erließ für die Handwerker Bestimmungen, in welchen Gebieten und auf welchen Märkten sie ihre Ware anbieten konnten. Im Falle der Siegburger Töpfer hatte eine zu Beginn der Töpferei im großen Stil getroffene Abmachung zwischen dem Erzbischof von Köln und den Stadtvögten von Siegburg, den Grafen von Berg, die Grundstruktur des Steinzeug-Handels für alle Zeiten festgelegt, die auch in den Zunftbriefen wiederholt wurde. Die Siegburger Töpfer und ihre Frauen sollten ihre Ware nicht selbst in Köln auf dem Markt verkaufen, sondern die Kölner Kaufleute als Zwischenhändler waren verpflichtet, die Ware in den Töpfereien auf eigene Kosten und Risiko gegen sofortige Bezahlung abzuholen. Im Gegenzug bekamen die Kölner Kaufleute den Exklusivhandel mit Siegburger Steinzeug entlang des Rheines südlich von Düsseldorf und nördlich von Andernach. Den Siegburger Töpfern blieb der Fernhandel den Rhein hinauf, nach Norddeutschland, in die Niederlande und auf die Messen nach Frankfurt und Hamburg, sowie der regionale Handel im Herzog-

Oben: Wand – Weltkarte mit Kiepe, Wagen und Kogge Foto: © Stadtmuseum Siegburg

Stadtmuseum Siegburg Markt 46 53721 Siegburg Tel. 02241 - 102 7410 stadtmuseum@siegburg.de www.stadtmuseum-siegburg.de

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Zeitgemäßes Ticketing und Zutrittsmanagement für Museen – Die Public Ticket Solution Die All-in-One-Lösung für digitale Herausforderungen. Autorin: Franziska Noack

Die Welt der Museen und Attraktionen sieht sich unter dem Eindruck der Digitalisierung einem weitreichenden Wandel unterzogen. Nicht zuletzt hat uns die aktuelle Covid-19-Pandemie vor Augen geführt, welche Bedeutung die Digitalisierung für diese Einrichtungen spielt. Allen voran nimmt hierbei das Thema Besuchermanagement eine zentrale Rolle ein. Die Erhebung von Daten zum Besucheraufkommen sowie deren Auswertung sind wertvolle Instrumente, um das Besucherund Zutrittsmanagement zu steuern. Der Prozess der Digitalisierung ist unumkehrbar und beeinflusst sowohl Museen und Attraktionen aber auch deren Besucher*innen. Digitale Kaufangebote für Tickets, die Nutzung von mobile Ticketing und der reibungslose Zutritt zu Attraktionen sind nur einige Beispiele für Veränderungen des Besucher*innenverhaltens. Umso wichtiger ist es, den Einrichtungen ein verlässliches Ticketing- und Management-System an die Hand zu geben, mit dem nicht nur das Besuchermanagement gesteuert werden kann, sondern auch eine personalisierte und automatisierte Ansprache ihrer Besucher*innen gewährleistet werden kann. Eine Ticketing-Lösung entwickelt von Destinationsexperten Die Berlin Tourismus und Kongress GmbH (visitBerlin) als verlässlicher Partner für Freizeit- und Kultureinrichtungen in Berlin hat die Anforderungen der schnell voranschreitenden Digitalisierung erkannt und eine Antwort auf sie gefunden. Mit der Public Ticket Solution (PTS) hat sie eine innovative Lösung entwickelt, mit der sie den kulturellen Einrichtungen ein neuartiges Buchungs- und Einlassmanagement anbieten kann. Zudem ermöglicht diese Innovation die Erschließung neuer Vertriebswege.

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Bereits durch das Angebot eines Online-Buchungstools konnten die Einrichtungen während der Pandemie unterstützt werden. „Zusammen mit unserer eigens entwickelten Zutrittstechnologie zur Validierung von Tickets, wurde das PTS geboren und zu einem Buchungssystem entwickelt, das es so in der Form mit seinen vielfältigen Möglichkeiten und Reportings auf dem Markt nicht gibt“, berichtet Matthias Goeze, Chief Commercial Officer bei visitBerlin.

gust 2020 das PTS-System: „Zu Beginn der Corona-Pandemie konnten wir eine Online-Ticketing-Lösung mit PTS sehr schnell und zuverlässig umsetzen. Das System ist äußerst nutzerfreundlich und funktioniert prima - wir können es nur empfehlen“ so Tiziana Zugaro, Leiterin Öffentlichkeitsarbeit Stiftung Deutsches Technik Museum Berlins. Darüber hinaus besteht das Ziel, das System nunmehr auch bundesweit anzubieten.

Zudem führte die Expertise und Erfahrung der Destinationsmarketing- und Management-Organisation sowie die Lust, Veränderungen positiv zu entwickeln, dazu, dass das Buchungs- und Einlasssystem kontinuierlich optimiert wurde und dabei die Bedürfnisse von Museen und deren Besucher*innen in den Fokus rückte.

Funktionsweise und Aufbau der Public Ticket Solution

Der erste Kunde konnte bereits 2020 in der zweiten Jahreshälfte erfolgreich angebunden werden. Die Stiftung Deutsches Technik Museum in Berlin nutzt seit Au-

Das PTS-System ist eine Antwort auf die digitalen Anforderungen der kulturellen Einrichtungen und Museen im Bereich Ticketing, Einlassmanagement und datenbasierte Analyse des Besucheraufkommens und Vertriebswegen. Die Möglichkeit, neue (weltweite) Vertriebswege und Besuchergruppen zu erschließen, ist außerdem ein bedeutender Bestandteil.


Anzeige Das System ist in drei Module aufgebaut: Das Online-Buchungstool bietet den Einrichtungen eine White-Label-Buchungsstrecke, mit der die Einrichtungen ihre Eintrittstickets über ihre eigene Webseite und im eigenen Design anbieten und verkaufen können. Da der gesamte Buchungsprozess auf der Webseite der Einrichtung abgewickelt wird, liegen die Daten und das Tracking des Kaufprozesses in den Händen der Einrichtungen. Über das Buchungstool können umfangreiche Buchungs- und Besucherstatistiken abgerufen werden. In einem Back-End können außerdem die Produkte eigenständig von den Einrichtungen verwaltet werden. Neben dem umfassenden Buchungstool bietet das PTS ein zeitgemäßes und kontaktloses Zutrittsmanagement. Die Funktionsweise ist so, dass das PTS einen Validierungscode für alle Tickets generiert und somit der Umtausch von Fremdtickets wegfällt. Dabei spielt es keine Rolle, über welchen Verkaufskanal die Besucher*innen das Ticket gekauft haben. Jedes Ticket, auf dem ein Code aus dem PTS gedruckt wird, kann direkt vor Ort gescannt und validiert werden. Durch die Anbindung an das hauseigene Kassensystem ermöglicht das PTS die Pflege von Verfügbarkeiten und Kontingenten aus einem System heraus. „Dadurch reduzieren die Einrichtungen ihren Verwaltungsaufwand erheblich“, führt Matthias Goeze eines der Vorteile des Systems auf. Im Zutrittsmanagement erhalten die Einrichtungen außerdem uneingeschränkten Zugang zum Dashboard, in dem sowohl Live-Daten zum Besucheraufkommen als auch Marketing- und Nutzungsdaten zur Verfügung gestellt und jederzeit abgeru-

fen werden können. Mit diesen wertvollen Daten haben die Einrichtungen die Möglichkeit, ihre Vertriebsaktivitäten zu optimieren. Ein weiterer Baustein, durch den kulturelle Einrichtungen und Museen eigene Vertriebswege weltweit ausbauen können, ist das PTS Channel-Management. Dieses bietet eine Anbindung an mehr als 30 weltweite Vertriebsplattformen wie Musement, Get Your Guide oder Viator. „Kulturinteressierte kommen aufgrund der derzeitigen Situation zwar eher aus der eigenen Region oder aus Deutschland“, so Matthias Goeze, „aber in Zukunft sicherlich wieder verstärkt aus allen Teilen der Welt und interessieren sich auch nicht nur für die großen Häuser, sondern auch für spezialisierte und kleinere Museen, in denen authentische Erlebnisse vermittelt werden.“ Genauso wie beim Buchungstool für den Online-Verkauf der Tickets über die eigene Webseite wird den Einrichtungen ein Back-End zur Verfügung gestellt, in dem sie die Vertriebskanäle steuern können.

le vor Ort und können sich jederzeit an uns wenden, sobald Fragen oder Probleme auftreten“, betont Matthias Goeze. Durch das umfangreiche Statistiktool erhalten die Einrichtungen wertvolle Daten zu Ticketverkäufen, soziogeographische Daten von Nutzer*innen sowie die Performance der Vertriebswege. Mit unserer Lösung behalten Sie in Ihrer Einrichtung die volle Kontrolle l Vollintegriertes Buchungstool für Ihre Webseite l Zeitgemäßes und kontaktloses Zu tritts- und Besuchermanagement l Kein Umtausch mehr von Fremd vouchern l Statistiktool mit umfangreichen Daten zu Nutzerverhalten, Besucheraufkom men, sozio-geographische Daten von Nutzer* innen, Buchungsstatistiken und Performance von Vertriebswegen l DSGVO-konforme Datenerhebung und Datenexport für Reportings und Auswertungen

Alles aus einer Hand

Linke Seite: James-Simon-Galerie in Berlin – Symbolbild © David Chipperfield Architects, Foto: Ute Zscharnt Rechte Seite, oben: Die Online Buchungsstrecke des PTS am Bsp. der Stiftung Deutsches Technik Museum Unten: Das Dashboard des Zutrittsmanagements Fotos: © placeit.net

Die Public Ticket Solution bietet alles, was für ein erfolgreiches Ticketing in Zeiten der Digitalisierung notwendig ist. Mit dem Buchungstool können die Einrichtungen ihre Eintrittstickets bequem online, auch als Zeitfenstertickets, verkaufen. Hierdurch können Kund*innen bereits in der Planungsphase einer Reise erreicht werden. Durch das Zutrittsmanagement wird den Einrichtungen ein zeitgemäßes und kontaktloses Besuchermanagement ermöglicht. Der Umtausch von Fremdvouchern gehört hiermit der Vergangenheit an. Zudem können die Einrichtungen ihren Verwaltungsaufwand reduzieren, da sie alles aus einer Hand bekommen. „Die Einrichtungen behalten die volle Kontrol-

Kontakt Wenn Sie Interesse an diesem innovativen Buchungssystem haben, wenden Sie sich jederzeit an Matthias Goeze, Chief Commercial Officer bei visitBerlin, oder Marcus Guhlan, Abteilungsleitung Vertrieb Internet & Projektleiter PTS: info@publicticketsolution.de Weitere Informationen finden Sie auch unter: www.about.visitberlin.de/ public-ticket-solution

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Auf Zeitreise im Landkreis Görlitz Autorin: Anja Köhler

ihrer vollständig erhaltenen Einrichtung ein Tor in die Vergangenheit. Alle Wohnund Wirtschaftsräume sind so gestaltet, als wäre der Bauer mit dem Gesinde auf dem Acker und könnte jeden Augenblick zurückkehren. Die tierischen Bewohner des Hofes verstärken mit ihrem Blöken, Grunzen und Wiehern diesen Eindruck auf ihre Weise. Der Bauerngarten mit seinen nahezu vergessenen Gemüsesorten und würzigen Kräutern erinnert sehr an-

Rund 100 km östlich von Dresden, direkt an der polnischen und tschechischen Grenze gelegen, wartet die Oberlausitz mit viel Natur, Kultur und vor allem spannender Geschichte auf. Die Städte Görlitz, Bautzen und Zittau locken mit Kulturdenkmalen, die ihresgleichen suchen. Der Braunkohletagebau und die zugehörige Kraftwerksstruktur formten eine Landschaft, die von ständigem Wandel gekennzeichnet war und heute vor allem zu Freizeitaktivitäten einlädt. Die Lage im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien eröffnet weitere Perspektiven. Handwerk und Gewerbe prägten die Menschen der Region. Seit 1999 hat es sich die Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH zur Aufgabe gemacht, vor allem die kleinen Museen im ländlichen Raum zu erhalten und weiterzuentwickeln. Gründungsmuseen des Verbundes waren das AckerbürgerMuseum Reichenbach, das Dorfmuseum Markersdorf, das Granitab-

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baumuseum Königshainer Berge und das Schloss Königshain. Unterschiedlicher könnten Museen nicht sein! Jedoch haben sie eines gemeinsam: Der Mensch mit all seinem Handeln steht im Mittelpunkt. Er macht es möglich, Geschichte mit Geschichten zu verknüpfen und auf Spurensuche in der Vergangenheit zu gehen. Museum macht Spaß, und mit der Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH wird dieses Motto Wirklichkeit. Dorfmuseum Markersdorf Die Gründung des Dorfmuseums in Markersdorf geht auf eine Schenkung aus dem Jahr 1988 zurück. Die Eigentümerin überließ den Vierseithof dem Kreis Görlitz mit der Auflage, ein Museum daraus zu machen. In der Folge gründete sich ein Förderverein, der schließlich im Jahr 1992 das Schlesisch-Oberlausitzer Dorfmuseum Markersdorf feierlich eröffnen konnte. In dem etwa 250 Jahre alten Vierseithof öffnet eine Kleinbauernwirtschaft mit


schaulich an seine Aufgabe, den kargen Speisezettel einer kleinbäuerlichen Wirtschaft zu verbessern. In einem umgesetzten Ausgedingehaus ist eine Dorfschule aus der Zeit um 1900 eingerichtet. Hier können Schüler und Jugendliche in einer Schulstunde der besonderen Art erfahren, wie ihre Urgroßeltern schreiben und rechnen lernten.

Linke Seite: Das Wohnhaus begrüßt die Besucher schon von weitem, 2006 Rechte Seite, oben: Aktive Vermittlung von Geschichte fängt bei den Kleinsten an, z.B. mit Wäsche Waschen wie zu Uromas Zeiten, 2012 Rechte Seite, unten: Unterricht wie vor 100 Jahren, 2010 Fotos: © Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH

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AUDIOGUIDE DORFMUSEUM MARKERSDORF

Die Einzigartigkeit des Dorfmuseums Markersdorf begründet sich in der aktiven Vermittlung überlieferter Bräuche und traditioneller Arbeiten in der Landwirtschaft. Deshalb orientieren sich die Veranstaltungen vom Flegeldrusch im Winter bis zum Schlachtfest im Spätherbst am bäuerlichen Jahreslauf. Und eines ist jedem Besucher am Ende des Rundganges klar: Bauernleben vor 100 Jahren war kein Zuckerschlecken!

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Dorfmuseum Markersdorf Kirschstraße 2 02829 Markersdorf Tel. 035829 - 60329

www.museum.de/m/6280


Granitabbaumuseum Königshainer Berge Drei Jahre nach dem Dorfmuseum Markersdorf wurde in der etwa 12 km entfernten Gemeinde Königshain das Granitabbaumuseum Königshainer Berge durch den Heimatverein Königshain und engagierte ehemalige Steinarbeiter gegründet. Linke Seite, oben links: Die Gute Stube zeugt von Geschmack, 2005 Linke Seite, oben rechts: Das Brunnenhaus wurde original getreu wiedererrichtet, 2021 Linke Seite, Kleines Bild Mitte : Stall und Wohnhaus begrenzen den Vierseithof nach Norden, 2021 Linke Seite, unten: Industriekultur und Graffiti gehören zusammen – Eingangsschild zum „Granitabbaumuseum Königshainer Berge“ gestaltet von Kindern und Jugendlichen im Rahmen eines Workshops, 2021 Rechte Seite, oben: Steinmetz Robert Sauermann gibt sein Wissen im Rahmen eines Workshops an Kinder und Jugendliche weiter, 2019 Rechte Seite, unten: Schmied Reinhard Kunitzki unterstützt seit vielen Jahren Museumsveranstaltungen, 2009 Fotos: © Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH

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Inmitten einer reizvollen Landschaft vermittelt das Museum Einblicke in die schweren Arbeits- und Lebensbedingungen der Steinarbeiter in den Königshainer Bergen. Mit viel Liebe zum Detail eingerichtet, erfährt der Interessierte den gesamten Werdegang des Steins vom Bruch bis zur Verarbeitung als Pflaster. Ein zweiter Teil der Dauerausstellung widmet sich der Geologie der Königshainer Berge und erläutert die Entstehung und Besonderheiten des Königshainer Granits. Im Außengelände des Museums sind drei so genannte „Steinmetzbuden“ zu sehen, die mit ihrer Einrichtung die Tätigkeit der Pflastersteinschläger nachvollziehbar und wirklichkeitsnah darstellen. In einem wieder errichteten Gebäude sind Maschinen zur Steinbearbeitung ausgestellt. Der tonnenschwere Luftverdichter im Kompressorenhaus ist ein imposantes technisches Denkmal und lässt den Aufwand erahnen, der für die Versorgung der Steinbrüche mit Druckluft notwendig war.

Linke Seite, oben: Blick in die Dauerausstellung „Die Steinarbeiter in den Königshainer Bergen“, 2017 Linke Seite, unten: Aktive Vermittlung von Geschichte gehört dazu, auch wenn sie manchmal anstrengend ist, 2019 Fotos: © Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH

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Rechte Seite, oben: Der zweistufige Luftverdichter versorgte die Steinbrucharbeiter mit Pressluft, 2009 Rechte Seite, unten links: Pressluftbohrer waren unerlässlich für die Arbeit im Steinbruch, 2020 Rechte Seite, unten rechts: Detail des zweistufigen Luftverdichters, 2012

Granitabbaumuseum Königshainer Berge Dorfstraße 163 b 02829 Königshain Tel. 035826 - 60127


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Oben: Die spätbarocke Anlage besticht durch Zurückhaltung und Schlichtheit, 2020 © Mario Förster Unten, links: Gartenansicht des Barockschlosses, 2020 © Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH Unten, Mitte: Barocke Sichtachsen kennzeichnen die Ausstellungsräume im Schloss Königshain, 2020 © Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH

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Schloss Königshain Die Schlossanlage Königshain ist ein besonderer historischer Schatz in der Oberlausitz. Sie beherbergt drei herrschaftliche Wohnbauten aus unterschiedlichen Epochen auf engstem Raum. Den ältesten Teil des Ensembles bildet der Steinstock, ein Wohnturm aus dem 13./14. Jahrhundert. Gleich daneben befindet sich das Renaissanceschloss, neben dem noch Reste eines Burggrabens erkennbar sind. Im Spätbarock entstand die herrschaftliche Schlossanlage, die in einem zurückhaltenden französischen Stil durch Carl Adolph

Gottlob von Schachmann erbaut wurde. Die zugehörige Parkanlage ist barock geprägt, lässt aber schon den Übergang zu den Landschaftsgärten mit englischem Einfluss erahnen. Bis 2005 Teil des Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbundes, erweitert das Barockschloss Königshain seit 2020 wieder das Repertoire an Angeboten in der gGmbH. Heute befindet sich dort ein Kunst- und Kulturzentrum, das wechselnde Ausstellungen zeitgenössischer Künstler zeigt.

Die historische Parkanlage wurde durch einen Rhododendrongarten ergänzt und lädt zum Verweilen ein. Und auch Heiratswilligen bieten Schloss und Park einen besonderen Rahmen, um den nächsten Schritt zu gehen.

Schloss Königshain Dorfstraße 29 02829 Königshain Tel. 035826 - 64686

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Linke Seite, oben: Blick in den Hof mit Garten, Glasdrückerei, Gartenhaus und Werkstätten, 2018 Linke Seite, unten links: Landwirtschaftliche Geräte im Hof des Museums, 2021 Linke Seite, unten rechts: Haupteingang des AckerbürgerMuseums Reichenbach, 2018 Rechte Seite, oben: Blick in die Küche, 2005 Rechte Seite, Mitte: Im Schlafzimmer wird die Enge der Räumlichkeiten spürbar, 2020 Rechte Seite, unten: Blick in die Glasdrückerei-Werkstatt, 2020 Fotos: © Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH

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AckerbürgerMuseum Reichenbach 1998 gründete der Heimatverein Reichenbach nach 6 Jahren Arbeit das AckerbürgerMuseum Reichenbach, das eine Tradition in der Stadt wiederaufnahm, die bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zurückreicht. Auch hier bildete die Schenkung eines Gebäudes die Grundlage für die Museumsgründung. In dem kleinen, original wieder aufgebauten Haus mit seinem Hof und Garten kann in das Leben der so genannten „Ackerbürger“ um 1900 Einblick genommen werden. Neben ihrer Arbeit in der Fabrik, in Handel und Gewerbe, betrieben die Einwohner Reichenbachs / O.L. zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes eine bescheidene Landwirtschaft im Nebenerwerb. Die engen Räume lassen die einfachen Verhältnisse ihrer einstigen Bewohner wieder spürbar werden. In den Hofgebäuden befinden sich weitere Ausstellungsteile. Dabei sollte der Werkstatt eines Glasdrückers besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden. Der kleine Garten mit Blumen, Gemüse und Kräutern ist als typische Anlage eines Ackerbürgergartens gestaltet und enthält eine Auswahl an Bienenweidepflanzen.

AckerbürgerMuseum Reichenbach Görlitzer Straße 25 02894 Reichenbach / O.L. Tel. 035828 - 72093

AUDIOGUIDE ACKERBÜRGERMUSEUM REICHENBACH / O.L.

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Alte Handwerke in der Dauerausstellung, 2020 © Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH


Schloss Krobnitz Schloss Krobnitz wurde seit dem Jahr 2002 aufwendig durch die Gemeinde Reichenbach / O.L. saniert und ist seit 2005 Teil der Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH. Umgeben von einem Landschaftspark erhebt sich der imposante Bau des Krobnitzer Schlosses, das ab 1873 der preußische Kriegsminister und Generalfeldmarschall Albrecht Theodor Emil Graf von Roon sein Eigen nannte. Er ließ es in ein neoklassizistisches Gebäude umgestalten, erweiterte den Park und legte im hinteren Parkteil eine Familiengruft an, die 1876 eingeweiht wurde. Sein Sohn Waldemar bebaute diese Gruft mit einer neogotischen Kapelle, die jedoch 1980 dem Abbruch zum Opfer fiel. Der Einbau von Wohnungen nach 1945 zerstörte die einstige Raumstruktur des Schlosses leider nahezu vollständig. Seit der Sanierung empfiehlt sich der Landsitz für alle, die das Besondere suchen. Ausstellungen, Vorträge und Veranstaltungen sind inzwischen längst ein fester Bestandteil des kulturellen Angebotes im Landkreis Görlitz. Längst kein Geheimtipp mehr ist das Schloss für junge Brautleute, die sich hier das Ja-Wort geben und gleichzeitig stilvoll feiern wollen. Ein Trau-

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zimmer im Stile der Gründerzeit und der Festsaal für etwa 100 Personen in der Alten Schmiede bieten den geschmackvollen Rahmen für diesen besonderen Tag.

Schloss Krobnitz Am Friedenstal 5 02894 Reichenbach / O.L. Krobnitz Tel. 035828 - 88700

Linke Seite, oben: Ein Stück Preußen in Sachsen: Schloss Krobnitz, 2012 Linke Seite, Mitte: Die Dauerausstellung „Wegbereiter des Kaiserreichs“ widmet sich Albrecht Theodor Emil Graf von Roon, 2012 Rechte Seite, oben: Beutekanone aus dem DeutschFranzösischen Krieg, Eigentum: Städtische Sammlungen für Geschichte und Kultur Görlitz, 2012 Rechte Seite, unten: Zahlreiche Veranstaltungen finden jährlich im Schloss Krobnitz statt. Ein Highlight ist das Gartenfest im September, 2014 Fotos: © Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH


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Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH 1999 nahm die Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH ihre Arbeit auf. Neben den klassischen Museumsaufgaben widmen sich die Mitarbeiter mit Hingabe der Pflege der Parkanlagen, der Betreuung des Tierbestandes und der Vermittlung historischen Brauchtums. Aber auch die Betreuung von Brautpaaren und Festgesellschaften gehört zum Tagesgeschäft. Eine Vielzahl von Veranstaltungen und museumspädagogischen Angeboten locken jährlich tausende Menschen an. Seit 1999 haben rund 300.000 Besucher den Weg in eines der fünf Häuser gefunden. Kammerkonzerte, Gartenfeste, Wanderungen, Sommerfeste, Flegeldruschwettbewerb und Schlachtfest stellen nur einige wenige Höhepunkte dar. Mit etwa 30 ständigen museumspädagogischen Angeboten ist das Spektrum breit gestreut. Der Leitsatz der Museumsarbeit lautet: „Museum macht Spaß“! Besonders die aktive Wissensvermittlung steht dabei im Vordergrund. Etwa 4.000 Teilnehmer museumspädagogischer Angebote jährlich, vor allem Kinder und Jugendliche, können nicht irren. Seit 2017 geht der Museumsverbund neue Wege und integriert digitale Technik in seine Vermittlungsangebote. Dabei stellten digitale 3D-Rundgänge durch alle

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Häuser nur den Anfangspunkt dar. Seit Anfang 2021 können sich Besucher auf eine amüsante Reise in die Vergangenheit begeben, wenn sie Kater Jamal und Wandermaus Wutz bei ihren Abenteuern im Dorfmuseum Markersdorf und im AckerbürgerMuseum Reichenbach begleiten. Im Rahmen des Förderprogramms „NEUSTART“ des Bundesverbandes Soziokultur und der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien konnten kreative Audioguides in deutsch, polnisch und tschechisch erstellt werden, die vor allem Familien besondere Aspekte der Kulturgeschichte spielerisch erläutern. Dank museum.de und seinen unkonventionellen Ansätzen im Bereich Audioguide erwartet die Besucher ein besonderes Erlebnis. Aber auch Augmented Reality und Virtual Reality halten nach und nach Einzug in die Museen des Museumsverbundes. 2022 wird die neue Dauerausstellung im Granitabbaumuseum Königshainer Berge eröffnet werden, die Dank der Unterstützung durch die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen und die Euro-Region Neiße-Nisa-Nysa im Rahmen der Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung sowie das LEADER-Programm digitale Technik mit analoger Technik verbindet und so ein besonderes Erlebnis schafft, wenn Großgeräte wie Steinsäge, Kompressor und Hydraulikfallhammer wieder lebendig werden, und Kabelkrananlage oder Bremsbahn wiedererstehen.

