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Nationales Militärmuseum der Niederlande Sonderausstellung „Er oder ich

Linke Seite: Diorama der Schlacht an der Scheldemündung: Léo und Welly als Scharfschützenteam auf einem Deich. Foto: © Uwe Strauch Rechte Seite, oben: Lebensecht: Hans Kürten verliert seinen Kameraden Johannes Findeis. Foto: © NMM/AnneReitsma Unten: Besucher tauchen mit Hilfe einer Audiotour in die Geschichte ein. Foto: © Uwe Strauch

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Er oder ich

Sonderausstellung im Nationalen Militärmuseum der Niederlande. Autor: Dirk Staat

Die neue Ausstellung des Nationaal Militair Museums (dt. Nationales Militärmuseum) in Soesterberg konzentriert sich auf die menschlichen Erfahrungen zweier Soldaten – einem kanadischen und einem deutschen – im Krieg. Nie zuvor wurde dem Zweiten Weltkrieg auf diese Weise in einem Museum Form gegeben. Die dramatische Geschichte des größten Konflikts der Weltgeschichte stellt vor allem eindrückliche, persönliche Erlebnisse in den Vordergrund, ohne dass hierbei das museale Element verloren geht. Anlass der Ausstellung ist das 75. Jubiläum der Befreiung der Niederlande, das in diesem Jahr gefeiert wird. Für das NMM Grund genug, eine neue Ausstellung zu diesem Thema zu präsentieren. Diese zeigt nicht nur den Einsatz der Befreier, sondern beleuchtet auch die Gegenpartei. Der Krieg bekommt durch die persönlichen Geschichten des Kanadiers Léo Major und des Deutschen Hans Kürben ein Gesicht.

Die erste Person, die der Besucher kennenlernt, ist der Kanadier Léo Major (1921- 2008) aus Montréal. In den 30er Jahren – weltweit herrscht eine Wirtschaftskrise – fällt es Léo schwer, Arbeit zu finden. 1940 meldet er sich freiwillig zum Militärdienst und wird Teil des Régiment de la Chaudière. Nach einer einjährigen Ausbildung in Kanada zieht das Regiment nach England, wo Léo seine Ausbildung fortsetzt. Er versteht sich gut mit einem seiner Kameraden, Welly Arseneault. Die zwei Männer freunden sich an. Das Regiment bereitet sich täglich auf die Invasion in Europa vor. Am 6. Juni 1944 ist es schließlich so weit: Die Kanadier gehen am Juno Beach an Land. Das Régiment de la Chaudière landet in der Nähe des Ortes Bernières-sur-Mer und zieht weiter ins Landesinnere. Am Ende des „längsten Tages“ sind die Chaudières 16 Kilometer landeinwärts gezogen. Zwei Wochen später, bei Kämpfen rundum Caen, wird Léo von einer deutschen Handgranate verletzt. Sein linkes Auge wir ernsthaft geschädigt, aber dennoch lässt er sich nicht ausmustern. Léo wird in England behandelt und meldet sich einen Monat später wieder zum Dienst. Nach eigener Aussage sei er durchaus befähigt, an die Seite seiner Kameraden zurückzukehren, denn zum Schießen benötige er nur ein Auge und dieses sei unbeschädigt. Die Ausstellung zeigt u. a. diese Episode in Echtgröße als Diorama. Nach den Schlachten in der Normandie sehen wir Léo in den Niederlanden bei der Schlacht um die Scheldemündung wieder. Hier fungiert er als Heckenschütze und Auskundschafter. Im Februar 1945 wird er erneut auf die Probe gestellt: er fährt im Hochwald auf eine Antifahrzeugmine. Durch die Explosion bricht er sich den Rücken, einige Rippen und die Sprunggelenke. Wiederum weigert er sich in die Heimat zurückzukehren und entscheidet sich dafür, nach der Genesung wieder zu seinen Kameraden zu stoßen. Den Höhepunkt seiner Kriegskarriere bildet die Befreiung der im Nordosten der Niederlande gelegenen Stadt Zwolle. Sein Kommandant befiehlt eine nächtliche Erkundung der besetzten Stadt. Léo und sein Freund Welly machen sich auf den Weg, aber Welly wird kurz darauf von den Deutschen erschossen. Léo bekämpft und besiegt die deutschen Soldaten und entschließt sich, allein weiterzugehen. Die sich zurückziehenden Besetzer kommen zu dem Schluss, dass der kanadische Angriff begonnen habe und bei seiner morgendlichen Rückkehr in das eigene Lager kann Léo melden, dass die Stadt verlassen worden sei. Zwolle wird ohne Weiteres befreit. Für diese Tat erhält Léo die Distinguished Service Medal, die zweithöchste Tapferkeitsauszeichnung der Gemeinschaft.

