MFG - Das Magazin / Ausgabe 85

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Haben Sie Angst, dass uns die Menschen verdrangen, Herr Burgermeister?

www.dasmfg.at MFG Ausgabe 05/23

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UNSCHULDSVERMUTUNG

Morgenstund hat Gold im Mund – und so flatterte an einem schönen (!) Maimorgen um 08:02 eine Aussendung der Stadt St. Pölten in die Redaktion, demnach der Bürgermeister Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet hat, weil „Unregelmäßigkeiten bei Behebungen der Stadtkasse festgestellt“ worden seien, kurzum Geld fehlt. Recht viel mehr war dem schlanken Fünfzeiler nicht zu entnehmen, dafür die Bitte um Verständnis angeschlossen, „dass bis auf weiteres keine zusätzlichen Stellungnahmen zu dieser Sachlage abgegeben werden.“

Was passiert aber, wenn man frei nach Enrico aus der legendären ORF-Kindersendung „Am dam des“ zu verstehen gibt, dass man zwar mehr weiß, aber – „ich sag niiiiiicht!“ – nicht mehr verraten will (kann)? Richtig, man stachelt erst recht die Fantasie an und öffnet Frau Fama, wie die alten Römer das Gerücht nannten, Tür und Tor. Über die wusste schon der griechische Astronom Achilleus Tatios: „Das Gerücht rinnt schneller als Wasser dahin, läuft schneller als der Wind, und fliegt schneller als irgendein Vogel.“ Haben wir doch alles in der Schule gelernt (okay, oder plump gegoogelt, ich gebs zu). Jedenfalls trudelten alsbald die nächsten Presseaussendungen ein, diesmal von den Oppositionsparteien. Die ÖVP etwa ließ wissen, dass sie eigentlich nichts weiß, weil sie erst gar nicht informiert worden war (Beleg für die traditionell transparente Politik der Mehrheitsfraktion SPÖ). Ihr Nichtwissen bestätigten auch die Grünen, was sie aber nicht davon abhielt, auf dieser fundierten Basis fußend dennoch so ganz nebenbei das Wort „Kontrollversagen“ einzustreuen. Und im Magistrat brodelte sowieso die Gerüchteküche, wer denn nun der oder die Täterin sein könnte. Zwar wurden keine eindeutigen Beschuldigungen erhoben, aber doch manch perfid-suggestive Andeutung gemacht. MFG wurden einige davon exklusiv zugespielt:

„Aha, do schau her. A neiche Rolex homa – und die Sei-

nige rennt neuerdings mit ana echten Louis Vuitton umadum - da is wohl der große Reichtum ausgebrochen bei den Hubers...“

„Heast, die Maier fohrt schon wieder in Urlaub – des dritte Moi in dem Johr – des gibts jo ned. Des is scho a bissl eigenortig, findst ned?

„Host den Bichler mitn neichn Porsche gseng? Wie sie des bei dem sein Gehalt ausgehen soll, frog I mi a?“

„I hob mi scho immer gwundert, warum da Horowitz so a schorfe Kotz hot – I man, wegen seim schen Gsicht konns jo wohl ned sei …“

„Scho komisch. Die Frau Hilde, eigentlich a adrette Person, lauft immer im oidvaderischsten Gwand umadum, und in der Fruah kommts mit an Waffenradl in die Orbeit – I glaub, die hot was zum Verbergen und mocht nur so auf bescheiden, die Madame …“

„Host des gheat? Die Frau Bichler hat ihr Gasrechnung bezahlt – gleich fürs ganze Jahr! I man – wie geht‘n des?“

„Österreich, wie es singt und lacht“, oder „Wie der Schelm denkt, so ist er?“ Wie auch immer, mittlerweile soll bereits bekannt sein, wer die Gelder abgezweigt hat. Reue, vielleicht jemanden zu Unrecht verunglimpft zu haben, empfinden die Klatschtanten und -onkeln aber keine. „Na, ma wird jo bitte nu laut Nochdenkn dirfn – is jo ned persönlich! Außerdem komisch is des trotzdem, dass der Herr Peter …!“ Naja, lassen wir das.

Für alle Verdächtigten gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.

Für alle „Verdächtiger“ … eher weniger!

Und bevor Sie sich jetzt den Kopf über meinen Tesla zerbrechen – Firmenauto!

Offenlegung nach §25 Medien-Gesetz: Medieninhaber (Verleger): NXP Veranstaltungsbetriebs GmbH, MFG - Das Magazin, Kelsengasse 9, 3100 St. Pölten. Unternehmensgegenstand: Freizeitwirtschaft, Tourismus und Veranstaltungen. Herausgeber/GF: Bernard und René Voak. Grundlegende Blattlinie: Das fast unabhängige Magazin zur Förderung der Urbankultur in Niederösterreich. Redaktionsanschrift: MFG – Das Magazin, Kelsengasse 9, 3100 St. Pölten; Telefon: 02742/71400-330, Fax: 02742/71400-305; Internet: www.dasmfg.at, Email: office@dasmfg.at Chefredakteur: Johannes Reichl Chefredakteur-Stv.: Michael Müllner Chefin vom Dienst: Anne-Sophie Müllner Redaktionsteam: Thomas Fröhlich, Sascha Harold, Johannes Mayerhofer, Michael Müllner, Andreas Reichebner, Thomas Schöpf, Beate Steiner, Thomas Winkelmüller, Timo Wöll Kolumnisten: Thomas Fröhlich, Michael Müllner, Tina Reichl, Roul Starka, Beate Steiner, Thomas Winkelmüller Kritiker: Helmuth Fahrngruber, Thomas Fröhlich, David Meixner, Michael Müllner, Clemens Schumacher, Manuel Pernsteiner, Michael Reibnagel, Christoph Schipp, Robert Stefan, Thomas Winkelmüller Karikatur: Andreas Reichebner Bildredaktion: Anja Benedetter, Matthias Köstler, Hannah Strobl Cover: Adobe Stock / KI-generiert Art Director & Layout: a.Kito Korrektur: Anne-Sophie Müllner Hersteller: Walstead NP Druck GmbH Herstellungs- und Verlagsort: St. Pölten Verlagspostamt: 3100 St. Pölten, P.b.b. Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2. Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten. Alle Angaben ohne Gewähr. Für den Inhalt bezahlter Beiträge ist der Medieninhaber nicht verantwortlich.

SPIELZEIT 23/24

Der Menschenfeind von Molière

Der Regenbogenfisch von Marcus Pfister

Kasimir und Karoline von Ödön von Horváth

Dunkelblum von Eva Menasse

Emil und die Detektive von Erich Kästner

Die größere Hoffnung von Ilse Aichinger

Tschick von Wolfgang Herrndorf

Der Prozess von Franz Kafka

Orpheus oder

Die Sprache der Liebe

nach Ovid, Monteverdi, Shakespeare und anderen

Die Troerinnen von Euripides

Die Physiker von Friedrich Dürrenmatt

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4 3 Editorial 6 In was für einer Stadt leben wir URBAN 7 Shortcut Urban 8 Nach der Wahl ist alles anders? 22 Ein halber Vatikan für Rewe? 26 Sprechstunde 32 Ist das schon Intelligenz? 38 Wenn Menschlichkeit den Krieg vergessen lässt 42 Umwelt-Aktivismus made in STP KULTUR 44 Shortcut Kultur 48 Die Sache mit dem Schaukelstuhl 56 Ein Märchen in Windpassing 62 Sommertheaterguide SZENE 68 Shortcut Szene 70 Kostenfrei proben SPORT 72 Jakob Dusek 74 Kritiken 75 Veranstaltungen 76 Außensicht 78 Karikatur MFG GRATIS PER POST BESTELLEN UNTER WWW.DASMFG.AT JOIN US ON FACEBOOK WWW.FACEBOOK.COM/DASMFG NÄCHSTES MFG 8. SEPTEMBER 2023 NACH DER WAHL – Seite 8 SPRECHSTUNDE – Seite 26 IST DAS SCHON INTELLIGENZ? – Seite 32 DANIELA
48 KOSTENFREI
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... in der der 21. Mai als schwarzer Sonntag in die Annalen der jüngeren St. Pöltner Fußballgeschichte eingehen könnte. So ließen zunächst am Vormittag die Herren des SKN St. Pölten einen „Elfmeter“ aus. Nachdem BlauWeiß Linz nämlich gepatzt hatte, wären die Wölfe bei einem Sieg auswärts gegen Kapfenberg wieder in Führung der 2. Liga gegangen mit „Matchball“, die Meisterschale nach St. Pölten zu holen. Allein, die Jungs mussten sich leider mit 2:1 geschlagen geben.

Am Nachmittag passierte dann das, was man gar nicht mehr für möglich hielt: Nach unglaublichen fünf Jahren haben die SKN Damen erstmals wieder ein Spiel in der höchsten Spielklasse verloren. Der 8. Meistertitel in Folge scheint den Damen trotzdem kaum mehr zu nehmen zu sein. Wir drücken jedenfalls die Daumen, auch den Herren – noch ist es nicht vorbei.

... in der aktuell die Sonderausstellung „Die Gerechten – Courage ist eine Frage der Entscheidung“ im Haus der Geschichte läuft und mutiger Bürger gedenkt, welche während des NS-Regimes Juden Unterschlupf gewährten. Wie etwa die Familie Jindra Wera Heilpern. Die sprang 1942 beim Transport nach Wien in St. Pölten aus dem Zug, riss sich den gelben Stern vom Kleid und ging nach Viehofen, um sich von ihrer Pflegefamilie zu verabschieden. Die Jindras ließen sie aber nicht mehr fort und versteckten sie am Dachboden. Nur im Dunkeln konnte das Mädchen ins Freie. „Zweieinhalb Jahre war ich allerweil eing’sperrt. Die Angst. Ich bin oft in der Nacht wach geworden, in Schweiß gebadet, da hat mir geträumt, ich höre Militärstiefel.“ An Wera Heilpern erinnert heute in St. Pölten die Heilpern Straße, an ihre Lebensretter die Jindra Straße.

… in der wir schon die Jubelmeldungen fürs nächste Jahr kennen: „Nächtigungsrekord in St. Pölten!“ Doch keine Sorge! Nicht asiatische Reisebusse überschwemmen unser schönes Städtchen, wir zählen einfach die 150.000 Frequenzianer mit und verdoppeln so die Nächtigungsstatistik. Wie das geht? Der Landtag novelliert das Tourismusgesetz und feiert sich für die Abschaffung des Interessentenbeitrags (ein Inbegriff ineffizienter Bagatell-Abgaben). Dabei regelt das neue Gesetz auch die Nächtigungsabgabe neu: Ab 2024 zahlt man mindestens 2,50 Euro pro Person für eine Übernachtung. Das gilt auch für nur wenige Tage eingerichtete Campingflächen und selbst dann, wenn man sein Zelt selber mitbringt. Ein blaugelber Beitrag zur nachhaltigen Inflationsabsicherung, immerhin steigt die Abgabe ab 2026 automatisch mit dem Verbraucherpreisindex.

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HAT SICH DAS AUSGEZAHLT?

Über einen längeren Zeitraum soll ein Mitarbeiter des St. Pöltner Rathauses Beträge aus der Stadtkasse entwendet und die Fehlbeträge bewusst verschleiert haben. Kolportiert wird, dass rund 200.000 Euro fehlen. Interne Untersuchungen brachten kein „endgültiges Ergebnis“, weshalb der Mitarbeiter entlassen und der Sachverhalt der Staatsanwaltschaft angezeigt wurde. Details will man im Rathaus nicht kommentieren. Die Gemeinderatsparteien beauftragten den Stadtrechnungshof mit einer

Sonderprüfung. Dieser soll idealerweise unter Einbeziehung externer Experten klären, wie es zu den Malversationen kommen konnte, ob die internen Kontrollprozesse ausreichen oder ob es Verbesserungsbedarf gibt. Schon in früheren Tätigkeitsberichten empfahl der Stadtrechnungshof (neben einer verbindlichen Kassenordnung), dass auszahlungsberechtigte Mitarbeiter die relevanten Geschäftsfälle nicht selber verbuchen dürfen. Wahrscheinlich wäre dies im aktuellen Fall hilfreich gewesen.

EINE OFFENSIVE FÜR KINDER

Es wäre eines der großen Themen im NÖ Landtagswahlkampf gewesen, das aber wie viele andere wichtige im bad talk unterging: Kinderbetreuung. So hatte der Landtag bereits im November die Rahmenbedingungen für die „Kinderbetreuungsoffensive“ beschlossen, die u. a. vorsieht, dass Kinder ab zwei Jahren in den Kindergarten gehen können. Im Gemeinderat St. Pölten wurde nun der, wie es durchaus zurecht formuliert wurde, „fette“ Beschluss gefasst, 25 neue Kindergartengruppen sowie fünf zusätzliche Tagesbetreuungseinrichtungen zu schaffen (zwei

davon öffnen schon diesen Herbst). Kostenpunkt rund 24 Millionen Euro, wobei die Tagesbetreuungseinrichtungen für Kinder ab dem 1. Lebensjahr angeboten werden.

GEHT‘S NOCH?

In einem Jahr endet die aktuelle Legislaturperiode und es darf aus heutiger Sicht bezweifelt werden, dass Schwarz-Grün nach der nächsten Nationalratswahl wieder die Bundesregierung stellt. Die SebastianKurz-Heilsversprechung hat sich als schöner Schein des Selbstzwecks entpuppt, die Grünen konnten auch im Ministeramt den Klimawandel nicht aufhalten. Ist es nicht ungerecht, dass laut aktuellen Umfragen das Volk diese Regierung scheinbar am liebsten mit nassen Fetzen aus dem Amt jagen würde?

Hat nicht das echte, treue Wählerpotential der Grünen eh bekommen, was sie sich erwarten durfte? Klimaticket und ökologische Steuerreform wurden geliefert – und scheinen längst wieder vergessen. Die ÖVP hielt ihren wirtschaftspolitischen Kurs und schob weiter brav Kinder ab. Was hätte diese Regierung denn bitteschön noch tun sollen, damit wir sie lieben?

Achja, die Pandemie. Die multiplen Krisen, der Krieg in der Nachbarschaft, die explodierenden Preise. Vor lauter Reaktion auf externe Faktoren kam man sicher schwer mit der eigentlichen Arbeit nach. Aber ich kann die Corona-Ausrede nicht mehr hören, schon gar nicht von einer Regierung, die endlos Geld ausgibt, um sich die veröffentlichte Meinung gewogen zu machen. Wer kein Klimagesetz zusammenbringt, wer das Amtsgeheimnis nicht abschafft, dem gehört es eh, dass er sich vorm Schlafengehen vor BlauSchwarz fürchtet. Da hilft auch das Märchen von den Armen nix, die – leider, leider – mit den Bösen koalieren müssen. Nein, es ist nicht ausweglos. Man scheitert eher an sich selbst.

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FOTOS: ADOBE STOCK, JOSEF VORLAUFER KOLUMNE MICHAEL MÜLLNER

NACH DER WAHL IST ALLES ANDERS?

Niederösterreich wird in den nächsten fünf Jahren von ÖVP und FPÖ regiert. Nach der Landtagswahl im Jänner 2023 nehmen nun Landtag und Landesregierung die Arbeit auf. Ein Blick auf die Ausgangslage und eine Interviewstrecke mit drei Abgeordneten, die St. Pölten und Rundherum vertreten.

Wahlkampf in Niederösterreich, das war vor allem ein Kampf mit der absolut regierenden ÖVP von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. „Es steht viel auf dem Spiel“, sagte sie bei einer Wahlveranstaltung dramatisch in die Kameras und der Spruch wurde wohl eher unfreiwillig zum Claim des ganzen Wahlkampfs und auch von Satiresendungen rauf- und runtergespielt. Aus Sicht der ÖVP stand bei entsprechendem Wählerschwund nicht nur die Mehrheit im Landtag, sondern auch die Mehrheit in der Landesregierung am Spiel. Rot-Blau wurde als Gefahr für das Land dargestellt, die Partei kleidete ihre Werbung in die blau-gelben Landesfarben und versuchte sich vom vermeintlich desaströsen Bundestrend abzukoppeln.

Partnersuche

Dennoch setzte es am 29. Jänner 2023 eine Niederlage für die ÖVP. Minus 9,7 Prozentpunkte im Vergleich zur letzten Landtagswahl bedeuteten nur mehr 39,93 Prozent der Stimmen im Landtag. Schmerz-

lich war zudem, dass auch die Mehrheit an Sitzen in der Landesregierung verloren ging. Dort sind die Parteien gemäß der Landesverfassung automatisch abhängig von ihrer erzielten Stimmenanzahl vertreten. Also unabhängig davon, welche Mehrheit sich im Landtag finden wird, war schon mit dem Endergebnis der Wahl entschieden, dass die ÖVP vier Mitglieder der Landesregierung stellt, die FPÖ drei und die SPÖ zwei. Womit die ÖVP ihre bisherige absolute Mehrheit in der Regierung verlor und nicht gegen den Willen von FPÖ-SPÖ regieren kann.

Am Wahlabend waren selbst die Freiheitlichen vom Wählerzuspruch überrascht, schafften sie doch ein Plus von 9,43 Prozentpunkten und landete damit mit 24,19 Prozent der Wählerstimmen auf dem zweiten Platz, noch vor der SPÖ. Diese verlor ebenso wie die ÖVP, konkret 3,27 Prozentpunkte und kam somit auf 20,65 Prozent der Stimmen. Der schon zuvor nicht unumstrittene SPÖ-Chef Franz Schnabl wurde rasch von Sven Hergovich abgelöst und die beiden Wahlverlierer ÖVP

und SPÖ starteten Verhandlungen über ein gemeinsames Arbeitsprogramm für die kommenden fünf Jahre. Weitgehend unbestritten ist, dass man sich in vielen Punkten einig war. Es habe dann den Wunsch der ÖVP gegeben, die SPÖ möge von ihren vielen Wünschen ein paar wesentliche Must-haves formulieren. Dabei war unter anderem ein Vorhaben für eine Job-Garantie für Langzeitarbeitslose. SPÖ-Chef Hergovich merkte in einem Interview an, er würde sich eher die Hand abhacken, als ein Abkommen mit der ÖVP unterzeichnen, das keine ausreichende sozialdemokratische Handschrift trägt. Die ÖVP brach daraufhin die Verhandlungen mit Hergovich ab und lud die FPÖ zu Gesprächen.

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Doch Miteinander?

Obwohl die Freiheitlichen in den letzten Jahren den von Landeshauptfrau Mikl-Leitner postulierten Weg des „Miteinanders“ stets kritisch sahen und auch im Wahlkampf massive Kritik an ihr übten, kam es rasch zu einem Arbeitsübereinkommen zwischen ÖVP und FPÖ, welches inhaltlich sehr kontroversiell diskutiert wurde. Ein CoronaFonds soll sich etwa mit den Folgen der Pandemie(bekämpfung) beschäftigen, wobei vielfach kritisiert wurde, dass sich die Landespolitik zumindest symbolisch von faktenbasierten Entscheidungen der Vergangenheit distanzieren würde. Etwas kurios muteten auch die Ankündigungen an, man wolle sich für eine Deutsch-Sprech-Pflicht am

Schulhof oder für eine Förderung typisch österreichischer Speisen in Wirtshäusern starkmachen.

Rund 72 Prozent der knapp 1,3 Millionen Wahlberechtigten machten im Jänner 2023 von ihrem Stimmrecht Gebrauch und entschieden, welche Kandidatinnen und Kandidaten der Parteien in den Landtag einziehen sollen. Dort sitzen nun 56 Mandatare für die nächsten fünf Jahre und haben im Wesentlichen zwei Aufgaben: Sie erarbeiten und erlassen die Landesgesetze, da gewisse Rechtsbereiche nicht bundesweit einheitlich vom Nationalrat geregelt werden, sondern den Ländern hier Gesetzgebungskompetenz zukommt. Zudem kontrollieren sie die Arbeit der Landesregierung und geben somit der

FAKTENKASTEN

• Im Bezirk St. Pölten Stadt verlor die SPÖ 8,85 Prozentpunkte im Vergleich zur letzten Landtagswahl. Das war ein größerer Rückgang als bei der ÖVP, die 8,32 Prozentpunkte verlor. Im Bezirk hielt die ÖVP mit 30,01 Prozent ihren ersten Platz, gefolgt von der SPÖ mit 27,28 Prozent und der FPÖ mit 22,44 Prozent.

• Die Grünen erreichten landesweit 7,59 Prozent der Wählerstimmen und erkämpften sich somit ein viertes Mandat, sie konnten sich über ein Plus von 1,16 Prozentpunkten freuen. Die Neos schafften beim zweiten Antreten 6,67 Prozent und einen Zuwachs um 1,52 Prozentpunkte, wie bisher sind sie mit drei Abgeordneten im Landtag vertreten. Beide Fraktionen stellen keinen Abgeordneten aus St. Pölten, weshalb sie in der folgenden Interviewstrecke nicht berücksichtigt wurden.