Seit mehr als 20 Jahren behauptet sich die Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH auf dem Kulturmarkt im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien. Immer wieder treten weitere Museen an die Gesellschaft heran, um Teil des Verbundes zu werden. Denn die Chancen eines solchen Zusammenschlusses kleiner Museen vor allem im ländlichen Raum sind nicht zu unterschätzen. Das geschlossene Auftreten im Verbund – gleich dem Motto „Einer für Alle – Alle für Einen“ – hilft gegenüber Fördermittelgebern, aber auch bei der Vermarktung und der effektiven Ressourcennutzung. Und nicht nur der Mensch in der Vergangenheit steht im Mittelpunkt. In der SchlesischOberlausitzer Museumsverbund gGmbH werden durch viele engagierte und höchst motivierte Menschen Angebote für interessierte und begeisterungsfähige Menschen geschaffen! Also: Gehen auch Sie auf Zeitreise im östlichsten Landkreis Deutschlands und begeben Sie sich auf Spurensuche in die Vergangenheit. Foto: Viele Menschen tragen zum Gelingen bei: die Ehrenamtler der Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH, 2019 © Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH

Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH Elisabethstraße 40, 02826 Görlitz info@museumsverbund-ol.de Tel. 03581 - 329010 www.museum-oberlausitz.de



Jüdisches Museum Göppingen – Nachhaltigkeit als Konzept Autor: Kurt Ranger, Ranger Design Stuttgart

Die Erzählung jüdischer, regionaler Geschichte Warum befindet sich das Jüdische Museum Göppingen in einer ehemaligen evangelischen Kirche aus dem Jahr 1506 im Stadteil Jebenhausen? Ein Grund ist: Nach der Schließung der Jebenhausener Synagoge 1899, die aufgrund des Umzugs vieler Juden nach Göppingen erfolgte, schenkte die jüdische Gemeinde die Synagogenleuchter und -bänke der christlichen Gemeinde. Sie befinden sich immer noch dort. Mit dieser Verbindung zeigt das Museum das freundliche Miteinander von Juden und Christen in Jebenhausen.

Das Museum dokumentiert die regionale Geschichte der Juden seit 1777. Als Kurt Ranger Ende der 80er Jahre mit der ersten Gestaltung des Museums beauftragt wurde, gab es unter den rund 1.000 Museen in Baden-Württemberg noch keines, das ausschließlich der jüdischen Geschichte im deutschen Südwesten gewidmet war. Nach der Ersteröffnung 1992 wurde das Museum 2019 neu eröffnet. Ziel war, den gewachsenen, aktuellen Wissensstand zu präsentieren. Dabei legten die Gestalter auch Wert auf die nachhaltige Nutzung vorhandener Einbauten, die modifiziert, ergänzt, neu gestaltet und mit neuer Medientechnik ausgestattet wurden.

Das Gestaltungskonzept Das Design des Museums folgt durch seine zurückhaltende, aber trotzdem emotional berührende Gestaltung einem funktionalen Charakter: Es geht um die Vermittlung von Inhalten. Dabei arbeitet die Gestaltung mit diesen Gestaltungsprinzipien: Sie erzeugt eine eindeutige Zuordnung von inhaltlichen Themen zu bestimmten Raumabschnitten innerhalb der Ausstellung. Sie nutzt eine klassische, „zeitlose“ Gestaltung ohne modisch trendige Innenarchitektur bzw. Ausstellungsgrafik. Die Kombination von wenigen ausgewählten Objekten und Dokumenten, knappen, gut lesbaren Texten ergibt das Bild einer über annähernd 250 Jahre andauernden regionalen Geschichte der Juden.

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Helle Zeiten, dunkle Zeiten Diese Geschichte beginnt in Jebenhausen, führt nach Göppingen und in die Konzentrationslager der Nationalsozialisten. Sie führt auf der Flucht auch in andere Ländern der Welt. Ein weiteres Gestaltungsmittel ist die Farbgebung der Ausstellung. Sie unterscheidet zwischen heller und dunkler Gestaltung und folgt damit dem Charakter bestimmter Zeiten: Die Zeit des aufkommenden Nationalsozialismus bis zu dessen Ende 1945 ist schwarz gestaltet. Die Erstfassung des Museums endete hier. Die Neufassung des Museums 2019 erzählt die Geschichte in dem Kapitel „Anklagen, Erinnern, Gedenken und Begegnen“ weiter und stellt Fragen an die Zukunft: Was wird sein, wenn alle Zeitzeugen verstorben sind?

Fotos: linke Seite, unten © Karl-Heinz Rueß | oben, groß © Kurt Ranger | rechte Seite, unten © Rose Hajdu

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Dialog zwischen Inhalt und Design Für Ranger Design sind Inhalt und Gestaltung zwei Seiten einer Medaille. Eine gute Ausstellungsgestaltung setzt ein gut strukturiertes und kompaktes inhaltliches Konzept voraus. Deshalb entwickelte der Historiker Dr. Karl-Heinz Rueß federführend das inhaltliche Konzept gemeinsam mit dem Designer Kurt Ranger und der Agentur für Jüdische Kultur in Mannheim. Darauf aufbauend entstand die Gestalt der Ausstellung.

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Nachhaltig in der Nachhaltigkeit Kronleuchter und Bänke aus einer Synagoge, die in der Kirche weiter genutzt wurden. Eine alte Kirche von 1506, die als Museum genutzt wird. Eine Ausstellung von 1992, die 2019 weiterentwickelt und umgestaltet wurde. Die Idee der Nachhaltigkeit wohnt dem Gebäude inne. Eigentlich sah die Ausstellung seit der Zeit der Ersteröffnung nach über 25 Jahren immer noch zeitgemäß aus. Gestalterisch bestand also kein Bedarf für eine Überarbeitung. Der eigentliche Beweggrund war, die Erkenntnisse von 25 Jahren Forschung in die Ausstellung einzubringen. Deshalb mussten Themen verschoben, verändert und ergänzt werden. Die Gestalter entwickelten ein Konzept, bei dem die meisten Vitrinen und fast alle Unterkonstruktionen weitergenutzt werden konnten und nur wenige neue Einbauten erfolgten. Die sichtbaren Fronten der Ausstellung wurden erneuert, audiovisuelle, interaktive Medien ergänzen die Schau.

Ein Blick in die Installation von 1992 (oben) und in die veränderte und ergänzte neue Installation (unten)

Die zweite Schicht Um den Raumeindruck der evangelischen Kirche in Jebenhausen insgesamt zu erhalten, war ein sensibler Umgang mit der historischen Architektur geboten. Deshalb wurden die Einbauten der Ausstellung an bestimmten Stellen verdichtet und andere Stellen blieben komplett frei. Die Ausstellung schmiegt sich wie eine zweite Schicht der Geschichte in die alte Kirche. Die Gestaltung des Museums wurde aktuell mit dem Focus Open 2021, dem Internationalen Designpreis BadenWürttemberg, in der Kategorie Gold, ausgezeichnet.

Fotos: linke Seite, oben und unten sowie rechte Seite, Mitte © Rose Hajdu | rechte Seite, oben © Lorenz Kienzle Rechte Seite, unten © Kurt Ranger

Jüdisches Museum Göppingen Boller Straße 82 73035 Göppingen-Jebenhausen Öffnungszeiten: Mittwoch und Samstag 13-17 Uhr, Sonn- und Feiertag 11-17 Uhr Telefon 07161 650-9911 (Verwaltung) museen@goeppingen.de

Ranger Design Happoldstraße 71 B 70469 Stuttgart Telefon 0711 99 31 63 - 0 contact@ranger-design.com www.ranger-design.com

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Schloss Klippenstein, Foto: © Patrick-Daniel Baer

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Das Museum Schloss Klippenstein Radeberg Autor: Patrick-Daniel Baer

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Vor den Toren Dresdens liegt die Stadt Radeberg, bekannt durch die seit 1872 hier ansässige gleichnamige Brauerei. Im Herzen der Stadt befindet sich Schloss Klippenstein. Die auf einer keilförmigen Felsklippe errichtete Anlage wurde 1289 erstmals als „Castrum Radeberch“ urkundlich erwähnt. Die Burg wurde Mitte des 16. Jahrhunderts vom späteren Kurfürsten Herzog Moritz zu einem Jagdschloss als Dreiflügelanlage mit repräsentativer Reitertreppe umgebaut. Trotz zahlreicher Veränderungen in den folgenden Jahrhunderten prägt die architektonische Sprache der Renaissance bis heute das Antlitz von Schloss Klippenstein. Seit 1953 beherbergt das Schloss ein Museum. Bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts gab es erste Bemühungen, das kulturelle Erbe früherer Generationen zu erhalten. Landesweit gründeten sich Altertums- und Vaterlandsvereine, in Radeberg entstand 1889 eine Ortsgruppe des „Vereins für sächsische Volkskunde“, welche eine erste heimatgeschichtliche Sammlung anlegte. In den Wirren des Zweiten Weltkrieges wurden die Objekte unter erheblichen Verlusten mehrfach umgelagert. 1951 wurde Rudolf Limpach (1920 bis 1995) mit der Einrichtung eines Heimatmuseums im Schloss beauftragt. Dieses konnte am 20. Dezember 1953 mit den erhaltenen Sammlungsgegenständen des ehemaligen Vereins, übereignetem Ausstellungsgut aus den ehemaligen „Junkerschlössern“ Wachau und Seifersdorf sowie Erwerbungen und Zuwendungen aus Privathand und von Betrieben eröffnet werden. In der Eingangshalle und der sich anschließenden dreiteiligen Raumfolge wurden vor allem Geweihe und Exponate zur Stadtgeschichte des 18. Jahrhunderts präsentiert. Rudolf Limpach (bis zu seinem Renteneintritt 1991 Museumsleiter) richtete fortan mit zahlreichen Helfern weitere Räume im Südflügel und in der Vorburg für das Museum her und konnte in den 1960er Jahren in 16 Räumen die Historie der Region von der Ur- und Frühgeschichte bis zum 20. Jahrhundert abbilden. Leider verfiel aufgrund ausbleibender Sanierungsmaßnahmen das Schloss zunehmend, in den 1970er Jahren mussten einige Bereiche wegen der maroden Bausubstanz wieder geschlossen werden. 1993 wurde die Stadt Radeberg Eigentümerin von Schloss Klippenstein. Die Stelle der Museumsleitung wurde mit Katja

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Linke Seite, oben: Schloss Klippenstein, Postkarte 1977 Foto: Karpf © Planet-Verlag, Berlin Linke Seite, Mitte links: Rudolf Limpach im Schlosshof, um 1970 (der frühere Museumsleiter hält eine selbst gefertigte Ausstellungstafel) Foto: © Museum Schloss Klippenstein Linke Seite, Mitte rechts: Museumsgang, Ausstellung in den 1970er Jahren Foto: © Museum Schloss Klippenstein Linke Seite, unten: Foyer in den 1980er Jahren mit Geweihausstellung Foto: © Museum Schloss Klippenstein Rechte Seite: Museumsgang heute mit einer Präsentation zur Schlossbaugeschichte Foto: © Peter Mauksch


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Altmann (bis heute Schlossleiterin) neu besetzt. Sofort begannen umfangreiche Bau- und Sicherungsmaßnahmen. Zunächst wurden das Dach saniert und die 1985 eingestürzte Fürstenreittreppe sowie der Nordflügel der Hauptburg rekonstruiert. Die Vorburg wurde ausgebaut und beherbergt jetzt in einem mit moderner Museumstechnik ausgerüsteten Magazin die Sammlung. Schritt für Schritt wurde bis heute fast die gesamte Schlossanlage wieder hergerichtet. 2018 wurde ein Aufzug gebaut, 2019 der Schlossgarten erneuert. Nach ersten Renovierungsarbeiten wurden seit 1994 einige Objekte in Interimsausstellungen präsentiert. Anfang der 2000er Jahre begann man mit der Konzeption und Realisierung der Dauerausstellung. Mit einem Überblick über die Radeberger Amtsgeschichte im Turmzimmer wurde 2003 ein erster Teil eröffnet. Nach der Wiederherstellung der historischen Raumfolge im Südflügel wurde 2008 die neue Dauerausstellung zur Schloss- und Stadtgeschichte eingeweiht. Im Museumsgang skizziert ein historischer Abriss die Schlossbaugeschichte, zur besseren Einordnung wurden landesgeschichtlich relevante Daten ergänzt. Die von dem Museumsgang begrenzten Räume „Schwarze Küche“, „Tafelsaal“ und „Langbeinzimmer“ spiegeln die wechselvolle Geschichte Radebergs von der Stadtgründung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Hier werden die Entwicklung von Handwerk und Handel in Radeberg, aber auch Verwüstungen durch Stadtbrände und Kriege thematisiert. Eine Kabinettausstellung ist dem 1757 im Schloss geborenen und in der Biedermeierzeit bekannten und beliebten Literaten August Friedrich Ernst Langbein gewidmet. 2015 wurde im Nordflügel des Museums die Stadtgeschichte mit der Eröffnung der Dauerausstellung zur Industriegeschichte Radebergs von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart fortgeschrieben. Dramaturgisch ist die

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Separierung dieses Bereiches ein gelungener Kniff, führte doch die bereits 1845 erfolgte sehr frühe Anbindung Radebergs an das Eisenbahnnetz zur raschen Ansiedlung von Industrien und somit zu großen Veränderungen und schnellem Wachstum von Radeberg. Neben Erzeugnissen bekannter Hersteller wie der Brauerei, des Fernsehgeräteproduzenten Sachsenwerk/Robotron und der durch ihre „Reform-Küche“ populären Firma Eschebach werden auch Produkte wie Modeflitter, Leuchten, künstliche Zähne und vieles mehr vorgestellt. Da Radeberg um 1900 der bedeutendste Glashüttenstandort Sachsens war, wird dieser Industriezweig etwas umfangreicher dargestellt. Ergänzt wird die Dauerausstellung durch die 2012 im ehemaligen Torwärterhäuschen eingerichtete „Schauwerkstatt Historische Böttcherei“ und einen Exkurs in die Archäologie im Gewölbekeller. Übrigens: Das älteste Exponat der Ausstellung zur Stadtgeschichte ist eine Brakteatendose aus dem ausgehenden

13. Jahrhundert, die Rudolf Limpach 1956 bei Grabungen am Fuße des ehemaligen Wohnturms des Schlosses fand. Sie ist heute in der „Schatzkammer“ des Museums ausgestellt.

Linke Seite, links unten: Kabinettausstellung über den Dichter August Friedrich Ernst Langbein im Langbeinzimmer, Foto: © Peter Mauksch Linke Seite, rechts oben: Foyer heute. Intro zur Industrieausstellung mit Reklametafel und „Reform-Küche“ der Firma Eschebach (um 1930), Foto: © Detlev Ulbricht Linke Seite, rechts Mitte: Blick in die 2015 eröffnete Industrieausstellung, Foto: © Detlev Ulbricht Linke Seite, rechts unten: Exponat in der Industrieausstellung: Hecktür eines Wartburg-Tourist 353 aus dem IFA Karosseriewerk, Foto: © Detlev Ulbricht Rechte Seite: Bei Grabungen am ehemaligen Wohnturm findet Rudolf Limpach eine Brakteatendose aus dem 13. Jahrhundert, Foto: © Museum Schloss Klippenstein

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Schatzkiste der Erinnerungen Das Museum im Deutschen Tagebucharchiv Autorinnen: Jutta Jäger-Schenk und Johanna Hilbrandt

Das kleine Museum wurde Ende des Jahres 2014 eröffnet. Derzeit präsentiert das DTA im Alten Rathaus von Emmendingen die Ausstellung Lebenslust – Lebenslast – Lebenskunst. Tagebücher erzählen „Lebenslust – Lebenslast – Lebenskunst“: in diesen drei Begriffen äußert sich die Essenz vieler Tagebücher: Manche Einträge berichten von der Freude am Leben, am Überleben, an einfachen Dingen oder dem großen Glück, andere von tiefer Verzweiflung, Trauer, Leid oder Überdruss. Lebenskunst ist die Fähigkeit, das Leben zu bewältigen, mit ihm klarzukommen und es trotz aller Widrigkeiten zu genießen.

Die in der Ausstellung gezeigten Dokumente stammen aus der Zeit von 1760 bis 2015. Sie bilden ein Kaleidoskop des Lebens, ein Schaufenster des DTA-Tagebuchbestandes. Es handelt sich um Jugend-, Kriegs- und Fluchttagebücher, Alltagschroniken und Reisejournale, berufsbegleitende Aufzeichnungen und Eltern- bzw. Baby- und Kindertagebücher.

tagserleben breiter Bevölkerungsschichten, seien es Kinder, Jugendliche, junge Eltern, Menschen unterwegs, auf Reisen, auf der Flucht oder im Krieg oder schlichte Alltagsbewältiger.

Für ein Tagebuch ist es charakteristisch, dass in ihm in datierten Einträgen aufgeschrieben wird, was immer Menschen in diesem Moment bewegt.

Was Carl August Wildenhahn (1805 - 1868) auf seiner Reise durch Bayern, Württemberg, Baden und die Schweiz erlebt, erzählt sein mit zahlreichen handkolorierten Zeichnungen illustriertes Reisejournal. Er gehörte zum literarischen Kreis um Ludwig Tieck in Dresden, der seinerzeit mit Reisebeschreibungen bekannt wurde. Ihm scheint er mit seinen literarisch ambitionierten Mitteilungen an einen ausgedachten Freund „Ferdinand“, dem er täglich seine Erlebnisse buchstäblich ausmalt, nachzueifern.

Für die Schreibenden ist das Tagebuchschreiben etwas besonders Privates und Persönliches. Oft ist es die zeitliche Distanz, die es ihnen überhaupt ermöglicht, das Tagebuch dem DTA zu übergeben. Die Diarien konservieren das All-

Ein Glanzstück der Ausstellung Nacht-, Morgen- und Aben(d)teuer eines Pfarrers aus Sachsen


C. A. W. ist kein Alleinreisender, er hat Julius an seiner Seite, der Eau de mille fleurs mit sich führt für ohnmächtige Damen auf der Reise auf den Rigi – schweizer freiburger Kräuteröle zur Restitution ausfallender Haare, (und) ein Büchslein schwarzgrünen Thees zur Herz und Magenstärkung auf dem Grindelwaldgletscher. Der Dritte im Bunde ist Eduard, ein mitreisender Schweizer, dessen Habit er anschaulich beschreibt: Ein kleines schwarzes Mützlein mit dunkelrothen Streifen deckte des Scheitels Spitze, in etwas genial-schiefer Lage, also daß das blindgegriffene Dach wie ein halbgescheiteltes Frauenhaar auf der rechten Stirnseite lag. Der Mützendeckel selbst trug verschiedene ehrenvolle Narben, Landesväter genannt, die ihre faserigen Lippenränder kühn in die Höhe streckten; denn die Wunden sollten ungeheilt bleiben, so will es der Comment; den mageren Hals umschlang eine schwarze Binde, ein blaues etwas an Altersschwäche erkranktes Röcklein deckte den Körper fast bis zum Knie, breitlippige und geradspießige Sporen à la Coque zierten das Stiefelpaar, von dem jedoch Eduard – maßen des zähen, schleimigen Bodens, den wir zuweilen durchwanderten – einen verlor.

segefährten ebenso wie über manche Wirtsleute, die ihm zerlaufenen Käse auftischen aus dem die Maden kriechen oder zum Déjeuner à la Fourchette Mehlwasser mit Eierlumpen servieren. Breitmäulige Schaffner, ein impertinenter Polizeiactuarius mit großem Säbel und Officiere einer Wachparade, die hohe große Nachttöpfe auf den Köpfen, tief in den Nacken geschoben (haben), erregen seinen Unmut, weil sie ihn bei Grenzübertritt wie einen verdächtigen Demagogen behandeln. Die Karlsbader Beschlüsse sind noch in Kraft.

Aus seiner Chaise heraus beobachtet er Bauernmädchen, schiefe Landfräulein aber auch allerliebste Dinger, die rund freundlich, schalkäugig, rosenbäckig, kusslippig hochherzig sind oder eine mittlere Frau im temporären Embonpoint (schwanger), ein Anblick, der mir schon deswegen zuwider ist, weil er die Taille auf eine ganz unhübsche Weise entstellt. Sein Urteil über das Theaterstück einer damals angesagten Autorin, das er sich in Nürnberg ansieht: Ein sentimental ledernes Weiberprodukt.

Der Feminismus und andere, den Gang der patriarchalen Welt störende Zeiterscheinungen, sind im 19. Jahrhundert unbekannt, so kommt es, dass sich zahllose abwertende oder verherrlichende Bemerkungen über das Aussehen von Frauen aneinanderreihen wie Eiger, Mönch und Jungfrau, dem Ziel des Theologen.

Linke Seite, oben: DTA 3089 Tagebuch I. Martin Linke Seite, unten: Carl August Wildenhahn, Mein Juni 1837 – Reisebeschreibung durch Baiern, Württemberg, Baden und die Schweiz – DTA 573 Rechte Seite, oben: Carl August Wildenhahn beschreibt und zeichnet die Insassen der „Affenkutschen“ Rechte Seite, unten: Schweizer Bauernmädchen aus der Sicht des Diaristen Fotos: © Deutsches Tagebucharchiv, Gerhard Seitz

In diesem Duktus schildert er auch die Insassen der verschiedenen Affenkutschen, die ihn zunächst von Hof nach Nürnberg und weiter über Lindau und Bregenz in die Schweiz expedieren. Er fällt erfrischend unbefangene manchmal respektlose Urteile voll Spott und Ironie über seine Rei-

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„Eiskälte an den Füßen, bis an den Leib in Schnee und Wasser, der Sonne Gluth auf dem Haupte.“ © Deutsches Tagebucharchiv, Gerhard Seitz

Eigentlich trägt Wildenhahn eine Louise aus Montreux im Herzen und ist auch mit der Absicht unterwegs, dieser dort einen Antrag zu machen. Ich denke dein, Louise, und gehe mit Herzklopfen dir näher. Umso mehr verwundert es, dass keine „Weibsperson“, der er ansichtig wird un-

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kommentiert bleibt. „Du kennst meine etwas sonderbare Liebhaberei zu schönen Frauengesichtern“, schreibt er dem fiktiven Ferdinand. Was C. A. W. auf dieser Reise unternimmt ist nicht die Grand Tour und doch ist er

ein bildungsbürgerlicher Reisender, der das Reisen wie eine Aufgabe angeht. Seine Aufzeichnungen sind Ausweis protestantischer Leistungsfrömmigkeit. Kaum eine Sehenswürdigkeit zwischen Hof und Luzern bleibt unerwähnt, ob Kirchen, Burgen, Residenzen, städtebauliche Be-


sonderheiten oder Geburtshäuser von Berühmtheiten. Anspielungen auf politische Zustände, technische Neuheiten, theologische Dispute und an allen Orten geschicktes Einflechten von Namen berühmter oder hochgestellter Persönlichkeiten, in der Absicht, Eindruck zu machen, zei-

gen auf, wie belesen und informiert, kurz: wie gebildet der junge Mann ist. Von Lindau, das in den See hineingespitzt, wie eine leckende Zunge, bringt sie das Dampfboot in die Schweiz. In Zürich übernachten Julius und er im Stor-

chen. Das Wirtshaus „zum Storchen“ ist ein ehemal. Altes Thurmgebäude, zu dem man jetzt noch 6 bis 7 Treppen hinansteigt, nur auf alten finstren Thurmstiegen. Nun! Im Storchen ists nicht hübsch. Heute wirbt das Haus an der Limmat mit dem Label „Lifestyle Boutique Hotel“.

