MFG - Das Magazin / Ausgabe 8

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URBAN weise nicht unmittelbar betroffen.“ Der Frau-

ZUKUNFTSMODELL

enorden ist nämlich nicht dem Diözesanbischof

Der dramatische Wandel des Ordenslebens

unterstellt, sondern hat eigene Strukturen. Mit

zeigt sich nicht nur am Rückzug aus dem Schul-

Altbischof Krenn hatten sie demnach wenig zu

bereich. Der Lilienhof in der Stattersdorfer

tun, mit dem teilweise zuständigen Weihbischof

Hauptstraße war ursprünglich die „Getreide-

Fasching pflegten sie stets ein vorbildliches

kammer“ des Haupthauses in der Innenstadt.

Verhältnis und „mit anderen kirchlichen Einrich-

Der landwirtschaftliche Betrieb am Stadtrand

tungen in der Stadt und Diözese leben wir in

versorgte mit seinen Stallungen und Feldern die

guter Nachbarschaft“.

Fräulein fast autonom. Anfang der 90er Jahre

Wenn sie dann berichten, dass seit dem Amts-

wurden die Felder dann jedoch verpachtet, eine

antritt von Bischof Küng die Atmosphäre viel

Betreuungseinrichtung für geistig behinderte

entspannter sei, dann sieht man ihnen die

Jugendliche entstand. Doch als das Angebot an

Freude darüber an. Und außerdem: „Das hat

staatlichen

wuchs,

mich schon in der Schule wild gemacht. Da dis-

überlegte man sich die heutige Rolle für den Li-

kutieren die Schüler mit mir ständig über einen

lienhof: „Ein Ort für Exerzitien und Jugendliche,

Bischof! Dabei ist das ein Nebenthema! Der

Seminare zur Weiterbildung Erwachsener, aber

Glaube, das ist das Wichtigste! Darüber soll man

auch Orientierungstage für Schulen, oder mo-

sich den Kopf zerbrechen. Wir sind auf Jesus

natliche Taize-Gebete sorgen für eine sehr gute

Christus getauft, nicht auf irgendeinen Bischof!“

Betreuungseinrichtungen

Auslastung“, erzählt Sr. Irmgard. Die schöne Gartenanlage bietet seit Herbst auch einen öf-

NICHT SO „IN“

fentlich zugänglichen „Maria-Ward“-Pilgerweg

Man mag sich denken, ein „Team“, bei dem

mit sieben Stationen, geschaffen von der Kera-

alle Spielerinnen über 60 Jahre alt sind, tut sich

mikkünstlerin Ulrike Völkl-Haubner. Heute sind

schwer mit optimistischen Zukunftsplänen. Im

nur mehr drei Schwestern und Wachhund Bla-

Fall der Englischen Fräulein merkt man jedoch

cky am Lilienhof tätig, betreuen den verbliebe-

nichts von Trübsinn. Beim Betreten des Instituts,

nen Garten und die Besucher.

landet man in einem Paralleluniversum. Der

MITGELITTEN

Eintritt ins Kloster, wenn auch nur für ein paar Stunden, hinterlässt bleibenden Eindruck. Äl-

Wenn man schon mit Geistlichen in dieser Stadt

tere Damen mit unerschütterbarer Zufriedenheit

spricht, dann kann natürlich eine Frage nicht

sprechen über Gott, die Liebe, das Leben und

ungestellt bleiben. Wie war das denn, damals,

Gemeinschaft, sind voll Dankbarkeit und Zuver-

also eh vor kurzem? Sie wissen schon… Ein

sicht. Wenn man sich verabschiedet und hin-

wissendes Lächeln, ein Blick auf den Boden.

ausgeht in die „reale“ Welt, dann wird klar, dass

„Das war schlimm, für die ganze Diözese. Wir

diese Frauen auch allen Grund dazu haben. Wer

haben mitgelitten, waren jedoch glücklicher-

sonst ist selbst schon mit sich so im Reinen?

Maria Ward wuchs im England des 16. Jahrhunderts auf – zur Zeit der Katholikenverfolgung. Ihren Wunsch am Festland einem strengen Frauenorden beizutreten gab sie auf und entwickelte eine eigene Vision. Sie gründete einen Orden, der ohne Klausur auskam und nicht Bischöfen, sondern einer Generaloberin unterstellt war. Statt nur hinter geschlossenen Mauern zu beten, sollten sie sich mit offenen Augen im Volk bewegen. Papst Urban VIII. hob das Institut auf, fortan verbrachte Ward ihr Leben erfolglos damit, vom Vatikan Zustimmung zu erhalten: Es sei nicht „ihre Idee“, sondern ein Plan Gottes. Nach Ward’s Tod erblühten unter dem Schutz katholischer Fürsten die Einrichtungen. Erst 1909 wurde sie rehabilitiert, seit 1998 läuft ein Seligsprechungsverfahren. Die Tatsache, dass die Maria-Ward-Schwestern – trotz Widerstands der Amtskirche – ihre Vision realisiert haben, könnte man als Wunder werten.

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300 Jahre Englische Fräulein

In Krems und St. Pölten laufen die Vorbereitungen für das 300-Jahr-Jubiläum im kommenden Frühjahr. 1706 kamen die ersten Schwestern nach St. Pölten und gründeten das Mutterhaus für spätere Niederlassungen auf dem Gebiet der Habsburgermonarchie, getreu dem Motto: „Sie sind gekommen, Gott und den Menschen zu dienen.“ Rasch war ein Aufgabenbereich gefunden, im Bildungsbereich war die Not am größten. In Pionierarbeit errichteten die Schwestern Mädchenschulen. Zahlreiche Reformen und laufende Anpassungen an die „Bedürfnisse“ des „Bildungsmarktes“ führten zu einer gewissen Flexibilität. Vielleicht auch ein Grund dafür, dass der Frauenorden nicht abgehoben wirkt, sondern am Leben der Menschen Anteil nimmt. 1929 eröffnete in der Schneckgasse ein „neues“ Schulhaus. Sofort mit Hitlers Einmarsch wurden alle Schulen unter NSVerwaltung gestellt, ein Großteil der Räumlichkeiten beschlagnahmt. Die Schwestern durften nicht mehr unterrichten, sie wandten sich dem Bereich der Seelsorge zu. Mit Kriegsende erhielten sie die Schulen zurück, alle Schwestern mussten wieder in den Lehrdienst, jedoch ging die Anzahl geistlicher Lehrerinnen kontinuierlich zurück. Berühmte Schulabgängerinnen sind die Dichterinnen Paula von Preradovic und Enrica von Handel-Mazetti, oder Gertrude Tumpel-Gugerell (EZB-Direktorin) und Monika Langthaler (Unternehmensberaterin). Eine Zäsur erfuhr die Schule als 1989 erstmals auch Knaben aufgenommen werden. Mangels eigener Kräfte übergab das Institut im Jahr 2000 alle Schulen einem Trägerverein. Ein Meilenstein erfolgte 2004, als der weltweit rund 2.200 Schwestern zählende und auf vier Kontinenten tätige Orden den Namen „Congregatio Jesu“ und das Kürzel „CJ“ annimmt. Die acht Provinzen im deutschsprachigen Raum schlossen sich 2005 zu einer großen „mitteleuropäischen Provinz“ mit Hauptsitz in München zusammen.


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