Landesverwaltung demokratische Legitimation.

Die Mitglieder der Landesregierung sind nämlich gewählte Politikerinnen und Politiker, sie sind nun für definierte Ressorts zuständig und haben in diesem Bereich Einfluss und Gestaltungsspielraum auf die Ebenen der Landesverwaltung (welche wiederum ihr Handeln aufgrund der Gesetze ausüben müssen). Dass es dabei naturgemäß zu einem Spannungsfeld kommen kann und über legitime politische Einflussnahme auf die Verwaltung viel diskutiert werden kann, zeigte der nun zum Zweiten Landtagspräsidenten aufgestiegene FPÖPolitiker Gottfried Waldhäusl. Als früherer Asyl-Landesrat saß er wegen des umstrittenen Asylheims in Drasenhofen auf der Anklagebank am Landesgericht St. Pölten, wurde aber vom Verdacht des Amtsmissbrauchs freigesprochen.

Es liegen wohl spannende fünf Jahre vor uns, drei Abgeordnete zum Landtag wollen wir näher zu Wort kommen lassen.

TEXT:
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MICHAEL MÜLLNER | FOTOS: NLK REINBERGER, INES ANDROSEVIC, NÖ LANDTAG/ANTAL, NLK FILZWIESER, FPÖ NÖ, KONSTANTIN MIKULITSCH

MEINE AUFGABE IM

LANDTAG HEISST CHANCEN BRINGEN FÜR ST. PÖLTEN UND

DIE REGION RUNDHERUM.

Sie haben an der FH St. Pölten Ihr Bachelor-Studium abgeschlossen und studieren berufsbegleitend an einer britischen Universität ein Online-Masterprogramm „Political Management“. Warum?

Ich wollte schon nach meinem Bachelor-Abschluss ein Master-Studium anhängen, aber beruflich ging sich das damals nicht aus. Seit 2021 studiere ich nun online und beschäftige mich verstärkt mit Nachhaltigkeit und Compliance. Es bleibt zwar leider sehr wenig Zeit für das Studium, aber für mich ist dieser Ausgleich spannend. Ich genieße es, ein Thema auf wissenschaftlicher, theoretischer Ebene in der Tiefe zu bearbeiten – quasi als Kopffutter neben dem ganzen Wahnsinn, der sich tagespolitisch so tut.

Geburtstag: 10.09.1991

Wohnort: St. Pölten

Partei: ÖVP

Vorzugsstimmen: 2.295

Sitzplatz im Landtag: 96

Krumböck ist seit 2010 Pressesprecher, anfangs für die Stadtpartei, seit 2018 für Finanz- und Verkehrslandesrat Ludwig Schleritzko. Von 2011 bis 2018 leitete er die digitale Kommunikation der ÖVP. Seit 2016 ist er Gemeinderat, seit 2021 ÖVPKlubobmann im Rathaus. Von 2021 bis 2023 war er Bundesrat, seit der Wahl 2023 ist er Abgeordneter zum Landtag und Obmann-Stellvertreter im Verkehrsausschuss.

Sie arbeiten mehr als zehn Jahre in der Politik. Wie geht es Ihnen mit dem Begriff „Berufspolitiker“? Fehlt einem der Bezug zur „realen“ Welt oder braucht es diese totale Fokussierung auf die Politik?

Ich war schon immer ein zutiefst politischer Mensch und wollte immer mitarbeiten und einen Unterschied machen – wobei ich eher gedacht habe, das im Hintergrund zu tun. Das habe ich dann als Pressesprecher oder in der Kommunikationsabteilung ja auch lange gemacht. Ich habe eigentlich nie nach einem Mandat gestrebt und anderen den Vortritt für die erste Reihe gelassen. Dann war plötzlich die Chance da es selber zu versuchen, als mir die Landeshauptfrau die Möglichkeit gab, als Bundesrat tätig zu werden.

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FLORIAN KRUMBÖCK, ABGEORDNETER ZUM LANDTAG (ÖVP) FLORIAN KRUMBÖCK

Mein Zugang ist: Nichts anstreben, aber dann auch nicht Nein-sagen, wenn man Verantwortung angeboten bekommt. Ich bin der jüngste Mandatar im ÖVP-Klub, und dort mitgestalten zu können, das ist eine wirkliche Chance. Es ist ja so: Ich kann meinen Mund nicht halten. Das konnte ich schon in der Schule nicht, egal ob in der Schülervertretung oder dann als Zivi-Sprecher im Krankenhaus – mir ging es immer darum, Dinge besser zu machen, wenn etwas nicht ganz rund läuft. Und wenn man dann – auch gerade als junger Mensch – eine Chance und Verantwortung bekommt, ja dann geht Kneifen auch nicht. Dann muss man schon mehr tun, als immer nur gescheit daherreden.

Es gibt den Spruch, im ÖVP-Klub gelte: „Hände falten, Goschen halten“. Lässt die ÖVP kritische Meinungen intern zu?

Ich bin einer, der ständig Dinge hinterfragt – und demnach kann ich auch sehr anstrengend sein. Ich glaube aber auch, dass man weiß, dass es mir um das große Ganze geht und nicht per se darum nur Kritik zu üben. Es ist generell mein Politikverständnis, dass es mir um die besten Lösungen in der Sache geht. Darum verstehe ich auch keine politischen Angriffe auf der persönlichen Ebene. Wir können gerne massiv auf der inhaltlichen Ebene streiten, darüber was ein Gemeinderat oder ein Landtag zu tun hat. Aber nicht aus Boshaftigkeit oder Eitelkeit andere kritisieren.

Sie kennen beide Welten: als lästiger, aber machtloser Oppositionspolitiker im St. Pöltner Gemeinderat, in dem die SPÖ eine absolute Mehrheit hat, und nun als Teil der seit Jahrzehnten entscheidenden ÖVP im Landtag...

Ich fand es in den letzten Jahren sehr spannend beide Rollen zu kennen: einerseits absolute Oppositionsarbeit, andererseits absolute Regierungsarbeit. Dazu noch meine bundespolitischen Erfahrungen, wo wir ja in einer Koalition arbeiten.

Das hilft mir sehr dabei eine gemeinsame Basis mit anderen Fraktionen zu finden. Grundsätzlich sind die Möglichkeiten einer Oppositionspartei im Landtag an Informationen zu kommen und an Entscheidungen teilzuhaben deutlich besser, als wir es im St. Pöltner Rathaus erleben.

Warum hat die ÖVP so massiv viele Stimmen verloren? Wir sehen auch bei anderen Wahlen, dass Regierende verlieren und dass das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler während dieser multiplen Krisensituation immer mehr verloren gegangen ist. Jetzt gibt es manche, die einfache Lösungen propagieren. Die aber nicht funktionieren. Und wir sehen, auch von der Bundespolitik abwärts, dass wir zwar viel damit beschäftigt waren, den Leuten zu erklären, warum diese vermeintlich einfachen Rezepte nicht funktionieren, aber dass wir dabei vergessen haben zu erklären, dass wir parallel dazu an echten Lösungen arbeiten und dass wir für

diese das Vertrauen der Menschen gewinnen wollen. Für das Wahlergebnis in Niederösterreich war diese „Großwetterlage“ entscheidend, aber ich nehme uns nicht aus der Verantwortung mit dem, wie und worüber wir Wahlkampf geführt haben. Das hat auch nicht gereicht, um diesen Trend einzubremsen.

War die Vereinnahmung des Landes im Wahlkampf mit der Gleichsetzung von Land und Partei und diese massive blaugelbe Materialschlacht falsch? Niederösterreich hat sich unter maßgeblicher Verantwortung der ÖVP in den letzten Jahrzehnten sehr gut entwickelt. Dass wir als Partei uns auch zu dieser Landesidentität und einer Art von Landesstolz bekennen, finde ich schon in Ordnung. Ich denke es ist uns nicht gut genug gelungen mit wichtigen Botschaften in Richtung Zukunft durchzudringen. Das ist uns früher vielleicht besser gelungen. Dafür ist die Kinderbetreuungsoffensive

MFG 05 23 11 NACH DER WAHL IST ALLES ANDERS?
Wir können gerne auf der inhaltlichen Ebene massiv streiten. Aber nicht aus Boshaftigkeit.
FLORIAN KRUMBÖCK
ALLES AUF EINE BANK. Die Landesregierung wird nach dem Proporz besetzt. Somit stellt auch die SPÖ Landesräte, obwohl sie in keiner Koalition mit der ÖVP ist.

ein gutes Beispiel, die ja gerade in der Stadt St. Pölten große Verbesserungen bringt. Wir haben auch einen umfangreichen Plan zum Ausbau erneuerbarer Energien. Über all das haben wir nicht intensiv genug gesprochen. Diese großen Zukunftsbilder haben wir nicht gut genug in den Köpfen verankert und gleichzeitig die umgesetzten Maßnahmen zur Bekämpfung der aktuellen Krisen nicht gut genug vermittelt. Es muss uns gelingen, den Leuten klar zu zeigen, dass wir sie ernst nehmen, dass wir ihre täglichen Probleme erkennen und daran arbeiten.

War es nicht auch ein Problem der ÖVP, dass man versucht hat den Stimmenverlust zur FPÖ zu begrenzen indem man auch eine populistische Suppe gekocht hat – die aber dann halt doch im Original besser angekommen ist?

Politik muss zwei Dinge können: Erstens inhaltlich gescheit arbeiten. Das ganze aber zweitens auch so zu kommunizieren, dass es in den Herzen und Gehirnen der Menschen ankommt. Das Zweite können Populisten sehr gut. Aber meistens fehlt das Erste, das Fleisch in der Suppe, dass überhaupt ein handfester Inhalt da ist. Wir in der ÖVP sind gut im Ersten, wir verzetteln uns aber oft in inhaltlichen Detaildebatten und vergessen dann darauf Verständnis für das Thema zu schaffen.

Die Krisen der letzten Jahre werden als Argument gebracht, dass Regieren schwierig ist und Wähler enttäuscht sind.

Müssten nicht gerade mächtige, etablierte, finanzstarke Parteien wie die ÖVP aus solchen Krisen als Regierungspartei gestärkt hervorgehen, eben weil sie es schaffen Erfolge bei der Krisenbekämpfung zu kommunizieren?

Ich glaube wirklich, dass es in der

LANDTAG NIEDERÖSTERREICH –MANDATSVERTEILUNG

Vergleich Landtagswahl 2023 zu 2018

DNA unserer Funktionärinnen und Funktionäre liegt, lieber zu arbeiten, als über die Arbeit zu reden. Da fange ich bei den Gemeinderäten an und gehe bis ganz nach oben. Das gilt auch bei Oppositionskandidaten, die sich in Projekten engagieren, auch wenn sie keine „Regierungsverantwortung“ haben. Da will man oft was auf der Sachebene weiterbringen, aber dann bleibt oft die Kommunikationsarbeit liegen. Und man muss sagen, dass sich die Art und Weise, wie sich die Öffentlichkeit über Politik informiert, in den letzten Jahren massiv verändert hat – Stichwort: Mediennutzung.

Der Landtag hat neben der Kontrollfunktion gegenüber der Landesregierung und der Landesverwaltung auch eine gesetzgebende Funktion. Wäre es nicht an der Zeit diese neunfache Landesgesetzgebung zu reduzieren und die Spielregeln österreichweit zu vereinheitlichen?

Die Abgeordneten der Landtage sind ganz nahe dran an der Bevölkerung und für diese gut greifbar. Ich glaube, dass es darum auch eine Frage der Legitimität ist, wo Gesetze gemacht werden. Wir sollten auch die Kompetenz der Landespolitik nicht unterschätzen, etwa beim öffentlichen Verkehr, dem Pflichtschulbereich, bei Gesundheit und Pflege. Dass hier die Länder eigene Lösungen finden, führt meiner Meinung nach dazu, dass es einen gewissen, positiven Wettbewerb gibt.

Die Volkspartei wollte sich im Wahlkampf als seriöse, das Land vor den Populisten schützende Partei präsentieren. Nun regiert man mit der FPÖ und redet sich auf das Wahlergebnis aus. Wie sollen Bürgerinnen und Bürger die Politiker noch ernst nehmen? Wir haben das Wahlergebnis demütig zur Kenntnis genommen. Ich sehe es also nicht als Ausrede, wenn wir sagen, dass wir aufgrund des

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Mein Wunsch wäre gewesen, dass die Gespräche mit der SPÖ zu einem positiven Ergebnis geführt hätten.
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Wahlergebnisses nicht anders konnten. Immerhin haben wir ja als erstes mit der drittplatzierten Partei, der SPÖ, Verhandlungen aufgenommen. Mein Wunsch wäre es gewesen, dass diese Gespräche auch zu einem positiven Ergebnis geführt hätten. Aber offenbar waren entscheidende Teile der SPÖ schon in Richtung Opposition unterwegs, was sich auch daran gezeigt hat, dass manche Forderungen einfach unglaublich viel Steuergeld gekostet hätten. Das ging sich für uns nicht aus. Somit blieb nur mehr die Variante mit der FPÖ, bei der wir auf einer inhaltlichen Ebene oft ähnliche Ansichten haben und dadurch Themen einfacher umsetzen können, etwa bei der Kinderbetreuungsoffensive.

Bei einigen Eckpunkten des Arbeitsübereinkommens wunderte man sich aber schon, was die FPÖ ernsthaft forderte und dass die ÖVP dem tatsächlich zustimmt. Etwa beim oft zitierten

Corona-Fonds, der mit faktenbasierter Gesundheitspolitik nichts zu tun hat.

Dieser Fonds ist ein schönes Beispiel, dass manches medial oft verkürzt rüberkommt. Es geht ja nicht darum, dass wir alle Strafen zurückzahlen und die Leute, die sich an alle gesundheitspolitisch sinnvollen und notwendigen Maßnahmen gehalten haben, die Dummen sind. Ziel ist es, jene Strafen zurückzuzahlen, die sich auf Bestimmungen gestützt haben, die der Verfassungsgerichtshof nachträglich aufgehoben hat. Das ist nur ein Bruchteil des Fonds und betrifft nur wenige 100 Strafen. Rund 99 Prozent des Fonds wird für die Bekämpfung der Pandemiefolgen aufgewendet, da gibt es genug Sinnvolles zu tun, etwa Menschen mit Long-Covid unterstützen oder Psychotherapien für Kinder und Jugendliche fördern, denen es in dieser Zeit wirklich nicht gutgegangen ist. Das ist dabei die Handschrift der ÖVP.

Wie lösen Sie als Verkehrspolitiker das Streitthema S34?

Es gibt einen Vorschlag, der mit dem zuständigen Ministerium abgestimmt ist. Das Projekt wird redimensioniert und damit der Flächenverbrauch deutlich reduziert. Es ist Aufgabe des Ministeriums, gemeinsam mit der ASFINAG dahingehend einen neuen Plan zu liefern, natürlich innerhalb des bestehenden Genehmigungsumfangs, damit dieser ganze jahrelange Prozess nicht von vorne beginnt. Die Aufgabe des Bürgermeisters ist es, Ersatzflächen für die Landwirte zu finden, denn ich verstehe junge Landwirte, die ihren Beruf weiter ausüben wollen und die rasche Klarheit über geeignete Ersatzflächen brauchen. Es ist unstrittig, dass wir verkehrspolitisch diesen Bypass für St. Pölten brauchen, für die Gewerbe- und Industriegebiete, aber auch um den Verkehr aus der Stadt rauszubekommen, wovon die ganze Stadt profitiert, nicht nur ein Ortsteil im Süden.

Willkommen in einer neuen Ära:

George Business ist da.

NACH DER WAHL IST ALLES ANDERS?

WIR VERTRETEN DAS, WAS FÜR DIE ÖSTERREICHER EINFACH NORMAL IST.

Warum konnte die FPÖ im Vergleich zur Wahl 2018 rund zehn Prozentpunkte zulegen und ist nun mit 24 Prozent der Wählerstimmen und 14 Mandataren zweitstärkste Kraft im Landtag? Der zentrale Punkt ist sicher, dass wir all das vertreten, was für die Österreicher einfach „normal“ ist. Wir stehen für eine Politik mit Hausverstand. Menschen, die ihre Kosten im Alltag nicht mehr stemmen können, die rundherum einen Mangel an Fairness sehen – die fühlen sich von uns vertreten und sorgen für diesen Wahlerfolg, der auch in anderen Bundesländern sichtbar war.

Liegt es auch daran, dass eine populistische Partei rechte Themen sowie linkspopulistische Forderungen abdecken kann?

Wir sind jedenfalls die soziale Heimatpartei. Ich war schon immer ein sehr politischer Mensch, habe mich

aber erst 2014 zum Einstieg in die Politik entschieden und gemeinsam mit Klaus Otzelberger die St. Pöltner Stadtpartei neu aufgestellt. Mein Herzensanliegen ist die Sozialpoli-

MARTIN ANTAUER

Geburtstag: 01.04.1967

Wohnort: St. Pölten

Partei: FPÖ

Vorzugsstimmen: 2.375

Sitzplatz im Landtag: 69

Martin Antauer ist Bezirksparteiobmann der FPÖ St. Pölten sowie freiheitlicher Gemeinderat im St. Pöltner Rathaus. Die SPÖ übertrug ihm dort auch die Leitung des Kontrollausschusses. Seit der Landtagswahl 2023 ist er Abgeordneter der FPÖ und stellvertretender Obmann des Rechts- und Verfassungsausschusses.

tik, in diesem Bereich möchte ich gegen Ungerechtigkeiten ankämpfen. Es geht mir gegen den Strich, wenn sich Wirtschaftsflüchtlinge vom ersten Tag an im Land an unserem Sozialsystem bedienen können, ohne etwas eingezahlt zu haben.

Trägt man mit faktenfreien Forderungen nicht auch zur Spaltung der Gesellschaft bei? Die FPÖ spaltet sicher nicht. Wir haben schon vor der Pandemie die Probleme in unserer Gesellschaft angesprochen. Die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen haben wir aber sicher schon sehr früh erkannt und thematisiert, etwa viele nicht erkannte Krebserkrankungen, weil sich Leute nicht getraut haben, rechtzeitig zum Arzt zu gehen. Es war ja eher so, dass nicht die Geimpften beschimpft worden sind, sondern dass sich jeder auf die Ungeimpften eingeschossen hat. Ich

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MARTIN ANTAUER, ABGEORDNETER ZUM LANDTAG (FPÖ)

bin selber zwei Mal geimpft, aber das muss die Entscheidung jedes Einzelnen sein. Wir wissen, dass wir bei der letzten Wahl auch viele Proteststimmen aus dem an sich linken Lager genau wegen dieser CoronaPolitik bekommen haben.

Schon Jahre vor der Wahl hat sich die FPÖ NÖ bewusst gegen das von der ÖVP propagierte „Miteinander“ positioniert. Eine Stimme für die FPÖ sei eine klare Absage an Landeshauptfrau Mikl-Leitner, wurde vor der Wahl versprochen, man würde sie auch keinesfalls wählen. Nach der Wahl ist nun alles anders. Wie sollen die Menschen das verstehen?

Wir waren am Wahlabend überrascht vom Erfolg und dem Vertrauen, das die Wähler uns geschenkt haben. Drei Sitze in der Landesregierung, das ist ein gewaltiges Vertrauen und schafft auch

tatsächlich die Möglichkeit, freiheitliche Politik zu machen. Aber dennoch gingen wir alle davon aus, dass ÖVP und SPÖ gemeinsam regieren werden. Die SPÖ gab den Startschuss für unsere Verhandlungen.

Dabei war man sich dann ja recht rasch einig. Inhaltlich sehen wir vieles ähnlich wie die ÖVP, das hat geholfen. Es gab Vorbehalte, aber die Gespräche wurden auf Augenhöhe geführt und aufgrund des Wahlergebnisses hatten wir die Stärke um echte, freiheitliche Politik umzusetzen. Zudem wären Neuwahlen das Sinnloseste für die Bürger gewesen.

Was denken Sie, dass Ihre Wähler von Ihnen erwarten?

Dass wir am Boden bleiben und unseren Hausverstand einsetzen. Dass wir unsere Themen abarbeiten, die im Abkommen stehen. Das sind ja ganz normale Vorhaben, rund um die Aspekte Sicherheit, Zuwanderung, Verkehr.

Was ist Ihre Rolle im Landtag, Ihre Aufgabe?

Ich bin zum Glück kein gelernter Politiker und habe darum wohl auch nicht das typische Denken eines Politikers. Manches Mal drücke ich mich darum vielleicht auch nicht ganz politisch korrekt aus.

Wir waren am Wahlabend überrascht vom Erfolg. Drei Sitze in der Landesregierung, das schafft die Möglichkeit tatsächlich freiheitliche Politik

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Wie zum Beispiel durch eine deutliche Ausweitung der Steuerbegünstigung von Überstunden, damit mehr im Börsel bleibt.