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Das eigentliche Abenteuer der Reise aber sind die Bergwanderungen. Im Schatten des erhabenen Berner Dreigestirns Eiger, Mönch und Jungfrau liegt die Große Scheidegg (1962 m), heute Ziel für Mountainbiker. Im Juni 1837 für Wildenhahn und seinen Kumpan ein angestrebter „Viewpoint“, den es mit Bergführer und Ziegenhainer (Wanderstock) zu erreichen gilt. Eiskälte an den Füßen, bis an den Leib in Schnee und Wasser, der Sonne Gluth auf dem Haupte, das ist ein Mittel, Närrische vernünftig und Vernünftige närrisch zu machen. Der Athem wollte nicht mehr zulangen – die Knie brachen – Der Führer hatte den rechten Weg verloren – das fehlte noch - aber siehe, plötzlich traten die Silberhörner der Jungfrau vor, deren Glanz uns so zauberisch anleuchtete, daß wir neuen Muth gewannen, und nach einer äußerst mühsamen halben Stunde auf dem Gipfel der Hohen Scheidegg standen. Das Endziel unserer Reise wäre

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denn erreicht, - wir haben den Staubbach gesehen, haben am Fuß der Jungfrau gestanden, und kehren heim, herzlicher Erinnerungen voll. Der Abstecher nach Montreux zu Louise unterbleibt. Wildenhahn wirde aber ein Jahr später mit der Tochter des reformierten Schweizer Pfarrers Philippe-Sirice Bridel in Vevey getraut. Wildenhahn ist Musikliebhaber und mit Robert Schumann befreundet. Im September 1840 traut er Clara Wieck und Robert Schumann in Schönefeld bei Leipzig, worüber Clara in ihrem Tagebuch berichtet: 12.9.1840 was soll ich über diesen Tag sagen! Um 10 Uhr ging die Trauung vor sich in Schönefeld, ein Choral begann, dann sprach der Prediger Wildenhahn (ein Jugendfreund Roberts) eine kurze, einfache, aber von Herzen zu Herzen gehende Rede.

Das Deutsche Tagebucharchiv Autobiographische Zeugnisse sind wichtige Quellen für die Geschichts- und Kulturforschung, Das Deutsche Tagebucharchiv (DTA) in Emmendingen versteht sich – seit seiner Gründung 1998 – als Aufbewahrungsort solcher Zeitzeugnisse aus dem deutschen Sprachraum. Tagebücher, Lebenserinnerungen und Briefwechsel werden hier gesammelt, archiviert, fachgerecht aufbewahrt und sowohl der Wissenschaft als auch der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Der Bestand des Archivs umfasst im Jahr 2021 über 23.000 Dokumente von knapp 5.000 Autor*innen.

Linke Seite: „Plötzlich traten die Silberhörner der Jungfrau vor, deren Glanz uns so zauberisch anleuchtete.“ Rechte Seite: DTA 4406 Reisetagebuch Volker W. Fotos: © Deutsches Tagebucharchiv, Gerhard Seitz


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Deutsches Tagebucharchiv Marktplatz 1 79312 Emmendingen Tel 07641 - 57 46 59 dta@tagebucharchiv.de www.tagebucharchiv.de

AUDIOGUIDE DEUTSCHES TAGEBUCHARCHIV

Im März 2019 ist das DTA als „Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung“ in das Denkmalbuch des Landes BadenWürttemberg eingetragen worden.

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Unten: Tagebuch-Stapel Oben: Tagebücher aus den Jahren 1854 bis 1898 Fotos: © Deutsches Tagebucharchiv, Gerhard Seitz

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Herzlich Willkommen Nachhaltige Stellwandsysteme im MBA-Kundencenter online erleben Getreu dem Motto „Architektur mit der Wand pur“ hat MBA sein Kundencenter komplett umgebaut und auf Online Meetings und sichere Präsenztermine ausgerichtet.

Nachhaltige und flexible Raum in Raum Anwendungsbeispiele mit der Mila-wall Stellwand stehen dabei im Vordergrund. Neue Produkte wie zum Beispiel die komplett neu entwickelte Outdoorwand, die

selbstleuchtende Mila-wall LED Wand, Einbauvitrinen und Akustikwände sind live in der Anwendung erlebbar. Des Weiteren werden das schnelle und bewährte Montagehandling, die Werkzeuglose Installation von Beleuchtung und das Streichen der Wände, sowie das Wechseln der Oberflächen eindrucksvoll gezeigt. „Großen Wert legen wir auf eine individuelle und ausführliche Beratung, dass können wir in den neuen Räumlichkeiten ideal und effizient umsetzen“ so Geschäftsführer Markus Militzer der das 1975 von Gottfried Militzer gegründete Unternehmen seit 2002 in zweiter Generation leitet. Das Unternehmen fokussiert sich mit dem Mila-wall Stellwandsystem auf nachhaltige und flexible Architekturlösungen die Wechsel- und Sonderausstellungen aufwerten und die Besucher beeindrucken.

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Anzeige Linke Seite, oben: Im MBA-Kundencenter kann Mila-wall live erlebt werden. Gezeigt werden aktuelle Highlights und bewährte Lösungen entweder vor Ort in Reutlingen oder persönlich im Video-Stream. Foto: © Jürgen Lippert Unten: Museum für zeitgenössische Kunst Belgrad Das 1958 gegründete Museum für zeitgenössische Kunst in Belgrad wurde im Oktober 2017 nach umfangreichen Renovierungsarbeiten wiedereröffnet. Durch die Verglasung einiger Seitenwände und des Daches gelangt genug Tageslicht in den Ausstellungsraum. Halbgeschosse, Zwischenebenen mit verschiedenen Deckenhöhen und der Panoramablick nach draußen verleihen dem Raum eine sehr luftige, offene Atmosphäre. Das modulare Mila-wall-Wandsystem der Serie 100 mit 2,5 m Bauhöhe mit seiner puristischen Ästhetik und seinen nachhaltigen, flexiblen Einsatzmöglichkeiten zur Präsentation von Gemälden, Skulpturen, Multimedia uvm. fügt sich harmonisch ein. Foto: © Museum für zeitgenössische Kunst Belgrad Rechte Seite, oben: Staatliche Kunstsammlungen Kupferstichkabinett Dresden Die Sicherheit der wertvollen Sammlung des Kupferstichkabinetts gewährleisten Mila-wall-Stellwände der Serie Alarm Safety. Sie lassen sich in vorhandene Überwachungssysteme integrieren, können aber auch unabhängig als Einzelabsicherung ohne fest installierte Voraussetzungen eingesetzt werden. Foto: © Gregor Diessner Unten: Kunstgewerbemuseum Prag Für die Ausstellung „Gleam of Gold, Blaze of Colours“ ließen drei Meter hohe Mila-wall Stellwände, drei Meter hohe, nahtlos ins Stellwandsystem übergehende Glaswände sowie ein Meter hohe Info-Wände ein klares Gesamtbild entstehen. Foto: © Kunstgewerbemuseum Prag

„Der Besucher soll das Gefühl haben, jedes Mal eine komplett neue Ausstellung zu erleben, obwohl mit dem gleichen, immer wieder flexibel verwendbaren Wandsystem gebaut wurde“, so Militzer. Mit den Mila-wall Kits bedient MBA die hohe Nachfrage nach Einstiegsmöglichkeiten ins System Mila-wall. Das Angebot umfasst komplette Wandsets in allen Größen mit dem entsprechenden Zubehör. Die Sets sind zu Sonderpreisen erhältlich, sofort einsatzbereit und jederzeit modular zu erweitern. Unabhängig von der Größe bietet jedes Kit eine Vielzahl von Möglichkeiten, Räume zu gestalten – und das direkt „Out-ofthe-Box“. Neben den Modul-Kits bietet MBA auch Sets, die explizit für den Einsatz als Kuben- oder Vitrinen-Modul zusammengestellt werden und sich nach der Länge

des Kubus – 3 m Kubus oder 4 m Kubus - oder der 3 m-Vitrine richten. Sowohl die regulären Wandmodule als auch die Module mit Fenster oder Tür sind in zahlreichen Standardformaten verfügbar. Auf Wunsch fertigt MBA aber auch alle Zwischenmaße. Eine Besonderheit des von MBA entwickelten Wandsystems ist, dass die Wandmodule rückwärts kompatibel mit allen vorherigen Wandgenerationen kombiniert werden können. Das schafft Investitionssicherheit und trägt erheblich zur Nachhaltigkeit bei. „Besuchen Sie uns vor Ort oder vereinbaren Sie einen Onlinetermin in unserem Kundencenter – wir beraten Sie gerne“

Film über das MBA-Kundencenter

Herzlich, Ihr Markus Militzer MBA-Design & Display Produkt GmbH Tel: +49 7121 1606-0 info@mba-worldwide.com www.mila-wall.de

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Auf den Mensch gekommen HAUS im MOOS in Karlshuld Von der Trockenlegung eines Niedermoores und den Folgen Autorin: Steffi Klatt

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Gruselig, kalt, feucht und insgesamt lebensfeindlich – so erlebten die Menschen vor gut 200 Jahren das Donaumoos, mit 20.000 Hektar das größte zusammenhängende Niedermoorgebiet in Süddeutschland. Kein Gedanke, dort zu leben oder es freiwillig zu betreten. Die Gefahr, sich im Nebel zu verlaufen, im Morast einzusinken und für immer zu verschwinden, war zu groß. Heute ist das Donaumoos eine gut erschlossene Region mit hoher Lebensqualität, rund 15.000 Menschen leben hier verteilt auf drei Gemeinden. Was ist geschehen? Das Haus im Moos lädt ein, die gut 200jährige Besiedlungsgeschichte mit all ihren Höhen und Tiefen kennen zu lernen und hautnah zu erleben. Mitten im Donaumoos gelegen, umfasst das Haus im Moos ein Tagungs- und Bildungszentrum mit Übernachtungsmöglichkeit für Gruppen, ein Heimatmuseum und ein Freilichtmuseum. 1997 von der Stiftung Donaumoos errichtet, um die kulturellen Wurzeln dieser einzigartigen und jungen Kulturlandschaft zu erhalten, werden hier getreu dem Leitspruch „Aus der Herkunft in die Zukunft“ auch Perspektiven für eine nachhaltige Entwicklung des Donaumooses als Natur- und Lebensraum aufgezeigt. So ist es eine Hauptaufgabe der staatlich anerkannten Umweltstation, ihren Gästen den unmittelbaren Zugang zur Donaumoos-Natur zu ermöglichen und das Bewusstsein für die Besonderheiten des Niedermoors und der Donaumoos-Landschaft zu wecken. Im Haus im Moos ist auch die Regionalstelle Karlshuld des bayerischen Artenschutzzentrums ansässig. Von hier aus werden Moorschutz-Projekte in ganz Bayern auf den Weg gebracht und betreut. Das Freilichtmuseum ist angelegt wie früher alle Siedlungen im Donaumoos: beidseitig der Straße, begleitet von Birken und Entwässerungsgräben, liegen die Häuser und Höfe. Vier der ältesten noch erhaltenen Donaumooshäuser erzählen vom harten Kampf der Menschen gegen Nässe und Unfruchtbarkeit.

Links: Das Freilichtmuseum ist einem typischen Straßendorf nachempfunden Foto: © Haus im Moos

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Zeit, und auch eine Moorleiche darf dabei nicht fehlen. Mit der Entwässerung und Kultivierung des Donaumooses begann auch der Torfschwund. Der früher weit verbreitete Torfabbau beschleunigte den Prozess. Seitdem sackt der Moorboden fortwährend ab. Entwässerungsgräben werden regelmäßig nachgetieft. Heute sind rund drei Meter Torfauflage und ein Drittel der Moorfläche verschwunden. Tendenz: schnell weiter schwindend. Doch das Donaumoos braucht das Wasser, andernfalls zersetzt es sich und entlässt dabei das gespeicherte CO2 in die Atmosphäre. 415 000 Tonnen sind es pro Jahr, soviel wie der Ausstoß einer mittleren Kleinstadt. Aber es geht nicht allein um den Klimakiller CO2. Das Moor verliert

Generation für Generation rang dem Moos ihre Existenz ab. Bittere Armut, Krankheit und früher Tod gehörten bei den Siedlern im Moos zur Tagesordnung. Erst mit der Entwicklung von Kunstdünger um 1900 wurden die Lebensbedingungen im kargen Moos besser. Der Saatkartoffelanbau brachte den „Möslern“ den lang ersehnten wirtschaftlichen Aufschwung. Das kleine Korbmacherhaus und zwei originalgetreu eingerichtete Moosbauernhöfe sind als Museumshäuser zu besichtigen. In den Außenställen werden Hühner, Gänse und Ziegen gehalten, ganz so, wie das früher üblich war. Zur Museumsgaststätte „Rosinger Hof“ gehört neben der historischen Gaststube und dem schönen Saal auch ein großer sonniger Biergarten. Auf der historischen Außen-Kegelbahn können Gäste wie anno dazumal eine ruhige Kugel schieben. Beim alljährlichen Museumsfest wird die Geschichte lebendig. Vorführungen historischer Arbeiten wie Heu-Machen, Dreschen, Kartoffelernte oder Brot-Backen locken viele Gäste an. Korbmacher, Besenbinder und Musikanten zeigen ihr Können. Die historischen Bauerngärten laden jeden Herbst zur öffentlichen Gemüseernte ein. Das Heimatmuseum des Kulturhistorischen Vereins Donaumoos zeigt die Donaumoosbewohner und ihre Heimat. Sie präsentiert die Torfstecher und Korbmacher aus der nicht ganz so guten alten

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dabei auch merklich an Substanz. Ein bis zwei Zentimeter Torfboden gehen jährlich verloren. Je nach Moormächtigkeit tritt in wenigen Jahrzehnten landwirtschaftlich nicht mehr nutzbarer Boden zutage. Das wäre das Ende der Landwirtschaft.

Linke Seite, oben: Das Haus im Moos liegt im oberbayerischen Landkreis Neuburg-Schrobenhausen Linke Seite, Mitte: Der Öxler-Hof gehörte einer wohlhabenden Bauernfamilie Unten: Blick ins Schlafzimmer eines Donaumoosbauern Rechte Seite, oben: Der Torfstich war eine schwere und schmutzige Arbeit Unten: Korbmacher und andere Tagelöhner lebten sehr ärmlich Fotos: © Haus im Moos


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Das Haus im Moos ist eingebettet in eine typische Niedermoorlandschaft. Wege und Pfade führen entlang von Feuchtflächen, über Brücken und Stege, vorbei an Viehweiden mit Pferden, Murnau-Werdenfelser-Rindern und Moorschnucken – einer besonderen Schafrasse. Mit etwas Glück entdeckt man auch die versteckt gelegene Schilfhütte, von der aus man ungestört seltene Vogelarten beobachten kann. Die Wisentherde am Haus im Moos ist mit rund 30 Tieren das größte Wisent-Arterhaltungsprojekt in ganz Süddeutschland. Der Donaumoos-Zweckverband zeigt mit dem Projekt, dass sich Wisente für eine extensive Beweidung von Niedermooren eignen. Die Wisente lassen keine Gehölze aufkommen und pflegen die Fläche.

Foto: Wisente sind die letzten Wildrinder Europas. Ausgewachsene Bullen wiegen bis zu 1.000 Kilo. Foto: © Haus im Moos

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So entsteht ein kleinräumiges Mosaik aus unterschiedlichen Pflanzenbeständen, in dem sich sehr kurz gefressene Bereiche mit langgrasigen abwechseln. Hier können Tierarten mit unterschiedlichen Ansprüchen, insbesondere viele Insekten, neue Lebensräume finden. Oft begleiten auch ganze Vogelscharen die Wisente beim Futtergang auf der Weide. Für die Gäste des Haus im Moos stellen die zotteligen Urviecher eine besondere Attraktion dar. Erst recht, weil die imposante Tierart Anfang des 20. Jahrhunderts so gut wie ausgerottet war. Von der Aussichtsplattform aus lassen sich die Alttiere mit ihren Kälbern gut beobachten. Ob das Donaumoos in den nächsten Jahren einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenvielfalt leisten kann oder als Klimakiller gebrandmarkt wird und seine Qualität als Lebensraum einbüßt, hängt von der gemeinsamen Anstrengung zum Moorschutz und einer nachhaltigen angepassten Landnutzung ab. Die Entwicklung von Süddeutschlands größtem Niedermoor bleibt spannend.

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Stiftung Donaumoos Freilichtmuseum und Umweltbildungsstätte Haus im Moos Kleinhohenried 108 86668 Karlshuld Tel. 08454 - 95 205 info@haus-im-moos.de www.haus-im-moos.de



Die Aura weitergeben Online-Ausstellungen, die neue Verbindung für ein globales Museumspublikum Autor: Gergely Nagy

Oben: Walter‘s Cubes saubere Schnittstelle: Räume begehen, teilen, eine Führung bekommen Mitte: Besucher können mehr über jedes der Kunstwerke erfahren Fotos: © Muzeum Sztuki, Neoplastic Room

Es ist nun bereits fast ein Jahr her, seit sich die Museumstore für Besucher geschlossen haben. Und obwohl es im Sommer kurz danach aussah, als könnten wir zu unserem normalen Leben zurückkehren, haben uns die zweite und dritte Welle schmerzliche Lektionen beigebracht. Die Praktiken in der Kunstwelt mussten von einem Tag zum anderen umgekrempelt werden, und – ob sie es wollten oder nicht – die Museen mussten mit neuen Mitteln hantieren. Online Ausstellungen, Internetführungen, Videopräsentationen

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und Webinare schossen in diesem Jahr der Lockdowns wie Pilze aus dem Boden. Aber wissen wir wirklich, was wir da benutzen und warum und wie? Sollten wir denn überhaupt versuchen, das Museumserlebnis zu imitieren oder sollten wir lieber etwas Neues schaffen? Via Zoom sprachen wir mit Jarosław Suchan, Direktor des Museum Sztuki in Łódz – einem der führenden Museen für moderne Kunst in Europa – und Balázs Faragó, CEO vom in New York und Budapest ansässigen Technologie-Start-Up

Walter‘s Cube. Er hat eine Online-Viewing-Room-Anwendung entwickelt, die eine überraschend relevante Antwort auf die oben genannten Fragen zu geben scheint. Die Technologie wurde von Artnet zu einer der sechs wichtigsten Entwicklung des letzten Jahres gekürt. Und das Kunstmuseum Łódz ist eine der Einrichtungen, die diesen flexiblen, einfach zu bedienenden, kuratoren- und besucherfreundlichen virtuellen Ausstellungsraum ausprobiert hat und darin eine große Chance sieht.


Anzeige Traditionellerweise sind die Hauptaktivitäten von Museen das Erfassen, Bewahren, Erforschen und Ausstellen von Kunstgegenständen in ihren Sammlungen. In diesem Jahr der Pandemie wurden all diese Aktivitäten schwierig. Was denken Sie, wie sollten die Institutionen mit dieser Situation umgehen? Welche Art von Online-Tools können sie einsetzen und wie können sie diese anwenden?

J.S.: Offensichtlich hat die Pandemie die Situation in der Kunstwelt dramatisch verändert mit tiefgreifenden Auswirkungen auf die Museen. Diese Institutionen haben mit realen, physischen Objekten zu tun, den Kunstwerken aus ihren Sammlungen. Das ist ihr Fundament, gewissermaßen ihr Hauptwerkzeug. Jetzt wird Kunst zwar gesammelt, dokumentiert und erforscht, aber sie kann nicht der Öffentlichkeit präsentiert werden. Egal wie vielseitig unser Programm ist, die Hauptaufgabe eines Museums besteht darin zwischen den Menschen und der Sammlung zu vermitteln – darin unterscheiden sich Museen von anderen Institutionen. Als Folge der Pandemie hat sich diese Aktivität stark vermindert. Alle Museen mussten sich neu definieren und selbstverständlich war die erste Reaktion, online zu gehen und das Internet zu nutzen. Die meisten Museen versuchten einfach die Aktivitäten des realen Lebens im

gleichen Format in den virtuellen Raum zu übertragen. Sie ersetzten die Ausstellungen aus dem realen Raum und begannen, virtuelle Ausstellungen zu erstellen; zuvor gab es Führungen für die Besucher, nun organisierte man Online-Führungen. Zwar ist das ein erster Ansatz, es reicht aber nicht aus. Das Internet bietet wirklich erstaunliche Möglichkeiten. Doch um diese Möglichkeiten zu nutzen, muss man neue Formate finden, in die man seine Aktivitäten überträgt. Genau das haben wir auch versucht: neue Formate zu erfinden, die nur im virtuellen Raum existieren können. Zum Beispiel ein Instagram-Residenz-Programm für Künstler: Wir haben Künstler eingeladen, für jeweils zwei Wochen unser Instagram-Profil zu betreuen. Sie konnten die Bilder aus unserer Sammlung nutzen, um eigene Werke oder visuelle Kommentare zu kreiern. Oder ein anderes Projekt, das von László Bekes Aktion Work = documentation of imaginati-

on aus dem Jahr 1971 inspiriert wurde. Er lud Konzeptkünstler ein, mit einer Arbeit auf einem A4-Blatt auf den gleichnamigen Slogan zu antworten. Wir haben die ursprüngliche Idee etwas abgewandelt und so eine Sammlung von völlig virtuellen Kunstwerken erhalten. Daraus ergab sich eine interessante Herausforderung, nämlich die Frage, wie man solche „nicht existierenden“ Kunstwerke ins Inventar des Museums aufnimmt. Während der Pandemie wollten wir eben auch Projekte ersinnen, die beim Publikum den Wunsch wecken ins Museum zu gehen und den Kunstwerken körperlich zu begegnen. Wir haben versucht, das Virtuelle mit dem Realen zu verbinden. Und deshalb fand ich die Online-Viewing-Room-Anwendung so interessant. Sie ist kein Ersatz sondern eine Ergänzung des Realen. Und sie kann dazu beitragen das Bedürfnis nach greifbarem Kontakt mit der Kunst im physischen Raum des Museums zu wecken.

Balázs, wie sahen die Bemühungen des Museums im Lockdown aus Ihrer Perspektive als Technologie-Unternehmer aus?

B.F.: Obwohl ich zwar aus einer anderen Richtung komme, habe ich doch auch einen gewissen Hintergrund in Kunsttheorie. Ich habe an der NYU studiert und in den Klassen von Boris Groys haben wir oft über die Definition von Museum und über das Ausstellungserlebnis gesprochen. Schon lange vor der Pandemie war ich der Meinung, dass die Art wie Ausstellungen repräsentiert werden problematisch ist. Bisher wurden Ausstellungen auf Fotos und manchmal in Videos oder Panoramabildern repräsentiert. Aber all das basiert auf der 180 Jahre alten 2D-Technik der Fotografie. Schaut man heute auf die Website eines Museums, dann sieht man Bilder, die sich kaum von dem unterscheiden was Daguerre damals in Paris gemacht hat. Nur hat er analoge Fotos gemacht während wir heute digitale machen. Aber die Idee dahinter hat sich nicht geändert: wir stellen ein 3D-Objekt in 2D dar. Eine Ausstellung jedoch be-

findet sich in einem bestimmten Raum und jeder Besucher kann sich individuell in diesem Raum bewegen, daraus resultiert für jeden eine einzigartige Erfahrung, eine andere Interpretation von dem was er oder sie gesehen hat. Die bisherige Ausstellungsdokumentation gibt jedoch nur ein statisches Abbild von dem was wir sehen können. Wie ist es also möglich eine 3D-Erfahrung in ein anderes Medium zu übertragen? Wahrscheinlich hat Walter Benjamin eine Antwort darauf, wenn er von der Aura des Kunstwerks spricht. In seinem 1935 erschienenen Essay „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ diskutiert er das Problem, mit dem wir heute konfrontiert sind. Er sagt, wenn wir ein Foto von einem Kunstwerk machen, können wir nur seine Informationen reproduzieren, seine Aura aber geht verloren. Die Aura ist gleichsam die Distanz zwischen Werk und Betrachter und sie ist essenziell

für die Kunsterfahrung. Was ich also sagen will ist, dass wir die Aura digital nachbilden sollten. Offensichtlich können wir die physische Erfahrung nicht nachbilden, aber wir können sie in eine 3D-Technologie übersetzen. Durch die 3D-Fotografie können wir die Ausstellung sehr genau dokumentieren und zudem den Ausstellungsraum selbst digital abbilden. Der Betrachter kann eintreten, in ihm umherschlendern, ihn entdecken und wirkliche Zeit in ihm verbringen. Wir haben bereits Shows für das Metropolitan, das Whitney und das Guggenheim dokumentiert, als uns aufging, dass wir einen Schritt weiter kommen, indem wir auch das Ausstellungsumfeld rekreiren. Und an diesem Punkt sind wir jetzt. Wir versuchen den Entscheidungsträgern in den Museen die Botschaft zu vermitteln, dass ein Paradigmenwechsel in der Kunstwelt vonstatten geht, von dem es kein Zurück mehr gibt.

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Jede Kunstgalerie, jedes Kunstmuseum ist heute gefordert, kreativ mit der neuen Situation umzugehen. Auch Künstler stehen unter dem Druck dieser Forderungen: Mach etwas online, sei präsent! Denn wenn du nicht dabei bist, wenn du deine Praktiken nicht neu konzipierst, um sie an die Online-Welt anzupassen, dann wirst du untergehen. Ist es denn realistisch von der Kunst so drastische Änderungen zu verlangen?