Oben: Das erste Treffen der Besucher mit Léo Major kurz vor der Landung in der Normandie Unten: Diorama der Schlacht um die Normandie: Léo wird am Auge verletzt Rechte Seite: Léo Major am Strand von Bernières-surMer, 6. Juni 1944. Fotos: © Uwe Strauch

Hans Kürten, unfreiwilliger Panzergrenadier

Hans Kürten (1925-2019) aus dem Rheinland möchte eigentliche Automonteur werden, aber seine Interessen fallen dem Deutschen Reich und dem Krieg zum Opfer. Mit 17 Jahren wird er zum Reichsarbeitsdienst einberufen. Er soll in den Niederlanden arbeiten und wird mit 18 Jahren Teil der Armee. Nach seiner Ausbildung zum Panzergrenadier wird er an die Ostfront geschickt. Dort, in den Weiten der ukrainischen Steppen, lernt Hans den Krieg kennen. In der Ausstellung „Er oder ich“ werden auch die Erlebnisse von Hans wiedergegeben. Im Winter ‚43 verirrt er sich im Schnee und kann seine eigenen Truppen nur mit Mühe und Not erreichen. Er wird dabei jedoch an den Beinen verletzt. Nach seiner Genesung wird Hans im Frühjahr 1944 mit seiner 116. Panzerdivision – auch unter dem Namen Windhunddivision bekannt – in Rouen stationiert. In den Monaten Juli und August des Jahres ‚44 nimmt er an den Kämpfen während der Schlacht um die Normandie teil und spielt eine wichtige Rolle beim Ausbruch aus dem Kessel von Falaise, dem berüchtigten „Stalingrad des Westens“. Hans kämpft auch in den Niederlanden und ist so an der Schlacht um Arnheim und an den Kämpfen bei Driel beteiligt. Bei einer Schießerei wird einer seiner guten Kameraden, Johannes Findei, tödlich getroffen. Auch Hans wird erneut verletzt. Mit dem Ziel seine Verwundungen kurieren zu lassen reist er gen Deutschland, doch in dieser Zeit – dem Winter und Frühjahr 1945 – ist auf seinem Weg in die Heimat kein Ort

Oben: Hans Kürten erfährt in Rouen von der Invasion, Juni 1944. Foto: © NMM/AnneReitsma Rechts: In der Ausstellung ist sogar die Kälte an der Ostfront spürbar. Hans Kürten kommt in der Steppe beinahe ums Leben. Foto: © Uwe Strauch

mehr sicher. Nach einigen Irrfahrten landet er in einem Kloster in Almelo, im Osten der Niederlande. Aber auch dort kann er nicht bleiben und so zieht er weiter Richtung Norden. Am Lüneburger Bahnhof wird er Zeuge des Transports von ausgezehrten Konzentrationslagerhäftlingen. In diesem Moment realisiert er, dass die Gruselgeschichten, welche er über das Naziregime gehört hat, tatsächlich der Wahrheit entsprechen. Schlussendlich wird Hans mit seinen nicht heilenden Wunden an den Beinen von britischen Truppen gefangen genommen. Obwohl es ihm schlecht geht, erkennt er, dass er Glück gehabt hat. Er lebt. Viele seiner Kameraden von der Windhunddivision sind bei den Kämpfen im Hürtgenwald gefallen. Gebrochen kehrt er in die Heimat zurück.