Eine Initiative der

MFG
NACH DER WAHL IST ALLES ANDERS?
zu machen.
MARTIN ANTAUER

LANDTAGSWAHL NIEDERÖSTERREICH –ANTEIL IN %

ten in diesem Land mit den Linken wesentlich korrekter umgehen, als umgekehrt. Als ich mich entschied in die Partei einzutreten und aktiv zu werden, habe ich meinen halben Freundeskreis verloren. Diese Ungerechtigkeit hat mich schon bewegt, letztlich aber stärker gemacht.

Ist der frühere FPÖ-Obmann HC Strache in der Partei Geschichte?

Aber ich weiß, wo der Schuh drückt. Ich komme aus der Wirtschaft, war Unternehmer, aber auch Angestellter und habe viele Jahre in Deutschland im Vertrieb gearbeitet. Vom Herzen her bin ich ja ein Sozialpolitiker, aber aktuell darf ich im Landtag für die FPÖ zu den Themenfeldern Asyl, Integration, Sicherheit und Tierschutz sprechen. Auch der Tierschutz ist mir als Tierfreund ein großes Anliegen, da bin ich wirklich mit Herz und Seele dabei.

Wie geht es Ihnen mit den teilweise schockierenden Zuständen bei der Massentierhaltung? Da werden die Verwaltungsbehörden des Bezirkes ja teilweise als sehr passiv kritisiert.

Ich finde jede unnötige Qual, die ein Tier erleiden muss, schrecklich. Da gehört viel mehr geprüft und auch entsprechend streng gestraft. Landwirtschaft und Tierwohl müssen Hand in Hand gehen.

Klingt wie ein Grünpolitiker. Ein Grüner könnte ich nicht sein, dafür bin ich nicht linkslink genug. Ich bin ein großer Freund der Natur und denke auch, dass wir diese möglichst gut schützen müssen. Aber dafür muss man ja kein Grüner sein.

Bezeichnen Sie sich als rechts? Ja, wenn man so will. Ich bin sicher kein linker Traumtänzer. Mir sind Werte wichtig, ich bin konservativ. Aber ich denke, dass das für ganz viele Menschen einfach „normal“ ist, was ich vertrete und wofür mich manche rechtsextrem schimpfen.

Als FPÖ-Politiker ist man ja nicht unumstritten. Fühlen Sie sich gesellschaftlich oft ausgegrenzt? Das gibt es tatsächlich, dass man von Menschen angegriffen und beschimpft wird. Es ist mir sogar schon passiert, dass man in einem Lokal Gläser nach mit geworfen hat und gerufen hat „Nazis raus!“ Ich denke, dass die sogenannten Rech-

Natürlich, das Thema ist erledigt. Ich fand nicht gut, dass er probiert hat, nach seinem Rücktritt wieder politisch Fuß zu fassen. Dahingegen rechne ich Johann Gudenus seinen klaren Rückzug hoch an. Keine Frage, was die beiden da gemacht haben war eine Dummheit und die bedeutet das Ende der politischen Karriere. Für uns als Partei war es zugleich bitter, in St. Pölten bei der ersten Wahl nach Ibiza drei Mandate zu verlieren. Was auch immer bei den Spesen-Vorwürfen gegen Strache rauskommt, er hat in der Partei nichts mehr verloren, da ist einfach zu viel passiert.

Sind Sie Julian Hessenthaler dankbar dafür, dass er das Ibiza-Video veröffentlicht hat und es dadurch zu diesen Einblicken und Ermittlungen kam?

Nein, dafür bin ich nicht dankbar. Jemanden heimlich filmen und dann veröffentlichen ist nicht korrekt. Damit wurde eine erfolgreich arbeitende Bundesregierung abgeschossen – und ich frage mich, ob das nicht zu einem wohlüberlegten, passenden Zeitpunkt passiert ist, auch um den Siegeszug rechter Parteien in Europa vorerst zu stoppen.

Brauchen wir die S34?

Nicht nur die Stadt braucht dieses Infrastrukturprojekt, sondern auch in Richtung Bezirk Lilienfeld erwartet man sich eine deutliche Aufwertung durch eine bessere Straßenanbindung in den Süden, was für mich als Bezirksparteiobmann auch von Bedeutung ist. Von mir kommt ein klares Ja zur S34.

16 NACH DER WAHL IST ALLES ANDERS?
MARTIN ANTAUER
Es ist mir schon passiert, dass in einem Lokal Gläser nach mir geworfen wurden.
Vergleich Landtagswahl 2023 zu 2018 VPNÖ SPÖ FPÖ NEOS KPÖ MFG ZIEL GRÜNEN 2023 2018 5,15 6,67 6,43 7,59 14,76 24,19 23,92 20,65 49,63 39,93 0,49 0 0,38 0 0,1 0

SpezialEinsatz in St. Pölten!

WÄHREND DIE SPÖ

STREITET, FRAGEN MÜTTER IN DER SCHULE, OB SIE DIE ZEHN EURO FÜR DEN

Sie haben Ihre zweite Legislaturperiode im Landtag angetreten, dennoch habe ich kein klares Bild von Ihnen und Ihrer Tätigkeit. Wer sind Sie denn?

Meine familiären Wurzeln sind im Waldviertel, aufgewachsen bin ich in einer richtig roten Familie in Wien. Bei uns wurde immer politisiert und diskutiert, meiner Mama verdanke ich mein Gerechtigkeitsempfinden. Mir wurde während meines Studiums klar, dass ich mit Kindern arbeiten möchte, verstärkt hat das nicht zuletzt ein Jahr, als ich mit Confetti-TV in ganz Österreich unterwegs war. So wurde ich Sonderschullehrerin, bis die Frage

kam, ob ich nicht in die Politik gehen möchte. Dabei war für mich entscheidend, dass ich weiterhin meinen gelernten Beruf zumindest ein bisschen ausüben möchte, darum stehe ich nach wie vor in der Schule und bekomme mit, was bei den Menschen los ist. Wenn man im Radio hört, dass jedes fünfte Kind in Österreich armutsgefährdet ist, dann kenne ich die Gesichter dieser Kinder und ihre Geschichten. Das ist mein gewaltiger Antrieb, das gibt mir die Motivation.

Also sind Sie keine klassische Berufspolitikerin?

Beide Typen sind wichtig in einem

Klub und einer Partei. Aber ich komme aus dem Beruf und sehe manches anders als jemand, der in einer Partei-Blase lebt. Ich bin nicht auf den Mund gefallen und brauche den Kontakt mit den Wählerinnen und Wählern. Bei Veranstaltungen sitzt man oft auf einem Ehrentisch. Wirklich spannend wird es für mich aber dann, wenn ich aufstehe und mich in der Mitte im Lokal bei einem Tisch dazusetzen darf. Wenn die Leute nach ein paar Minuten vergessen haben, dass ich Politikerin bin und sie mir ins Gesicht sagen, wie es ihnen geht und was sie sich von der Politik erwarten, dann bin ich die Politikerin, die ich sein will.

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SCHULFOTOGRAF AUF DREI MONATE ABSTOTTERN KÖNNEN.
KATHRIN SCHINDELE , ABGEORDNETE ZUM LANDTAG (SPÖ)

Warum diese Wahlniederlage?

Ich habe viel darüber nachgedacht, aber keine richtige Antwort gefunden. Man gibt jahrelang sein Bestes und entwickelt Programme, von denen man wirklich überzeugt ist, dass sie die großen Herausforderungen unserer Zeit verbessern würden –aber ganz offensichtlich haben wir viele nicht überzeugt. Ein Aspekt ist sicher, dass die letzten Jahre sehr stark von Angst geprägt waren. Die Pandemie und damit verbundene Maßnahmen, der Krieg in der Ukraine und dessen Folgen. Da haben ganz offensichtlich jene profitiert, die auf einfache Botschaften setzen.

Ich kann mich nicht erinnern. Was waren denn die Botschaften der SPÖ im Wahlkampf?

Das zentrale Motiv war, dass wir Ungerechtigkeiten bekämpfen möchten. Aber es stimmt wohl, dass wir es handwerklich nicht geschafft haben, unsere Ideen und Lösungsansätze den Leuten vorzustellen. Wir können das nicht mehr ändern, wir versuchen aber daraus zu lernen. Wenn die Menschen sehen, dass sie rundherum von Themen umgeben sind, die von der Politik gestaltet werden können, dann werden die Menschen auch wollen, dass diese Themen in ihrem Interesse bestmöglich ausgestaltet werden.

KATHRIN SCHINDELE

Geburtstag: 26.05.1981

Wohnort: St. Pölten

Partei: SPÖ

Vorzugsstimmen: 2.050 Sitzplatz im Landtag: 65

Kathrin Schindele wurde im Waldviertel geboren, ging in Wien zur Schule und zog mit 22 Jahren der Liebe wegen nach St. Pölten. Sie arbeitete als Sonderschulpädagogin, engagiert sich als Personalvertreterin und wurde mit 36 Jahren Schulleiterin der ASO Nord in St. Pölten. Seit 2018 ist sie Abgeordnete zum Landtag für die SPÖ und vertritt dort den Bezirk St. Pölten. An drei Tagen pro Woche unterrichtet sie stundenweise an einer Volksschule in Wagram Kinder, die nicht Deutsch als Muttersprache haben.

War Franz Schnabl der falsche Spitzenkandidat, und was ist unter Sven Hergovich nun anders? Es ist ein allgemeiner Trend, dass die einzelnen Köpfe bedeutender werden, wenn man so will die Zugkraft der Kandidaten. Während des Wahlkampfs hatte ich keine Zeit mich in Umfragen oder Analysen zu vertiefen, aber ich spürte bei den Haustürbesuchen, dass unsere

Eigenwahrnehmung nicht mit der Wahrnehmung der Menschen draußen zusammenpasst. Die Grundstimmung war von Unzufriedenheit geprägt. Vieles war mit PandemieMaßnahmen verbunden, aber nicht nur, wenn wir an die Teuerung denken, an die Warteschlange vorm EVN-Büro am Rathausplatz mit Menschen, die nicht wissen, wie sie ihre Stromrechnung zahlen sollen oder wie sie sich eine neue Waschmaschine kaufen sollen, wenn die alte eingeht. Und das trifft nicht die vermeintlich „Armen“, sondern das sind Sorgen des Mittelstands! Aber wer uns nicht glaubt, dass wir dafür Lösungen haben, der wählt uns nicht, sondern andere Parteien, die sich als Protestmöglichkeit anbieten.

Was hat sich seit dem Wechsel zu Sven Hergovich geändert? Mit dem Sven entstand eine echte Aufbruchstimmung im Team, es herrscht frischer Wind. Er hat in allen Bereichen ein Team zusammengestellt, das an einem Strang zieht und nun konstruktive, aber klare Oppositionsarbeit macht. Und bei der Wahl 2028 werden wir das dann gemeinsam rocken, haben wir beide uns ausgemacht!

FAMILIENFOTO. Bis 2028 sind diese 56 Abgeordneten zum Landtag gewählt und arbeiten in dreizehn Ausschüssen an Landesgesetzen.

MFG 05 23 19
NACH DER WAHL IST ALLES ANDERS?

MEIN RECHTER, RECHTER PLATZ IST LEER...

Wann wurde Ihnen klar, dass es mit der ÖVP kein Arbeitsübereinkommen geben wird?

Ich war mir sehr sicher, dass die ÖVP als klassische Partei für Wirtschaft und Landwirtschaft mit der SPÖ als klassischer Partei für die arbeitende Bevölkerung, eine zukunftsträchtige Vereinbarung anstrebt. Dieses Zusammenspiel der zwei Parteien hätte unserem Land sicher gutgetan. Als die ÖVP dann verlautbart hat, dass sie die Gespräche abbricht, war mir sehr rasch klar: Jetzt war es das, nun gehen sie mit der FPÖ zusammen.

Haben manche in der SPÖ mit der Oppositionsrolle geliebäugelt und überzogene Forderungen aufgestellt?

Ich war nicht im Verhandlungsteam und weiß nur, was dem Abgeordnetenklub berichtet wurde. Dass es da jemand von uns auf ein Scheitern angelegt gehabt hätte, kann ich nicht nachvollziehen. Entscheidend war für uns aber schon, dass wir eine so-

zialdemokratische Handschrift für Niederösterreich verhandeln. Das Zitat von Sven mit dem Handabhacken war natürlich unglücklich, weil das Bild dieser drakonischen Strafe nicht hilfreich war, aber seine Aussage ist schon grundrichtig und spricht für ihn, dass wir eben nur für eine Zusammenarbeit bereitstehen, wenn wir echte Verbesserungen für die Landsleute erreichen. Sonst hätte es ja keinen Sinn.

Die SPÖ hat nun fünf Jahre nichts zu reden, die ÖVP – so scheint es – macht weiter wie bisher, außer dass bei manchen Terminen Udo Landbauer neben der Landeshauptfrau steht. Hat man sich verspekuliert?

Natürlich soll die SPÖ reagieren, Verantwortung übernehmen und möglichst viel von unseren Inhalten durchbringen. Aber man muss ganz klar sagen, dass die Wählerinnen und Wähler Schwarzblau in Niederösterreich gewählt haben. Sie

haben eine Mehrheit, sie waren sich inhaltlich offenbar in vielem nahe und die Wähler haben uns nicht zugetraut, ihre Interessen ausreichend stark zu vertreten. Daran müssen wir arbeiten. Wir machen keine Opposition mit der Brechstange, wir werden positive Arbeit der anderen Parteien weder schlechtreden noch unnötig streiten. Aber klarmachen, was für die arbeitenden Menschen in diesem Land wichtig ist. Und ja, ich sehe auch, dass die ÖVP von ihrer realpolitischen Macht zumindest bisher nicht so große Abstriche machen musste und sich mit den Freiheitlichen ganz gut arrangiert. Ob die FPÖ-Wähler damit so einverstanden sind, sei dahingestellt.

Bei der SPÖ tobt seit Jahren ein Kampf um die Parteispitze. Für wen haben Sie bei der Mitgliederbefragung gestimmt?

Andreas Babler, Hans-Peter Doskozil

doch Pamela Rendi-Wagner?

20
oder
Hahn Fischer Bernard ZeidlerBeck Böhmwalder Göll 121 123 125 127 129 131 122 124 126 128 130 132 Babler 101 102 81 82 61 62 Kollermann HoferGruber 41 42 Collini 103 104 83 84 Schnabl Schmidt 63 64 SuchanMayr Pfister 43 44 Scheele 105 106 Zonschits 05 86 Kocevar Schindele 65 66 Spenger Samwald 45 46 Weninger 107 108 Bors 87 88 Sommer Schnabel 67 68 Keyl Handler 47 48 Dorner 109 110 Gerstner Scherzer 89 90 Gerstenmayer Antauer 69 70 Punz Teufel 49 50 Mühlberghuber 111 112 Dinhobl 91 92 Heinrichsberger Kainz 71 72 Erber Danninger 51 52 Ebner 113 114 Linsbauer 93 94 Dammerer Mold 73 74 Edlinger Schuster 53 54 Hackl 115 116 Auer 95 96 Krumböck Lobner 75 76 Kaufmann Kasser 55 56 Schulz 117 118 97 98 Hogl 77 78 Gepp Schmidl 57 58 Hauer 119 120 99 100 Moser 79 80 Hörlezeder KrismerHuber 59 60 Ecker Kofler Spanring Hutter Zauner Jagl KönigsbergerLudwig Hergovich Luisser Rosenkranz Landbauer 26 27 28 29 30 Prischl Waldhäusl Wilfing Mikl-Leitner Pernkopf 31 32 33 34 35 Schleritzko TeschlHofmeister 36 37 38 39 40 139 141 143 145 140 142 144 146 133 135 137 134 136 138 Regie 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 23 20 24 22 25

Ich habe mich vor der Befragung nicht deklariert und möchte auch heute nicht sagen, wen ich gewählt habe. Meine Überzeugung ist, dass wir alle drei in der Partei brauchen und dass auch nach dieser Mitgliederbefragung absolute Loyalität gegenüber der Parteispitze notwendig sein wird, damit wir einig und glaubwürdig auftreten können. Als Delegierte beim Parteitag ist für mich darum das Ergebnis dieser Befragung auch bindend. Das Kunststück kommt aber danach, bis zur nächsten Nationalratswahl muss die Bundespartei wieder an einem Strang ziehen und damit das gelingt, müssen die Lager der jeweiligen Bewerber erkennen, dass wir eine Partei sind und keine Gegner. Dieser Punkt ist mir wirklich wichtig. Während die SPÖ streitet, fragen Mütter in der Schule, ob sie die zehn Euro für den Schulfotograf auf drei Monate abstottern können. Solche Sorgen sind real und genau für diese Menschen möchte ich arbeiten.

Der Landtag kontrolliert nicht nur die Landesregierung, sondern beschließt auch Gesetze. Welchen Sinn hat es denn beispielsweise, dass in Österreich, das kleiner ist als Bayern, neun Bundesländer unterschiedlich das Kindergartenwesen regeln? Gar keinen. Ich bin der Meinung, dass gewisse Materien einheitlich geregelt gehören, da sind Kindergärten oder auch Tagesbetreuung für Kinder allgemein ein schönes Beispiel. Das versteht natürlich keiner, dass es zwischen Wien und NÖ unterschiedliche Regeln gibt. Natürlich wird es oft Sinn machen, dass manche Materien von den Ländern im Detail spezifischer ausgeführt werden, aber eine einheitliche Gesetzgebung wäre zu begrüßen. Auch wenn das vielleicht nicht alle Kolleginnen und Kollegen auch so sehen.

Wie stehen Sie zur S34?

Ich wohne in Harland und sage Ihnen, wir brauchen die S34 so wie sie geplant und genehmigt ist. Ich verstehe überhaupt nicht, wieso die

Bundesministerin hier das Gesetz ignoriert. Ich bekenne mich zum Klimaschutz und für eine ökologische, nachhaltige Politik, aber an diesem Straßenprojekt hängen so viele Chancen, dass man das nicht einfach absagen kann. Das betrifft ja die ganze Region, schafft Arbeitsplätze und attraktiven Lebensraum zum Wohnen. Ganz abgesehen vom Umstand, dass wir damit auch Gestaltungsspielräume für die innere Stadt in St. Pölten schaffen. Wenn wir eine Umfahrungsstraße haben, können wir beispielsweise die Josefstraße für Busse und Fahrräder vorsehen, damit viel mehr Lebensqualität und ökologische Vorteile schaffen. Zugleich bin ich überzeugt, dass es nicht nur dieses Straßenprojekt braucht, sondern auch endlich Investitionen in den öffentlichen Verkehr, den Ausbau der Bahn, aber auch mehr Busse, für die das Land zuständig sind.

Große Projekte schaffen zunehmend kritische Reaktionen der Bürger, das sieht man auch am Protest gegenüber dem geplanten Sicherheitszentrum am Eisberg oder dem REWE-Zentrallager im Süden der Stadt. Wie soll die Politik darauf reagieren? Bei vielen Projekten ist es so, dass zwar jeder die Vorteile will, aber bloß keine Baustelle vor der eigenen Haustüre. Großprojekte bringen mit sich, dass du zwei Tage später schon die erste Bürgerinitiative dastehen hast, die dagegen ist. Aber das ist auch legitim, diese Menschen haben ihre Sicht, ihre Sorgen, die muss man ernstnehmen und einbinden. Darin liegt ja auch ein Unterschied: Die Bürgerinitiative darf ihren singulären Interessen verpflichtet sein, als Politikerin muss ich aber zwischen den unterschiedlichen Interessen einen guten Kompromiss finden.

Gibt es eine Koordination mit dem St. Pöltner Rathaus? Ich nehme an den Fraktionssitzungen der SPÖ teil und bekomme die Themen mit, für die ich mich auf Landesebene dann einsetzen kann.

BLASEN-SCHWÄCHE

Ich gestehe – ich bin eine Spechtlerin. Eine SM-Spechtlerin. Ich lese mit in den sozialen Medien, was es Neues gibt in der Stadt und rundherum. Die täglichen Tweets von Kollegen, Freunden, Promis halten mich auf dem Laufenden und helfen beim Smalltalk. Die Aufreger-Threads auf Facebook natürlich auch, besonders die von den Drama-Kings und -Queens. „Da ist schon wieder eine Baustelle! Das macht mir die Stadt zufleiß!“ Und dann geht’s los mit dem „Mimimimi“ über persönliche Befindlichkeiten, meist posten die selben Menschen – bei vielen hab‘ ich schon das Gefühl, dass ich sie sehr gut kenne, obwohl ich sie noch nie gesehen habe. Und meist ist das alles sehr lustig – wenn man Fremdschämen mag. Weniger lustig sind die Gruppen, die in irgendeiner St. Pölten-relevanten Angelegenheit missionieren. Da verstehen die Admins keinen Spaß. Wer nicht deren Meinung devot unterstreicht, wird gestrichen und darf dort nix mehr posten. Der Vorteil solch einer klassischen Social-Media-Blase: Das Selbstwertgefühl der sich darin Schützenden wird durch Kritik nicht irritiert, sie brauchen sich keine Gedanken machen über richtig, falsch und optimierbar. Ihre Ansichten werden immer schöngeschrieben und durch wiederkehrende Bestätigung der ausgewählten Community gestärkt. Veränderungen, andere Meinungen und Möglichkeiten außerhalb der Blase? Gibt’s nicht. Wäre anders auch zu gefährlich, weil es die eigene Position wackeln lassen könnte. Christian Morgenstern hat’s vorausgesagt und ist somit im Social-Media-Zeitalter angekommen: „… weil nicht sein kann, was nicht sein darf …“

MFG 05 23 21
KOLUMNE BEATE STEINER FOTO
NACH DER WAHL IST ALLES ANDERS? ADOBE STOCK

EIN HALBER VATIKAN FÜR REWE?