J.S.: Ich würde von Walter Benjamin und seiner populärsten, aber ziemlich problematischen These ausgehen. Ihm zufolge zerstören die neuen Reproduktionstechnologien die Aura, weil sie durch die weite Verbreitung der Reproduktionen diese besondere Distanz, die den Betrachter vom einzigartigen Original trennt, zunichte machen. Das Gegenteil ist der Fall: Die Verbreitung der Reproduktionen berühmter Originale macht ihre Aura noch ikonischer. Das Geschäftsmodell des Museumsshops basiert auf genau dieser Idee: Man kauft ein T-Shirt mit dem Abbild eines Originalkunstwerks, weil man sozusagen einen Anteil an dessen Originalität erwerben möchte. Digitale Technologien, wie die diskutierte Anwendung, können eine solche Erfahrung noch intensiver und befreit von diesem Warencharakter

bieten. Sie schaffen zwar kein digitales Äquivalent der Aura, aber sie können ein Begehren nach der Aurabegegnung mit dem Kunstwerk auslösen. Daher glaube ich nicht, dass wir uns in einer schwarz-weiß-Situation befinden: entweder bleiben wir im physischen Raum mit realen Kunstwerken oder wir gehen ganz in den virtuellen. Entgegen einiger Meinungen hat die Pandemie nicht den Relevanzverlust der Museen aufgezeigt, ganz im Gegenteil: Als vor drei Wochen die Museen in Polen allmählich wieder geöffnet wurden, standen lange Besucherschlangen vor unseren Toren. Die Menschen wollten sich wieder mit der Kunst verbinden und dieses besondere Erlebnis haben, das durch ein im realen Raum präsentes Kunstwerk und der körperlichen Präsenz anderer Besucher erzeugt wird.

Es wäre interessant herauszufinden, ob dies als Folge der Online-Aktivitäten des Museums passiert ist, das immer noch den Eindruck seiner normalen Aktivitäten und damit auch die Aura der Ausstellungen beschworen hat. B.F.: Wenn wir über Eindrücke sprechen, lassen Sie mich hier das Beispiel Musik anführen. Wir alle wissen, dass man vermutlich den besten Eindruck hat, wenn man „Under the bridge“ von den Red Hot Chili Peppers bei einem Konzert hört, irgendwo in Amerika in der Menge stehend und die Band spielt live. Aber das können wir nicht. Also hören wir den Song online oder wir laden ihn herunter. Die Technologie kann das Live-Erlebnis zwar nicht ersetzen, aber sie kann ein anderes vermitteln.

Ja, aber Musik hat keine Körperlichkeit, die Band hat sie, das Publikum und die Location haben sie. Insofern unterscheidet sich Musik von visuellen Kunstformen.

B.S: Es gab eine Zeit, in der Musik nur analog verfügbar war. Um Musik hören zu können, musste man sich zu ihr begeben. Von der Musik-Industrie wurde das Format geschaffen mit dem wir Musik in

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unser Wohnzimmer bringen können, und es war ein langer Weg bis wir Spotify hatten. Nun ist die Frage: Was ist das Format einer Kunstausstellung? Wir glauben, es ist eine Zeit- und Raumerfahrung und,

dass es mit unserer jetzigen Technologie möglich ist sie zu digitalisieren. Unser Ziel ist es, den Besuch eines Museums online so einfach zu machen wie das Abrufen eines Films auf Netflix.


Was die Körperlichkeit angeht, können wir ein bisschen über den Neoplastic Room sprechen? Den originalen Raum in Łódz habe ich zwar nicht gesehen, aber ich habe die virtuelle Version ausprobiert, die von Walter‘s Cube gemacht wurde. Und ich muss sagen, das war real – ich habe mich gefühlt, als wäre ich dort.

J.S.: Einen Raum wie den Neoplastic Room in die virtuelle Realität zu übertragen, ist deshalb eine ganz besondere Herausforderung, weil er 1948 von Władysław Strzeminski als Maschine entworfen wurde, die die Bewegung des Körpers

und des Betrachterblicks in einem Raum in Bezug auf die ausgestellten Kunstwerke orchestriert. Das ist die Rolle dieser architektonischen Struktur. Sie besteht aus durch geometrische Unterteilungen geformten Farbflächen. Die physische

Präsenz scheint dabei eine Grundbedingung dieser Wahrnehmungssituation zu sein. Deshalb fand ich die Idee, eine virtuelle Version davon zu machen, so faszinierend und ich bin sehr gespannt auf die Reaktionen der Betrachter.

Oben: Mit den „blauen Kreisen“ ist es einfach, in der Ausstellung zu navigieren. Walter‘s Cube verwendet die neueste KI-Technologie © Muzeum Sztuki, Neoplastic Room Linke Seite: Sie können Hunderte von echten Ausstellungen in Weltklasse-Galerien und Institutionen besuchen © Muzeum Sztuki, Neoplastic Room

Wie glauben Sie wird sich die kuratorische Praxis durch den Einsatz einer Technik wie dem Walter‘s Cube wandeln?

J.S.: Die kuratorische Praxis verändert sich ständig als Reaktion auf neue Impulse aus verschiedenen Bereichen. Sie resultiert nicht mehr allein in einer Ausstellung. Heutzutage kann das Projekt des Kurators – wie wir wissen – als Buch, als Veranstaltungsreihe, als Konferenz oder als Nachbarschaftstreffen verwirklicht werden. Die digitalen Lösungen eröffnen ein neues Feld, das von Kuratoren besetzt werden kann, und sie bieten ein Werkzeug für die Entwicklung neuer Formate. Und das liegt, denke ich, noch vor uns – wir sind noch dabei zu lernen und zu entdecken, was die Technologie überhaupt möglich macht.

B.F.: Was den Neoplastic Room angeht – der ist wirklich außergewöhnlich, es ist kein weißer Würfel mit Kunstwerken darin, sondern der ganze Raum agiert als Kunstwerk. Er ist eine Maschine, sogar auch eine Zeitmaschine, der einen in eine bestimmte Periode der modernen Kunst zurückversetzen kann. J.S.: Das hoffe ich nicht. Für mich ist der Neoplastic Room definitiv nichts, was lediglich an die Vergangenheit erinnert. B.F.: Was ich meinte war, dass die ursprüngliche Erfahrung immer noch vor-

handen ist: Man betritt einen Raum, der sich ja über die Jahrzehnte nicht allzu sehr verändert hat. Er ist auch wegen des Raumes nebenan interessant. Das ist ein Projektraum, in dem das Museum Ausstellungen entwickelt, die den Neoplastic Room reflektieren. Durch unsere Technologie ist es möglich Kuratoren und Künstler einzuladen, ihre eigene Version davon zusammenzustellen, nicht nur theoretisch sondern auch visuell. Das Ergebnis kann eine Ausstellung sein. Aber bis dahin können die Konzepte mit unserem Tool erprobt und dargestellt werden. Die Kuratoren können ihr Konzept auch gleich

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in Form eines Rundgangs erläutern. Der Neoplastic Room war in den 30er Jahren Ausdruck eines Paradigmenwechsels, und heute könnte so etwas auch mit den Ausstellungen passieren, die sich damit befassen. J.S.: Wir versuchen, dem Neoplastic Room mit zeitgenössischen Kunstpraktiken und aktuellen Überlegungen zu körperlich-vi-

sueller Wahrnehmung, Architektur, Gesellschaftsordnung etc. zu begegnen. Künstler wie Nairy Baghramian, Daniel Buren, Monika Sosnowska und viele andere sind dabei in Dialog mit diesem einzigartigen Raum getreten. Sie beantworten aus ihrer eigenen Perspektive die von ihm aufgeworfenen Fragen. Mit Hilfe des virtuellen Werkzeugs können

wir diese Idee nun über die Grenzen der Physikalität hinaus erweitern. Ein weiterer Vorteil ist: Während die internationale Dimension des Projekts beibehalten wird, kann dies geschehen ohne den ökologischen Fußabdruck des Museums zu vergrößern. Heutzutage ist die Umweltbelastung durch Transport und Reisen auch in der Kunstwelt etwas, worüber wir uns Gedanken machen müssen.

Früher oder später wird die Pandemie enden und die Kunstinstitutionen werden wieder mit der Rückkehr zum normalen Leben beginnen – was auch immer das heißen mag. Glauben Sie, dass uns die Online-Tools auch nach dieser ungewöhnlichen Zeit erhalten bleiben werden?

B.F.: Einige grundlegende Probleme werden ja auch weiterhin bestehen bleiben. Zum Beispiel das Problem des musealen Raums mit seinen Beschränkungen in Zeit und Materie. Wenn man eine Ausstellung in Łódz sehen will, muss man natürlich dort hingehen und sie vor dem Schließungstermin noch erwischen. Mit diesen neuen Technologien können die Institutionen ihre Ausstellungen digital erfassen und archivieren. Die Leute können sie jederzeit besuchen und auch die Forscher, Kunsthistoriker, Kuratoren werden die Chance haben zu diesen Ausstellungen

zurückzugehen und sie so zu sehen wie sie waren. Auch in der Forschung wird damit eine neue Perspektive eröffnet.

besuchen. Diese Werkzeuge werden uns dabei helfen, diejenige miteinzubeziehen, die sonst eben keinen Zugang hätten.

J.S.: Ich denke, diese Lösungen sollten nicht nur als Ersatz verwendet werden, wenn Leute nicht in die Museen gehen können, sondern als zusätzliche Werkzeuge, um eine neue sinnliche und intellektuelle Erfahrung zu schaffen. Zudem ist es auch wichtig, über Zugänglichkeit und Inklusion nachzudenken. Nur eine Minderheit hat und wird die Möglichkeit haben zu reisen und die Museen persönlich zu

Besuchen Sie den Neoplastischen Saal im Museum Sztuki von Ihrem mobilen Gerät mit diesem QR-Code.

Rechts oben: Walter‘s Cube-Gründer: CEO Balasz Farago mit seinem Mentor Prof. Boris Groys an der NYU im Jahr 2015 © Walters Cube Rechts Mitte: Direktor Museum Sztuki, Jaroslaw Suchan Foto: Jaroslaw Suchan © Muzeum Sztuki

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Walters Cube Wiener Platz 2 81667 München Tel. 0173 - 2344066



DampfLandLeute – Museum Eslohe Autoren: Gudrun Schulte und Klaus Gottfried

Kaum jemand, der nicht gerade ein Dampfmaschinen-Fan ist, weiß, dass es in Eslohe, mitten im Sauerland, eines der bedeutendsten Technikmuseen Deutschlands gibt. Hier ist (fast) alles zur Geschichte der Antriebstechnik und rund um Dampfmaschinen, Lokomotiven, historische Motoren und Traktoren nicht nur zu finden, sondern auch in Aktion zu sehen und zu erleben. Etwa bei den „Dampftagen“, die am letzten

Wochenende im Mai und September stattfinden. – Wie es in diesem Jahr sein wird, weiß unter den gegebenen Umständen keiner. – Fahrten mit der alten Krauss-Dampflok, Baujahr 1898 und zwei Dieselloks mit unterschiedlichen Waggons - mal überdacht, mal im Cabrio – gehören sicher zu den Höhepunkten eines Museumsbesuchs bei diesen großen Dampffesten. Alle Maschinen stehen „unter Dampf“ und zeigen in faszinie-

render Weise, was die zum Teil über 150 Jahre alten „Schätzchen“ noch draufhaben. Oldtimer-Traktoren und die alte Straßenwalze ziehen ihre Runden auf dem Museumsgelände. Einige Besucher kommen mit ihren Oldtimern zu Besuch. Gelegentlich melden sich ganze Gruppen mit Oldtimern an, seien es Trecker Clubs oder etwa Gruppen, die „Kabínenroller“ oder „Goggos“ haben. Dazu gibt es Festivalstimmung mit Musik und Gastronomie.


Linke Seite: Grundstein des Museums mit Wohnhaus des Gründers, alter Maschinenhalle und Gleisanlage Foto: © DampfLandLeute – Museum Eslohe

Rechte Seite: Die Krauss-Dampflok von 1898 zieht jetzt wieder ihre Runden. Foto: © DampfLandLeute – Museum Eslohe

Außergewöhnliches Technikmuseum

Herausragende, funktionstüchtige Maschinensammlung

„Das Museum Eslohe vereinigt in gelungener Weise die Darstellung des regionalen Gewerbes und die von wichtigen Teilen der Technikgeschichte. Insbesondere die Maschinensammlung hebt das Esloher Museum weit über das Niveau eines typischen Heimatmuseums hinaus, indem es nicht nur Handwerk und Landwirtschaft präsentiert, sondern als „lebendiges Museum“ auch Maschinen in Funktion zeigt. Hierbei verdient besonders die Dampfmaschinensammlung hervorgehoben zu werden. Was den lebendigen Dampfbetrieb betrifft, kann sich Eslohe mit den bedeutenden Dampfmaschinenmuseen im Mutterland der Dampfmaschine, Großbritannien, und dem Museum in Medemblik (Niederlande) messen. Das DampfLandLeute-Museum im Sauerland sucht daher in Deutschland seinesgleichen“. Das schreibt Albert Gieseler, Mitautor des Buchs „Die Geschichte der Dampfmaschine“ und Inhaber einer Datenbank mit einer der größten Dokumentationen über Dampfmaschinen weltweit. Sicher gibt es in Deutschland andere Museen und Sammler, die auch eine umfangreiche Dampfmaschinen-Sammlung besitzen, aber meist sind sie nicht betriebsbereit oder werden mit Druckluft betrieben. Einige Museen präsentieren eine einzelne, größere Dampfmaschine zu bestimmten Gelegenheiten „unter Dampf“.

„Herauszuheben ist auch die Vielfalt der gesammelten Maschinen. Insbesondere die beiden ca. 150 Jahre alten Bockmaschinen von Egestorff in Hannover verdienen Beachtung. Eine etwa gleichaltrige Schwestermaschine befindet sich im Deutschen Museum und nur wenige dieser Maschinen blieben in Deutschland erhalten, werden aber meist nicht betrieben. Die liegende Maschine dürfte die einzig erhaltene Dampfmaschine von Stein in Stuttgart sein, eine Firma, die sich insbesondere auf dem Gebiet der Kältetechnik einen Namen gemacht hatte. Dampfpumpen mit und ohne Drehbewegung bzw. Getriebe, eine Schiffsdampfmaschine, zwei Schnellläufer, davon einer zum Generatorantrieb, zeigen die Vielfalt des Dampfantriebs. Dampfmaschinen auf Rädern (u.a. eine Lokomobile), eine Dampfwalze und drei Dampflokomotiven, runden die Sammlung ab. Bemerkenswert ist der gute Erhaltungszustand, der vom großen Einsatz der Museumsleute zeugt und den Besuchern auch die Ästhetik der Technik zeigt,“ so Gieseler. Eigenes Werkstattteam Ein eigenes Werkstattteam, das einen Großteil seiner Freizeit im Museum mit der Pflege und Restaurierung alter Ma-

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schinen verbringt, macht das möglich. Erst kürzlich gelang es, die Krauss-Dampflok wieder fahrbereit zu machen. Zurzeit wird ein neues Kapitel „Dampfmaschine“ umgesetzt. – Jahrelang suchte das Museum eine ventilgesteuerte Dampfmaschine. Mehrere Versuche, in den Besitz einer solchen zu kommen, scheiterten. Schließlich gelang der Coup 2017. Bei der Firma Thonet – jeder kennt die berühmten Stühle der Marke – stand eine funktionstüchtige Dampfmaschine dieser Bauart. Schnell war man sich einig und das Werkstattteam baute den „Giganten der Industriegeschichte“ in mühevoller Kleinarbeit – unterstützt von Thonet – ab. Jetzt ist man dabei, die baulichen Voraussetzungen für das Aufstellen und Installieren dieser bislang fehlenden, in Einzelteile zerlegten Dampfmaschinenart zu schaffen. An dieser Stelle sei noch mal ausdrücklich daraufhin gewiesen, dass das gesamte Museum ehrenamtlich betrieben wird. Praktischer Lernort Für uns ist es heute selbstverständlich, jederzeit Energie zur Verfügung zu haben: sei es aus der Steckdose, aus der Zapf-

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säule oder aus dem Heizkörper. Vor 300 Jahren war das keineswegs so: mechanische Energie wurde durch Wasser- oder Windräder oder eben durch Handarbeit erzeugt (alle Energiequellen mussten per Handarbeit zur Verfügung gestellt werden). Erst die Erfindung der Dampfmaschine veränderte den Einsatz von Energie grundlegend. Ihre Nutzung ermöglichte den Beginn der Industriellen Revolution. Körperliche Arbeit konnte erstmals deutlich reduziert werden und der Mensch wurde unabhängig von Wasserund Windkraft. Diese bedeutende Errungenschaft und ihr Einsatz im täglichen Arbeitsleben erleichterte Produktionsprozesse und zeigt noch heute die Ästhetik und Schönheit solcher alter Maschinen und Industrieanlagen. Mehr als ein Heimatmuseum Das Museum Eslohe geht in seiner Bedeutung weit über das Niveau eines klassischen Heimatmuseums hinaus. Allein diese heimatkundliche Ausrichtung wäre schon bedeutsam – herausragend ist jedoch die lebendige Darstellung der Dampfmaschine. Ihren Reiz macht nicht die bloße Bewegung durch Fremdenergie aus, sondern der Dampfbetrieb spricht mit

Wärme, Geräuschen und Geruch (durch das Zylinderöl) so gut wie alle Sinne an. Im Esloher Museum kann man nicht nur die Schönheit dieser Industrie-Dinosaurier erleben, sondern mit instruktiven Info-Tafeln, medialer Aufbereitung in kleinen Filmfrequenzen über die Dampfkraft und die zugehörigen Maschinen sowie dem neu zur Verfügung stehenden Audioguide in Technikgeschichte, Arbeitswelt, Leben und Volkskunde im Sauerland und darüber hinaus in die Lebens- und Arbeitswelt des 19. / 20. Jahrhundert eintreten. Der Audioguide führt informativ, aber unterhaltsam an 20 Stationen durch die Dauerausstellung. Das System ist eine fantastische Bereicherung für das Museum. Erstmals wird es dem Besucher ermöglicht, das Museum mittels eines erklärenden Rundgangs für sich selbst zu entdecken und, falls gewünscht, an jeder Station mit Info-Tafeln, Touchscreen oder Video tiefer in die Ausstellungsthematik, die Geschichte oder Anwendung des jeweiligen Exponats einzutauchen. Das macht Führungen nicht überflüssig – sie sind Gruppen vorbehalten – erlaubt aber eine individuelle, spannende Begleitung durch das Museum.


Das DampfLandLeute – Museum Eslohe immer innovativ 1981 wurde das Maschinen- und Heimatmuseum Eslohe eröffnet. Es entstand aus den Aktivitäten einiger rühriger Esloher Bürger, die 1975 den Museumsverein Es-

lohe e.V. gründeten. Die zunächst eher volkskundlich ausgerichtete Sammlung des Vereins bekam Räumlichkeiten auf dem Gelände der Firma Koenig im Salweytal zur Verfügung gestellt. Eberhard Koenig, Inhaber des Unternehmens, überließ dem Museumverein als Dauerleihga-

be zudem seine umfangreiche Antriebsmaschinen-Sammlung, darunter funktionstüchtige Dampfmaschinen, Dampfund Dieselloks, Diesel-, Benzin- und Elektromotoren. Das Wasserrad auf dem Museumsgelände dokumentierte eine weitere Energiequelle. 1993 wurde das Museum durch eine ehemalige Maschinenhalle erweitert, die das damals noch ansässige Unternehmen Ketten Wulf, Weltmarktführer im Bereich Antriebs- und Förderketten, nicht mehr nutzte. Es konnte eine große landwirtschaftliche Ausstellung, eine Dorfschmiede und eine Galerie mit weiteren Dorfhandwerken eingerichtet werden. Dazu kamen Originalteile der alten Industrieschmiede. Linke Seite: Die liegende Dampfmaschine der Fa. Stein (Bad Cannstatt) läuft noch heute zuverlässig wie vor über 125 Jahren Rechte Seite, oben: Blick von oben in die volkswirtschaftliche Ausstellung Rechte Seite, unten: Schöner Blickfang: die Dampfstraßenwalze, Baujahr 1934 Fotos: © DampfLandLeute – Museum Eslohe

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Zweizylindrische Verbunddampfmaschine mit Fliehkraftregler © DampfLandLeute – Museum Eslohe

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Mechanisierung der Landwirtschaft Die landwirtschaftliche Ausstellung spiegelt die Entwicklung der Landwirtschaft von Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1990er Jahre wider. Von der Handarbeit ausgehend bis hin zur Vollmechanisierung orientiert sich der Rundgang am Jahresablauf, unter besonderer Berücksichtigung der biologischen und klimatischen Besonderheiten der Mittelgebirgslandschaft des Sauerlandes. Touchscreens bieten die Beschreibung der einzelnen Maschinen und ihrer Funktionsweise in Deutsch, Englisch und Niederländisch. Originalschauplatz: Industrieschmiede Am Originalschauplatz, hier ist die alte Industrieschmiede in Teilen erhalten, zeigen die harten Arbeitsbedingungen der Menschen bei der industriellen Herstellung von Werkzeugen und Kettenrädern. Besonders imposant ist der Lärm, den ein Fallhammer macht, wenn der Museumsführer den Hammer zum Laufen bringt. Unschwer vorzustellen, was hier los war, wenn mehrere Fallgewichte niedersausten, von Arbeitsschutzvorrichtungen keine Spur. Fast schon beschaulich wirkt die kleine Dorfschmiede nebenan. Handwerke originalgetreu Im Obergeschoss findet sich die Handwerker-Galerie: Nahezu alle Handwerke, die sich in einem Dorf fanden, sind hier mit viel Liebe zum Detail nachgebaut worden. In Zukunft sollen hier ebenfalls Arbeitsweisen und Lebensverhältnisse der Handwerker mit medialer Unterstützung erlebbar gemacht werden. Eine eigene Halle für die Maschinen 2006 schließlich wurde das Museum in seiner heutigen Form eröffnet. Die alte Maschinenhalle mit Landwirtschaft, Handwerk und Feuerwehr wurde um 1000 m2 Ausstellungsfläche erweitert. Linke Seite, oben: Eine typische Dorfschmiede, wie sie einst in jedem Dorf anzutreffen war Linke Seite, Mitte: Diese Stechuhr ist nicht nur ein schönes Ausstellungsstück sondern symbolisiert auch den Beginn der Industriearbeit Linke Seite, unten: Der Wald: Erwerbsquelle und Erholungsraum – vorne: Werkzeuge zur Herstellung von Jagdmunition Rechte Seite: Der Lanz-Bulldog aus dem Jahr 1927 fährt tuckernd bei den Dampftagen End Mai und September seine Runden über das Museumsgelände Fotos: © DampfLandLeute – Museum Eslohe

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Die Firma Ketten-Wulf hatte sich endgültig von diesem Standort Eslohe verabschiedet, weil sie hier keine Erweiterungsmöglichkeiten besaß. Die freigewordenen Hallen konnten nun für das Museum genutzt und vor allem die große Maschinensammlung Koenig in ihrer ganzen Schönheit und Einzigartigkeit gezeigt werden. Gleichzeitig wurde das Schienennetz der Werksbahn, die seit Anfang der 1940er Jahre auf dem Werksgelände ihre Runden fuhr, ausgebaut und ermöglicht so heute Rundfahrten auf einem angrenzenden Wiesengelände. Bahnfahren wie anno dazumal Heute kann man mit der Museumsbahn durch das beschauliche Salweytal tuckern, frische Luft genießen und dem Damwild des nahen Gastronomiebetriebs beim Äsen zuschauen. Die Fahrt mit der Bahn gehört zu den Höhepunkten eines Museumsbesuchs an jedem ersten und dritten Samstag im Monat von April bis Ende Oktober - vor allem für die Kinder. An normalen Eisenbahnterminen fährt das Museumsteam mit Dieselloks. Zu den Dampftagen wird auch die Dampflok von 1896 unter Dampf gesetzt und zieht ihre Runden mit den Fahrgästen. Im Anschluss kann man im Museum erfahren, wie genau eine Dampflok funktioniert und warum der Dampf früher eine ganz besondere Bedeutung hatte. Erlebnisort

Über die Dauerausstellung hinaus finden im Museum Eslohe Wander- und Sonderausstellungen unterschiedlicher Art sowie Konzerte, Lesungen, Festivals, Oldtimertreffen etc. statt. Endergebnis ist eine überdachte Ausstellungsfläche von über 2000 m2, ein imposantes Außenareal, eingebettet in die Schönheit des Sauerlandes und ausgestattet mit einem beachtlichen Maschinenpark sowie einem reichhaltigen Fundus an weiteren zeitgeschichtlich relevanten Überbleibseln. Das DampfLandLeute-Museum Eslohe stellt somit auch einen außerschulischen Lernort für Kinder, Jugendliche und Erwachsene dar, der Langeweile nicht aufkommen lässt. „Sauerland-Kraftort“ Seit einigen Jahren ist auch das Außengelände des DampfLandleute – Museums Eslohe zu einem besonderen Ort geworden: zu einem „Sauerland-Kraftort“. Umrahmt ist der Platz vom Wohnhaus Koenig (dort auch 1981 im Vorgarten beigesetzt), von alten Gebäuden, stilvollen Arkaden, Türmchen, Bogenfenstern, einem kleinen Fachwerkhäuschen, einer großen Speicherdampflok, der alten Werkshalle von 1936 und dem Überlauf des Obergrabens. Wer einmal ganz in Ruhe, auf der Bank vor dem Fachwerkhäuschen gesessen hat, dem Plätschern des Wasserrades nebenan gelauscht oder bei starkem Wasseraufkommen dem Tosen der Wassermassen des Überlaufs zugehört hat, spürt, warum dieser Platz zum „Kraftort“ wurde.