Befreier und Besetzer – zwei menschliche Schicksale

Obwohl sich Léo und Hans in vielerlei Hinsicht unterscheiden – Léo ist der Befreier und Hans der Besetzer – gibt es auch vieles, was sie verbindet. Beide sind sehr jung und beide ziehen sich an der Front mehrfach Verletzungen zu, die sie im weiteren Leben behindern werden. Sowohl Léo als

auch Hans verlieren im Krieg Freunde. Durch ihre Erfahrungen kommen die beiden Männer auch in Friedenszeiten nicht zur Ruhe, auch wenn die Ursache „nur“ in der Berufsunfähigkeit zu finden ist. Dennoch gelingt es ihnen immer wieder sich aufzuraffen. Léo und Hans heiraten, gründen Familien und bekommen Kinder. Léo verfällt dem Alkohol und hat nicht viel Geld, findet aber 1970 eine neue Identität als Kriegsheld und als gefeierter Veteran. Hans findet seinen Platz in der Politik. Der Mann, der Kommunismus und Nazismus am eigenen Leibe erfuhr, wird ein Politiker der Mitte. „Vermeide das Extreme und denke selbst“ so sein Motto. Und egal wie wir Hans Rolle als Besetzer bewerten, die Botschaft bleibt positiv.

Oben: Der Verwundete Léo Major hält sich im Spital auf, Juli 1944. Unten: Neben den Dioramen zeigt die Ausstellung diverse Informationsgrafiken, Filme und Vitrine mit Originalgegenständen. Rechte Seite: Originaluniformen und -ausrüstung der deutschen Truppen in der Normandie: v.l.n.r. Luftwaffe, Waffen-SS und Heer. Fotos: © Uwe Strauch

Epilog

Der Epilog der Ausstellung zeigt, wie es den beiden Männern in ihrem weiteren Leben ergangen ist. Léo geht wieder zum Militär und wird für seine Leistungen im Koreakrieg erneut ausgezeichnet. In den 60er und 70er Jahren beginnt er unter seinen Kriegserlebnissen zu leiden. Er trinkt und wird manchmal gewalttätig.

Im Alter wird er als Veteran gefeiert, der als „Befreier von Zwolle“ regelmäßig in die Niederlande zurückkehrt. Immer wenn er dort ist, besucht er das Grab seines Freundes Welly.

Hans wird Monteur, wird aber aufgrund seiner Kriegsverletzungen letztendlich für erwerbsunfähig erklärt. Er entschließt sich, Lokalpolitiker zu werden und setzt sich lange Zeit für die CDU ein. Auch er besucht im Alter den letzten Ruheort seines Freundes Johannes Findei auf dem Friedhof Ysselstein.

Linke Seite: Der biografische Epilograum der Ausstellung: das Leben von Hans (oben) und Léo (unten) im Bild. Fotos: © Uwe Strauch Rechte Seite: Die Briten und Kanadier nutzten in den Niederlanden das amphibische Landungsfahrzeug „Buffalo“. Foto: © NMM/AnneReitsma

Spektakuäre große Objekte

Nicht nur die Geschichte der beiden Männer ist beeindruckend. Es ist dem NMM gelungen, mit Materialien aus der eigenen Sammlung und einigen Leihgaben ein spektakuläres Display mit Fahrzeugen und Waffen beider Partien im Kampf zusammenzustellen. In der Ausstellung werden beispielsweise ein Panzerkampfwagen VI „Königstiger“ und eine – mög

licherweise noch seltenere – Fieseler Fi 103R „Reichenberg“, die bemannte V1, gezeigt! Von den Kanadiern sehen wir u. a. den gefürchteten „Wasp“ Flammenwerfer und den enormen, amphibischen Panzer „Buffalo“. Eine der großen Besonderheiten stammt von einem Privatsammler aus England: der Mercedes G4 mit dem Adolf Hitler ins Sudetenland fuhr. Schuldiges Erbgut, das ist sicher. Aber erzieherisch ungemein wichtig.

Nationales Militärmuseum der Niederlande Verlengde Paltzerweg 1 3768 MX Soest, NL http://www.nmm.nl info@nmm.nl

Die Flexible Raumgestaltung

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Ausstellung im Deutschen Historischen Museum – realisiert mit einer Kombination aus der VX Modul Ausstellungswand und dem VOMO SMART Wandsystem. Konzept, Foto, Umsetzung: Nadine Rasche, Werner Schulte

Borghorster Straße 48 | D-48366 Laer (Germany) T 02554 94078-00 | info@ vomo-leichtbautechnik.de

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