Das geplante REWE-Zentrallager in St. Georgen/Hart wird zum nächsten großen Thema der St. Pöltner Stadtpolitik. Zwar steht das Projekt noch ganz am Anfang, Gegner haben aber bereits eine Kampagne gestartet und tausende Unterschriften gesammelt.

Romana Drexler hat bereits Erfahrung als Aktivistin. Die 39-Jährige aus St. Georgen war in der Kampagne gegen den geplanten Bau der S34 führend dabei. Nun macht sie als Sprecherin der etwa 100 Mitglieder zählenden „Bürgerinitiative Bodenschutz“ gegen den geplanten Bau eines REWEZentrallagers in St. Georgen/Hart südlich von St. Pölten mobil. Das

MFG-Magazin berichtete zwar, aber nur zur Erinnerung: Der REWEKonzern lagert seine Waren derzeit in der Nähe des Areals der KopalKaserne und anderen Standorten. Diese sollen nun in einem Zentrallager zusammengelegt werden. REWE spricht von einem „Frischelager“, betont, dass dieses wichtig für die regionalen Landwirte und die Lieferung ihrer Produkte sei. Weshalb

dieses Projekt überhaupt notwendig sei, was die Stadt St. Pölten wirtschaftlich habe und ob das Projekt ökologisch verträglich sei, dazu gibt der Konzern gegenüber MFG keine Auskunft. Drexler und ihre Mitstreiter sehen hier ähnliche Probleme, wie im Falle der S34: Vernichtung von Grünflächen und steigende Verkehrsbelastung. „Ursprünglich war geplant, 20 Hektar an Grünfläche nieder zu betonieren“, erklärt sie. „Da einige Landwirte ihre Flächen nicht verkaufen wollten, sollen es nun 17 Hektar werden.“ Nur zum Vergleich: Die anfänglich vorgesehene Fläche entspräche knapp der Hälfte des Vatikans – dieser ist etwa 44 Hektar groß. Eine Verkehrseinschätzung, die REWE selbst in Auftrag gegeben hat, geht außerdem davon aus, dass es zu täglich

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1.000 Lkw- und 600 Pkw-Fahrten kommen wird. Um das Thema auf die politische Tagesordnung zu bringen, startete die Bürgerinitiative eine Unterschriftenaktion gegen das geplante REWE-Zentrallager. Mindestens 600 Unterschriften wären mindestens nötig, um einen Initiativantrag gegen das Projekt im St. Pöltner Gemeinderat einbringen zu können. „Unsere Initiative kann stolz sein, denn wir haben es innerhalb weniger Wochen geschafft, dass uns etwa 3.200 St. Pöltner Bürger mit ihrer Unterschrift unterstützen“, so Drexler erfreut.

Zentrallager-Projekt hat sich noch nicht herumgesprochen Für die „Bodenschutz“-Aktivisten hatte die Unterschriftensammelaktion zeitweise den Charakter einer Aufklärungskampagne. „Wir haben schnell gemerkt, dass viele Leute kaum oder noch gar nicht informiert waren, was die Stadt und der REWE-Konzern dort überhaupt

planen. Das ist wenig verwunderlich, denn die verantwortlichen Behörden und Politiker haben auch nicht wirklich versucht, die Sache groß zu bewerben, sondern den öffentlichen Rummel darum eher klein zu halten“, erklärt sich Drexler die Situation. Dennoch sei die intuitive Entscheidung vieler Passanten gewesen, die „Bodenschutz“Initiative zu unterstützen. „In der St. Pöltner Bevölkerung gibt es, denke ich, eine besondere Sensibilität gegen Bodenvernichtung und dem Zubetonieren.“

Mit den Stimmen von rund 3.200 Bürgern brachte die Bürgerinitiative am 16. Mai einen Initiativantrag beim Magistrat St. Pölten ein. Kernargument dieses Antrages wird sein, dass St. Pölten sich nicht an das NÖ-Raumordnungsgesetz halte. „Aufgrund des fehlenden Hochwasserschutzes hätte das betroffene Gebiet nämlich schon längst in Grünland umgewidmet werden müssen.“

Ecopoint und Bürgermeister: „Prüfungen sind abzuwarten“ Eher zugeknöpft äußern sich die zuständigen Behörden und Teile der St. Pöltner Stadtpolitik. Vor der Umsetzung seien „Verfahren und Prüfungen notwendig“ heißt es vonseiten des städtischen Wirtschaftsservices Ecopoint. Gemeint sind die Verkehrsprüfung und die Umweltverträglichkeitsprüfung. Eine positiv abgeschlossene Umweltverträglichkeitsprüfung stellt lediglich fest, ob ein Bauprojekt im Einklang mit bestehenden Umweltschutzgesetzen steht. Und dieser gesetzliche Status Quo muss nicht zwangsläufig ausreichend sein, beziehungsweise kann verbesserungswürdig sein.

SPÖ-Bürgermeister Matthias Stadler meint zum REWE-Zentrallager: „Viele regionale Landwirte kooperieren mit REWE. Wir müssen in ganz Österreich verstehen, dass wir nicht alles ins Ausland auslagern können. Mir ist jeder Arbeitsplatz hier lieber als über der Grenze. Im Sinne der Versorgungssicherheit kann diese Einrichtung im Katastrophenfall von großem Nutzen sein.“

Auch SPÖ-Vizebürgermeister Harald Ludwig – der ebenso Vorsitzender des städtischen Verkehrsund Bauausschusses ist – meldet sich zu Wort und bringt das REWEProjekt mit der S34 in Verbindung. „Nachhaltig sinnvoll ist ein solches Logistikzentrum für jene Produkte, die wir täglich brauchen, zumindest in Zentren mit guter Verkehrsanbindung.“ Die S34 sei im Nationalrat beschlossen worden, werde allerdings aktuell von Umweltministerin Leonore Gewessler blockiert.

Allgemein gibt es drei Bedingungen für die Aufschließung der Fläche für den REWE-Bau. Neben bestehenden Hochwasserschutz und adäquater Kanal- und Wasserinfrastruktur zählt dazu eben auch passende Verkehrsanbindung. Inwiefern ein REWE-Zentrum ohne S34 verkehrslogistisch überhaupt sinnvoll umsetzbar ist – diese Frage steht ungelöst im Raum.

„Festzuhalten bleibt, dass das entsprechende Gebiet bereits seit vielen Jahren als Aufschließungsgebiet zur Industrie-Nutzung, beziehungsweise zur gewerblichen Nutzung deklariert ist“, heißt es weiter. Diesen Aspekt betont auch Klaus Otzelberger, Chef der St. Pöltner Stadt-FPÖ. Zwar sei Umweltschutz

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TEXT:
JOHANNES MAYERHOFER | FOTOS: MARKUS BONNER, GÜNTHER BÖCK, ARMAN KALTEIS INITIATIV. Drexler sammelte Unterschriften für einen Initiativantrag – insgesamt 3.200 unterschrieben.

für die FPÖ ein wichtiges Anliegen, jedoch „müsse hier ein Kompromiss zwischen der Wirtschaft und den entstehenden Arbeitsplätzen gefunden werden.“

Eine klare Anti-Haltung zeigt Niko Formanek, einziger NEOSVertreter im St. Pöltner Gemeinderat. „Die Position der NEOS St. Pölten dazu ist klar. Dieses Projekt macht in dieser Form keinen Sinn und ist abzulehnen. Statt als „Pionierstadt“ die Chance wahrzunehmen und zumindest durch einen anderen Standort klimapolitisch korrekt zu handeln, wird von der Stadt genau das Gegenteil gemacht.“ Mit der „Pionierstadt“ spielt Formanek auf die Kampagne an, mit der sich St. Pöltens als „Klimahauptstadt 2024“, als „Hotspot für Nachhaltigkeit, Klimaund Artenschutz“ labelt. Dies sei „völlig absurd“ und müsse bei der Vergabe der Fördermillionen für die „Pionierstadt“ zu harten finanziellen Konsequenzen führen. „Die Versiegelung von 20 Hektar Fläche und 1.000 Lkw-Fahrten vor Ort sind eine flagrante Missachtung der Förderbedingungen“, so der NEOS-Mann. Ohne S34 sei das Projekt nicht umsetzbar, und „das weiß der Bürgermeister auch“. Die ÖVP-FPÖ-Koalition in Niederösterreich sei ein „verkehrsplanerisches Gottesgeschenk“ für Bürgermeister Matthias Stadler. „Damit können alle Straßenprojekte, so auch die S34, umgesetzt werden ohne Rücksicht auf besorgte BürgerInnen. Die S34 wird gebaut werden.“

Die von der Initiative „Bodenschutz“ gesammelten Unterschriften, so ist sich Formanek sicher, werden Stadler und Co. nicht interessieren. „Aus Protest gegen die geplante S34 wurde, auch unter meiner Mithilfe, von besorgten BürgerInnen ein Initiativantrag eingebracht, für den sogar 2.500 Unterschriften gesammelt wurden. Dieser

Antrag wurde niedergestimmt. Und die 10.000 Online-Unterschriften protestierender BürgerInnen der Petition gegen die S34 wurden auch einfach ignoriert.“

Grüne schließen sich dem „Bodenschutz“-Antrag an Laut der Bürgerinitiative „Bodenschutz“ muss der Initiativantrag in einer Gemeinderatssitzung im Juni debattiert werden. Die St. Pöltner Grünen zählen – wenig überraschend – zu den Unterstützern des Anliegens. Im Juni 2022 hatte die Fraktion bereits gegen den Verkauf der vorgesehenen Fläche gestimmt. „Für die St. Pöltner Grünen sind 3.200 Unterschriften ein starkes Zeichen einer Zivilgesellschaft, das vonseiten der Stadtregierung unbedingt ernst genommen werden muss“, so Grünen-Stadträtin Christina Engel-Unterberger. „Schon jetzt ist St. Pölten mit einer Pro-Kopf-Versiegelung von 257m² traurige Spitzenreiterin unter den mittelgroßen Städten Österreichs. Die zusätzliche Versiegelung von 17 Hektar wird dieses Problem nur noch weiter verschärfen“, erklärt weiters Grünen-Gemeinderat Paul Purgina. Und sein Parteikollege und Gemeinderat Walter Heimerl-Lesnik

ergänzt: „Würden allein die drei derzeit geplanten Großprojekte S34, Polizeikaserne und REWE-Lager umgesetzt werden, würde die versiegelte Fläche pro Einwohner um weitere 12 m² zunehmen.“

„Bodenschutz“-Aktivistin Romana Drexler sieht kein einziges valides und ehrliches Argument der Fürsprecher des REWE-Frischezentrums. Auch die Aussage, das Gelände sei vor Jahren der industriellen Nutzen gewidmet worden, überzeugt sie nicht. „Das ist zwar objektiv wahr, aber das wurde im Jahr 1976 entschieden. Damals hatten wir noch nicht das Bewusstsein über die massiven Umweltprobleme durch die Bodenversiegelung. Nur weil das vor Jahrzehnten so entschieden wurde, heißt das nicht, dass es für immer so bleiben muss und dass man das nicht ändern kann und soll.“ Auch die Relevanz des REWE-Lagers für die lokalen Landwirte bezweifelt sie. „Ich habe Kontakte mit zahlreichen heimischen Bauern. An ein REWE-Zentrallager liefert da kaum jemand, nur an die einzelnen Billa-Filialen. Die beliefern eher die SPAR-Gruppe.“ Ob die Stadtregierung sich von diesen Ansichten überzeugen lässt, wird sich im Juni zeigen.

24 EIN HALBER VATIKAN FÜR REWE?
Nur weil das vor Jahrzehnten so entschieden wurde, heißt das nicht, dass es für immer so bleiben muss und dass man das nicht ändern kann und soll.
REWE. Das alte Lager hat ausgedient, zum geplanten gibt man sich bedeckt. „Wir bitten um Verständnis, dass wir laufende Konsultationen nicht öffentlich kommentieren.“
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Bier von hier

SPRECHST

Trügt der Schein, oder ist Politikmachen schwieriger geworden? Egal, was man sozusagen anreißt, sofort regt sich Widerstand.

Ich glaube, die Zeiten sind insgesamt schwieriger geworden, nicht nur in der Politik. Das berichten auch unsere Mitarbeiter in der Verwaltung, dass die Bürger ungeduldiger, unentspannter, teils aggressiver sind als früher und schon bei kleinen Dingen rasch emotional werden. Das muss man aber auch verstehen.

Dass man seinen Frust an anderen auslässt?

Die Menschen stehen einfach unter enormem Druck, auch psychologisch. Ich hab mir das unlängst für mich selbst überlegt: Im Grunde genommen gab es in meiner fast 20-jährigen Amtszeit mit Ausnahme der ersten Jahre von 2004 bis 2007 keine einzige Phase, in der nicht irgendeine Krise aufgepoppt wäre: Bankenkrise, Flüchtlingskrise, Coronakrise, Energie- und Teuerungskrise, dazu immer dringlicher die Klimakrise. Das macht etwas mit den Menschen, das macht vor allem Angst, zumal es ja mit konkreten negativen Auswirkungen einhergeht: Die Menschen sehen sich mit höheren Energiepreisen, mit gestiegenen Lebensmittelpreisen, mit steigenden Mieten konfrontiert – viele wissen nicht mehr, wie sie sich das alles leisten sollen. Das Neue daran ist, dass nicht nur mehr die

Wüsste man es nicht besser, es könnte einem angst und bang angesichts der hohen Militärpräsenz im St. Pöltner Rathaus werden. Überall wuseln Soldaten in ihren „Tarn“-Uniformen durch die Gänge. Aber ich bekomme rasch Entwarnung. Es ist nur der traditionelle Zapfenstreich angesagt, und so empfängt mich ein gut gelaunter Bürgermeister ausnahmsweise nicht im Bürgermeisterzimmer, sondern im Stadtsenatssitzungssaal. Ein Gespräch über Regieren in Zeiten der Krise, harte Finanzausgleichsverhandlungen, reflexartigen Widerstand bei Großprojekten, den Spagat zwischen Wachstum und Klimaschutz, 2024 und die SPÖ.

Ärmsten zu kämpfen haben, sondern zusehends auch der Mittelstand betroffen ist.

Bedürfte es in diesen Krisenzeiten aber nicht auch einer Politik, die trotz allem so etwas wie Zuversicht verströmt, Hoffnung und Mut macht? Aktuell hat man eher den Eindruck, dass viele Politiker selbst konfus im Panikmodus herumlaufen. Natürlich muss man Antworten geben, dafür sind wir gewählt, aber umgekehrt kann ich auch nicht die Dinge schön reden von wegen „na, in drei Monaten ist das eh alles vorbei.“ Da wird man schnell unglaubwürdig und verliert noch mehr Vertrauen. Das war ja teils das Problem während der Pandemie, weil die Regierung vermittelte, „aber jetzt, nach dem Lockdown, nach dem Sommer, nach der Variante ist der Corona-Spuk vorüber“ – und dann

ist er doch weitergegangen. Das verunsichert mehr als wenn man den Leuten reinen Wein einschenkt. Etwas vormachen kann also nicht der richtige Weg sein, aber natürlich muss man konkrete Taten setzen.

In vielen aktuellen Fragen ist ja vor allem der Bund gefordert, aber was kann eine Stadt wie St. Pölten beitragen, um die Situation zu entschärfen?

Wir haben etwa für die in unserem Besitz befindlichen Wohnungen eine Mietpreisbremse eingeführt, weil das den Mietern am meisten hilft. Warum dies nicht auch der Bund tut, ist unbegreiflich, ja verantwortungslos. Wir haben in St. Pölten außerdem neben der Erhöhung des Heizkostenzuschusses auch einen Teuerungsausgleich ausgerollt, ganz bewusst nicht nur für die Mindestsicherungsbezieher, sondern auch für die Gehaltsgruppen knapp darüber, weil diese oft ebenfalls rasch in eine Problemlage geraten, aber aus den meisten Fördertöpfen rausfallen. Außerdem haben wir bisher die Gebühren und Abgaben nicht erhöht – auf Dauer werden wir das aber

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Allein für Strom, Gas, Heizung sind wir aktuell mit Mehrkosten von 11,5 Millionen Euro konfrontiert! MATTHIAS STADLER

UNDE

Teuerung erst 2027 rechnet, dann werden wir das auf Dauer nicht durchhalten. In manchen Bereichen wie etwa Wasser und Kanal ist das auch juristisch gar nicht möglich, da müssen wir von Gesetzes wegen kostendeckend bilanzieren.

Wie eine Privatperson ist natürlich auch die Stadt selbst von den Kostensteigerungen betroffen. Wie wirkt sich das bei uns aus?

nicht durchhalten, so ehrlich muss man sein.

Wien ist ja bei den Teuerungen großteils mitgegangen und wurde dafür harsch kritisiert. Wien ist aber auch eine Millionenstadt mit ganz anderen Strukturen als etwa Gemeinden in Niederösterreich. Das Perverse aktuell ist eher, dass die Bundesregierung durch di-

verse Maßnahmen DER Treiber der Inflation ist und wir als Kommunen versuchen, eine weitere Verschärfung der Inflation zu verhindern, indem wir eben nicht erhöhen und stattdessen Abgänge in Kauf nehmen – was aber auch nicht alle können. Da steht St. Pölten zum Glück noch auf soliden Beinen. Wenn ich dann höre, dass man quasi mit einer nachhaltigen Beruhigung der

Um ein Gespür für die Dimensionen zu bekommen: Allein für Strom, Gas, Heizung sind wir aktuell mit Mehrkosten von 11,5 Millionen Euro konfrontiert! Ich will gar nicht daran denken, wie viel neue Kindergarten-Gruppen wir damit eröffnen könnten. Und das ist nur ein Aspekt. Genauso sehen wir uns mit erhöhten Personalkosten, erhöhten Lebensmittelpreisen, gestiegenen Baukosten etc. konfrontiert. Zugleich hat die Bundesregierung das Kunststück fertiggebracht, dass trotz hoher Inflation seit vier Monaten die Bundesertragsanteile für die Kommunen sinken! Das zeigt auch, dass alte Maßnahmen einfach nicht mehr greifen in dieser Krise, wie etwa der Glaube, dass eine hohe Inflation zugleich die öffentlichen Schulden senkt. Das hat vielleicht in der Bankenkrise funktioniert, aber hier ist die Wurzel eine andere. Und es fällt uns auch die Gießkanne der Corona-Pandemie auf den Kopf,

TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: JOSEF VORLAUFER MFG 05 23 27
In meiner fast 20-jährigen Amtszeit gab es mit Ausnahme der ersten drei Jahre keine einzige Phase, in der nicht irgendeine Krise aufgepoppt wäre.
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wenn ich an den ehemaligen ÖVPFinanzminister Gernot Blümel denke von wegen „koste es, was es wolle.“ Die Zeche müssen wir jetzt bezahlen.

Die Bundesertragsanteile sind ein gutes Stichwort – aktuell laufen ja die Finanzausgleichsverhandlungen, wo Sie als Vertreter des Städtebundes eingebunden sind. Da geht’s genau um diese Aufteilung der Bundessteuern auf Bund, Länder und Kommunen?

Genau, und unsere klare Forderung ist, dass der vertikale Schlüssel –welche Körperschaft also prozentuell wie viel vom Kuchen bekommt – zugunsten von Ländern und Städten angepasst werden muss. Dieser ist nämlich seit Jahren unverändert, zugleich hat der Bund aber laufend Aufgaben an die Kommunen delegiert ohne diese finanziell abzugelten. Auch bei vermeintlichen Landesmaterien, wie z. B. Pflege oder Soziales, sind wir als Städte über

diverse Umlageerhöhungen im zweistelligen Bereich unmittelbar betroffen. St. Pölten kann zum Glück auf solide Kommunalsteuereinnahmen bauen, weil wir viele Betriebe haben und wachsen, aber kleinere Kommunen haben diese Einnahmen nicht in dem Ausmaß, müssen aber trotzdem immer mehr zahlen – das geht sich dann nicht mehr aus, um die Leistungen für die Bürger aufrecht zu erhalten. Da muss man rasch gegensteuern. Auch wir können in Zukunft nicht alles alleine stemmen.