Direkt am Museum führt der „Sauerlandradring“ vorbei. Radfahrer parken gerne auf dem großzügigen Parkplatz und starten von hier aus auf verschiedenen Etappen. An vielen Haltepunkten kann man Wissenswertes über die alte Bahntrasse erfahren, auf der der Radweg entlang führt. Viele Radler nutzen anschließend die Möglichkeit das Museum zu besuchen. Das gesamte Museum ist selbstverständlich auch barrierefrei. Ein Besuch im DampfLandLeute – Museum Eslohe lohnt sich also in jeder Hinsicht. Linke Seite: Ein Glanzstück der Ausstellung „Dampfmaschinen“ ist die Lanz-Lokomobile, Baujahr 1909 Rechte Seite: Die verschiedenen Loks laden immer wieder zu Bahnfahrten auf der Schmalspurbahn ein. Für Groß und Klein ein unvergessliches Erlebnis Alle Fotos : © DampfLandLeute – Museum Eslohe

AUDIOGUIDE DAMPFLANDLEUTE MUSEUM ESLOHE

www.museum.de/m/243 Doch ist das nur eine von vielen Möglichkeiten, Erkundungslust und Wissensdurst zu stillen: In unterschiedlichen Arten der Präsentation, auch multimedial, die in einer Dauerausstellung die Themenbereiche Landwirtschaft, Waldwirtschaft, Dorfhandwerker, Volkskunde und Technik zeigen, gibt es reichlich zu entdecken.

Wander-und Fahrraderlebnis angeschlossen Das DampfLandLeute – Museum Eslohe ist aber auch Ausgangspunkt für Wanderungen in die reizvolle Umgebung, leichte und schwere Varianten können erwandert werden.

DampfLandLeute – Museum Eslohe Homertstraße 27 59889 Eslohe Tel. 02973 - 2455 info@museum-eslohe.de www.museum-eslohe.de

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Henry van de Velde und die weißen Punkte Nicht nur blau-weiße Tonwaren im Keramik-Museum Bürgel Autor: Konrad Kessler

Die neue, so genannte Kunstkeramik – aufwendig dekorierte Ziergefäße, die zum Teil mittels Gipsformen und in mehreren Teilgüssen hergestellt wurden – erschloss neue Märkte. Bürgel entwickelte ein modernes Profil. Getragen von dieser Entwicklung wurde 1880 das „Keramische Museum zu Bürgel“ als öffentliche Mustersammlung gegründet. Ein Ziel war es, den hiesigen Töpfern Inspirationsquellen aus der eigenen Tradition aber auch anderen Gegenden und Kulturkreisen zu vergegenwärtigen.

Die kleine thüringische Töpferstadt Bürgel war nicht nur in der DDR für Keramik mit seiner intensiv blauen Engobe-Grundierung und dem kleinen weißen Pünktchen bekannt. Als Exportartikel ging die 1. Wahl häufig direkt in „den Westen“. Für die DDR-Bürger war die blau-weiße Keramik „Bückware“ und heiß begehrtes Tauschgut. So hört man auch immer wieder Geschichten, wie die glücklicherweise nie vollzogene Strafandrohung: „Fällt ein Bürgeltopf, rollt ein Kinderkopf!“ Das einzige Spezialmuseum für Keramik in Thüringen zeigt natürlich mehr als nur blau-weißes DDR-Geschirr.

Henry van de Velde und der Bürgeler Jugendstil

Töpferei-Geschichte in Bürgel

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Während archäologische Funde aus der Region Töpferei schon in der Jungsteinzeit belegen, dokumentieren schriftliche Quellen das Handwerk in Bürgel ab dem 17. Jahrhundert. 1660 schlossen sich fünf Töpfer in einer Innung zusammen und wachten fortan über Produktion, Handel und Ausbildung. Die weitläufig renommierte Spezialität der Bürgeler war in dieser Zeit neben einfacher Irdenware das sehr hoch gebrannte Steinzeug mit der so genannten „Blauen Schürze“.

Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert und dem Durchsetzen neuer Materialien für Haushalt und Küche, wie Porzellan, Steingut, Gußeisen oder Emaillewaren kam es zu einem massiven Einbruch des Absatzes. Das traditionsreiche Bürgeler Töpferhandwerk war existenziell bedroht.

In vorindustrieller Zeit wurde nahezu jedes erdenkliche Haushaltsgefäß für den tagtäglichen Gebrauch aus Ton hergestellt und in einem Umkreis von mehr als hundert Kilometern verkauft. So zeigt das Keramik-Museum Krüge, Kannen, Schüsseln, Teller, Tassen, Kuchenformen, Futternäpfe, Reibetöpfe und übergroße Vorratsbehältnisse. Es überrascht aber auch mit eigenwillig geformten Apothekergefäßen, Schreibtisch schmückenden Tintenzeugen und zierreichen Lasen – aufwendig gestalteten Tüllenkannen.

Die Großherzogliche Landesregierung in Weimar steuerte diesem Trend mit Unterstützung der Gründung erster Keramikmanufakturen und künstlerischer Anleitung entgegen. So produzierte man neben den neuen Eigenschöpfungen der Werkstattinhaber im historistischen Stil auch nach Entwürfen von Künstlern wie Bruno Eelbo und Hermann Obrist. Auf Anraten des letzteren durchlief auch die deutsche Jugendstil-Bildhauerin und Schriftstellerin Emmy von Egidy eine kurze Töpferausbildung in Bürgel.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Henry van de Velde, der bedeutende Universalkünstler des Jugendstils, als Berater in das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach geholt. Auf seine Ideen geht unter anderem die Gründung der Kunstgewerbeschule in Weimar zurück, aus der später das Bauhaus hervorgeht. 1902 besuchte van de Velde erstmals Bürgel. In seinem Spezialbericht schildert er die Bürgeler Fabriken, denen „die Seele und der Geist fehlt. Die Seele, der Modelleur; der Geist: der Chemiker“. Die Produkte sind geprägt von „widerlichen gewöhnlichen Tonfärbungen in grau und schmutzig-grün. [...] Diese allgemeine Häßlichkeit ist anti-traditionell und folglich auch anti-modern.“ Seinen Äußerungen zum Trotz zeigt das Museum auch Prunkvasen der Zeit um 1900, welche die hohe Kunstfertigkeit und das technische Know-how der Bürgeler Tonwarenfabrikanten belegen.

Linke Seite: Historistische Prunkvase (Detail) von Franz Eberstein, um 1890. Foto: Peter Eichler Rechte Seite: Krug von Hermann Obrist, um 1900 Foto: Marcus Rebhan


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Schon sechs Jahre später kann van de Velde berichten, dass nach seinen Bemühungen die Bürgeler Töpferei fähig seien, „dem Lande Sachsen-Weimar Ehre zu machen und einen beständigen Absatz in Deutschland und dem Ausland zu finden.“ Henry van de Velde lieferte mindestens sechzig eigene Entwürfe und Schülerarbeiten der Kunstgewerbeschule als Vorlagen für keramische Gefäße an die Bürgeler Werkstätten. So kann das Museum heute die größte öffentliche Sammlung an Keramik des Jugendstil-Künstlers zeigen. Dazu gehören auch Stücke mit blau-weißem Punktmuster. Nicht nur seine Verwendung dieses neu aufgekommenen Dekors führte wohl dazu, dass es ein halbes Jahrhundert später das dominante und bekannteste Dekor der Töpferstadt wird.

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Dem Einsatz van de Veldes ist eine nachhaltige Belebung der Bürgeler Keramikproduktion zu danken. Stilistische und technische Besonderheiten der von ihm geprägten Produkte lassen zu, von einer eigenständigen „Bürgeler Jugendstil-Keramik“ zu sprechen. Dies zeigt sich besonders in den organischen Formen, so wie den schönen, schlichten Lauf- und faszinierenden Kristallglasuren. DDR-Geschichten Kristallglasuren waren auch ein Markenzeichen des Keramikers Walter Gebauer, der neben Carl Fischer zu den prägenden Töpfern Bürgels in der Mitte des 20. Jahrhunderts gehörte und einer der bedeutendsten Gefäßkeramiker der DDR war.

Die besonderen Möglichkeiten und Einschränkungen der Töpferei im Rahmen der „sozialistischen Produktion“ beleuchtet die Dauerausstellung mit dem bekannten blau-weißen Geschirr ebenso wie die unerwartete Form- und Dekorvielfalt. Museum, Töpfermarkt und WalterGebauer-Keramikpreis Seit 2003 befindet sich das Keramik-Museum im sanierten und denkmalgeschützten „Alten Schulhaus“ aus dem 18. Jahrhundert. Neben der Dauerausstellung werden pro Jahr mindestens zwei Sonderausstellungen zu unterschiedlichen keramischen Themen gezeigt. Das Spektrum reicht von archäologischen Ausstellungen, über Einzeldarstellung der historischen lokalen Töpfereien hinzu zeitgenössischen Töpfern und Keramikern.


zweitägige Ausstellung bildet das breite Spektrum des kontemporären keramischen Schaffens ab.

Linke Seite: Historische Töpferscheibe Rechte Seite: Keramik-Museum Außenansicht Alle Fotos: © Keramik-Museum Bürgel

Bauhaus-Werkstatt-Museum Dornburg Das Bürgeler Museum steht in Trägerschaft des Förderkreises Keramik-Museum Bürgel und Dornburger Keramik-Werkstatt e.V.. Dieser betreibt seit der Einrichtung 2019 auch das Bauhaus-Werkstatt-Museum Dornburg. An diesem in vielfacher Hinsicht einzigartigen Ort lässt sich Bauhaus-Geschichte auf ganz besondere Weise erleben und verstehen. Hier entstand 1920 die einzige außerhalb Weimars befindliche Werkstatt aus der Frühphase der Kunstschule und deren einzige Töpferei. Die Museumsmitarbeiter sind auch an der Organisation des jährlich am vorletzten Juniwochenende stattfindenden Bürgeler Töpfermarktes beteiligt. Dieser zählt mit knapp 100 Töpfern zu den größten und traditionsreichsten in Deutschland. In seinem Rahmen wird auch der WalterGebauer-Keramikpreis mit wechselnden Themen ausgeschrieben. Die zugehörige,

Durch die Weiternutzung und nur geringe Veränderungen handelt es sich heute um die letzte in situ erhaltene Werkstatt des Bauhauses. Das Museum in Dornburg macht so die besondere Bedeutung der handwerklichen Ausbildung der Studierenden am Bauhaus sichtbar und verständlich.

AUDIOGUIDE KERAMIK-MUSEUM BÜRGEL

www.museum.de/m/1478

Keramik-Museum Bürgel Am Kirchplatz 2 07616 Bürgel Tel. 036692-37333 post@keramik-museum-buergel.de www.keramik-museum-buergel.de

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Wegweisende Inszenierung Mit antibakteriellem Schutz

Gerade jetzt nach diesem turbulenten Jahr stehen Kulturschaffende vor der Herausforderung, die Menschen wieder zu Ihren Aktionen und in die Räumlichkeiten zu locken. Lösungen und Ansätze werden händeringend gesucht. Die innovative, provokative oder informative Einbindung des Bodens kann dabei ein Baustein sein, um sich von Anderen abzuheben und Besucher mit einem kostengünstigen und doch unkonventionellen Element zu begeistern – einem FOTOBODEN™. Denn der Boden unter unseren Füßen ist so alltäglich, dass wir seine inszenatorischen Chancen und Möglichkeiten als größte Werbefläche am Boden häufig vergessen. Was sind die Vorteile für Sie? FOTOBODEN™ trägt die Raumatmosphäre Der Boden bietet eine gestalterische Ausweichfläche, um den eventuell knappen Platz an den Wänden nicht zu überladen - und er trägt maßgeblich zu einem ganzheitlichen Raumgefühl bei. NEU ab 2021: Der neu entwickelte Objektboden, mit antibakterieller Versiegelung nach ISO Norm, gibt den Besuchern zusätzlich ein sicheres Gefühl. Der Boden ist sozusagen hygienisch rein und verhindert bzw. zerstört sogar jegliche Ansammlung von Bakterien auf seiner Oberfläche. Zusätzlich entspricht er den VOC-Emissionsnormen und trägt somit zu einem gesunden Raumklima bei. FOTOBODEN™ ist ein Besucher-Leitsystem Damit Ausstellungen konsistente Geschichten vermitteln können, braucht es zumeist eine Besucherführung. Ob chronologisch aufeinander aufgebaute Exponate oder thematisch unterteilte Bereiche

– Besucher brauchen eine klare Orientierung, um sich ganz auf das Erlebnis Museum einlassen zu können. Der Boden bietet hierbei den Vorteil, dass er zumeist sehr gut zu sehen ist und keinen Platz an den Wänden einnimmt. Somit kann eine Besucherführung als Teil der Raumgestaltung ganz einfach grafisch umgesetzt werden. FOTOBODEN™ vermittelt Regeln und Informationen Auch in Zukunft wird es unumgänglich sein, Hygiene- und Verhaltensregeln kommunizieren zu müssen. Anstatt Wände zu überfrachten und Besucher visuell zu überfordern, kann der Boden hier optimal als ergänzende Fläche genutzt werden. Bewusst und durchdacht platziert, können Informationen auch auf dem Boden vermittelt werden. Gerade im Rahmen des Förderprogramms des Bundes „Neustart“ müssen Kultureinrichtungen bei Wiedereröffnung zur Reduzierung der weiteren Ausbreitung des Coronavirus einige Umbauten und Anschaffungen vornehmen. Antragsberechtigt für das Sofortprogramm sind u.a. Maßnahmen zur optimalen Besuchersteuerung, wie Bodenaufkleber und eine auffällige Kommunikation der Sicherheitshinweise. FOTOBODEN™ hat dafür eine eigene Produktlinie entwickelt, die nicht nur schnell installiert, sondern auch variabel repositionierbar sind. Es gibt fertige Designs an Abstands- und Laufrichtungsmatten, aber auch jedes individuelle Design kann kurzfristig geliefert werden. Generell werden in Kunst & Kultur die Potenziale der Bodengestaltung immer öfter ausgeschöpft, was unsere vielfältigen Referenzen auf unserer Homepage unter Beweis stellen.

Ausstellungsansicht „Echt jetzt?! – KLASSE KUNST“ © Oö. Landesmuseum, A. Bruckböck


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Stadtmuseum Riesa mit Benno-Werth-Sammlung Autorin: Maritta Prätzel

Wo Soldaten einst das Kriegshandwerk erlernten… Als 1923 die Riesaer Stadtväter beschlossen, einen Schlafsaal in der ehemaligen Artilleriekaserne am Poppitzer Platz für ein Heimatmuseum zur Verfügung zu stellen, sollte dies nur eine Übergangslösung sein. Man vertrat die Auffassung, dass der weite Weg zu einem abseits vom Zentrum liegenden Museum den Bürgern auf Dauer nicht zuzumuten sei. Doch wie so oft im Leben erwies sich die Interimslösung als sehr dauerhaft und so zogen 2007 die Mitarbeiter mit der musealen Sammlung nach knapp zweijähriger Komplexsanierung wieder zurück in das Haus am Poppitzer Platz, wo inzwischen auch die Stadtbibliothek ihr Domizil hat. Museum als Erlebnisort Bereits im Eingangsbereich mit Foyer Café wecken ausgewählte Objekte und historische Stadtansichten Neugier auf die Ausstellungen. Im großen Saal im Erdgeschoss wechseln sich Sonderausstellungen mit Kunst, Kunsthandhandwerk oder kultur- bzw. stadtgeschichtlichen Themen ab.

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Im angrenzenden Benno-Werth-Saal finden Vorträge, Gesprächsrunden, Lesungen, Konzerte, Themenabende, der monatliche Kaffeeklatsch zur Heimatgeschichte, die Treffs des Kindermuseumsclubs und der Forschungsgruppe sowie Proben und Aufführungen der Theatergruppe des Museums statt. Ein vielfältiges, erlebnis- und bildungsorientiertes sowie ausstellungsbegleitendes Veranstaltungsangebot ist ein besonderes Markenzeichen des Stadtmuseums Riesa.

Seinen Namen verdankt der Veranstaltungssaal dem in Riesa 1929 geborenen und international sehr geschätzten Künstler Benno Werth. Anlässlich seines 80. Geburtstages schenkte er der Stadt ausgewählte Ölgemälde, Zeichnungen und Skulpturen, von denen ständig eine Auswahl gezeigt wird. Erfassen durch Anfassen ausdrücklich erwünscht In das erste Obergeschoss geht es einer Zeitschiene folgend der Erdgeschichte entlang. Verdeutlicht werden hier die geologischen Grundlagen der Landschaft um Riesa und die Nutzung der natürlichen Ressourcen in der Region.


Ein Rittergut leistet sich eine Stadt 1554 wurde im Zuge der Reformation das Kloster in ein Rittergut umgewandelt. Rittergutsbesitzer Christoph von Felgenhauer erwarb 1623 – ausschließlich wegen seiner guten Beziehungen zum Kurfürsten – für Riesa das Stadtrecht. Ihm oblagen damit zwar größere Machtbefugnisse, der Ort selbst aber konnte keinen Nutzen daraus ziehen. Die wenigen in Riesa ansässigen Handwerker waren vor allem für die Bedürfnisse des Rittergutes tätig. Erst im 18. Jahrhundert nahm die Zahl der Handwerker allmählich zu, was sich auch in Innungsgründungen widerspiegelte.

Die ersten Spuren menschlichen Lebens

Das Kloster läutet ein neues Kapitel ein

Der Riesaer Bodendenkmalpfleger Alfred Mirtschin (1892 – 1962) sorgte in mehr als 40 Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit für eine der vier bedeutendsten archäologischen Sammlungen in Sachsen. Sie ermöglicht die Darstellung der Besiedlungsgeschichte des Elbetales um Riesa mit herausragenden Objekten, die von Arbeit, Wohnen, Ernährung und Bestattungsriten unserer Vorfahren von der Steinzeit bis zur Besiedlung durch die Slawen berichtet.

Ein Zeittunnel, in dem der zeitgenössische Bericht über die Eroberung der slawischen Burg Gana unter Heinrich I. zu hören ist, führt in eine neue Epoche. In der Bestätigungsurkunde des ersten Klosters in der Mark Meißen aus dem Jahr 1119 wird erstmals der Ortsname Riesa (Reszoa) erwähnt. Als Mönchskloster gegründet, war es ab 1244 bis zur Auflösung 1542 ein Nonnenkloster.

Linke Seite, oben links: Die Artillerie-Kaserne am Poppitzer Platz, 1892 erbaut Linke Seite, oben rechts: Haus am Poppitzer Platz mit Stadtmuseum und -bibliothek, 2007 Linke Seite, unten: Benno-Werth-Saal Rechte Seite, unten rechts: Gründungsurkunde des Klosters von 1119 Fotos: © Stadtmuseum Riesa Rechte Seite, oben: Blick in die prähistorische Ausstellung Rechte Seite, unten links: Zeittunnel Fotos: © S+M Rümmler

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„Geschichten über den Tod hinaus“ Freiherr von Felgenhauer veranlasste neben einem Schlossanbau auch die Errichtung einer Gruft in der Klosterkirche. Günstige klimatische Bedingungen sorgten für eine Mumifizierung der hier Bestatteten. In der Dauerausstellung des Museums ist neben Totenkronen und Gruftbeigaben auch eine mumifizierte Ratte zu sehen. 2016 bis 2020 fanden umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen zu den Grüften statt. Vom 22. August 2021 bis 16. Januar 2022 berichtet eine Sonderausstellung ausführlich über die Riesaer Mumien und aktuelle Forschungsergebnisse. Riesa an der Elbe Lange Zeit konnte Riesa nicht von der Lage an der Elbe profitieren. Wichtige Handelswege waren weit entfernt. Erste Handelsniederlassungen im 17. Jahrhundert brachten zaghafte Verbesserungen. Die Ausstellung berichtet von Schiffsmühlen und auch von Bomätschern, denen beim Schiffsverkehr auf der Elbe eine wichtige Aufgabe zukam.

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Mit einem Blick auf das Biedermeierzimmer, dass symbolisch für die Beschaulichkeit, Ruhe und Weltabgeschiedenheit Riesas im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts steht, wird der Besucher aus diesem Ausstellungsabschnitt verabschiedet.

Zündende Ideen In das zweite Obergeschoss führt die Geschichte der Feuererzeugung und Herstellung der Zündhölzer. Der aus Ludwigsburg stammende Jacob Friedrich Kammerer er-


fand 1832 das Phosphor-Zündholz. Von 1906 bis 1993 werden in Riesa Zündhölzer produziert und in alle Welt exportiert. Die Dokumentation ihrer Herstellung leitet den Ausstellungsabschnitt zur Industrialisierung ein. Eisenbahn weckt Riesa aus Jahrhundertschlaf Mit dem Model der Saxonia und Originalteilen der ersten Eisenbahnbrücke von 1839 beginnt das Industriezeitalter mit seiner enormen Bedeutung für Riesa. Dass die erste deutsche Ferneisenbahn Leipzig-Dresden hier die Elbe überquerte, war ein Glücksfall für die ganze Region. Mit einem Schlag fand Riesa Anschluss an die große weite Welt. Mit der Verbindung von Elbeschifffahrt und Eisenbahn entstand ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt in Mitteldeutschland.

1843 erhielten die Gebrüder Schönberg ihre Konzession zur Gründung eines Eisenhammerwerkes. Es war das erste Hammerwerk in Deutschland, welches unmittelbar am Produktionsstandort weder eine Rohstoff- noch Energiebasis, aber beste Verkehrsanbindung besaß. Im Gleichschritt Bereits 1858 wurde Riesa Garnisonsstadt. Die hier bis 1920 stationierten Artillerieund Pioniertruppen haben die Stadt maßgeblich mitgeprägt. Ab 1934 zogen wieder Pioniere in die Kasernen ein und nach dem Zweiten Weltkrieg waren Verbände der sowjetischen Besatzungsmacht bis 1992 in Riesa stationiert. Stadt im Aufbruch Befördert durch die Industrialisierung konnte sich in Riesa innerhalb kurzer

Zeit ein städtisches Leben entwickeln. Um 1900 besaß die Stadt ein kaiserliches Post- und Telegrafenamt, ein königliches Amtsgericht, acht Banken, eine moderne Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung, neue Schulen, ein Krankenhaus, die Pferdebahn und mit dem Technikum die erste höhere Lehranstalt. Vielfältige Vereine bereicherten den Alltag. In einem Schwerlastregal als symbolhafter Ausstellungsträger ist in chronologischer Reihenfolge der wirtschaftliche Aufschwung der Stadt veranschaulicht.

Linke Seite, oben: Böttcherwerkstatt Unger Linke Seite, unten: Blick in das Biedermeierzimmer Rechte Seite, links oben: Herstellung Riesaer Zündwaren Rechte Seite, rechts oben: Riesaer Zündhölzer Rechte Seite, rechts Mitte: Erste deutsche Ferneisenbahn Rechte Seite, rechts unten: Gründung des Eisenhammerwerkes Fotos: © Stadtmuseum Riesa

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Mit einem Seifenwerk eröffnet die „Großeinkaufs-Gesellschaft der deutschen Consumvereine m. b. H.“ (kurz GEG) in Deutschland 1910 ihren ersten Eigenproduktionsbetrieb, dem 1914 die Teigwarenfabrik und 1923 das Zündwarenwerk folgen. Die Pneumant Reifen- und Gummiwerke GmbH prägte neben dem Stahlwerk und weiteren wichtigen Industriebetrieben die wirtschaftliche Entwicklung. Die ersten Reifen wurden 1946 hergestellt. Ab 1948 verstaatlicht war es ab 1959 alleiniger Hersteller von PKW-Reifen in der DDR. Heute gehört das Werk zur Goodyear Dunlop Tires Germany GmbH. Themen des städtischen Lebens, wie z. B. das künstlerische Schaffen des Malers Ernst Christian Walcha (1903 – 1980) tangieren als Insellösungen die Industriegeschichte. Walcha fand seine Motive vor allem in der Elberegion, wobei seine besondere Liebe der Heimatstadt Riesa und deren Umgebung galt.

Der erste Spatenstich zur Anbindung der B169 an die Autobahn im August 2009 war deshalb mit großen Hoffnungen für die Region verbunden. Vielfältig sind seitdem die Bemühungen der regionalen Politik und Wirtschaft um endlich eine Fortsetzung und Vollendung der mittlerweile vor 12 Jahren begonnenen Anbindung zu erreichen.

Trotz Riesas Stellung als bedeutendster Stahlstandort der DDR führte die wachsende Mangelwirtschaft zu einem immer größeren Investitionsstau und damit einher gehendem Verschleiß. Nach der Wiedervereinigung war deshalb die Demontage des Stahl- und Walzwerkes unvermeidbar. 1992 wurde die metallurgische Produktion eingestellt. Entlassungen, Abwanderung, Umschulungen und Neuorientierung standen auf der Tagesordnung. Nach Abschluss der Abbrucharbeiten siedelten sich 70 neue Firmen auf dem ehemaligen Stahlwerksgelände an und boten Riesa eine neue Perspektive. Auch Stahl wird wieder geschmolzen in der Stadt. So wie einst der Bau der Eisenbahn 1839 die Entwicklung zur Industriestadt ermöglichte, stellen heute günstige Straßenverbindungen die Weichen für das Fortbestehen der Wirtschaftskraft.

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Schule früher mit der Bürgerschullehrerin Zum Abschluss des Museumsrundganges laden eine historische Schulklasse und Ladeneinrichtung nicht nur zur Besichtigung ein. Im Klassenzimmer nämlich unterrichtet regelmäßig „Bürgerschullehrerin Fräulein Doris Nebel“ mit originalen Lehrplaninhalten aus der Zeit um 1900. An Wochenenden finden die Unterrichtsstunden häufig anlässlich von Familienfeiern, Klassentreffen oder Vereinsausflügen statt und verbinden sich hervorragend mit einem Museumsbesuch.

Riesa auf dem Weg ins vereinte Deutschland Ein weiterer „Zeittunnel“, diesmal in Form einer Litfaßsäule, führt in die neue Zeit. Fotos und Dokumente sowie eine Sounddusche erinnern an die Wende 1989 / 90. Berichte über die Aktion „Schwerter zu Pflugscharen“ und die „Riesaer Petition für Menschenrechte“ aus dem Jahr 1976 erinnern an den Widerstand Riesaer Bürger gegen die SED-Diktatur.

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Linke Seite, oben: Auf dem Weg zur Industriestadt Linke Seite, Mitte: Produkte der GEG Linke Seite, unten links: Riesa um 1900 Linke Seite, unten rechts: Historische Ladeneinrichtung Fotos: © Stadtmuseum Riesa

Stadtmuseum Riesa Poppitzer Platz 3 01589 Riesa Tel. 03525 - 65 93 00 info@stadtmuseum-riesa.de www.haus-am-poppitzer-platz-riesa.de

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„System Hof“ Bauernhausmuseum Bielefeld – Eine Inszenierung ländlichen Lebens Autor: Dr. Lutz Volmer, Museumsleiter

Am Rand der Innenstadt von Bielefeld, nicht weit von Kunsthalle und Sparrenburg geht es steil bergan. An einem sanft geneigten Hang knapp unterhalb des Kamms des Teutoburger Waldes liegt das Bauernhausmuseum. 1917, mitten im Ersten Weltkrieg fertiggestellt und eröffnet, gehörte die durchaus nicht gewöhnliche landschaftliche Lage zum Konzept des Museums, das von Anfang an als freilichtmuseale Anlage gedacht war. Mittelpunkt der Hofanlage war zunächst das Bauernhaus Meier zu Ummeln aus dem Jahre 1606, ein außergewöhnlich formvollendetes niederdeutsches Hallenhaus mit steilem Dach und zwei einzigartigen, korbbogenförmig geschlossenen Luchten im Inneren.

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Ungewöhnliche Einsichten Schon 1917 bot das Museum, das trotz weiterführender Planungen zunächst nur aus einem Gebäude bestand, überraschende Einsichten: Sein historisches Gebäude stellte sich bereits weithin als begehbares Exponat dar und war ob seiner gegenüber den vielen anderen Fachwerk-Bauernhäusern, die damals noch die Landschaft des Ravensberger Landes prägten, ungewöhnlich alt und hatte eine einzigartige, kraftvolle und in ungewöhnlicher Geschlossenheit erhaltene Gestaltung. Der Ansatz des Ungewöhnlichen erlebte in ganz anderer Weise eine Wiedergeburt, als das Museum ab 1995 nach

einem Brand des Haupthauses neu erstehen musste. Sein neuer Mittelpunkt wurde das Haupthaus des Hofes Möllering aus Rödinghausen von 1590. Zwar hat dieses Haus nicht die bestechende Gestaltung seines Vorgängers, aber dafür einen Fries von Fächerrosetten am Giebelbalken. Historische Authentizität Wissenschaftliche Standards stehen bei der Inszenierung der historischen Gebäude im Bauernhausmuseum an erster Stelle. So war es keine Frage, dass bei der Gestaltung des Hauses Möllering Holz für Holz getreu und in seiner Originalsubstanz gemäß eines von Museums-


wissenschaftlern festgelegten genauen Zeitschnittes der Zeit um 1850, rekonstruiert wurde. Es erstaunt und fasziniert die Besucherinnen und Besucher immer wieder, wenn sie erfahren, dass wirklich (fast) jedes Fachwerkholz ein historisches Original ist.

Oben: Museumsanlage des Bauernhausmuseums Bielefeld Unten links: Sorgsam inszenierter multifunktionaler Arbeits- und Lebensraum: Diele im Bauernhausmuseum Bielefeld Unten rechts: Mittelpunkt des Bauernhausmuseums ist das Haupthaus vom Hof Möllering von 1590 mit markanten Renaissance-Fächerrosetten am Giebel Fotos: Barbara Meinhardt Fotodesign. © Bauernhausmuseum Bielefeld

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Erfrischend anders Das Bauernhausmuseum Bielefeld ist nur scheinbar eine ländliche Idylle. Als Lernort mit wissenschaftlichem Anspruch steht seine Ausstellung, realisiert von Jörg Werner von „Museumsreif“, unter dem Oberbegriff „System Hof“ und provoziert und polarisiert bewusst. Damit wird ländliches Leben um 1850 nicht nur wie vielerorts museal anschaulich gemacht, sondern auch erklärt und inhaltlich in wirksamer Weise reflektiert. Funktionszusammenhänge werden vermittelt, Besucherinnen und Besucher sind aufgrund von klugen Hinweisen und dezenten Inszenierungen

Linke Seite, oben: Waschort im Hausinneren und Brunnen im Außenbereich Linke Seite, unten: Kristallisationspunkt des „System Hof“: Kuh als Milch- und Düngerlieferant Rechte Seite, oben: In der Vergangenheit eine staubige und laute Angelegenheit: Inszenierung zur Flachsbearbeitung in der Bokemühle des Bauernhausmuseums Bielefeld Rechte Seite, unten: Gewohnt wurde nur wenig, gearbeitet (fast) immer: Spinnrad in der Schlafkammer Fotos: Barbara Meinhardt Fotodesign. © Bauernhausmuseum Bielefeld

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in der Lage, sich die Ausstellungsthemen selbst zu erschließen. Ländliche Gesellschaft wird dabei als das gesehen, was sie war: Nicht als spannungsfreie „Idylle“, schon gar nicht als „nostalgische Gefühlsduselei“ oder eine „gute alte Zeit“, sondern als spannungsgeladenes Miteinander in durchaus auch krisenhafter Zeit, hier der Revolution von 1848. Im Mittelpunkt steht das soziale Miteinander, Arbeiten und Leben von Generationen und Gesellschaftsschichten im ländlichen Ravenberg. Denn wenn Bäuerin oder Bauer riefen, mussten Mägde und Knechte antreten und leisten. Die museale Inszenierung steckt voller Hinweise auf Funktionszusammenhänge auf dem Hof. Da findet sich im Kuhstall etwa das Modell einer Kuh: in etwa in der Optik und Größe eines Tieres der Zeit um 1850, aber mit comichaft verfremdeten schräg abstehende Zitzen am Kuheuter. Die Inszenierung gleich am Beginn der Dauerausstellung wurde nicht von ungefähr gewählt: Den Kühen kam eine Schlüsselposition in der ländlichen Wirtschaft zu: Sie waren nicht nur Milchlieferanten für den ländlichen Haushalt, sondern produzierten auch Kuhdung und boten Zugkraft für Pflug und Wagen – vor Erfindung von Kunstdünger und Einführung von Motoren unabdingbar. Bewusstsein für Ressourcen Eines der großen Themen der Ausstellung ist der Umgang mit Ressourcen. Der sparsame, bewusste Umgang mit Arbeitskraft von Mensch und Tier, mit Lebensmitteln, mit Garten- und Ackerflächen oder dem sauberen Wasser – alle Bereiche des Lebens finden Berücksichtigung. In der Waschlucht wird beispielsweise die Bedeutung der Hygiene im ländlichen Haushalt erklärt, aber ebenso der bewusste, manchmal kräftezehrende und zeitaufwändige Umgang mit sauberem Wasser nachvollzogen, das für Mensch und Vieh da sein musste. Selbst machen war Trumpf Die Landbevölkerung war um 1850 in großem Umfang mit der eigenen Nahrungsproduktion beschäftigt. Es gab im ländlichen Ravensberg jedoch einen weiteren wichtigen Erwerbszweig, der fast in jedem Haushalt eine Rolle spielte: Der aufwendige Prozess der Textilproduktion für eigene Zwecke, aber ebenso für den Export in viele Teile Europas und Nordamerikas: Aus den

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in der Region produzierten Flachs entstand in einem aufwendigen Prozess Leinen, eine vielseitig einsetzbare und nachhaltige Textilie. Brüche des Erwartbaren Besucherinnen und Besucher lernen im Bauernhausmuseum neugierig zu bleiben. Wer rechnet im unscheinbaren Backhaus schon damit, neben rauchgeschwärzten Wänden und der Bedeutung des Backens mit den damaligen Luxusgütern der Nahrung beim Durchblick durch Spalten und Ritzen konfrontiert zu werden? Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt einer von Kartoffelkrankheit und Nahrungsmittelknappheit geprägten Gesellschaft werden so möglich. Ein Veranstaltungsort Wie jedes Museum ist auch das Bauernhausmuseum nicht nur ein begehbares museales Exponat, sondern zugleich auch ein Veranstaltungsort. Unter dem historischen Haupthaus befindet sich der Sonderausstellungsbereich, der individuell und wechselnd mit kulturhistorischen und aktuellen Themen bespielt wird, die die Bielefelder Stadtgesellschaft bewegen. Das Museum nutzt damit die Möglichkeit, neue Attraktionen bereitzuhalten und sich aktuellen Themen zu öffnen. Ein neues Vermittlungsformat Im Bauernhausmuseum haben die personelle Vermittlung und das persönliche Gespräch einen wichtigen Stellenwert. „Corona“ hat das Museum und seine Art der freien, ungezwungenen Vermittlung nun auf eine harte Probe gestellt. Schon zuvor bestand jedoch der Wunsch nach einer zeitgemäßen Möglichkeit für einen Museumsrundgang ohne persönliche Führung, in deutscher, aber auch englischer Sprache. Mit der Corona-Situation gewann dieser Wunsch an Aktualität. Ein browserbasierter, über Smartphone und Internet abrufbarer Audioguide konnte nun als sinnvolle Lösung entwickelt werden, die auch zum Ausstellungskonzept „System Hof“ passt. Für ein diverser werdendes Publikum ist das BauernhausMuseum Bielefeld damit gut aufgestellt.

Oben: Leckeres Essen war oft nur Verheißung: Überraschende Inszenierungen erwarten die Besucher Foto: Barbara Meinhardt Fotodesign. © Bauernhausmuseum Bielefeld

AUDIOGUIDE BAUERNHAUSMUSEUM BIELEFELD

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Bielefelder Bauernhausmuseum gemeinnützige GmbH Dornberger Str. 82 33619 Bielefeld Tel. 0521 – 5218550 info@bielefelder-bauernhausmuseum.de www.bielefelder-bauernhausmuseum.de


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#closedbutopen Digitale Topographien und kulturelle Infrastrukturen

Museen sind Orte der Bildung, Zentren gesellschaftlicher Teilhabe und Erfahrungsräume für kreativen Austausch. Museen erleichtern und befördern den Zugang zum kulturellen Erbe; mit ihren originären Aufgaben Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen, Vermitteln haben sie das Potential, gesellschaftliche Debatten anzustoßen und zu begleiten. Als Wissensspeicher und Erlebnisstätten vermitteln sie das in einer Kultur zirkulierende Wissen einem breiten Publikum und reagieren dabei auf die Anforderungen sich verändernder Gesellschaften. Gelingt ihnen das? Wie kein anderes Jahr stürzte 2020 den Museumsbetrieb in existentielle Nöte und in eine tiefe Identitätskrise. Trotz zahlreicher digitaler Programme, mit der Schließzeiten überbrückt und die Kommunikation mit Besucher*innen fortgesetzt worden ist, markiert die Krise sehr deutlich, dass es neue Strategien und Perspektiven für die Rolle von Kultureinrichtungen in der Zukunft braucht. Museen müssen sich verändern. Aber: Sie haben

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das Potential, ihre originären Aufgaben auch digital zu denken, erkannt.

... mit Augmented Reality: Ausstellungen interaktiv erweitern

Für die Kernaufgaben von Museen ergeben sich daraus vielfältige Anwendungsgebiete. Virtuell zugängliche Ausstellungen ermöglichen eine zeit- sowie ortsunabhängige (und dadurch auch globale) Teilhabe an Angeboten und Vermittlungsprogrammen. Sie lassen sich leicht archivieren und reaktivieren, jederzeit erweitern oder minimieren, bieten neue Chancen für den inklusiven und interaktiven Ausstellungsbesuch und fördern generationsübergreifende Medienkompetenzen.

Augmented Reality (AR) ist die Erweiterung der Realität um virtuelle Elemente, beispielsweise die visuelle, computergestützte Überblendung von Texten, Bildern oder Objekten mit virtuellen, dreidimensionalen Informationen. Diese Technik ermöglicht dahingehend eine praktische Erweiterung von Ausstellungsszenarien um nicht zugängliche Exponate, fragile Originale, sowie multimediale Inhalte oder Animationen . Die Verfügbarkeit von Inhalten über die örtliche und zeitliche Kapazität des Museums hinaus bietet langfristig Chancen der institutionellen Vernetzung als Leitidee, des barrierefreien Zugangs sowie der globalen Zugänglichkeit.

Vor allem aber wird der Diskurs über Museen als Kompetenzzentren sowie Medien für den digitalen Kulturaustausch in einer immer stärker durch digitale Technologien geprägten Kultur forciert. Mit der Digitalisierung des Museums öffnet sich der Blick hin zu einer flächendeckenden kulturellen Infrastruktur. Wie kann Museen das gelingen?

Die vom Universum® Bremen initiierte Wanderausstellung „Up to Space“, die Besucher*innen von Oktober 2020 bis Dezember 2023 in verschiedenen europäischen Museen Alltag und Leben von Astronaut*innen über interaktive Exponate,


Originalobjekte und AR vermittelt, macht jene erweiterte Realität thematisch an der Reise ins Weltall erlebbar. Über das eigene Smartphone oder Tablet downloaden die Besucher*innen die zur Ausstellung entwickelte AR-App „App2Space“ von shoutr labs und scannen in der Ausstellung verortete Marker, mittels dener dreidimensionale Szenen die Ausstellungsfläche um eine … erweitern. An insgesamt elf Themengebieten animiert die App zu einem Perspektivwechsel von Besucher*in zu Forscher*in und

macht realitätsgetreue AR-Szenen und Animationen, die auf Basis von 3D-Modellen der ESA und NASA entwickelt worden sind, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Ein 3D-Modell des von Astronaut*innen beim Außenbordeinsatz getragenen Raumanzugs EMU in Lebensgröße wird in einem virtuellen Fenster in seine Bestandteile zerlegt; der Start einer SLS-Trägerrakete in den Weltraum sowie Bohrungen des Insight-Lander auf der Marsoberfläche bieten Einblicke und Detailansichten in wissenschaftliche Expeditionen und astrophysikalische Arbeit.

Linke Seite, oben: „Nah am Leben. 200 Jahre Gipsformerei”. In-App Ansicht des 3D-Modells der JamesSimon-Galerie © Staatliche Museen zu Berlin, Gipsformerei / Studio Jester Blank Rechte Seite, oben: Interaktive Station zu Bohrungen und Funktionen des Insight-Lander auf der Marsoberfläche. Situation in der Ausstellung mit erweitertem Tracking © Universum® Bremen Rechte Seite, Mitte: Der Raumanzug EMU gibt Besucher*innen Einblicke in seine vielen Gewebeschichten ©shoutr labs Rechte Seite, unten rechts: Eine interaktive Station in der Ausstellung im © Universum® Bremen zur Gravitation auf dem Mond

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Die komplexen Inhalte werden dabei über eine hybride App (eine Kombination aus native- und web-basierter App) zugänglich, indem Inhalte aus dem angebundenen Content Management System „shoutr.CMS” nachgeladen werden. Weil es nur den Download der App braucht, reduzieren sich das benötigte Datenvolumen und die erforderliche Speicherkapazität auf dem digitalen Endgerät der Besucher*innen. Digitale Kuration und Gestaltung der vertiefenden Informationen passen sich für ein immersives Ausstellungs- und Vermittlungserlebnis im CMS individuell an die physische Ausstellungsgestaltung und -konzeption an. Während die Ausstellung

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... mit 3D-Digitalisierung: Von zuhause das Museum entdecken

Erleben, Vermitteln und Archivieren der musealen Arbeit. Indem nicht nur einzelne Exponate in 3D zur Verfügung gestellt, sondern komplette inhalts- und objektbasierte Präsentationen aus ihren zeitlichen und räumlichen Limits gehoben werden, entstehen vollkommen neue, nachhaltige und vernetzte Räume des Ausstellens. Jene Räume haben das Potential, den Ausstellungsbesuch zu erweitern und neue Zielgruppen zu erschließen. Sie beginnen dort, wo dem physischen Raum und dem physischen Exponat Grenzen gesetzt sind und überblenden analoge und digitale Potentiale.

Die dreidimensionale Erfassung ganzer Ausstellungen bietet völlig neue Wege im

Eine ganze Ausstellung in 3D. 200 Exponate auf 650 m2, zu erleben über die

im Universum® Bremen das Leben auf der Internationalen Raumstation ISS zeigt, baut sich in der AR-Animation die ISS im Raum auf und ermöglicht eine detaillierte Erkundung aus allen Perspektiven. Über markerlose Trackings erweitert sich die Ausstellung darüber hinaus in den außermusealen Raum und die Inhalte können jederzeit und von überall mit der App aufgerufen werden. So holen sich Nutzer*innen das Museum nach Hause.


3D-Plattform Sketchfab und nun auch, in der eigens dafür konzipierten App „Near Life“. In Kooperation mit Studio Jester Blank machen die Staatlichen Museen zu Berlin ihre Ausstellung „Nah am Leben. 200 Jahre Gipsformerei“ (30.8.2019 1.3.2020) in einer dreidimensionalen Erfahrung nachhaltig zugänglich.

Linke Seite, oben: Die App kann auch zu Hause mit markerlosen Tracking genutzt werden © shoutr labs Rechte Seite, oben: Fotostation in der Sonderausstellung „Up-to-Space“ im Universum-Bremen © Universum® Bremen Rechte Seite, unten: Greenscreen in der Sonderausstellung „Up-to-Space“im Universum-Bremen © Universum® Bremen

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Im Gegensatz zu sphärischen Panoramen, in denen anhand von zweidimensionalen Aufnahmen Dreidimensionalität illusorisch erzeugt wird, baut die 3D-Ausstellung „Near Life“ erstmals auf vollständiges 3D-Landscanning und Photogrammetrie für eine akkurate dreidimensionale Rekonstruktion, der mit neuester Technik vermessenen Räume und Exponate. Auch langfristig bietet diese Herangehensweise ein großes Potential für Museen, da aufbauend auf den einmal erhobenen 3DRaumdaten weitere virtuelle Ausstellungen mit sehr viel geringen Aufwänden und Kosten erstellt werden können.

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Der virtuelle Ausstellungsbesuch ist dabei zu 100% selbstbestimmt. Das von Studio Jester Blank erstellte 3D-Modell der „Nah am Leben“-Ausstellung, das mit Hilfe von shoutr labs in eine App übertragen wurde, erlaubt dank der AR-Funktion einen Rundgang unabhängig von vorgegebenen Navigationspunkten. Intuition, Immersion und frei wählbare Routen bieten einen Ausstellungsbesuch, der sich am persönlichen Interesse und Interaktionsverhalten seiner Besucher*innen orientiert. Zur gezielten Vermittlung gibt es neue, digital vernetzte Möglichkeiten, die den Dialog suchen.

In der Herausforderung, die Relevanz von Kulturgütern in einer komplexen, sich stetig verändernden Welt mit den Anforderungen an die kulturelle Bildung in einem digitalen Alltag zu vermitteln, spielen der Ausbau von Medienkompetenz und die Weiterentwicklung digitaler Angebote eine ausschlaggebende Rolle. Digitalisierung muss generations- und länderübergreifend, unabhängig von sozialen und ökonomischen Faktoren Barrieren überwinden und kulturelle wie gesellschaftliche Teilhabe, wo sie analog limitiert ist, digital ermöglichen.


Das funktioniert am besten mit einer intuitiven Nutzung und einem niedrigschwelligen Zugang. Die AR-App scannt dabei über die Kamera des Smartphones die Dreidimensionalität des umgebenden physischen Raums. Auf diesen Scan wird dann das 3D-Modell der Ausstellung projiziert. In diesem Hybridraum gelingt die Bewegung vollkommen intuitiv und bietet dadurch einen Mehrwert, der über die zeitliche Begrenzung der Ausstellungspräsentation und einen globalen, barrierefreien Zugang hinausgeht.

Insbesondere durch die Einnahme aller möglichen Perspektiven können Besucher*innen etwa die Gipsmodelle der Laokoon-Gruppe aus den Vatikanischen Museen oder eines 1892 abgeformten Mastermodells eines Krokodils (s.o.) wie auch Asta Grötings in akribischer Handarbeit vergoldeten „Acker“ aus jedem Blickwinkel ganz genau unter die Lupe nehmen, was nicht zuletzt neue Perspektiven für die Forschung eröffnet. Mit einer Navigation in Echtzeit sowie einer Anpassung der Blickwinkel an reale Bewegungen werden Distanz und Diskrepanz zwischen analogem und digitalem Raum zugunsten eines ganzheitlichen unmittelbaren Ausstellungserlebnisses aufgehoben.

Linke Seite: 3D-Digitalisat des Gipsmodells der Laokoon Gruppe von 1844 (Detail), mit sichtbarem Mesh © Staatliche Museen zu Berlin, Gipsformerei / Studio Jester Blank Rechte Seite, oben: 3D-Digitalisat von Mastermodell eines Krokodils, 1892; Gips, schellackiert; Länge: 290 cm; Staatliche Museen zu Berlin, Gipsformerei, R-06580 zu sehen über die AR-Funktion der „Near Life App“ © Staatlichen Museen zu Berlin / Studio Jester Blank Rechte Seite, unten: Intro-Screen Near Life App zur virtuellen Begehung der Ausstellung “Nah am Leben. 200 Jahre Gipsformerei” © Studio Jester Blank / Staatlichen Museen zu Berlin

shoutr labs UG (haftungsbeschränkt) Niemetzstraße 47-49, Aufgang 3A 12055 Berlin shoutrlabs.com Near Life App

App2Space

Aktuell können die Museen nur mit erarbeiteten Hygienekonzepten eine geringe Anzahl an Besucher*innen den Zugang ermöglichen. Der praktische Diskurs über ihre digitale Zukunft ist offen denn je.

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Gedenktopographie Creglingen Erinnerungskultur in einer tauberfränkischen Landgemeinde Autor: JMC

In Anerkennung der historischen Verantwortung und zur Erinnerung an die Jüdische Gemeinde wurde das Projekt „Gedenktopographie Creglingen“ ins Leben gerufen. Es basiert auf drei Säulen: Dem Jüdischen Museum Creglingen, der Gedenkstätte 25. März 1933 und dem Jüdischen Friedhof Creglingen. Vom Stall zum Museum Die Badgasse 3 war seit 1618 für mehr als 200 Jahre der Lebensplatz einer jüdischen Familie. Am 15. Juli 1618 erwarb Simson zu Reinßbronn das alte dreistöckige Wohnhaus und durfte als erster Jude dauerhaft in Creglingen sesshaft werden. In dem Gebäude befand sich auch der erste Schul- und Betsaal der Jüdischen Gemeinde Creglingen (1659 erstmals urkundlich erwähnt). Das alte Fachwerkhaus musste im späten 19. Jahrhundert wegen Baufälligkeit abgerissen werden. Das neue Haus wurde 1880 als Stallgebäude und Getreide- und Mehlspeicher von einem örtlichen Bäckermeister erbaut. Der letzte jüdische Besitzer war der Pferdehändler Hermann Stern, der das Haus im Jahr 1903 zur Hälfte und 1910 ganz übernahm. Nach seinem gewaltsamen Tod im März 1933 und der folgenden Vertreibung der jüdischen Familien durch das Nazi-Regime verkaufte Sterns Sohn Emil, der im Jahr 1939 als letzter Jude Creglingen verließ, das väterliche Erbe an eine Creglinger Bauernfamilie, die es bis zur Aussiedlung im Jahr 1998 als Stall und Scheune nutzte.