Was zum Beispiel?

Wenn ich alleine an die Mobilität denke. Der Ausbau des LUP, die Idee des O-Busses ins Umland, der Ausbau des Schienenverkehrs – kurzum die ganze Frage des Öffentlichen Verkehrs wie überhaupt die gesamte Frage der Mobilitätswende, wenn man etwa bedenkt, dass ein elektrobetriebener Bus heute in der Anschaffung noch immer um ein Drittel teurer ist als einer mit Verbrennungs-

motor – all das ist ohne Mittel des Bundes nicht zu finanzieren. Diese brauchen wir auch in unseren Bemühungen zur Klimapionierstadt – wir reden da von neuen Wohnformen, der Umrüstung der Busflotte, dem Ausstieg aus alten Energiesystemen – wie schaffen wir es etwa, die letzten 12% Gas bei der Fernwärme auch noch wegzubekommen und ähnliches. Und da geht es ja nicht nur um St. Pölten, sondern um Klimaneutralität insgesamt, die ja laut Vorgaben der EU bis 2040 erreicht sein soll. Da ist der Bund in vielem säumig oder lange gewesen, wenn man etwa weiß, dass Genehmigungsverfahren für Windräder bis vor kurzem bis zu 15 Jahre dauern konnten. Der Bund ist also gefordert, diesen Wandel durch sinnvolle Gesetze und budgetäre Mittel rasch auf Schiene zu bringen, andernfalls werden wir nämlich hohe Strafzahlungen zu berappen haben, und es kann dann nicht sein, dass Länder und Kommunen für die Versäumnisse der Bundesregierung zur Kasse gebeten werden.

Viele der kommenden Herausforderungen hängen also auch mit dem Klimawandel bzw. dessen Bekämpfung zusammen. Ein Thema, das diesbezüglich immer kritischer gesehen wird, ist die Frage der Bodenversiegelung. Viele sind etwa der Meinung, dass in der Stadt zu viele Wohnungen gebaut werden. Um das vielleicht einmal prinzipiell klarzustellen, weil immer wieder Leute auf mich zukommen und sagen, „Bürgermeister, warum baut ihr so viel?“ Also, wir als Stadt bauen überhaupt keine Wohnungen – gar

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Ich kann mich als Bürgermeister doch bitte nicht über geltendes Recht hinwegsetzen, das wäre ja die reinste Willkür.
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FINANZAUSGLEICH. Stadler fordert eine Erhöhung des Verteilungsschlüssels.

nicht so sehr, weil wir nicht wollten, sondern weil wir schlicht nicht konkurrenzfähig sind. Der Wohnbau erfolgt großteils durch Wohnungsgenossenschaften und Spekulanten, die auf dafür gewidmeten Flächen bauen. Das sind teils alte Baulose, die eben jetzt erst gezogen werden, aber auch nicht ausufernd wie mir scheint. Im Vorjahr wurden etwa 973 Wohnungen fertiggestellt. 1.900 befinden sich im Bau. Dadurch ist es gelungen, dass in St. Pölten als einziger Landeshauptstadt die Mietpreise sogar leicht gesunken sind, während andere über Wohnungsnot und horrende Preise klagen – denken wir allein an den Salzburger Wahlkampf, wo das ein Riesenthema war und der KPÖ zu 20% in Salzburg Stadt verholfen hat. Und der ÖVP ins Stammbuch geschrieben, weil die ja gerne St. Beton plakatiert: 85% der umgesetzten Wohnungen in St. Pölten werden von ÖVP-nahen Genossenschaften errichtet. Sich dann hinzustellen und zu behaupten, der Bürgermeister ist der böse Versiegler, ist extrem scheinheilig. Zumal unser Ansatz ein ganz anderer ist: Wir bemühen uns, die bereits gewidmeten, zentrumsnahen Flächen zu verdichten

– was auch nicht allen gefällt – anstatt Gründe auf der grünen Wiese neu aufzuschließen, einfach weil das ökologisch am nachhaltigsten ist. Aber eines ist klar: Dieses Spannungsfeld wird uns in Zukunft treu bleiben und für viele Diskussionen sorgen, wobei wir den Spagat versuchen, vernünftiges und nachhaltiges Wachstum zu gewährleisten, damit die notwendigen Bedürfnisse der Bürger erfüllt werden und wir zugleich die Klimawende schaffen.

Wohnbau ist das eine, große Stadtprojekte sind das andere, wo ebenfalls fast reflexartig Gegenwind aufkommt und ein Eingreifen der Stadt, etwa durch Umwidmungen, gefordert wird. Können Sie die Bedenken nachvollziehen?

Manches kann ich nachvollziehen, manches nicht. Prinzipiell verhält es sich hier ähnlich wie am Beispiel des Wohnbaus erläutert. Auch da kann ich als Bürgermeister nicht willkürlich in die Widmungen eingreifen –das versuche ich auch den Leuten zu erklären, indem ich ein persönliches Beispiel bringe: „Stell dir vor, du hast ein Grundstück geerbt, da passen der Bauordnung entsprechend drei Häuser drauf. Nun willst du für deine Familie, vielleicht deine Kinder, bauen, und dann komme auf einmal ich daher und sage ‚Nein, das geht nicht – es dürfen nur zwei sein.‘ Wie würdest du reagieren?“ Ich kann mich als Bürgermeister doch bitte nicht über geltendes Recht hinwegsetzen, das wäre ja die reinste Willkür.

Man kann aber dort, wo man selbst Grundstücke besitzt und verwertet, regulierend eingreifen – wie etwa beim Eisberg, wo ja großer Widerstand gegen

das Sicherheitszentrum aufgepoppt ist, zumal – bevor noch die Frage etwaiger Bodenversiegelung Thema war – sich neue Anrainer beim Kauf der Grundstücke von der Stadt falsch informiert fühlten. Also jeder, der dort neu gebaut hat, hat gewusst, dass daneben ein Gewerbegebiet ist – und zwar seit Ewigkeiten. Deshalb haben wir ja auch ganz bewusst einen Wall aufgeschüttet, um etwaige Beeinträchtigungen für die Anrainer so gering wie möglich zu halten. Umgekehrt, was die Frage des Wohnbaus und der angeblichen Bodenversiegelung dort oben prinzipiell betrifft: Das Areal ist seit Jahrzehnten als Ausbaugebiet der Stadt vorgesehen, ganz bewusst neben dem Wald gelegen, um die ideale Durchmischung von Wohn- und Grünraum zu gewährleisten, wie uns dies ja z. B. auch beim Sturm-19-Park oder der Südsee umtreibt. Das sind ja alles keine mutwilligen Projekte, die wir uns aus den Fingern saugen, sondern da denken wir uns schon etwas dabei. So war es auch am Eisberg, wo wir – obwohl wir das nicht müssten – für den Erhalt zusätzlichen Grünraums vorgesorgt haben, indem wir das Retentionsbecken und die Eisbergspitze umgesetzt und zahlreiche Bäume gepflanzt haben. Das hat uns gut sieben Millionen Euro gekostet, was mir umgekehrt wiederum die Kritik einbrachte, ich würde wertvolles Bauland opfern, das man doch zum Beispiel für verdichteten Wohnbau nutzen und damit Geld machen könnte.

Im Hinblick auf Bodenversiegelung wird am Eisberg aber vor allem gegen das Sicherheitszentrum gewettert, außerdem wird ein Verkehrschaos befürchtet.

Ist dort Ihrer Meinung nach wirklich der ideale Standort? Also die Polizei zieht alle ihre Landeseinrichtungen in St. Pölten an einem Ort zusammen, da liegt es doch nahe, dort im Gewerbegebiet, wo bereits das Landeskriminalamt und andere Einrichtungen situiert

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Also jeder, der am Eisberg neu gebaut hat, hat gewusst, dass daneben ein Gewerbegebiet ist –und zwar seit Ewigkeiten.
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sind, zu erweitern. Was wäre die Alternative – dass man es im Süden im NOE Central Gebiet umsetzt und das Landeskriminalamt nach nur 14 Jahren wieder wegsprengt? Und was wäre damit gewonnen, außer eine Verlagerung? Wie gesagt, es handelt sich um Gewerbegebiet, dort könnte genauso gut das REWE Lager entstehen – ich weiß nicht, ob das für die Anrainer besser wäre.

Womit wir beim zweiten heißen Eisen sind. Zuletzt wurden 3.200 Unterschriften gegen das Projekt eines REWE-Frischelagers gesammelt – auch hier stößt man sich vor allem an der Bodenversiegelung – mit 17 geplanten Hektar ist das wirklich ein Riesenfleck. Juristisch versucht man es über die Widmung auszuhebeln, weil die Stadt – laut Bürgerinitiative – im Hinblick auf Hochwasser-Lage das Areal in Grünland hätte rückwidmen müssen.

Also ganz ehrlich – mir ist nicht bekannt, dass wir hätten rückwidmen müssen. Es handelt sich ja um ehemalige Eisenbahngrundstücke, die seit gut 100 Jahren als Betriebsansiedlungsgebiet gewidmet sind und jetzt der ÖBB, aber teils auch uns gehören und im Sinne der Widmung verwertet werden. Und REWE ist ja nicht der erste Betrieb, der sich dort ansiedeln möchte, sondern in den letzten Jahren sind schon etwa Theurer & Plasser oder PREFA hingezogen. Alle Bewerber müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen einhalten, werden verkehrstechnisch und umwelttechnisch genau durchleuchtet – wenn REWE die Auflagen erfüllt, wird es schwierig sein, das Projekt zu verhindern. In so einem Fall fehlen mir als Bürgermeister auch die rechtlichen Instrumentarien – bis vor kurzem konnte ich ja nicht einmal Bäume auf Parkplätzen von Supermärkten vorschreiben.

REWE selbst hat geschätzt, dass es täglich etwa 1.000 LKWFahrten geben wird – bereitet Ihnen das kein Kopfzerbrechen?

INDUSTRIE. Stadler fordert wieder mehr Produktion in Europa. Auch St. Pölten als Standort wäre denkbar.

Gerade deshalb haben wir als Kommune ja schon im Vorfeld die verkehrstechnische Anbindung zum NOE Central Gebiet so gewählt, dass sie möglichst weit von den Anrainern entfernt verläuft. Und natürlich wäre in diesem Zusammenhang auch die Umsetzung der S34 als weiterführende höhere Straße sinnvoll, um die Verkehrsströme bestmöglich im Sinne der Anrainer zu leiten.

Aber, das möchte ich schon auch sagen – gerade am Beispiel REWE erscheint mir die Diskussion ein bisschen verlogen. Denn es handelt sich um ein Frischelager, von wo aus die Region von einem zentralen gelegenen Punkt aus mit Lebensmitteln versorgt wird. Wird es nicht in St. Pölten umgesetzt, dann halt vielleicht in Loosdorf, Böheimkirchen oder vielleicht in der Slowakei, in Ungarn. Was wäre diesbezüglich aber aus Sicht des Umweltschutzes gewonnen? Da scheint mir doch bei manchen eher das Floriani-Prinzip Hintergrund des Protests zu sein, von wegen Hauptsache nicht bei uns. Aber dann werden die Waren halt von anderswo nach St. Pölten gebracht, das verursacht auch wieder Verkehr und Abgase – ist der ökologische Fußabdruck deshalb insgesamt besser? Ich glaube gerade umgekehrt, dass wir ganz prinzipiell – insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge – wieder viel regionaler werden müssen, anstatt alle Waren per Containerschiff über den ganzen Globus zu schippern mit verheerender CO2-Bilanz. Zum einen, weil Vorortpräsenz auch verstärkt zu regionalen Lieferketten führt – das sehen wir etwa ganz gut beim TANN-Werk von SPAR, wo viele regionale Bauern hinliefern.

Zum anderen, weil wir generell unsere Abhängigkeiten minimieren müssen, was uns ja ganz brutal im Zuge der Coronapandemie vor Augen geführt wurde oder aktuell im Hinblick auf die Energieversorgung oder Engpässe bei Medikamenten! Wir müssen also wieder mehr Produktion nach Europa zurückholen und autarker werden.

Auch nach St. Pölten? Wäre Industrieansiedlung ein Ziel – der Trend ging die letzten Jahrzehnte ja genau in die Gegenrichtung, erst letztes Monat wurde in St. Georgen die Firma Kössler mit 30 Mitarbeitern von Voith geschlossen.

Gegen produzierende Betriebe, die etwa Medikamente herstellen, würde ich mich sicher nicht sträuben. Also prinzipiell ja, warum nicht, zumal Industriebetriebe ja heute nicht mehr mit jenen von früher zu vergleichen sind, sondern enorm hohe Umweltstandards erfüllen müssen. Zudem muss man auch die hochwertigen Arbeitsplätze und die damit verbundenen Einnahmen durch die Kommunalsteuer sehen.

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Gerade am Beispiel REWE erscheint mir die Diskussion ein bisschen verlogen.
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Regionale Nachhaltigkeit – um auf ein ganz anderes Thema zu kommen – wird auch im Hinblick auf den Kulturschwerpunkt 2024 eingefordert. Sind Sie mit den bisherigen Entwicklungen im Nachhall der gescheiterten Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt zufrieden? Also prinzipiell bin ich sehr froh, dass Bund und Land zu ihren Förderzusagen stehen und die ausgemachten Projekte umgesetzt werden. Da fließt wirklich viel Geld direkt in die Infrastruktur, wenn wir etwa an die Synagoge, das KiKuLa, Adaptierungen im Festspielhaus, im Stadtmuseum etc. denken. Darüber hinaus setzen wir auch als Stadt zusätzlich wichtige Projekte um, die teils direkter Ausfluss des Bürgerbeteiligungsprozesses waren bzw. mit Blick auf 2024 hin in Angriff genommen wurden, wie zum Beispiel die Öffnung des Alumnatsgartens, die neue Bibliothek, der Domplatz selbst, der Grillparzer Campus oder der grüne Loop. Das sind schon sehr nachhaltige Investitionen, die weit über 2024 hinaus wirken.

Präsentiert wurden zuletzt auch die ersten Programmpunkte des neuen Festivals „Tangente“. Von einer substanziellen Einbindung der heimischen Kulturszene war da noch nicht viel die Rede.

Also diesbezüglich habe ich vollstes Vertrauen, dass die heimische Künstlerschaft wie zugesagt berücksichtigt wird – darauf werden wir auch drängen. Zugleich musst du, um dich nach außen hin zu profilieren, natürlich mit bekannten Namen positionieren. Diesbezüglich ist die öffentliche Resonanz schon jetzt sehr gut. Ich war zuletzt etwa bei einer Städtebundtagung in Dornbirn, und da waren die Kollegen so begeistert und neugierig, dass wir 2024 eine Sitzung bei uns in St. Pölten abhalten werden, weil sie die „Tangente“ erleben möchten. Vor allem auch das KinderKunstLabor hat höchstes Interesse geweckt, weil es eine derartige Kultureinrichtung für Kinder in ganz Österreich nicht gibt. Da schaffen wir tatsächlich ein Alleinstellungsmerkmal.

Ein solches, weniger schmeichelhaftes, hat aktuell auch die Bundes-SPÖ im Hinblick auf die Obfrau-/Obmanndebatte. Wem haben sie Ihre Stimme gegeben, und wird mit der Entscheidung dann wirklich endlich Frieden einkehren?

Wo ich kann, werde ich jedenfalls mein Möglichstes dazu tun. Ich werde hier aber sicher nicht medial meine Präferenz ausbreiten, das gehört in der Partei intern diskutiert, wo ich mich stets eingebracht habe – leider haben sich meine dort geäußerten Bedenken erfüllt. Aber natürlich hoffe ich, dass das nunmehrige Ergebnis dann wirklich von allen akzeptiert wird, denn es braucht in der aktuellen Situation zur Lösung der zahlreichen Probleme einer starken Sozialdemokratie mehr denn je – und zwar in der Regierung! Die aktuelle zeigt tagtäglich, dass sie es nicht kann. Ich bedauere jedenfalls sehr, dass wir selbst schuld sind, wie

wir uns aktuell nach außen hin präsentieren. Und es liegt allein an uns, uns da wieder rauszuziehen – ich hoffe, das haben auch die Letzten in der Partei jetzt endlich begriffen.

Eine eigenartige Figur hat die SPÖ zuletzt auch in Niederösterreich im Zuge der Regierungsverhandlungen mit der ÖVP abgegeben. Hat die Partei mit ihrem Ultimatum der FPÖ nicht geradezu den roten Teppich zu einem Arbeitsübereinkommen mit der ÖVP ausgerollt?

Also je mehr ich die Verhandlungen Revue passieren lasse, desto mehr verfestigt sich mein Eindruck, dass sich in der ÖVP letztlich jene Kräfte durchgesetzt haben, die sich durch die Einbindung der FPÖ eine unangenehme Oppositionspartei vom Hals schaffen wollten, weil die Blauen jetzt bei vielen Materien mitgehen müssen. An den fünf Punkten der Partei oder Sven Hergovichs Sager, dass er sich eher die Hand abhacken würde, wenn diese nicht erfüllt werden, sind die Verhandlungen sicher nicht gescheitert, zumal sie ja schon sehr weit fortgeschritten waren. Die ÖVP hat ganz bewusst diesen Weg mit den Blauen gewählt.

Hat die neue politische Farbelehre in der Landesregierung auch Auswirkungen auf ihr Verhältnis zur Landeshauptfrau?

Also ich habe immer sehr klar zwischen Sachpolitik und Parteipolitik getrennt. Das war schon unter Erwin Pröll so, als ich zu Beginn meiner Amtszeit auf ihn zugegangen bin und gesagt habe, ich biete ihm meine Zusammenarbeit an, damit wir gemeinsam das Beste für die Landeshauptstadt weiterbringen. An diesem Zugang hat sich nichts geändert.

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Ich habe vollstes Vertrauen, dass die heimische Künstlerschaft wie zugesagt berücksichtigt wird –darauf werden wir auch drängen.
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Was ist eigentlich künstliche Intelligenz (KI)?

Die Definition, die mir am meisten gefällt, stammt aus dem KI-Standardwerk von Stuart Russel und Peter Norvig: Künstliche Intelligenz versucht Maschinen in die Lage zu versetzen etwas zu tun, was sonst nur Menschen tun könnten. Das trifft es aus meiner Sicht ganz gut.

Besonders prominent ist ja derzeit ChatGPT.

Ja, das stimmt. Vor kurzem fand an der FH die Social Artificial Intelligence Night – kurz SAINT – statt, an der Studierende und Partner teilnehmen. Um der Befürchtung zu begegnen, dass es in jedem Vortrag um ChatGPT geht, haben wir kurzerhand eine Bar auf die Bühne gestellt

IST DAS SCHON INTELLIGENZ?

Torsten Priebe ist Leiter der Forschungsgruppe Data Intelligence an der FH St. Pölten und co-koordiniert dort außerdem das Forschungszentrum für künstliche Intelligenz (KI). Im Interview spricht er über die aktuellen Entwicklungen, Anwendungsfelder und Grenzen von KI.

und bei jeder Erwähnung ein Stamperl ausgeschenkt – die Teilnehmer haben aber kreative Wege gefunden, um das Tool zu umschreiben.

Welche Unterscheidungen gibt es bei KI-Systemen?

Normalerweise unterscheidet man zwei bis drei Stufen. Das, was wir heute meist vorfinden, ist die soge-

nannte Narrow AI, bei der eine KI für einen bestimmten Anwendungszweck geschaffen wird. Beispiel ist ein Industrieunternehmen, das erkennen will, wann eine Maschine Wartung braucht. Der nächste Schritt ist die Möglichkeit, ein Modell, das eigentlich für einen anderen Anwendungsfall geschaffen wurde, so zu erweitern, dass es auch für andere Zwecke eingesetzt werden kann. Die jetzt diskutierten Modelle wie ChatGPT gehen schon in die Richtung. Die letzte Stufe nennt man generelle KI oder Superintelligenz.

Sind die Sorgen, die damit einhergehen, berechtigt?

Ich selbst komme aus einer Generation, in der die Terminator Filme beliebt waren und verstehe die Sorgen (lacht). Aber von einer künstlichen Intelligenz, die wirklich selbstständig denken und Entscheidungen treffen könnte – also einer echten, generellen KI – sind wir technisch noch sehr, sehr weit entfernt.

In welche Richtungen gehen die aktuellen Weiterentwicklungen im Bereich KI?

Die verbreitetste Form von KI ist das sogenannte Machine Learning – mit

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EINBINDUNG. Torsten Priebe ist für eine stärkere Einbindung von Menschen in die KI-Entwicklung.
Ich selbst komme aus einer Generation, in der die TerminatorFilme beliebt waren und verstehe die Sorgen .
TORSTEN PRIEBE

der Variante Deep Learning. Ganz allgemein geht es dabei darum, dass Maschinen auf Basis von Daten etwas lernen. Large Language Models (die Basis aktueller Tools wie ChatGPT, Anm.) sind gefüttert mit sehr vielen Textquellen aus dem Internet und haben daraus statistische Zusammenhänge erlernt, mit denen sie neue Texte erzeugen können. Die theoretischen Grundlagen von Deep Learning stammen teils aus den 60er-Jahren, aber erst mit der heutigen Rechenleistung ist es möglich, entsprechende Modelle zu erzeugen. Eine andere Form ist die sogenannte symbolische KI, also eine Form der KI, die nicht aus Daten erlernt ist, sondern bei der Experten Regeln aufgestellt haben und der Maschine damit Wissen in Form einer Sprache beigebracht haben. Eine interessante aktuelle Entwicklung ist die Kombination der beiden Ansätze, das heißt KI-Systeme, die sowohl aus Daten als auch von Menschen lernen.

Was sind im Moment die prädestinierten Anwendungsfelder für KI und wofür ist sie im Moment noch weniger geeignet?

Ich glaube, wir sind im Bereich der Narrow AI, wo es um konkrete Anwendungsfelder geht, schon sehr gut. Wir haben selbst viele Projekte mit Partnern aus der Region, beispielsweise ein Forschungsprojekt mit Hutchinson Drei und GeoSphere, in dem wir versucht haben, Unwetter vorherzusagen. Ein wei-

teres Beispiel ist etwa Frostbekämpfung im Weinbau. Je genereller die Aufgabe aber wird, desto schwieriger wird es.

Welche Kritik gibt es an den derzeitigen Systemen? Gerade bei datenbasierten KISystemen geht es um die Frage der Nachvollziehbarkeit, die bei diesen Systemen, insbesondere beim Deep Learning, relativ schlecht ist. Das ist problematisch, weil nicht klar ist, wie die Systeme auf ihre Antworten kommen. Konkret auf ChatGPT bezogen sind die Aussagen, die da teilweise kommen, absoluter Humbug. Eben weil sie statistisch entstanden sind. Ein schönes Beispiel: Man kann ChatGPT darum bitten, ein Literaturverzeichnis für eine wissenschaftliche Arbeit zu erzeugen. Dabei kommen Quellen heraus, die zwar plausibel sind, aber nicht existieren. Sie enthalten Autoren, die schon gemeinsam publiziert haben, die konkrete Angabe ist aber erfunden. Statistisch plausibel also, aber eben falsch. Man darf bei diesen auf Statistik basierenden Modellen nicht davon ausgehen, dass Antworten auch immer korrekt sind. Andere Probleme sind etwa Befangenheit oder Bias, politische Färbungen etc.

Was kann man dagegen tun?

Im ersten Schritt wäre schon viel geholfen, wenn mehr Transparenz da wäre – Stichwort Erklärbarkeit. Wenn beispielsweise ChatGPT in der Lage wäre anzugeben, auf Basis welcher Internetquellen Antworten entstanden sind. Dann könnte man einschätzen, wie sehr man dieser Antwort trauen kann. Es bräuchte mehr Einbindung des Menschen als überprüfende Instanz in den Prozess. Gelegentlich spricht man dabei auch von Human-Centered Artificial Intelligence.

Seit kurzem gibt es an der FH das Forschungszentrum für künstliche Intelligenz. Was passiert dort?

Wir hatten das Problem, dass wir

KI-Themen in unterschiedlichen Departments, etwa in der Informatik, im Medien- oder im Gesundheitsbereich bearbeiten und wollten mit dem Center for Artificial Intelligence eine gemeinsame Anlaufstelle schaffen. Einerseits für die Außenwirkung, aber auch als Bündelung der Kompetenzen an der FH.

Welche KI-Themen sind an der FH besonders präsent?

Wir legen großen Wert auf das Zusammenspiel von KI und Nachhaltigkeit. Sowohl was Anwendungsfälle angeht, etwa im angesprochenen Wein- und Obstbau oder bei erneuerbaren Energiegemeinschaften, aber auch Themen wie Green AI, wo es etwa um den Energieverbrauch von KI-Systemen geht. Ein zweiter Bereich, der bei uns eine wichtige Rolle spielt, ist das Thema Trustworthy AI, also die Vertrauenswürdigkeit künstlicher Intelligenz. Da spielen auch die Diskussionen um Regulierung mit, seit längerem ist ja auch eine entsprechende EU-Richtlinie in Arbeit, die in absehbarer Zeit kommen wird.

Lässt sich abschätzen, inwieweit künstliche Intelligenz schon in der Breite angekommen ist?

Ein Vorteil, den wir an der FH gegenüber Universitäten haben, ist, dass wir näher an lokalen und kleineren Unternehmen sind. Dort führen wir im Zuge des Digitalisierungstrends auch viele Gespräche zum Thema KI, meist im Sinne der angesprochenen Narrow AI, bei der es um konkrete Anwendungsfälle geht. Natürlich ist es noch ein weiter Weg, aber die Entwicklung findet statt.

TEXT: SASCHA HAROLD | FOTOS: HANNAH STROBL MFG 05 23 33
ROBOTIK. Roboter sind eines der Anwendungsgebiete für KI.
Es bräuchte mehr Einbindung des Menschen als überprüfende Instanz in den Prozess.
TORSTEN PRIEBE

WOFÜR BRAUCH ICH DAS?

Alle reden darüber, doch wie verbreitet sind

KI-Lösungen in Stadt und Industrie eigentlich bereits?

MFG hat sich auf Spurensuche begeben.

Die Anwendungsgebiete sind breit gefächert. Seit es mit ChatGPT, Bard und Co. auch im Sprachbereich Tools gibt, die für eine breite Palette an Aufgaben eingesetzt werden können, ist auch das öffentliche Interesse rasant angestiegen. Auch bei der Stadt St. Pölten beobachtet man die Entwicklungen interessiert. Pressesprecher Thomas Kainz nennt mögliche Anwendungsfelder für die neuen KI-Systeme: „Aus unserer Sicht können KI-Systeme wie ChatGPT bei bestimmten Aufgaben wie der Generierung von Textideen unterstützen. ChatGPT ist dabei etwa gut geeignet für verschiedene Textarten wie Blogs, Social-Media-Posts, E-Mails und Texte, die einen klaren Zweck erfüllen müssen.“ Aktuell sei in der Verwaltung allerdings kein solches Tool dezidiert im Einsatz, im Rahmen von Vernetzungstreffen würden die Chancen und Risiken aber intensiv thematisiert.

Groß ist das Potenzial auch in der Industrie, dort sind KI-Lösungen auch schon länger im Einsatz. Der Präsident der Industriellenvereinigung Thomas Salzer fasst zusammen: „Beim Endverbraucher sind vor allem Google, Amazon und Open AI bekannt – alles Anwendungen aus den USA. Aber auch in Niederösterreich und Europa sind wir sehr stark, insbesondere in der industriellen Anwendung von KIMethoden. Unsere Unternehmen

und Forscherinnen und Forscher sind da vor allem im B2B-Bereich, also in unternehmerischen Anwendungen, führend.“

Lösung für Fachkräftemangel? Doch wie steht es um die Verbreitung von KI-Lösungen in heimischen Unternehmen? Hier weist Salzer auf das noch nicht ausgeschöpfte Potenzial hin: „Gemäß den Zahlen des Digital Economy and Society-Index (DESI) der Europäischen Kommission nutzen nur neun Prozent der österreichischen Unternehmen KI-Lösungen.“ Dabei könnten KISysteme gegenwärtigen wirtschaftlichen Problemen, wie dem Fachkräftemangel, durchaus entgegenwirken. Salzer: „Ressourcenknappheit, Lieferkettenprobleme, Fachkräftemangel – diese Herausforderungen un-

serer Zeit können wir zum Teil mit Hilfe von KI-Anwendungen bewältigen. Durch verbessertes Prozessund Ressourcenmanagement kann die Produktivität und die Effizienz mit begrenzten Ressourcen gesteigert werden.“

Nicht zu kurz kommen darf, bei all der Freude über das schier unbegrenzte Potenzial von künstlicher Intelligenz, ein Hinweis auf mögliche Herausforderungen und Risiken (siehe auch Interview mit Torsten Priebe, S. 32). Ungenaue oder falsche Antworten von Chatbots, Biases oder gezielte Manipulation mit Hilfe künstlich erstellter Texte oder Bilder sind nur einige der Probleme, die in letzter Zeit immer wieder diskutiert werden.

Diesem Befund stimmt auch Salzer zu. Bei der Sorge, dass der Einsatz von KI zu Arbeitsplatzverlusten führen könnte, zeichnet er aber ein differenziertes Bild: „Unbestritten ist, dass der Einsatz von KI große Veränderungen in der Arbeitswelt mit sich bringt. KI kann vor allem manuelle und repetitive Tätigkeiten ersetzen und damit den Menschen unterstützen. Durch fortschrittliche Technologien wie KI werden aber jedenfalls hochwertige, gut bezahlte Jobs, auch in der Industrie, entstehen.“

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation entwickelt, wenn KI-unterstützte Technologien in der breiten Masse angekommen sind.

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Ressourcenknappheit, Lieferkettenprobleme, Fachkräftemangel –diese Herausforderungen unserer Zeit können wir zum Teil mit Hilfe von KI-Anwendungen bewältigen.
THOMAS SALZER, PRÄSIDENT IV NÖ
TEXT: SASCHA HAROLD | FOTO: FELIX BÜCHELE

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ICH BIN BARD

ChatGPT ist inzwischen den meisten ein Begriff, vor wenigen Wochen hat auch Google mit Bard einen ähnlichen Chatbot veröffentlicht. MFG hat mit „ihm“ ein Interview über die Chancen und Grenzen künstlicher Intelligenz geführt. Auch das Foto ist über Midjourney KI-generiert. Da Bard derzeit noch nicht auf Deutsch verfügbar ist, wurde das Interview aus dem Englischen übersetzt und stellenweise gekürzt.

Hallo Bard, ich würde gerne ein Interview über KI mit dir führen. Sicher, ich beantworte gerne Ihre Fragen über KI. Was würden Sie gerne wissen?

Was sind die größten Vorteile von KI-Tools wie dir? KI hat das Potenzial, viele Aspekte unseres Lebens zu revolutionieren. So kann KI beispielsweise zur Verbesserung des Gesundheitswesens, des Transportwesens und der Bildung eingesetzt werden. KI kann auch dazu verwendet werden, Aufgaben zu automatisieren, die derzeit von Menschen erledigt werden, wodurch die Menschen mehr Zeit für kreativere und erfüllendere Tätigkeiten haben könnten.

Und was sind derzeit die Grenzen?

Die künstliche Intelligenz ist noch ein relativ neues Feld, und es gibt eine Reihe von Herausforderungen, die bewältigt werden müssen, bevor sie auf breiter Basis eingesetzt werden kann. Eine Herausforderung ist, dass KISysteme voreingenommen sein können, was zu unfairen oder ungenauen Ergebnissen führen kann. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass KI-Systeme anfällig für Hacker sind, die kritische Infrastrukturen stören oder sogar lahm legen könnten.

Wie kann verhindert werden, dass KI-Systeme für solche schädlichen Zwecke eingesetzt werden?

Es ist wichtig, Large Language Models (LLM) sorgfältig auf Datensätzen zu trainieren, die keine schädlichen

oder voreingenommenen Inhalte enthalten. Es ist auch wichtig, starke Inhaltsfilter zu implementieren und LLM als Open Source zur Verfügung zu stellen, damit ihr Innenleben überprüft und verbessert werden kann. Darüber hinaus ist es wichtig, die Öffentlichkeit für die potenziellen Risiken großer Sprachmodelle zu sensibilisieren und die Nutzer darüber aufzuklären, wie sie diese verantwortungsvoll nutzen können. Schließlich sollten die Regierungen Vorschriften durchsetzen, die die Verwendung großer Sprachmodelle für schädliche Zwecke einschränken.

Wie würdest du die Öffentlichkeit über Chancen und Risiken von KI informieren?

Es gibt viele Möglichkeiten, die Öffentlichkeit über KI aufzuklären, z. B. durch die Erstellung von Bildungsressourcen, die Zusammenarbeit mit Schulen und Universitäten, öffentliche Veranstaltungen, die Nutzung sozialer Medien und Gespräche mit Freunden und Familie. Mit diesen Schritten können wir dazu beitragen, dass die Öffentlichkeit über KI informiert ist und dass diese Technologie zum Guten eingesetzt wird.

Was bringt die Zukunft der KI?

Ich glaube, dass KI das Potenzial hat, sich positiv auf die Welt auszuwirken. Es ist jedoch wichtig, sich der potenziellen Grenzen bewusst zu sein und Maßnahmen zu ergreifen, um diese zu mildern. Bei sorgfältiger Planung und Entwicklung kann die KI eine Kraft für das Gute in der Welt sein.

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TEXT: FRAGEN SASCHA HAROLD, ANTWORTEN BARD | FOTO: MIDJOURNEY
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WENN MENSCHLICHKEIT DEN KRIEG VERGESSEN LÄSST

Seit Putins „Spezialoperation“, die nichts anderes als ein abscheulicher Angriffskrieg ist, läuft, sind abertausende Ukrainerinnen und Ukrainer auf der Flucht aus den umkämpften Gebieten. Engagierte Menschen wie Barbara und Sarah Eichinger aus der Zivilgesellschaft in Pyhra und das Europaballett in St. Pölten sorgen mit solidarischen Handlungen dafür, dass Flüchtlinge nicht mehr um ihr Leben fürchten müssen und in Frieden leben können.

Kommt sofort nach Pyhra“, erinnert sich die 42-jährige Ukrainerin Anna an den Wortlaut des besorgten Anrufes ihrer Bekannten Andrea aus der Ortschaft nahe St. Pölten. Es war der 27. Februar 2022, russische Angriffe rollten über die Ukraine, ihrem Heimatland, ihrer Heimatstadt Chmelinski, fünf Stunden von der polnischen Grenze entfernt. „Unser nächster großer Bahnhof war voll mit Menschen, alle wollten raus, nach Polen, weg von den Bomben. Wir wollten mit dem Zug via Ungarn nach Österreich“, erzählt Anna, die mit ihrer Tochter Kseniia am Bahnsteig von einem Bombenalarm überrascht wurde. „Wir konnten aber nir-

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Als ich die ersten Kriegsbilder im Fernsehen gesehen habe, ist für mich eine Welt zusammengebrochen, da musste ich helfen.
SARAH EICHINGER

gends wo Unterschlupf finden, weil da so viele Menschen waren.“ Im dichten Menschengedränge mussten sie um ihr Leben bangen und hilflos warten, was passiert. Endlose Minuten, die man nie wieder vergisst. Die beiden hatten Glück, die Bomben verfehlten das Ziel, so ging es, lose kontrolliert in Ungarn, nach Österreich. Mutter und Tochter konnten Putins wahnsinnigem Krieg entfliehen. Die schöne Wohnung im Haus, das Annas Vater aufgebaut hatte, und der sauber gepflegte Garten mussten fluchtartig zurückgelassen werden. Die 15-jährige Kseniia sollte

nicht in die Kriegswirren hineingeraten. „Meine Mama blieb zurück“, so Anna, die sich aber bald über das Nachkommen ihrer Mutter nach Österreich freuen durfte.

In Pyhra aufgenommen Angekommen in Pyhra wurden die beiden für einige Zeit im Haus von Andrea untergebracht, nun leben sie in einer Wohnung im Dorf Wald bei einer anderen herzlichen Familie. Möglich gemacht haben das Sarah und Barbara Eichinger aus Pyhra. „Von der Gemeinde wurden Zettel ausgeteilt, dass sich russisch und

ukrainisch sprechende Menschen zum Dolmetschen melden sollen“, erinnert sich Sarah, die wie ihre Mutter Barbara Russisch im Gymnasium und dann noch dazu auf der Uni gelernt hat. „Über die Andrea haben wir Kontakt zu den beiden aufgenommen, haben sie im Garten bei uns getroffen“, so Barbara, für die gleich feststand, großzügig Unterstützung anzubieten. „Es ist uns ein Bedürfnis, zu helfen, direkt und unmittelbar“, zeigt sich Barbara engagiert. „Wie ich die ersten Kriegsbilder im Fernsehen gesehen habe, ist für mich eine Welt zusammengebrochen“, erinnert sich Sarah, „was ist das für eine Welt, habe ich mir gedacht.“ Sarah gibt Kseniia und Anna Deutschunterricht, beide lernen schnell. Kseniia hat mittlerweile Sprachniveau B2 absolviert, geht in die NMS Pyhra, ist eine gute Schülerin und darf wahrscheinlich im Herbst ins Mary Ward-Gymnasium wechseln. Sie ist sprachbegabt und will Dolmetscherin studieren. Für das Schulgeld hat Barbara Eichinger eine Initiative bei ihren Bekannten gestartet, vier Jahre sind finanziert.

Wunderbare Menschen

„Die Familie Eichinger ist wunderbar, Sarah und Barbara sind für uns jederzeit erreichbar“, ist die Ukrainerin Anna, die es nicht verstehen kann, warum Russland auf die Ukraine schießt, voll des Lobes über ihre beiden Helferinnen. „Mein Papa stammt aus Russland, wir haben viele Verwandte in Russland. Wir sind dort immer wieder hingefahren“, ist Anna verzweifelt, weil sie von ihren russischen Cousinen und Tanten, getränkt von Putins Propaganda, nun hört, „dass die Ukraine schuld an diesem Krieg sein soll.“ Kseniia ist auch bestürzt: „Wir haben mit unseren Verwandten sogar gestritten, weil sie uns nicht glauben, dass

GELEBTE

TEXT: ANDREAS REICHEBNER | FOTOS: ANJA BENEDETTER, WOLFGANG MAYER, ZVG MFG 05 23 39
Ich mag gebratene Maroni sehr gerne und bin so froh, dass die Menschen hier so nett und offen sind.
STANISLAWA, UKRAINISCHER FLÜCHTLING UND TÄNZERIN
MENSCHLICHKEIT. Kseniia, Sarah, Anna und Barbara leben vor, dass auch in Zeiten der Krise und des Krieges, Menschlichkeit und Fürsorge nicht abhanden kommen.

unsere Stadt bombardiert wurde.“ Die zwei Ukrainerinnen verstehen die Welt nicht mehr: Ihr Heimatland, das gerade von Russland überfallen wird, soll der Aggressor sein? „Es gibt rund um unsere Heimatstadt so viele Begräbnisse von jungen Menschen“, ist Anna tieftraurig über die Berichte aus der Ukraine. Ihr Haus in Chmelinski ist auch schon mehrmals in den Bombenhagel gekommen, vieles wurde zerstört.

Bemüht und schon integriert „Anna und Kseniia sind unglaublich bemüht und haben sich in Pyhra schon sehr gut integriert“, erzählt Barbara, während sich Sarah über die Chancenvernichtung einer ganzen jungen Generation in der Ukraine echauffiert: „Schade, dass so vielen begabten Schülerinnen und Schülern in ihrer Heimat die Möglichkeit genommen wird, eine fundierte Ausbildung zu machen.“ Mittlerweile sehen sich Kseniia und ihre Mama Anna die nächsten Jahre in Österreich lebend, wollen hier etwas leisten, sich etwas aufbauen. Anna, die in der Ukraine Einzelhandelskauffrau gelernt hat, würde gerne im Lebensmittelhandel arbeiten oder eine Pflegeausbildung machen, Kse-

niia möchte studieren. Obwohl sie mit ihrer Mutter gerne ukrainische Gerichte kocht, ist sie hier in Österreich besonders von der Frittatensuppe und dem Schweinsbraten mit Knödel oder Erdäpfelsalat begeistert. „Zu helfen ist wunderschön und dabei einen Austausch zwischen den Kulturen stattfinden zu lassen“, schwärmt Barbara, trotz des negativen Kriegshintergrundes, von der Begegnung mit den beiden Ukrainerinnen, „die beiden sind selbst so gastfreundlich und herzlich.“ Das kann Anna nur erwidern: „Als wir in unsere neue Wohnung übersiedeln mussten, hatten wir nichts an Hausrat. Barbara hat eine Liste gemacht, ihre Freunde und Bekannten informiert und plötzlich war ganz schnell alles Wichtige da. Sarah und Barbara sind so wunderschöne Menschen.“

Diese Menschlichkeit gibt Mut. Mut, dass Diktatoren wie Putin, für die Menschenleben keinen Wert haben, mit ihren Methoden auf Dauer nicht durchkommen werden.