Im Oberen Taubertal, zwischen Rothenburg ob der Tauber und Bad Mergentheim, liegt das kleine beschauliche Städtchen Creglingen. Hier entwickelte sich seit Anfang des 17. Jahrhunderts eine Jüdische Gemeinde, die bis in das Jahr 1939 fortbestand. Am 25. März 1933 schlug in Creglingen die von der NS-Propaganda verbreitete rassistische Hetze in mörderi-

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sche Gewalt um. Nahezu alle jüdischen Männer Creglingens wurden in einer gezielten Aktion der SA Heilbronn gegen die jüdische Gemeinde brutal misshandelt; zwei von ihnen, Hermann Stern und Arnold Rosenfeld, starben an den Folgen ihrer Verletzungen. Sie gelten heute als die ersten Todesopfer organisierter Ausschreitungen der Nationalsozialisten in Württemberg.

Somit ist der Lebensplatz „Badgasse 3“ auf des engste mit dem Beginn und dem Ende der Jüdischen Gemeinde Creglingen verknüpft. 1998 erfuhr der amerikanische Geschäfts­ mann Dr. Arthur Sinsheimer Obermayer – ein Nachfahre des Simson in der 12. Ge­ neration – von der Creglinger Stadtarchi­ varin Claudia Heuwinkel, dass das Haus am Lebensplatz seiner Vorfahren zum Verkauf stand. Er entwickelte die Idee, an diesem


Platz ein jüdisches Museum einzurichten, das an die früheren jüdischen Creglinger Bürger, an ihr Leben und an ihre gesellschaftlichen Beiträge erinnern soll. Seine Initiative und großzügige finanzielle Zuwendung ermöglichte die Gründung der Stiftung Jüdisches Museum Creglingen, die das Haus gekauft und renoviert hat und im Jahr 2001 das Jüdische Museum Creglingen zunächst mit themenbezogenen Wechselausstellungen eröffnete. Im Jahr 2004 konnte schließlich die kulturund sozialhistorisch ausgerichtete Ausstellung „Wurzeln und Wege“ eröffnet werden. Sie lässt die jüdische Geschichte zweier Taubertäler Landgemeinden vom Anfang des 17. Jahrhunderts bis 1939 lebendig werden. In drei Abschnitten werden die Wurzeln und Besonderheiten jüdischen Lebens in Creglingen und Archshofen, die Wege und Schicksale der jüdischen Menschen und das Weiterleben der Erinnerung an die gemeinsame Vergangenheit dargestellt. Ein Memorbuch für die Opfer des Pogroms vom 25. März 1933 zeigt eindringlich die Auswirkungen des nationalsozialistischen Rassenwahns auf die Schicksale einzelner Menschen. Mit Kurzbiographien und Bildern wird an die 16 jüdischen Männer erinnert. Eine Zusammenfassung der Ereignisse sowie der Vor- und Nachgeschichte ergänzen das Gedenkbuch eindrucksvoll.

Das Memorbuch beinhaltet zudem einen Auszug aus dem bereits 1933 in Amsterdam erschienenen Roman „Die Geschwister Oppenheim”, in dem der Autor Lion Feuchtwanger den Creglinger Pogrom literarisch verarbeitet hat sowie

einen Auszug aus der Predigt des Pfarrers Hermann Umfrid aus dem benachbarten Niederstetten, der als Einziger den Mut aufbrachte, den gewalttätigen Überfall am folgenden Sonntag von der Kanzel aus öffentlich zu verurteilen.

Linke Seite: Creglingen Badgasse Rechte Seite, oben: Jüdisches Museum Creglingen Rechte Seite, unten rechts: Dr. Arthur S. Obermayer – Gemälde von Marlies Glaser; Leihgabe von Veit Veger Fotos: © JMC Rechte Seite, unten links: Memorbuch zur Erinnerung an die Opfer des 25.März 1933 © JMC/Oleg Kuchar

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Das Jüdische Museum Creglingen ist aber auch ein Ort der Begegnung. Kulturelle Veranstaltungen, Vorträge und zwei Wechselausstellungen pro Jahr sollen die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, gegenseitiges Verstehen und Versöhnung fördern. Das Angebot des Museums richtet sich an die regionale Bevölkerung, Schulklassen, Jugendgruppen, Touristen und Nachfahren Creglinger Juden, denen das Angebot des Museums im übertragenen Sinn eine Heimkehr zu ihren Wurzeln und Vorfahren ermöglicht. Mit kontinuierlich durchschnittlich 1.200 Besuchern im Jahr ist das ausschließlich ehrenamtlich betriebene und überwiegend durch Spenden finanzierte Museum seit nunmehr 20 Jahren eine anerkannte und feste Größe im Kultur- und Bildungsangebot im Main-Tauber-Kreis.

Linke Seite, oben: Konzert im Jüdischen Museum Creglingen © Inge Braune Linke Seite, unten: Altes Rathaus Creglingen © SV Creglingen Rechte Seite, oben: Jüdisches Museum Creglingen Erdgeschoss © JMC Rechte Seite, unten links: Jüdisches Museum Creglingen Obergeschoss © JMC/Oleg Kuchar Rechte Seite, kleines Bild, oben: Ausweis Rudolf Sinsheimer © JMC/Oleg Kuchar Rechte Seite, kleines Bild, Mitte: Thorazeiger und Thorawimpel © JMC/Oleg Kuchar Rechte Seite, kleines Bild, unten: Preßburger Klavier und Portraitfries © JMC

Gedenkstätte 25. März 1933 Am 25. März 1933, nur kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, wurden in Creglingen 16 Männer jüdischen Glaubens, darunter amtierende bzw. ehemalige Gemeinderäte, unter den Augen der Bevölkerung zusammengetrieben, ins Rathaus gebracht und dort schwer misshandelt und gedemütigt. Zwei Männer – Hermann Stern und Arnold Rosenfeld – starben an den Folgen der

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Misshandlungen. Sie gehören zu den ersten ermordeten Juden des Jahres 1933 in Deutschland.

Stuttgart entwickelt und korrespondiert künstlerisch und inhaltlich mit dem Jüdischen Museum Creglingen.

Im Jahr 2000 hat der Gemeinderat der Stadt Creglingen eine eigene Initiative zum dauerhaften Gedenken an das Pogrom vom 25. März 1933 ergriffen und der Einrichtung einer Gedenkstätte im alten Creglinger Rathaus zugestimmt.

Der Raum der Gedenkstätte befindet sich im ehemaligen Sitzungssaal des alten Creglinger Rathauses, genau dort, wo Hermann Stern nach den Misshandlungen unter den Augen des damaligen Bürgermeisters abgelegt wurde.

Die Ausgestaltung der Gedenkstätte wurde von Studenten der Kunstakademie

Um die Authentizität des Raumes zu erhalten, wurde die Gedenkstätte bewusst


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schlicht gestaltet. Der Raum wurde so hergerichtet, wie er 1933 war. Er wurde leer gelassen, um den Betrachter auf sich selbst zurückzuwerfen und eine Brücke zum Nachdenken zu bauen. Die Fenster wurden mit einer speziellen Technik versehen, die es ermöglicht, die Durchsichtigkeit der Fenster zu verändern. Der Wechsel von Durchsichtigkeit und Undurchsichtigkeit, der minütlich erfolgt, ist entscheidend: Er symbolisiert das Sehen und Nichtsehen, das Hinschauen und Wegschauen. So wie damals, als viele Bürger weggeschaut haben. Im Vorraum zur Gedenkstätte ist eine Kopie des Memorbuchs aus dem Jüdischen Museum aufgestellt, in dem der Besucher die Geschehnisse aus dem Jahr 1933 nachlesen kann. Ziel des Konzeptes ist es nicht allein, die Geschichte darzustellen, sondern den Betrachter zum Nachdenken anzuregen. Dem Besucher der Gedenkstätte soll vermittelt werden, dass er die Wiederholung der Geschichte oder anderer Verbrechen durch Wahrnehmung und Zivilcourage verhindern kann. In ihrer Schlichtheit soll die Gedenkstätte Raum für Ruhe und Trauer für die Opfer ermöglichen. Im Herbst 2005 wurde die Gedenkstätte, mit der sich die Stadt Creglingen bewusst zu ihrer historischen Verantwortung bekennen will, eröffnet.

Der Jüdische Friedhof Creglingen Im Südwesten der Stadt liegt auf einer Anhöhe am Waldrand der Jüdische Friedhof. Vermutlich entstand er mit der Niederlassung der Juden in Creglingen im Dreißigjährigen Krieg.

dischen Friedhofs eine den Opfern des Nationalsozialismus aus Creglingen und Archshofen gewidmete Totengedenktafel angebracht.

Seit 1892 ist der Friedhof von einer mit zwei Eingängen versehenen Steinmauer umschlossen. Eine freie Rasenfläche trennt ihn in einen älteren Nordteil und einen jüngeren Südteil, der 1889 hinzukam. Der mit Bäumen bewachsene sogenannte „Alte Friedhof“ ist auffallend hügelig, mit aufgeschütteten Bodenschichten hat man hier vermutlich auf einer ursprünglich begrenzten Fläche neue Grabstellen geschaffen. Alle Grabsteine sind nach Osten ausgerichtet. Die aus Sandstein gearbeiteten Grabsteine im älteren Bereich sind zum größten Teil sehr verwittert und schlecht lesbar. Der älteste lesbare Grabstein des Eisik Jizchak ben Mosche stammt von 1696. Er dürfte Eysig Moses, dem Urenkel des Simson und ältesten Sohn des Moses Isaac zuzuordnen sein.

AUDIOGUIDE JÜDISCHES MUSEUM CREGLINGEN

1943 musste der Friedhof im Zwangsverkauf der Stadt Creglingen übereignet werden, seine Rückgabe an die Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg erfolgte mit Schenkungsvertrag vom April 2001. www.museum.de/m/5566 Am 25. März 1998 wurde im Rahmen einer Gedenkfeier an der Mauer des Jü-

Jüdisches Museum Creglingen Badgasse 3 97993 Creglingen Tel. 07933 - 700 25 20 jmc@stiftung-jmc.de www.juedisches-museum-creglingen.de

Gedenkstätte 25. März 1933 Hauptstraße 13 97993 Creglingen Tel. 07933 - 7010 info@creglingen.de www.creglingen.de

Rechts oben: Jüdischer Friedhof Creglingen © JMC Links unten: Gedenkstätte 25.03.1933 © SV Creglingen

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Das Wilhelm Hauff Museum in Lichtenstein-Honau Ein schwäbischer Dichter, der nur 6 Jahre schreiben konnte, nach dessen Werk aber eine Burg gebaut wurde Autorin: Jutta Kraak

Wilhelm Hauff (1802 - 1826) starb mit 24 Jahren. Wie schaffte er es in sechs Jahren Märchen zu schreiben, die heute noch in fast allen Teilen der Welt gelesen werden? Wilhelm hatte einen älteren Bruder und zwei jüngere Schwestern. Als er fünf Jahre alt war, starb sein Vater und seine Mutter zog mit den Kindern nach Tübingen zu ihren Eltern. Auch damals schon hatten es alleinerziehende Mütter schwer. Das Geld reichte nur für ein Studium und daher nicht für Wilhelm. Er sollte Pfarrer werden, denn für diese Laufbahn gab es

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Stipendien. Zuerst für ein Internat in Blaubeuren, dann für das evangelische Stift in Tübingen. Das Internat fand er grauenhaft. Er fühlte sich eingeengt und fremdbestimmt. Von den zwei Möglichkeiten, die es gab, um die Schule möglichst schnell zu verlassen – nichts zu tun oder sehr gut zu sein – wählte er die 2. Option und bekam vorzeitig einen Platz in Tübingen. Der Leiter des Seminars schrieb in seiner Stellungnahme zum Abschied: „Der Seminarist Hauff werde, wenn die Bitte seiner Mutter erfüllt würde, … höchstwahrscheinlich ernstlich fort-

studieren, auch auf dem bereits eingeschlagenen Weg der Tugend und Religiosität gut fortschreiten.“ Hauff wollte aber nicht Pfarrer werden und das Stift bot eine Art Studium Generale mit Fächern wie Philosophie, Geschichte, Logik, Psychologie und vieles mehr. Am 15.Oktober 1820 beginnt er in Tübingen zu studieren und hat das große Glück daheim zu wohnen. Damit fängt ein Studentenleben mit vielen Freunden, Wein und Gemeinschaft in der Burschenschaft Germania an.


Zeugnis im 2. Semester: Gaben: Ziemlich gute Fassungs-, gute Urteilskraft. Gutes Gedächtnis. Fleiß: Anhaltend und zweckmäßig. Lektionen besucht er unausgesetzt. Sitten: Gut. 4-mal Weinentzug. Latein: Gut Griechisch und Hebräisch: Ziemlich gut Philosophie: Ziemlich gut Geschichte: Gut

Schon während des Studiums fängt er an zu schreiben. Sein erstes Buch erscheint 1824 und enthält Kriegs- und Volkslieder. Zielgruppe sind die Burschenschaften. Er möchte eine größere Gruppe erreichen, die „gebildeten Stände“, Leser und Leserinnen des Morgenblatts vom Stuttgarter Verlag Cotta. Es erschien als ein neues Format vier- bis sechs mal jede Woche in einer Auflage von 2500 Exemplaren. Um bekannt zu werden hatte er eine Idee, die nicht ohne Risiko war. Er benutzte das Pseudonym eines beliebten Trivialschriftstellers und veröffentlichte unter dessen

Namen ebenfalls einen Trivialroman. Er konnte aber besser schreiben und sein Roman wurde begeistert vom Publikum aufgenommen. Der echte Autor war sehr verärgert und ging vor Gericht. Damit wurde die Geschichte öffentlich und Wilhelm Hauff sehr bekannt. Die darauffolgenden Novellen erschienen unter seinem Namen. Das Stipendium verpflichtet eigentlich zum Werdegang als Pfarrer. Man kann sich aber beurlauben lassen und Hauff wird Hauslehrer für zwei Teenager. Für

Oben, linke Seite: Hauffbüste Oben, rechte Seite: Hauff-Museum innen Fotos: © feineBilderwerkstatt

diese Jugendlichen schreibt er Märchen. Damals war der Orient „in“ und Hauff wählte Persien für seine Rahmenhandlungen. Noch heute sind die Märchen im Iran erhältlich. Doch auch die nähere Umgebung bildete eine Kulisse für Hauffs Schriftstellerei. Die Familie Hauff hatte Verwandtschaft im Schwarzwald und bei Besuchen dort erhielt Wilhelm Einblicke in den Beruf der Flößer und Köhler und er schieb das „Kalte Herz“. Es geht darin um maßlose Gier, ein zeitloses Thema. Erst 2016 wurde das Märchen erneut verfilmt, mit Moritz Bleibtreu in einer Hauptrolle.

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Im Moment arbeitet ein brasilianischer Journalist an einer Übersetzung ins Portugiesische. Hauff ist ehrgeizig und möchte mit seinen Geschichten Erfolg haben und er besitzt die Fähigkeit, so schreiben zu können, dass nahezu keine Korrekturen notwendig sind. Zum Glück sind einige Originale erhalten und im Museum zu sehen.

und ergibt die vermutlich weltweit einzige Vorlage für eine romantische Burg. Diese Burg steht am Albtrauf über Honau und damit entstand die Idee für dieses kleine, aber besondere Museum, eröffnet 1982 als Teil der schwäbischen Dichterstraße – einer Idee des Schiller Archivs in Marbach am Neckar. 2013 wurde das Museum modernisiert und so langsam wird es zunehmend digitalisiert.

Wilhelm schaut genau hin, um herauszufinden, was in seiner Zeit beliebt ist und wie es schreibende Kollegen machen. Er macht aus den Ideen etwas Neues und meistens etwas sehr Gutes.

Linke Seite, links unten: Hauff-Museum außen Linke Seite, rechts Mitte: Der kleine Muck Linke Seite, rechts unten: Leben im Museum Fotos: © feineBilderwerkstatt

Die Idee eines historischen Romans bekommt er von Walter Scott, der so bekannte Bücher wie Ivanhoe schrieb. Gustav Schwab beschreibt die wunderbare Landschaft der Schwäbischen Alb und mithilfe der Anregungen dieser beiden Autoren entsteht der Roman Lichtenstein. Nach Hauffs Tod wird er zum Bestseller

Wilhelm-Hauff-Museum Echazstraße 2 72805 Lichtenstein Tel. 07129 - 4115 wilhelm-hauff-museum@web.de https://www.gemeinde-lichtenstein.de/ Startseite/Freizeit+_+Tourismus/Wilhelm_ Hauff_Museum.html

Linke Seite, oben: Schloss Lichtenstein © Jutta Kraak

AUDIOGUIDE WILHELM-HAUFF-MUSEUM

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Foto: © Christian – stock.adobe.com


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Oberrheinisches Tabakmuseum Mahlberg Europas größtes Tabakmuseum Autor: Patrick Benz

Der Zigarrenfabrikant Wilhelm Weinacker erbaute die Mahlberger Fabrik, in der sich heute das Tabakmuseum befindet, im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Das Geschäft mit dem Tabak kannte er gut. Er war der Neffe des ersten Mahlberger Zigarrenfabrikanten Emil Theodor Lother, in dessen Fabrik er jahrelang mitarbeitete. Nach Lothers Tod nutzte er sein Wissen und baute sein eigenes Unternehmen mit Hauptfabrikation und Filialbetrieben auf.

Das Fabrikgelände stellt heute ein hervorragend erhaltenes Zeugnis der einstigen Zigarrenindustrie am südlichen Oberrhein dar. Zum Gebäudeensemble gehören das Fabrikgebäude, ein Gashäuschen, das zur Beleuchtung der Räume vor der Nutzung des elektrischen Stroms benötigt wurde, die Wagenremise mit der darüber liegenden Kutscherwohnung, die Fabrikantenvilla und das Stallgebäude für Pferde mit dem Tabaklager. Schräg gegenüber auf

der anderen Straßenseite befand sich das Haus des Werkmeisters, das heute in Privatbesitz ist.

Oben: Tabakmuseum mit Fabrikgebäude, Kutsche zur Auslieferung von Tabakprodukten, Kutschenremise und Fabrikantenvilla (von links nach rechts) Linke Seite: Historische Ansichtskarte mit Darstellung des Fabrikareals Fotos: © Oberrheinisches Tabakmuseum Mahlberg

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Die Dauerausstellung mit rund 1700 m2 Ausstellungsfläche bietet dem Besucher einen einzigartigen Gang durch die Geschichte des Tabakanbaus und der Tabakverarbeitung früher und heute. Die größten und wichtigsten Exponate sind hierbei die Gebäude selbst. Im Trockenschopf, der an einem anderen Ort ab- und auf

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dem Museumsgelände wieder aufgebaut wurde, geht der Besucher unter den zum Trocknen aufgehängten Tabakblättern durch die Ausstellung. In der Fabrik sind die Räume noch so erlebbar, wie sie die Arbeiter, beziehungsweise die Arbeiterinnen – denn in der

Linke Seite, oben: Trockenschopf mit landwirtschaftlichem Fuhrwerk (Benewagen) Linke Seite, unten links: Zum Trocknen aufgehängte Tabakblätter im Trockenschopf Linke Seite, unten rechts: Manufakturebene mit Vitrinen für Pfeifen und Schnupftabakdosen im Hintergrund Rechte Seite: Der klebrige Saft der Tabakpflanze ist nach der Ernte nur schwer wieder von Kleidung und Körper zu entfernen. Fotos: © Oberrheinisches Tabakmuseum Mahlberg



Hauptsache waren Frauen beschäftigt – kannten. Im Eingangsbereich befindet sich noch die alte Stempeluhr, im Saal der Manufakturebene stehen die Arbeitstische der Wickelmacherinnen, im Kontor – dem ehemaligen Büroraum, die Arbeitsutensilien der Betriebesverwaltung, durch alle Stockwerke geht der alte Lastenaufzug, der mit Muskelkraft über ein dickes Seil betrieben wurde. Im Maschinensaal schließlich wird die industrielle Fertigung von Zigarrenprodukten in der Nachkriegszeit gezeigt. Alle Geräte und Maschinen sind funktionsfähig und zum größten Teil elektrisch angeschlossen. Auf drei Stockwerken im Trockenschopf und vier Stockwerken im ehemaligen

Fabrikgebäude kann der Besucher diese Ausstellung erkunden. Zusätzlich können in den einzelnen Stockwerken Medienstationen mit vertiefenden Kurzfilmen genutzt werden. Besondere Exponate sind beispielsweise die Glücksspielautomaten, die dem Spieler den Gewinn nicht in Form von Geld, sondern als Zigaretten ausgaben, eine historische Auslieferungskutsche für Tabakwaren oder die Präsentation von ausgewählten Stücken aus unserer umfangreichen Sammlung von Pfeifen, Tabaksdosen und anderem Rauchzubehör. Auch Rekorde können entdeckt werden. Aus 39,5 kg Tabak fertigte Martin Gässler eine 3,74 Meter lange Zigarette. Sie schaffte es 1986 in das Guinness Buch

der Rekorde und gilt seitdem als größte Zigarette der Welt. Rekordverdächtig alt ist hingegen eine Spitztüte mit Knaster (oder auch Kanaster), die wohl versehentlich im Mansardendach eines Gebäudes eingebaut und erst bei Sanierungsarbeiten wiederentdeckt wurde. Zusätzlich zu den regulären Führungen bieten wir Gruppen ab 10 Personen spezielle Genießerführungen mit anschließender Verköstigung einer heimischen Zigarre und eines Schwarzwaldwhiskys an. An ausgewählten Sonntagen bewirten wir Gäste in unserem Museumscafé in der Fabrikantenvilla. Zu Forschungszwecken kann auch die umfangreiche Bibliothek genutzt werden. Hier finden Sie hunderte Bände Fachliteratur zum Thema Tabakanbau und Verarbeitung sowie der Kultur des Rauchens. Die Sammlung beinhaltet natürlich auch Bücher, die gesundheitliche Schädigungen durch das Rauchen thematisieren. Neben deutschsprachigen Veröffentlichungen ist auch ein großer Bestand an englischsprachiger und französischer Fachliteratur vorhanden. Einige Werke sind in arabischer und russischer Sprache. Fachzeitschriften sind ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert in einem Bestand von mehreren tausend Ausgaben einzusehen. Ergänzend sind rund 50 Regalmeter Originalaktenmaterial aus Zigarrenmanufakturen als Primärquelle nutzbar. Auf unserem Tabakfeld schließlich kann der Besucher im Sommer Pflanzen der Sorten Geudertheimer, Burley und Virgin sowie einige Ziertabake sehen und sich beim Anfassen der Blätter klebrige Finger holen. Probieren Sie es aus! Wir freuen uns auf einen Besuch. Das Museum ist von Mai bis September an Sonn- und Feiertagen geöffnet. Gruppenführungen können in diesem Zeitraum auch an anderen Wochentagen gebucht werden.

Linke Seite, oben: Glücksspielautomat mit Zigaretten als Gewinnausgabe Linke Seite, unten: Handbemalte Pfeifenköpfe aus Porzellan Rechte Seite, oben: Werbehostess mit Bauchladen für Erzeugnisse der Badischen Tabakmanufaktur Roth Händle in Lahr. Im Bildmittelgrund: die größte Zigarette der Welt Rechte Seite, unten: Zigarrenproduktion in der Heimarbeit Fotos: © Oberrheinisches Tabakmuseum Mahlberg

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Großes Foto: Erotische Subjects waren bei Meerschaumpfeifen stets gefragt Oben: Postkartenmotiv des ausgehenden 19. Jahrhunderts Unten links: Blick in die Ausstellung. Im Vordergrund ein Rauchtisch, welcher allseitig mit Zigarrenkistchenbildern aus der Kaiserzeit versehen ist Unten rechts: Blick in die Vitrine – Das zweite Leben der Zigarrenkistchen Fotos: © Oberrheinisches Tabakmuseum Mahlberg


Oben links: Historische Tracht der Region am Oberrhein Oben rechts: Auf dem Tabakfeld des Museums können unterschiedliche Tabaksorten in Natura betrachtet werden Unten: Das alljährliche Anstechen oder auch „Anfassen“ des museumseigenen Tabaks Fotos: © Oberrheinisches Tabakmuseum Mahlberg

Oberrheinisches Tabakmuseum Mahlberg Kirchstraße 4 77972 Mahlberg Tel. 07825 - 84 38 12 stadt@mahlberg.de www.tabakmuseum-mahlberg.de

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Der GlasRatgeber: Eine sichere Sache! Folge 4: Unterstützung für Hygienekonzepte in der Ausstellungsgestaltung Autorin: Rebecca Mückenheim

Das Thema Hygiene ist im Laufe des vergangenen Jahres viel präsenter geworden und bestimmt einen großen Teil unseres Denkens und Handelns im Alltag. Das betrifft sowohl das private als auch das berufliche Umfeld sowie unsere Freizeitgestaltung. Abstand halten ist das Gebot der Stunde – daher sind als Folge dieses Abstandsgebots vermehrt improvisierte

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Trennwände aus transparentem Kunststoff in Kassenbereichen und an Rezeptionen, in Arztpraxen und in der Gastronomie zu finden. Oft notdürftig befestigt erfüllen sie zwar ihren Zweck, für Museen oder Galerien allerdings scheint der Einsatz von Acrylglas, das eigentlich kein Glas ist, sondern aus Kunststoff besteht, oft keine Alternative.