Die beiden haben Träume Anna, die gerne Rad fährt und das Arbeiten im Garten liebt, träumt von einem eigenen kleinen Bauernhof, in dem sie der Imkerei nachgehen kann. Ihre Tochter mag Volleyball, Lesen und Katzen, freut sich, dass sie hier so viele Freundinnen und Freunde gefunden hat. Und obwohl sich die beiden in Österreich sehr wohl fühlen, denkt Anna oft an Ausflüge mit ihrer Freundin Svetlana nach Cherson und an das Schwarze Meer zurück: „Dort war so ein großartiges Klima, wir haben das Baden und das unbeschwerte Spazierengehen im Wald geliebt. Jetzt ist der Wald dort minenverseucht und alles kaputt.“

Es gibt in der jüdischen Kultur ein Sprichwort, das in etwa heißt: Wer einen Menschen rettet, der rettet die ganze Welt. Nicht nur in Pyhra wird dieser Denkspruch hochgehalten.

Ehrencodex in Community

„In der Ballettszene hilft man sich auf der ganzen Welt gegenseitig, das ist in der Community ein weltweiter Ehrencodex“, erzählt EuropaballettChef Michael Fichtenbaum. Da war es umso naheliegender, dass man in St. Pölten auch ukrainische Flüchtlinge aufnahm. Seit März 2022 werden beim Europaballett über 20 Tänzerinnen aus Kiev, Dnipro, Charkiw, Odessa beherbergt und trainiert. „Manche gehen wieder zurück oder woanders hin und andere kommen neu zu uns“, erzählt die künstlerische Assistentin Anastasia Irmiyaeva, die gemeinsam mit Julia Bauer die ukrainischen Flüchtlinge betreut. Während Irmiyaeva für die Belange im Ballett zuständig ist, kümmert sich Bauer um die Unterbringung der Vertriebenen, ist ständig mit der Caritas in Kontakt, bemüht sich um Deutschkurse. „Manche haben schon in kurzer Zeit das Sprachniveau A1 erreicht“, so Ballett-Marketingleiter Philipp Preiss. Einige besuchen

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Grundsätzlich geht es uns ums Helfen.
MICHAEL FICHTENBAUM, KÜNSTLERISCHER LEITER DES EUROPABALLETTS
Unmittelbar und direkt Unterstützung anzubieten, das ist uns ein großes Bedürfnis.

Gymnasien, bei manchen wird über Online-Kurse via Ukraine die Schulausbildung gewährleistet. Zusätzlich sind abwechselnd auch 10-20 Kinder ab fünf Jahren im Ballettunterricht untergebracht, spontan wurden zwei weitere Klassen eingerichtet.

Es geht ums Helfen „Grundsätzlich geht es uns ums Helfen, die Qualität der Tänzerinnen passt aber auch ganz gut. Einige kommen aus Profiakademien, haben hohes Niveau und werden auch eingebunden in unser EuropaballettProgramm. Eine befreundete Balletttrainerin, Ruslana Samoilenko, hat vor einem Jahr eine professionelle Ballettakademie, wo ihre Schülerinnen ihre Ausbildung weiter fortsetzen konnten, gesucht. Bei uns ist sie fündig geworden. Hier mit der angeschlossenen Ballettakademie ist der perfekte Ort für die Tänzerinnen, um weit weg vom Krieg und in Sicherheit ihrer Leidenschaft nachzugehen“, sagt Fichtenbaum, der sich bei der Stadt für die Unterstützung bedankt, „wenn es ein Problem gibt, hat uns der Bürgermeister absolute Hilfe versprochen und das ist keine Show. Wer will, kann bleiben.“ Es geht auch darum, „den Flüchtlingen den Kopf freizuhalten“, wie Fichtenbaum formuliert. Wie kann man sie

von ihren negativen Gedanken ablenken, ihnen wieder zeitweise Freude ins Leben bringen? „Die jungen Mädchen sind schwer traumatisiert zu uns gekommen, haben ja noch Familie in den Kriegsgebieten. Für viele ist es die erste Reise ins Ausland, sie müssen nicht nur mit dem Krieg umgehen, sondern auch mit zerrissenen Familien zurechtkommen“, weiß Irmiyaeva. Einige der Tänzerinnen fahren für kurze Zeit nach Hause und werden dort wieder mit den Kriegswirren und -gräueln konfrontiert. „Der Krieg hat in den Mädchen einiges ausgelöst“, so die gebürtige Russin, die nicht weiß, was sie über Putins „Spezialoperation“ sagen soll, weiter „Es geht um die Menschen. Menschen leben in der Ukraine und in Russland. In der Kunst verstehen wir uns, wir sollten weiter zusammenhalten. Es wäre schön, wenn große Gruppen von unserer kleinen Gruppe lernen könnten. Ich wurde noch in der Sowjetunion geboren, da waren wir einfach Menschen.“

Zwei tanzen in der Staatsoper „Wir können nicht sagen, du passt nicht. Es ist für uns wichtig, junge Menschen zu unterstützen, wir haben alle genommen. Mit den Tänzerinnen sind auch Lehrerinnen mitgekommen“, so Irmiyaeva, die erfreut ist, dass schon einige Balletttänzerinnen bei großen Europaballett-Produktionen und Tourneen mit dabei waren. Zwei der Ukrainerinnen treten zurzeit an der Wiener Staatsoper in der Oper „Dialogues des Carmeliters“ auf. „Wir haben eine Kooperation mit der Staatsoper. Für die Produktion wurden große Tänzerinnen gesucht. Die zwei Sofias haben schon viel geprobt, absolutes Spitzentraining hinter sich und werden abwechselnd in der Oper tanzen.“

Eine davon ist die 16-jährige Sofiia Stepura, die sich damit einen

Traum erfüllen kann: „Ich sehe es als große Chance, in Wien auf der großen Bühne zu stehen. Ich bin zwar noch ein bisserl unsicher, wie ich mich in diesem großen Haus vor so viel Publikum präsentieren kann, freue mich aber schon sehr darauf.“ Sofiia, die gerne strickt und Puzzle spielt, hat als einige der wenigen das Glück, dass ihre Schwester, Mutter und ihr Vater nachkommen konnten. Neben Sofiia wurde ursprünglich auch Stanislawa ausgewählt, die aber jetzt im Rahmen des Sommertheaters bei „Romeo und Julia“ tanzen wird. „Ich fühle mich hier wohl, weil ich sehr gut aufgenommen wurde. Mein Ziel ist es, in einem großen Theater Solotänzerin zu werden“, erzählt Stanislawa, die viel in der Schule zu tun hat, gerne kocht und in Niederösterreich herumfährt, um die Landschaft zu genießen. Beide Balletttänzerinnen lieben Krapfen und überhaupt die Mehlspeisen hier in Österreich. „Ich mag gebratene Maroni sehr gerne und bin froh, dass die Menschen hier so nett und offen sind. Wir bekommen auch viel Unterstützung von Privaten. Ich hoffe aber jeden Tag mehr und mehr, dass der Krieg ein Ende nimmt. Verglichen mit dem Krieg in unserem Heimatland sind alle Schwierigkeiten und Probleme, die man sonst hat, nichts dagegen“, erzählt Stanislawa und freut sich, trotz der großartigen Hilfsbereitschaft in absehbarer Zeit wieder „in ihrer Heimat in Frieden leben zu können.“

So zeigt Niederösterreich mit diesen beiden Beispielen die grenzenlose Hilfsbereitschaft. Denn wenn irrwitzige Diktatoren ein souveränes Land überfallen, dessen Menschen töten und es zu zerstören versuchen, bedarf es internationaler Solidarität und kein wie auch immer geartetes Verständnis für eine, zynisch formuliert, „Spezialoperation“.

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WENN MENSCHLICHKEIT DEN KRIEG VERGESSEN LÄSST
Die jungen Mädchen sind schwer traumatisiert zu uns gekommen, wir versuchen sie beim Ballett, neben der Ausbildung, auch abzulenken.
IRMIYAEVA,

UMWELT-AKTIVISMUS MADE IN STP

Die Bürgerplattform Pro St. Pölten stellt sich neu auf – mit der studierten Forstwirtin und Bau-Fachfrau Susanne Formanek als neuer Präsidentin und mit neuen Ideen, wie sich die St. Pöltner bei der Stadtentwicklung einbringen könnten.

Sie haben einiges gemeinsam, die in umtriebigen Jahrzehnten gereiften Mitglieder der Plattform Pro St. Pölten und die jungen Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“: Sie wollen gegen den Klimawandel und für eine städtische Umwelt in ihrem Sinne kämpfen. Nein, die lebenserfahrenen St. Pöltner kleben sich nicht auf die Mariazeller Straße, um die S 34 zu verhindern, aber die ehemalige VP-Stadträtin Ulli Nesslinger kündigt schon mal an, dass sie sich an Bäume kettet, damit diese nicht

SUSANNE FORMANEK

„Ich liebe die Wissenschaft“, sagt Susanne Formanek. Die Baufachfrau, Jahrgang 1966, hat an der BOKU Forstund Holzwirtschaft studiert, ist Geschäftsführerin des Innovationslabors GRÜNSTATTGRAU, Vorstand des Innovationslabors RENOWAVE.AT sowie Präsidentin des Österreichischen Instituts für Baubiologie und -ökologie IBO.

Susanne Formanek ist mit dem Standup-Comedian, Moderator und NEOSGemeinderat Niko Formanek verheiratet, hat in Kalifornien, Hamburg, Luxemburg und Wien gelebt und in NÖ für Ecoplus gearbeitet. Die Mutter der Artistin Charlotte und des Studenten Severin selbst hat eine eineiige Zwillingsschwester, die ihr zum Verwechseln ähnlich sieht. Susanne Formaneks Schwester Evelyn Huber-Reitan unterstützt die Bürgerplattform Pro St. Pölten als Schriftführerin.

den Baggern zum Opfer fallen. Die haben im Altoona-Park die Baugrube für das KinderKunstLabor ausgehoben. Apropos KiKuLa: Das städtische Leuchtturmprojekt für das Kulturjahr 2024 ist auch eines der Leuchtturmprojekte der Bürgerplattform im Kampf gegen die städtische Umweltpolitik. Zielgruppen-

fokussiert: Pro-St. Pölten-Mitstreiter Friedl Nesslinger erzählt etwa, dass die betagten Bewohner des angrenzenden Wohnhauses ihre gewohnten Spazierwege verlieren, weil im Park ein Kinder-Haus gebaut wird „gegen das wir ja grundsätzlich nichts haben, nur gegen den Standort.“

Grundsätzlich verteidigt die

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Bürgerplattform die Biodiversität, bäumt sich gegen jede geplante Bodenversiegelung auf und beklagt jeden umgeholzten Baum in der Stadt. Jetzt unter fachkundiger Führung: Susanne Formanek ist seit Kurzem Präsidentin des Vereins.

Die studierte Forst- und Holzwirtin fürchtet um den Mammutbaum im Altoona-Park. „Der Verlust an Biodiversität dort ist immens. Wenn wertvolle Bäume zu Schaden kommen, welche für uns Menschen eine so wichtige Bedeutung spielen, wird Volksvermögen vernichtet und Schaden angerichtet, wogegen wir die Stadt klagen könnten.“ Die Stadt tue viel zu wenig für die Einhaltung der Klimaziele und damit für ein lebenswertes St. Pölten in der Zukunft, ist Formanek überzeugt. In der von der Stadtentwicklung gemeinsam mit externen Experten erarbeiteten Klimarahmenstrategie sieht Formanek „vage Inhalte, weil u. a. eine Microklima-Analyse und Kennwerte fehlen. Ohne Kennwerte keine Umweltund Klima-Ziele.“ Auch der in Bau befindliche Promenadenring, für den die Stadt den VCÖ-Mobilitätspreis erhielt, wird in seiner Gesamtheit nicht umgesetzt werden und damit zur klimaneutralen Zukunft St. Pöltens keinen Beitrag leisten können, ist Formanek überzeugt.

Stichwort „Bauen“: Böden versiegeln und mit neuen Straßen den Verkehr und das Klima anheizen sind Reizwörter für Pro St. Pölten. „Jedes kleine Fuzzerl, das zubetoniert wird, nimmt die Möglichkeit, Wasser zu speichern“, so Formanek. Aktuellste Vorhaben, die so gesehen St. Pöltens Klimaneutralitätsziele konterkarieren, sind die Polizeikaserne am Eisberg und das geplante REWE-Zentrallager im Süden. Abgelehnt wird eigentlich jedes kommende Bauwerk. Soll die Stadt nicht wachsen? Doch, sagt Ulli Nesslinger, „aber es gibt doch freie Wohnungen und Leerstände, die genutzt werden könnten.“

Bereits „verbockt“ wurde der Domplatz, meint Susanne Formanek: „Grüne Pflanzen und Bäume fehlen am Platz. Es hätte Möglich-

keiten dafür gegeben. Beispielsweise könnte man über einem Bodendenkmal einen versickerungsoffenen Belag gestalten.“ Mit einer Mobilitätswende und generellen Absage ans Auto in der Innenstadt kann sich Ulli Nesslinger noch nicht abfinden. Sie beklagt, dass am Domplatz schon jetzt keine Autos mehr zufahren können – „das sollte doch erst mit einer fertigen Domgarage passieren. Die Gastronomen am Herrenplatz und die Wirtschaft in der Innenstadt leiden darunter.“

Bürgerbeteiligung mit digitaler Aufrüstung

Wie also will die neue Präsidentin die Bürgerplattform in die Zukunft führen? „Pro St. Pölten wird Projekte suchen, finden, finanzieren und umsetzen, die eine nachhaltige Umweltpolitik unausweichlich machen“, so Formanek. Finanziert werden soll durch Förder-Calls auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene.

Formanek stellt sich dabei eine besondere Art der Bürgerbeteiligung vor. „Nicht reduziert auf Unterschriften“, spielt die Plattform-Präsidentin auf 1.800 Unterschriften gegen das KiKuLa an, die im Rathaus keine Wirkung zeigten. Ihre Vision: Eine interaktive Citizen Science App, die mit dem Start-up Spotteron für St. Pölten entwickelt wird, soll den Menschen Gehör verschaffen. „Damit können sie Beobachtungen zu verschiedenen Stadtthemen abgeben, Daten sammeln, diese visualisieren und sich vernetzen.“

Verschränkt werden soll die App mit interaktiven Karten wie der Heatmap von Geoville. Diese Karte habe bei einer Messung im Sommer 2022 St. Pölten als heißesten Ort Österreichs definiert, sagt Formanek: „Wir geben damit den Menschen ein Instrument in die Hand, mit dem sie selbst sehen können, welche Einflüsse die unkontrollierten Bodenversiegelungen haben.“ Mit diesem Wissen könnten die Bürger die Politik unter Druck bringen: „Dann werden sie auch massiv Änderungen fordern und die Politik wird handeln müssen.“

FAMILIENFEIERN

„Und? Weißt du schon, was du einmal werden möchtest?“ Seit das Kind zum Teenager wurde, muss es nicht nur mit wechselnden Launen kämpfen, sondern auch mit der ewig gleichen Frage bei Familienfeiern.

Jetzt ist es mit Berufen so, dass jeder ein Experte darin ist und hervorragende Tipps geben kann. Fast genauso wie bei der Wahl des Namens für den neuesten Familienzuwachs meiner jüngsten Schwägerin. Oder beim Thema Schule! Da war jeder irgendwann einmal und weiß groß Bescheid, woran es in unserem Bildungssystem krankt oder ob die Deutschschularbeit eher ein Gut oder ein Befriedigend war. Achja, und beim Fußball, da gibt’s sowieso so viele Teamchefs wie Einwohner und jeder weiß, wie das nächste Spiel ausgeht. Und natürlich bei Beziehungsfragen Das freut die Singleschwägerin besonders, wenn sie hört: „Du bist einfach zu anspruchsvoll!“ Selbstredend auch bei Kochrezepten. Der perfekte Schweinsbraten kann ja nur gelingen, wenn man die Geheimzutat hinzugibt. Bleibt abschließend zum Kaffee noch das Thema Diäten, dann sind wir durch. Freut mich immer, wenn mir jemand völlig zusammenhanglos erklärt, dass ich mir jetzt unbedingt auch so ein Laufband zulegen muss. Da kann man jeden Tag drauf trainieren und das braucht auch fast keinen Platz.

Danke für den Tipp!

Mich interessieren solche Antworten auf Fragen, die man nie gestellt hat, nicht. Ich halte mich zurück! Ich sag nur soviel: Lehrer, Konstantin, Befriedigend, 1:0, Tinder, Knoblauchpaste und gesunde Ernährung und Sport.

TEXT: BEATE STEINER | FOTO: NIKO FORMANEK MFG 05 23 43
FOTO
KOLUMNE TINA REICHL
ADOBE STOCK

FRAUEN AM PULT

KOLUMNE THOMAS FRÖHLICH

KUNSTFEHLER

Kunst kann … im Grunde alles: wachrütteln, zum Staunen anregen, zum Lachen oder Weinen bringen, neue Perspektiven eröffnen, trösten. Und doch gibt es mitunter Situationen, in denen Kunst auch für einen ansonsten kunstaffinen Menschen gar nichts mehr kann. Dann nämlich, wenn der respektive die Betreffende einen Fehler gemacht hat. Und zwar nicht irgendeinen Fehler, sondern einen, der nicht nur das eigene Leben, sondern auch das der Partnerin oder des Partners zum Schlechten verändert. Nachhaltig. Weil man zu sehr ausschließlich der eigenen Gefühlswelt vertraut und diese zum Maß aller Dinge erhoben hat, jene des geliebten Menschen allerdings ein wenig „übersehen“ hat. Unaufmerksam war. Zu wenig oder auch zu viel Liebe geschenkt hat. Und damit für ein Ungleichgewicht gesorgt hat, dem nur noch mit einer Trennung beizukommen war. Und dann steht man da, geht vielleicht in eine Ausstellung, sieht sich einen Film an und stellt fest, dass da gar nichts mehr durchkommt. Dass das eigene Versagen vor allem steht, was davor noch wertvoll und schön war. Sich selbst zu vergeben forderte die Autorin Louise Hay als Angelpunkt eines guten Lebens. Doch das ist schwierig, wenn man der eigenen Person gegenüber ehrlich bleiben möchte. Auch der Protagonist in Thomas Bernhards letztem Prosawerk „Alte Meister“, Reger, erkennt letztendlich, dass sein der Malerei und Kunstgeschichte gewidmetes Leben ohne seine geliebte Frau im Grunde nichts bedeutet. Wir alle kennen den letzten Ausweg aus einem Alptraum: Schreien. Doch wenn’s kein Traum ist, hilft alles nichts. Kunst kann …?

Die Zeiten ändern sich – und beileibe nicht, wie man in der aktuellen Gemengelage vielleicht das Gefühl hat – immer nur zum Schlechteren. So haben die Tonkünstler Niederösterreich, die St. Pölten seit Jahrzehnten ihre symphonische Aufwartung machen (wer erinnert sich nicht an die legendären Konzerte im Stadtsaal bevor sie in ihre neue Residenz im Festspielhaus übersiedelten), kürzlich ihr neues Programm vorgestellt. Dieses strotzt wieder vor wunderbaren Programmen und Künstlern.

Soweit, so bekannt. Neu ist hingegen – zumindest könnte sich der Verfasser dieser Zeilen als jahrzehntelanger Besucher der Konzerte nicht daran erinnern – dass erstmals innerhalb einer Saison mit Tabita Berglund (im Bild), Emilia Hoving sowie Katharina Wincor gleich dreimal eine Frau am Pult steht und das Orchester leitet. Nörgelnd könnte man einwerfen „überfällig!“, wir sind für ein freudiganerkennendes „Bravo – weiter so!“

www.tonkuenstler.at

BINE UND BÄR RETTEN DAS MEER

Sie hat es wieder getan – aber gut, auch kein Wunder nach dem Erfolg beim ersten Mal: Nach „Leopold und der magische Feenstaub“ legt Autorin Petra Wurstbauer nun ihr zweites Kinderbuch „Bine und Bär retten das Meer“ vor, liebevoll illustriert von Marie Cameron Leimer. Der Titel ist dabei sozusagen Programm. „Im Vordergrund stehen die Themen Mut, Selbstvertrauen, Freundschaft und Umweltschutz. Außerdem gibt es einen interaktiven Teil mit kniffligen Rätseln und Ausmalbildern“, verrät die Autorin. Falls sie also Lesestoff für ihre Kids (ab neun Jahren) suchen – voilà, die ideale Garten-, Sommer-, Strandlektüre. Erhältlich u. a. bei Schubert, Thalia, Evi Naturkost und Mazzetti.

Und die zwei Damen feilen schon am nächsten Projekt: „Wir wollen eine Kinderbroschüre gestalten, die in St. Pölten spielt. Dabei werden wir für Kinder interessante Angebote vorstellen, die im besten Fall nichts kosten.“ Daumen hoch!

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FOTOS: ADOBE STOCK, NIKOLAJ LUND, MARIE CAMERON LEIMER

HERAUS MIT DER SPRACHE!

und Pilze überhaupt kommunizieren? Wie und warum verständigen sie sich und welche Botschaften werden transportiert?