Die Verwendung von „echtem“ Glas, also qualitativ hochwertigem Floatglas, kann die moderne Ausstellungsgestaltung bereichern und dazu beitragen, dass Sicherheits- und Schutzkonzepte auch designtechnisch ansprechend umgesetzt werden können. Im Folgenden erfahren Sie, welche Vor-


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Ingo Maurer, Residenztheater Foto: © Simon Koy

teile Glas bietet. Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Glas gehen weit über die Fenster-, Dach- oder Fassadenverglasung hinaus. Doch welche generellen Eigenschaften machen Glas überhaupt so interessant? Glas ist ein nachhaltiger und natürlicher Rohstoff und besteht hauptsächlich aus

Sand, Soda und Dolomit. Da es sich bei diesen Komponenten um natürliche Materialien handelt, sind sie recyclebar und somit umweltfreundlicher als Schutzwände aus Plastik. Glas ist nicht so anfällig für Kratzer oder Beschädigungen wie Kunststoff und lässt sich dadurch besser reinigen. Denn auch feine Mikrorisse oder Verkratzungen auf Kunststoffoberflächen

geben Verschmutzungen, zu denen auch Viren und Bakterien gehören, eine gute Möglichkeit, sich festzusetzen und auszubreiten. Die Oberfläche von Plastik- und Acrylglastrennwänden wird mit der Zeit durch Reinigung und Reibung stumpf – das sieht nicht nur unschön aus, sondern ist auch ein großer Kostenfaktor: Trennwände, die nicht aus Glas bestehen,

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auf momentane Gegebenheiten reagiert wird. Die höheren Anschaffungskosten amortisieren sich zeitnah, da keine festen Schilder gedruckt und ausgetauscht werden müssen. Zudem wirkt eine Installation mit Glas und Leuchtdioden weitaus moderner und fügt sich durch ihre Transparenz perfekt in jedes Umfeld ein. Je nach Konzept der Ausstellungsgestaltung lassen sich sogar ganze Medienfassaden kreieren und eindrucksvolle Akzente setzen. Die Botschaften, Grafiken und Farben sind dabei individuell gestaltbar und eignen sich sowohl für die Innen- als auch für die Außenanwendung.

müssen viel öfter ausgetauscht werden und sind längst nicht so robust. Glas ist außerdem besonders langlebig. Wird es nicht mutwillig zerstört, zeigt es auch bei unterschiedlichsten Bedingungen keinerlei Veränderungen und sieht auch nach Jahren noch aus wie am ersten Tag. Wie helfen nun diese Eigenschaften, Hygienekonzepte in Museen für Besucher umzusetzen? Glas als Abtrennung, Spuckschutz, Tür oder Balustrade lässt sich auf Grund mehrerer Aspekte sehr gut in anspruchsvolle Umgebungen integrieren. Zum einen ist es robust und hochwertig in seiner Erscheinung. Zum anderen kann es durch spezielle Beschichtungen einen Zusatznutzen erfüllen und dennoch seine Durchsicht und Klarheit beibehalten. Die Beschichtungen selbst sind nur wenige Nanometer dünn und für das menschliche Auge nicht sichtbar. Oft werden sie direkt während des Produktionsprozesses pyrolytisch, also mit sehr großer Hitze, auf die Glasoberfläche aufgebracht und lassen sich deshalb weder durch Reinigungsmittel oder Reibung entfernen. Beispiele für unsichtbare Beschichtungen mit Zusatznutzen sind zum Beispiel Antireflexionsbeschichtungen, die störende Spiegelungen vermeiden oder eine antimikrobielle Beschichtung, die verhindert, dass schädliche Viren, Bakterien und Pilze auf der Glasoberfläche überleben und sich ausbreiten. Das antimikrobielle Glas der NSG Group besitzt eine so genannte photokatalyti-

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sche Oberfläche, die durch den UV-Anteil im Tageslicht oder durch spezielle UV-Geräte aktiviert wird. So lassen sich Bakterien und Viren sehr effektiv bekämpfen und deren Ausbreitung verhindern. Für den Menschen ist die Beschichtung völlig unbedenklich und weil sie zusätzlich oleophobe Eigenschaften aufweist, bleiben Fingerabdrücke weniger gut auf ihr haften. Eine Eigenschaft dieses antimikrobiellen Glases ist, dass auf Grund der Beschichtung die Reflexion leicht erhöht ist. Daher eignet es sich weniger als Vitrinenverglasung, kann aber sinnvoll als Trennelement installiert werden, als Verglasung unter einem Geländer, als Glastür oder als transparente Schutzwand an Museumskassen. Auch ein intelligentes Besucherführungssystem und optisch ansprechende Informations-Installationen können dazu beitragen, Besuchertrauben im Foyer oder vor Exponaten zu vermeiden und dabei helfen, dass sich Besucherwege möglichst wenig kreuzen. Erreichbar ist das durch eine spezielle LED-Technik, die im Glas „versteckt“ ist. Hierbei werden mit dem Auge kaum sichtbare Leuchtdioden zwischen zwei Glasscheiben eingearbeitet, die variabel steuerbar sind. So können in unterschiedlichen Farben verschiedene Botschaften an Besucher gesendet werden, z.B. „Hier entlang“ oder „Stopp! Bitte nicht mehr als 10 Personen“. Bei Bedarf kann die Botschaft auch fortlaufend sein, wechseln oder ausgeschaltet werden. In jedem Fall kann die Ausstellungsgestaltung flexibel gestaltet werden, indem

Ebenso modern und stilvoll sind auch Informationsstelen mit einem semi-transparentem Spiegel. Dabei handelt es sich um ein beschichtetes Glas, das sowohl als spiegelnde als auch als transparente Oberfläche dienen kann. So lassen sich Bildschirme und Displays mit entsprechenden Besucherinformationen hinter der Spiegeloberfläche verbergen, wenn sie ausgeschaltet sind. Wird der Bildschirm angeschaltet, strahlt das Display durch das Glas hindurch und wird für die Besucher sichtbar.

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Wenn Sie an interessanten Informationen zum Thema Glas interessiert sind, folgen Sie unserem Pilkington Spezialglas-Kanal auf LinkedIn! Foto: Kapitelsaal St. Viktor Dom Xanten. © museum.de

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© Simon Koy

Strahlende Botschaften Dass mit besonderem Glas ebenso besondere und extravagante Installationen möglich sind, zeigt der Schriftzug im Residenztheater in München. 15 einzelne Powerglass®-Panels lassen den Namen des Theaters in über 2600 roten LED’s leuchten. Möglich ist das mit speziellem Glas, das sich für technische Anwendungen oder auch Displays eignet: NSG TEC™ ist ein elektrisch leitfähiges Glas, das sehr robust ist und eine hohe Lichttransmission bietet. Die Peter Platz Spezialglas GmbH stellt mit NSG TEC™ solche und viele andere attraktive LED-Verbundglas-Lösungen her. Pilkington Deutschland AG | marketingDE@nsg.com | www.pilkington.de


Das Schatzhaus an der Eisbachwelle Das Bayerische Nationalmuseum Autor: Frank Matthias Kammel

1851 besuchte der bayerische König Maximilian II. die Londoner Weltausstellung. Ihn faszinierte der dort praktizierte Gedanke, Nationen in Gestalt ihrer materiellen Meisterleistungen – sowohl historischer Werke als auch aktueller Produkte – zu präsentieren. Als ein Jahr später, inspiriert von dieser großartigen Schau, das South Kensington Museum, das heutige Victoria & Albert Museum gegründet wurde, fasste er den Beschluss, ein ähnliches Institut in seiner Residenzstadt errichten zu lassen. Das als Wittelsbacher Museum geplante Haus, das zwei Jahre später gegründet wurde, verfolgte das Ziel, „die interessantesten und vaterländischen Denkmäler und sonstigen Überreste vergangener Zeiten der Vergessenheit zu entreißen“. Mit dem Sammeln solcher Objekte verband sich die Absicht der Repräsentation einer bedeutenden Dynastie sowie der Versuch, ein allgemeines historisches Gedächtnis, eine breite Kreise erfassende gemeinsame Erinnerung auszuformen. Seit dem 19. Jahrhundert zählen Museen zu den wichtigsten, oft architektonisch herausgehobenen Orten dieser Funktion. Daher bildeten sie nicht zuletzt ein Instrument, dem über die Konservierung

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überkommener kultureller Güter und die Vermittlung von Kenntnissen hinaus angesichts des damals tiefgreifenden sozialen Wandels die Aufgabe zugesprochen wurde, eine historisch begründete Orientierung zu geben. Schließlich stellen sie die lebenden mit den ihnen vorangegangenen Generationen und deren Lebenswirklichkeiten in einen Zusammenhang.

Anlass dazu hatte Maximilian allemal. Im Zuge der napoleonischen Kriege, des Untergangs des Alten Reiches und des Wiener Kongresses veränderte Bayern seine Gestalt durch Gebietsverluste wie durch entsprechende Zuwächse beträchtlich. Es integrierte nun Regionen unterschiedlicher kultureller, konfessioneller, ökonomischer, politischer und klimatischer Prä-


gungen, in denen verschiedene Dialekte und Mentalitäten beheimatet waren. So zielte seine Gründung auf der Basis einer Sammlung bedeutender Kulturgüter auf eine gemeinsame historische Erinnerung und damit überregionale Identität, die Maximilian unter einer bayerischen Nation subsumierte.

Dem Institut, dem er in diesem Sinn den Namen Bayerisches Nationalmuseum verlieh, war somit auch der Auftrag in die Wiege gelegt, die Identifikation mit dem Staatsgebilde wie dem Herrscherhaus zu stärken und zur Einigung der unterschiedlichen „Stämme“ Bayerns beizutragen.

Linke Seite, oben: Bayerisches Nationalmuseum Foto: Stephan Rumpf Linke Seite, unten: Barocke Herrenkleidung Foto: Bastian Krack Rechte Seite, oben: Der Saal mit Werken von Tilman Riemenschneider (um 1510). Foto: Bastian Krack Rechte Seite, unten links: Alabasterfigur „Judith“ von Conrat Meit (um 1525). Foto: Walter Haberland Rechte Seite, unten rechts: Das Silberservice des Fürstbischofs F. W. von Westphalen (1763). Foto: Bastian Krack

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Möbelkunst des 18. Jahrhunderts. Foto: Bastian Krack

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Zugleich war das Museum von Beginn an ein Schaufenster der herausragenden kulturellen Leistungen der Wittelsbacher, die nun eine bayerische Kultur- und Staatsnation repräsentierten. In diesem Sinn bestimmte der König Kunstwerke und bedeutende kulturgeschichtliche Objekte zum Grundstock des Museums. Über dem Hauptportal des heutigen Museumsgebäudes verdeutlicht die Inschrift „Meinem Volk zur Ehr und Vorbild“, dass die hier gehüteten Schätze ebenso als Ausweis der historischen Leistungen wie als mustergültige Garanten für eine Fortentwicklung Bayerns zu betrachten waren. Nicht

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zuletzt bezeugt sie den pädagogischen Anspruch der Institution. Dieses inzwischen dritte, 1900 eingeweihte Domizil des Museums am Englischen Garten errichtete der renommierte Münchner Architekt Gabriel von Seidl. Während seine Fassade das Gepräge der Renaissance aufweist, kombinieren die Interieurs Elemente verschiedener Stile von der Romanik bis zum Barock. Damit gehört es heute zu den bedeutendsten und originellsten Museumsbauten Deutschlands. Allerdings erfuhr dieses architektonische Ensemble schon ein halbes Jahr-

zehnt nach Eröffnung eine Erweiterung, ein zweites Mal in den 1930er Jahren. Außerdem wurden in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts weitreichende Entscheidungen für die Ausrichtung des Sammelspektrums getroffen. Zunächst war das Museum der Ort der Aufbewahrung nahezu sämtlicher Gattungen kultureller Güter von der Vorgeschichte bis ans Ende der Neuzeit, um ein möglichst umfassendes historisches Narrativ entwickeln zu können. Schon im Laufe des 19. Jahrhunderts nahm die Tendenz zu, den Aspekt des Kunstgewerbemuseums zu stärken. 1914 wurde kritisiert, dass


zeitgenössische Erzeugnisse in diesem Zusammenhang unterrepräsentiert seien. Allerdings kam es erst 1925 zur Gründung einer Abteilung für modernes Kunsthandwerk. 1947 etablierte man daraus ein selbständiges Museum für angewandte Kunst, das heute als Neue Sammlung – The Design Museum firmiert. Folgenschwer schrieb man damit die zeitliche Eingrenzung der Museumsbestände fest, so dass sie heute im Wesentlichen mit der Kunst des Jugendstils abschließen. Umgekehrt verzichtete man 1934 auf die vorgeschichtlichen, römerzeitlichen und merowingischen Ausgrabungsfunde und

Objekte, darunter bedeutende Mosaiken und Steindenkmäler, und übertrug sie an die Prähistorische, heute Archäologische Staatssammlung. Bis auf Ausnahmen bewahrt und zeigt das Museum daher jetzt Kulturgüter vom Mittelalter bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Im letzten Krieg wurde das Museumsgebäude durch Luftangriffe stark zerstört und brannte teilweise aus. Der Wiederaufbau erfolgte im Wesentlichen als vereinfachte Rekonstruktion, die allerdings dem Bild der einst hochgelobten Innenarchitektur Seidls in ihren Strukturen und

Dimensionen, der atmosphärischen Korrespondenz zwischen räumlicher Hülle und den darin präsentierten Ausstellungsstücken und somit einem unverwechselbaren Merkmal des Bayerischen Nationalmuseums Bestand verlieh.

Linke Seite: Deckelpokal von Christoph Jamnitzer in Form eines Kopfes (um 1600) Foto: Walter Haberland, Marianne Franke Rechte Seite: Die neapolitanische „Palastkrippe“ aus dem 18. Jahrhundert Foto: Bastian Krack

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Heute gehört das Haus zu den größten und bedeutendsten Museen Deutschlands und birgt eine einzigartige Sammlung europäischer Kunst. Zusammengetragen wurde ein Teil dieses umfassend ausgerichteten Bestandes auf der Basis des dynastischen Netzwerks der Wittelsbacher. Daneben bezeugen Kulturgüter aus den zu Beginn des 19. Jahrhunderts an Bayern gefallenen Reichsstädten und geistlichen Fürstentümern den von verschiedensten politischen Akteuren über Jahrhunderte gepflegten künstlerischen Austausch innerhalb des mitteleuropäischen Raums und mit Kunstzentren jenseits der Alpen. Ein Schwerpunkt der Zimelien des Bayerischen Nationalmuseums liegt dennoch auf den süddeutschen und alpenländischen Regionen. Neben den faszinierenden Kunstwerken des Mittelalters und der Renaissance, unter denen die bedeutendsten Namen vertreten sind, wird der Bestand vom kulturgeschichtlichen Reichtum geprägt, der ein vielfältiges und spannendes Narrativ ermöglicht. Beispielhaft sind hier die Mitte des 16. Jahrhunderts entstandenen

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Modelle bayerischer Städte, die als älteste erhaltene Stadtmodelle Europas gelten. Die Sammlung barocker Elfenbeinkunst, die auf den Kunstsinn der kurbayerischen und kurpfälzischen Wittelsbacher zurückgeht, gehört mit jener des Kunsthistorischen Museums in Wien und der des Grünen Gewölbes in Dresden zu den weltweit größten und bedeutendsten ihrer Art. Auch über diese Gattung hinaus existiert kein Museum, dass das Erscheinungsbild des süddeutschen Barocks und Rokokos umfangreicher und differenzierter darzustellen vermag. Mit Hauptwerken von Ignaz Günther, Johann Baptist Straub, Roman Anton Boos oder Franz Xaver Messerschmidt sind hier absolute Spitzenleistungen der bildenden Kunst des 18. Jahrhunderts zu sehen. Großartige Beispiele der Möbelkunst, frühes Porzellan aller bedeutenden deutschen Manufakturen von Meißen über Nymphenburg bis zu Höchst und Frankenthal ergänzen das Bild dieser Epoche fulminant. Darüber hinaus beherbergt das Museum bedeutende historische Raumensembles, Gemälde, Musikinstrumente, Textilien


und Kostüme, Spielzeug, herausragende Zeugnisse der Alltagskultur, eine der schönsten Sammlungen neapolitanischer Weihnachtskrippen sowie Waffen, die vorrangig unter dem Gesichtspunkt kunsthandwerklicher Meisterleistungen zusammengetragen wurden. Gleiches gilt für die Epochen des Klassizismus, des Biedermeier, des Historismus und des Jugendstils. Neun über die Fläche des Freistaats verstreute Zweigmuseen – von der Fränkischen Galerie in Kronach im Norden über das Bayerische Schulmuseum Ichen-

hausen im Westen bis zum Keramikmuseum Schloss Obernzell im Osten – thematisieren unterschiedliche Schwerpunkte und spezielle Aspekte eines umfassenden Sammel- und Darstellungsauftrags. Nach der Errichtung eines modernen Gebäudes für die Restaurierungswerkstätten 1999 besitzt das Museum eine solide bauliche Grundlage, um seiner Aufgabe der Bewahrung kultureller Güter nach aktuellen Standards gerecht zu werden. Das an der Münchner Prinzregentenstra-

ße gelegene Hauptgebäude, das vielen Besuchern wie ein prächtiges Schloss erscheint, wird hinsichtlich seiner Schausammlungen und Interieurs sukzessive erneuert, sodass es die Vergangenheit in zunehmender Weise mit dem 21. Jahrhundert verbindet.

Linke Seite, oben: Commedia dell‘arte Gruppe von Franz Anton Bustelli (1760) in der Porzellansammlung Rechte Seite, unten: Blick in die Sammlung barocker Elfenbeinschnitzereien und -drechseleien Fotos: Bastian Krack

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Eines der wesentlichen Mittel dieses strategischen Brückenschlags sind die Sonderausstellungen, deren Themen ausdrücklich keine kunsthistorischen Fachfragen fokussieren, sondern Kulturgeschichte(n) erzählen und die Vergangenheit mit Gesichtspunkten der Gegenwart verknüpfen wollen. So fragte das Projekt „Treue Freunde“ ausgehend von einem berühmten bayerischen Hund unlängst nach dem ambivalenten Verhältnis von Hund und Mensch und seinen Veränderungen bis in unsere heutige Großstadtgesellschaft. Facettenreich thematisiert die derzeitige Schau „Kunst & Kapitalverbrechen“ zum Münnerstädter Altar von Tilman Riemenschneider und Veit Stoß das spannende, bis heute hochaktuelle Verhältnis von Kriminalität und künstlerischer Kreativität. Indem die Sammlungspräsentation und das Programm des Bayerischen Nationalmuseums stärker kulturgeschichtlich ausgerichtet werden, kommt es den Bedürfnissen einer gewandelten Gesellschaft nach, das Museum als unverzichtbaren Ort kulturhistorischer Erinnerung und Vergegenwärtigung, kultureller Vergewisserung, konstruktiver Diskurse und der Identitätsbildung zu begreifen. Die sich angesichts eines Nationalmuseums aufdrängende Frage, was Bayern ist, ein Land oder ein Zustand, ist vielleicht nicht die uninteressanteste.

Fotos: Blick in die Ausstellung „Kunst & Kapitalverbrechen. Veit Stoß, Tilman Riemenschneider und der Münnerstädter Altar“ im Bayerischen Nationalmuseum bis 1. August 2021 Fotos: Bastian Krack Alle Fotos : © Bayerisches Nationalmuseum

Bayerisches Nationalmuseum Prinzregentenstraße 3 80538 München Tel. 089 - 211 24 01 kontakt@bayerisches-nationalmuseum.de www.bayerisches-nationalmuseum.de

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Kooperation zwischen Image Access und dem Von der Heydt-Museum Kunstscanner WideTEK® 36ART steht jetzt im „besten Showroom der Welt“ Autorin: Jessica Casper

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Anzeige Das ausschließlich in Wuppertal produzierende Unternehmen Image Access entwickelte 2017 den einzigartigen Kunstscanner WideTEK® 36ART, mit dem das ebenfalls in der Schwebestadt ansässige Von der Heydt-Museum nun einen Teil seiner Sammlung digitalisiert. 3000 hochkarätige Gemälde, 30.000 grafische Blätter und 500 Skulpturen umfasst der Bestand, die Werke reichen vom 16. Jahr-

hundert bis in die Gegenwart. Impressionismus, Expressionismus und die 1920er Jahre bilden die Schwerpunkte. Die Affinität für Kunst von Geschäftsführer Rüdiger Klepsch und der Wunsch, dem Firmenstandort Wuppertal etwas zurückzugeben, brachte Image Access auf die Idee, im Zuge einer „künstlerischen Kooperation“ auf das Von der Heydt-Museum zuzuge-

hen. Der Gedanke entstand bereits kurz vor dem Ausbruch von COVID-19, als das Museum unter Leitung des neuen Direktors Dr. Roland Mönig die Veranstaltung „Museum 4.0“ plante. Diese sollte ein neues Zeitalter in die Digitalisierung einläuten, die sich Mönig auf die Fahne geschrieben hat. „Ein unglaublich schöner Zufall zur rechten Zeit“, so beschreibt er die Kontaktaufnahme durch Image Access.

Linke Seite: Der Kunstscanner WideTEK® 36ART von Image Access Rechte Seite: Rüdiger Klepsch, Geschäftsführer Image Access Fotos: © Image Access & Von der Heydt-Museum

1994 mit einer Grafikkarten-Serie begonnen, hat sich das mittelständische Unternehmen bis heute zu einem der führenden Hersteller großformatiger Scanner entwickelt. Lokale Lieferanten, ein globales Distributoren-Netzwerk und nicht zuletzt rund 65 engagierte Mitarbeiter*Innen bilden den Kern erfolgreichen Unternehmertums seit mehr als 27 Jahren. Neben dem Kunstscanner, der u. a. auch in Museen in Russland, Schweden und der Schweiz sowie in Galerien und Archiven zu finden ist, verfügt Image Access über ein breites Produktportfolio an Buchscannern, Flachbettscannern sowie Durchzugscannern mit einer maximalen Scanbreite von knapp 1,60 Metern (60 Zoll).

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Hintergrund: Dr. Roland Mönig, Museumsleiter Von der Heydt-Museum Kleine Bilder: Sammlungspräsentation „An die Schönheit“ Fotos: © Image Access & Von der Heydt-Museum

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Seit nun sechs Monaten steht der WideTEK® 36ART in der Grafikabteilung des Von der Heydt-Museums und wird von der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Dr. Anna Storm, derzeit zur Digitalisierung von Gemälden eingesetzt, die präsentiert werden. So werden sie digital festgehalten und archiviert, und profitieren dabei von der hohen Auflösung und dem 3D-Modus zur realitätsgetreuen Darstellung. Selbst feinste Pinselstriche kommen noch zur Geltung, und das kontaktlose Verfahren der Kunstwerke unter den CCD-Scanzeilen sorgt für schonende Abbildung. Während vorher die Werke aufwändig transportiert, aufgebaut, fotografiert und nachbearbeitet werden mussten, werden sie nun einfach auf den Scantisch gelegt und sind mit anschließender Nachbearbeitung über Photoshop innerhalb von etwa 5-10 Minuten als hochauflösendes Digitalisat von 600 dpi vorhanden. Unter normalen Umständen könnten sich jetzt die Besucher*Innen des Museums, das wiederholt von Kunstkritikern der Zeitung Welt am Sonntag zum „Museum des Jahres“ und seine Ausstellungen zur „Ausstellung des Jahres“ gewählt wurde, von zwei Sammlungen parallel begeistern lassen: „Vision und Schrecken der Moderne – Industrie und künstlerischer Aufbruch“ sowie „An die Schönheit“. Letztere ist bis Oktober eingeplant. Projekte, die neben den Ausstellungen Priorität haben, sind der Relaunch der Website sowie die Unterstützung der Digitalisierung. Nicht stehen bleiben und stets nach vorne schauen! So lautet auch das Motto der Image Access GmbH, die mit der Kooperation neue Wege beschreitet. Da die MUTEC letztes Jahr nicht stattfinden konnte und auch die Vor-Ort-Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes ausfiel, sind nun die Weichen für andere Präsentationsmöglichkeiten gestellt. „Stets am Puls der Zeit zu sein und innovativ zu denken, das war, ist und bleibt unsere Maxime. Der große digitale Schub des letzten Jahres wird lange anhalten und wir freuen uns, diese Entwicklung aktiv mitzugestalten. Was gibt es da Besseres, als unseren Spezialscanner im besten Showroom der Welt zu wissen, der zudem nur 2 km von unserem Firmenstandort entfernt ist. Win Win auf allen Seiten“, resümiert Rüdiger Klepsch.

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Oben: Scanvergleich: links 2D, rechts mit 3D-Modus Mitte: Dr. Roland Mönig, Rüdiger Klepsch und Anna Storm, wiss. Mitarbeiterin des Museums, präsentieren Journalisten den WideTEK® 36ART Unten: Das Von der Heydt-Museum in Wuppertal Alle Fotos: © Image Access & Von der Heydt-Museum

Image Access GmbH Hatzfelder Str. 161-163 42281 Wuppertal Telefon 0202 27058-0 E-Mail: Marketing@imageaccess.de Web: www.imageaccess.de Von der Heydt-Museum Turmhof 8 42103 Wuppertal Telefon 0202 563-6231 E-Mail: info.museum@stadt.wuppertal.de Web: www.von-der-heydt-museum.de



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