Das Haus für Natur im Museum

Niederösterreich widmet seine aktuelle Ausstellung der Kommunikation von Tieren, Pflanzen & Pilzen.

Singen, Tanzen, Klopfen, Brummen, Vibrieren, Duften, Leuchten: Die Welt der Kommunikation ist faszinierend, vielfältig, geheimnisvoll und trickreich. Doch was ist eigentlich „Kommunikation“? Welche Formen und Strategien gibt es? Wie können Tiere, Pflanzen

Tiere kommunizieren, um einen Partner zu finden, die Brutpflege zu organisieren, ihr Revier zu markieren, Artgenossen vor Feinden zu warnen oder auf Nahrungsquellen hinzuweisen. Dabei kann Kommunikation auch ein Risiko sein, wenn sich der Beutegreifer oder auch das Beutetier verraten. Weibchen signalisieren ihre Paarungsbereitschaft. Männchen versuchen Weibchen mit auffälligen Farben, spektakulären Tänzen oder verlockendem Gesang von ihren Genen zu überzeugen. Auch in Bienen- oder Ameisenvölkern ist die Kommunikation unabdingbar. Selbst Pflanzen und Pilze haben etwas zu sagen. Grillen, Fauchschaben, Orchideenmantis, Schildmantis und brasilianische Pfeilgiftfrösche machen die interaktive Ausstellung sprichwörtlich lebendig. Mit einem Augenzwinkern dürfen Parallelen zwischen Tierreich und Menschen nicht fehlen. Faszinierende

Einblicke in die neueste Kommunikationsforschung wie etwa der Bioakustik laden zu einem abwechslungsreichen Streifzug durch die komplexe Welt der Botschaften und ungewöhnlichen Allianzen.

Heraus mit der Sprache!

Wie Tiere & Pflanzen kommunizieren

Sonderausstellung im Haus für Natur im Museum Niederösterreich

Kulturbezirk 5, 3100 St. Pölten

www.museumnoe.at

Veranstaltungstipp: Donnerstag, 1. Juni 2023, 18:30 Uhr Diskussions-Forum Erlebte Natur „Artenvielfalt und Forstwirtschaft: Natürliche Feinde?“ mit Naturvermittler Reinhard Pekny und Forstwirt Markus Hoyos

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SIND IM GARTEN

Eine abwechslungsreiche, spannende, ja schöne „Saison“ neigt sich allmählich dem Ende zu.

Allein der Besuch der letzten Veranstaltungen hat wieder vor Augen geführt, wie viel Spaß und Freude die Aktivitäten unseres Vereines bereiten.

So besuchten wir – bereits schöne Tradition – einmal mehr das „Bürgertheater“. Heuer hat Dick Nehle in gewohnter Meisterschaft mit „ihren“ St. Pöltner Bürger-Schauspielern das Stück „Am Beispiel der Kohlrabi“ auf die Bühne gebracht, wobei man immer wieder ins Staunen kommt, wie professionell die vermeintlichen Laiendarsteller agieren. Zugleich war auch der Standort einmal mehr spannend – gespielt wurde im ehemaligen Leiner-Kaufhaus am Rathausplatz.

Ein Stück weit morbider wurde dann unser Besuch der Konzerts von Ernst Molden & Hans Thessink, die in ihrer kongenialen Mischung aus Blues und Wienerlied über Outlaws und Gauner sangen. Ein besonderer Termin insofern, weil es nicht nur unser letzter diese Saison in der Bühne im Hof war, sondern auch der letzte, im Zuge dessen wir von Daniela Wandl als künstlerische Leitern des Hauses begrüßt wurden. Sie wird nach acht Jahren Ende Juni die Bühne im Hof verlassen. Auf diesem Weg ein ganz herzliches Dankeschön für die schönen Stunden und die Gastfreundschaft, die uns zu Teil wurden. Zugleich auch ein herzliches Willkommen an Alexander Hauer, den neuen künstlerischen Leiter der Bühne im Hof, der dieser Tage bereits sein erstes Programm präsentierte, auf das wir uns schon sehr freuen. Wir wünschen alles Gute für den Start!

Ein großes Highlight steht vor dem Sommer sozusagen noch auf unserem kulturellen Speisezettel. So sind wir, wie bereits schöne Tradition, selbstredend wieder bei „Sind im Garten“ dabei, wenn sich der Kulturbezirk am 16. und 17. Juni einmal mehr in eine grüne Oase verwandelt und Schauplatz eines einzigartigen Sommerfestes für die ganze Familie wird. Überall wird es wuseln, egal ob im Museumsgarten, im Museum Niederösterreich, im Großen Saal des Festspielhauses oder – natürlich – direkt am Vorplatz zwischen Festspielhaus und Museum. Das

Programm ist dabei bunt wie eh und je und reicht von Hüpfburg und Kinderprogramm über COMMUNITY Performances bis hin zu DJs und Live Karaoke. Außerdem hält das Museum Niederösterreich bis 19 Uhr offen und lädt zum Besuch seiner Ausstellungen – bei freiem Eintritt! Food-Trucks, eine Cocktail- und eine Ginbar sowie die Flieger-Gastro sorgen außerdem für das leibliche Wohl. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns bei „Sind im Garten“ treffen und wünsche schon jetzt einen schönen, warmen, friedlichen Sommer voller Kultur (am 23. Juni sind wir noch zu einer exklusiven Führung durch die Ausstellung „Stadt im Bild“ im Stadtmuseum eingeladen). Im Herbst warten dann wieder „unsere“ Häuser mit gewohnt abwechslungsreichem und großartigen Programm, das wir selbstverständlich live erleben möchten. Denn wie lautete vor Kurzem eine Werbekampagne des „ticket-Magazins“: Live spürt man mehr!

Lothar Fiedler

(Präsident Freunde der Kultur St. Pölten)

MITGLIED WERDEN und die zahlreichen Vereinsvorteile (Exklusivveranstaltungen, Previews, Künstlertreffen, Exkursionen, Ermäßigungen uvm.) genießen. Anmeldung und Infos unter

T +43 2742 90 80 90-941, F +43 2742 90 80 94, freunde@kultur-stp.at

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Ihr
INFORMATIONEN www.freundederkultur-stp.at, Tel.: 0 2742 90 80 90-941
FREUNDE DER KULTUR ST. PÖLTEN
Das Bürger*innentheater begeisterte einmal mehr. Im Anschluss gab es einen Empfang mit dem Ensemble, Leiterin Nehle Dick sowie der künstlerischen Leiterin des Landestheaters Marie Rötzer.
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Angela Glajcar

DANIELA

DIE SACHE MIT DEM SCHAUKELSTUHL

Am 4. Juni lädt Daniela Wandl zum großen „Schluss.Fest“ in die Bühne im Hof mit Birgit Denk und zahlreichen Überraschungsgästen ein. Schluss ist dann freilich nicht nur mit der heurigen Saison, sondern auch mit ihrer Tätigkeit als künstlerische Leiterin des Hauses – nach acht Jahren nimmt sie Abschied „und ich möchte mich im Zuge des Festes noch einmal beim Publikum, bei den Künstlerinnen und Künstlern, den Agenturen und beim Team bedanken.“ Wir statteten ihr im Vorfeld einen „Abtrittsbesuch“ ab.

Ich gestehe, als nicht mehr ganz taufrischer St. Pöltner ist es für mich nach wie vor ungewohnt, die Bühne im Hof über den Zubau von „hinten“, also von der Promenadenseite her zu betreten, weil es früher – auch zu Bürozeiten – üblich war, stets durch das wuchtige grüne Tor in der Linzerstraße zu marschieren. Der Zuschauerraum drinnen ist aber derselbe vertraute geblieben, und so schlängle ich mich gerade durch die Reihen blauer Stühle, als mich aus dem Dunkel von oben her ein freundliches „Hallo“ ereilt. Ich blinzle hinauf und erspähe beim Technikerplatz eine Etage höher die künstlerische Leiterin Daniela Wandl. „Wohl der General auf dem Feldherrenhügel, oder wie?“, frage ich und bekomme ein lachendes „Nein, aber von hier oben aus hat man den besten Überblick“ zur Antwort. „Außerdem ist das einer meiner Lieblingsplätze im Haus“, verrät die Theaterleiterin. Am Weg in ihr Büro zeigt sie mir noch ein paar weitere, zum Beispiel die Garderoben, von wo aus man als Künstlerin und Künstler – wohl einzigartig in

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WANDL
Vielleicht schreibe ich ja ein Buch über meine Zeit hier.
DANIELA WANDL

Österreich – direkt auf Zuschauerraum und eigene Wirkungsstätte, nämlich die Bühne hinunterblickt. Und zum ersten Mal seit langem wird mir wieder bewusst, welch kleines Wunderwerk die Bühne im Hof eigentlich ist – denn „Bühne im Hof“ ist ja nicht einfach nur ein schicker Name, sondern schlicht Beschreibung der Realität: Bühne und Zuschauerraum liegen in einem ehemaligen Innenhof, der für seine neue kulturelle Bestimmung Ende der 80er-Jahre überdacht wurde. Und die in sanftem Schönbrunnergelb gehaltene Wand mit den grün eingefassten Fensterläden, die man vom Zuschauerraum aus sieht, ist die ehemalige Außenfassade des historischen Gebäudes. Ein Haus mit Geschichte … und Geschichten.

Wall of fame

Solche erzählen auch die Fotografien an den Wänden von Wandls Büro. Sie zeigen die Intendantin mit zahlreichen im Haus gastierenden Künstlerinnen und Künstlern, wie z. B. Alfred Dorfer, Stermann & Grissemann, Ernst Molden, Armin Wolf, Guido Tartarotti, Omar Sarsam, Christof Spörk und viele mehr. Manche davon sind „zu Freunden geworden!“ Willi Resetarits etwa hat eine Widmung hinterlassen: „Daniela ist die liebste Direktorin der Welt.“ Gezeichnet „Da Willi“. Dazwischen ein Foto mit dem Team, „das beste der Welt“, wie Wandl versichert, das ihr zum 50er einen Stern am „Walk Of Fame“ geschenkt hat. Der ist zwar nicht am Hollywood Boulevard gelegen, aber dafür in den Herzen.

Mein besonderes Interesse erweckt freilich ein alter Schaukelstuhl. „Den hat mir Michi Steiner geschenkt“, verrät Wandl – und damit nicht irgendwer. Denn Steiner war es, gemeinsam mit Anita Fritsche, die mit ihrer Kulturplattform das offizielle St. Pölten anno dazumal von der Notwendigkeit einer Kleinkunstbühne mit Mimi Wunderer als Intendantin überzeugte und die Bühne im Hof überhaupt erst auf den Weg und in die

Köpfe brachte. Ich setze mich kurzerhand in das schöne Stück – der Komfort ist enden wollend, dafür erzählt aber auch der Stuhl eine Geschichte bzw. kann als Sinnbild für Daniela Wandls Schaffensperiode in der Bühne im Hof stehen: Für den energiegeladenen Wirbelwind war die Führung des Hauses ein stetes Hin und Her, ein – mitunter kräftezehrendes – Auf und Ab, mal ging es vorwärts, dann folgten wieder Rückschläge. Im Juni wird sie nach acht Jahren das Haus verlassen.

Start im Exil Bereits der Beginn 2015 verlief nicht ungetrübt. Die Freude, ja Euphorie der bis dahin vor allem als Macherin des beliebten Höfefestes bekannten Kulturmanagerin, sich gegenüber 38 Mitbewerbern als neue künstlerische Leiterin durchgesetzt zu haben, wurde dadurch geschmälert, dass sich Mimi Wunderer ein Tête-à-Tête mit der designierten Nachfolgerin verbat. Zu sehr nahm die bisherige Intendantin der Geschäftsführung krumm, ihren Vertrag nach einem Vierteljahrhundert nicht mehr verlängert zu haben. So musste Wandl ihre erste Spielzeit vom Exil im Festspielhaus aus planen und konnte erst ein halbes Jahr nach offiziellem Dienstantritt in „ihre“ Bühne einziehen. Gegen Wunderer, die in ihrem Kampf um Unabhängigkeit und Selbstbestimmung seit jeher als kompromisslos und streitbar galt, hegt Wandl dennoch keinen Groll. „Ich kann heute vieles nachvollziehen“, räumt sie sinnierend ein, hatte doch auch sie während ihrer Amtszeit manchen Strauß auszufechten und erlebt nunmehr einen ähnlichen Abgang wie Wunderer: Auch ihr Kontrakt wurde nicht verlängert „dabei wäre ich noch gern geblieben. Ich hätte

noch so viele Ideen gehabt“, seufzt sie, um im nächsten Moment lachend hinzuzufügen. „Aber mein Nachfolger Alexander Hauer ist natürlich herzlich willkommen im Haus!“ Mit Wandls Abschied finden übrigens zwei bisherige Spezifika der St. Pöltner Kunstszene ein Ende: Zum einen endet damit das immerhin 33 Jahre währende künstlerische Matriarchat in der Bühne im Hof, mit Alexander Hauer übernimmt erstmals ein Mann das Szepter. Zum anderen ist Wandl die letzte waschechte St. Pöltnerin, die einen NÖKU-Betrieb in der Hauptstadt leitet, was manch Kritiker über eine vom Land fremdbestimmte Kulturszene ätzen lässt.

„Wandlerianer“

Trotz Mimi Wunderers langem Schatten und ein bisschen verbrannter Erde zu Beginn ihrer Ära nahm Wandls Programmierung alsbald Fahrt auf, zumal sie ja nicht – wie Wunderer im Bangen um ihr Lebenswerk vielleicht befürchtet hatte – alles umkrempelte, „sondern die Bühne im Hof, auf das Bestehende aufbauend, behutsam weiterentwickeln wollte.“ Ein Konzept, das aufgeht, so dass auch die großen „Wundererianer“ unter den Kulturschaffenden, welche den Leitungswechsel mit Skepsis beäugt hatten, alsbald Wandls erfrischender, offener, ja enthusiastischer Art erlagen. „Ein besonderer Moment war, als Alfred Dorfer in die Bühne im Hof zurückgekehrt ist und meinte ‚Das ist wie Nachhausekommen!‘“ Gerade das Schaffen eines Wohlfühlklimas für die Künstlerinnen und Künstler war der Leiterin immer ein Herzensanliegen, „dass sie die Bühne im Hof als ‚ihr‘ Haus, als ein Stück Heimat begreifen. Denn das ist vielleicht das Besondere bei einer

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TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: MATTHIAS KÖSTLER, HEIMO HUBER, BIH
Für mich war immer klar, dass wir als von der öffentlichen Hand subventioniertes Haus einen dementsprechenden Kulturförder-Auftrag haben.
DANIELA WANDL

Kleinkunstbühne – viele kommen ja immer wieder, da baut man schon eine langjährige Beziehung auf.“ Jene zu Wandl sollte so stark werden, dass sich – wie ehemals beim Wechsel von Wunderer zu Wandl –nunmehr viele als „Wandlerianer“ outeten und ihren Abschied bedauern. So schrieb etwa Lukas Resetarits nach seinem Auftritt diesen April „Ich danke meinem Publikum, dem Team des Hauses, im Speziellen Daniela Wandl und Dieter Regenfelder. Ihr werdet mir fehlen. Sehr schade, dass so ein wunderbares Team nicht unterstützt wird.“

Alles läuft jedenfalls gut, bis –wir erinnern uns an den Schaukelstuhl zurück – plötzlich eine brutale Rückwärtsbewegung einsetzt. Im Sommer 2019 erkrankt Wandl schwer. Die niederschmetternde Diagnose: Krebs. „Das hat mir natürlich den Boden unter den Füßen weggezogen und von einem Tag auf den anderen alles verändert“, erinnert sie sich zurück. Was folgt ist der Kampf ihres Lebens, „in dem ich aber unbedingt den Kontakt zur Bühne im Hof halten wollte.“ Vor allem Dieter Regenfelder, der guten Seele der Bühne, der bereits Mimi Wunderer als rechte Hand unterstützt hatte, ist es zu danken, dass dies weitestgehend gelingt. „Er hat – fast immer – die richtige Balance

gefunden zwischen Schonung und Forderung. Er hat auch nach außen hin immer klar gemacht, dass ich die künstlerische Leiterin bin, hat mich zu Entscheidungen gedrängt und nicht zugelassen, dass ich mich hängen lasse“, erinnert sich Wandl zurück. Welch unglaubliche Kämpferin sie ist, davon konnten sich auch die Journalisten der Stadt überzeugen, als sie im Herbst 2019, sichtlich geschwächt, das kommende Frühjahrsprogramm präsentierte. „Damals wog ich gerade noch 37 Kilogramm“ – aber in Sachen Kultur, Kunst brannte sie wie eh und je. Ob gerade dieses kompromisslose, ja geradezu selbstausbeuterische Engagement für die Bühne im Hof „ich habe ja, abgesehen von gesundheitlich erzwungenen Auszeiten, keine einzige Vorstellung in den letzten acht Jahren versäumt“ mit Grund für die Erkrankung war, fällt in die Kategorie Kaffeesudlesen. Genauso gut könnte es umgekehrt gewesen sein, dass gerade diese Aufgabe, „die ein Stück Normalität und Kontinuität bedeutete“, der Rettungsanker und Ansporn war, weiterzukämpfen und nicht zu verzweifeln „denn ich liebe das hier wirklich alles von Herzen: das Haus, das Publikum, das Team, die Künstlerinnen und Künstler. Das sind so spannende, so großartige Menschen, durch die ich

immens viel gelernt habe, ja durch die ich in gewissem Sinne auch gescheiter geworden bin.“

Corona und die Folgen 2020 würde jedenfalls, so die Hoffnung, alles wieder bergauf gehen –tatsächlich sollte Wandl im Herbst des Jahres das Gröbste überstanden haben. Der Jahresbeginn hält aber den nächsten Rückschlag parat: Die Corona-Pandemie bricht aus!

Wandl erinnert sich noch gut, als sie anfangs – wie alle – dachte, „na ja, das dauert jetzt ein paar Wochen, dann ist der Spuk vorüber.“ Aber aus den Wochen sollten schließlich Jahre werden, gespickt mit Lockdowns, Kontaktbeschränkungen und geschlossenen Kulturhäusern. „Das war natürlich extrem herausfordernd. Durch die Lockdowns wurde die Arbeit ja anfangs auch nicht weniger, wie man meinen könnte, sondern gerade umgekehrt mehr, weil wir sämtliche Veranstaltungen verschieben mussten. Zugleich galt es die Mannschaft irgendwie zusammen und bei Laune zu halten“, so Wandl. Als die Häuser endlich wieder öffnen dürfen, wirken die Pandemiefolgen unübersehbar nach, teils bis heute. „Es war ja nicht so, dass die Leute ‚Hurra‘ geschrien hätten und die Häuser sofort wieder voll waren. Alle waren sehr zurückhaltend, so dass uns irgendwann das mulmige Gefühl beschlich, dass 50 % Auslastung das neue ausverkauft sein könnten.“ So schlimm kommt es dann aber doch nicht. Seit Herbst geht es mit den Besucherzahlen wieder bergauf „die Bühne brummt wieder!“, freut sich Wandl „wobei das Schönste ist, endlich wieder in die glücklichen Gesichter der Gäste blicken zu können. Unter diesen Umständen kann ich die Bühne auch mit einem guten Gefühl übergeben.“

TEAMWORK.

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Wandl konnte stets auf ihr Team bauen, allen voran Dieter Regenfelder (4.v.l.), die gute Seele des Hauses. Auch er wird die Bühne im Hof verlassen.

Saugut!

Das kann sie so oder so. Ihre Bilanz nach acht Jahren ist beachtlich, „wenn ich etwa an Nikolaus Habjan denke, der zum ersten Mal bei uns in der Bühne in St. Pölten gespielt hat, oder an die Kooperation mit dem Rabenhof.“ Auch die Einführung neuer Zirkus- und Bühnenformate, der verstärkte Fokus auf Kindervorstellungen oder die Veranstaltungsschiene „jung & saugut!“ tragen unverkennbar Wandls Handschrift. Gerade Letztgenanntes, im Zuge dessen sie junge, noch nicht so bekannte Nachwuchskünstlerinnen und -künstler vor den Vorhang bat, lassen ihren generellen programmatischen Zugang durchschimmern. „Für mich war immer klar, dass wir als von der öffentlichen Hand subventioniertes Haus einen dementsprechenden Kulturförder-Auftrag haben – gerade auch in den miesesten Zeiten wie Corona, als viele Veranstalter in Folge nur mehr auf Nummer sicher gegangen sind und auf die Quote schielten.“ Wandls größter Verdienst liegt aber viel-

leicht in einer Art Renaissance des „Bühne im Hof-Ursprungsgedankens“, indem sie – was kein Widerspruch ist – das Profil des Hauses durch Breite schärfte. „Kleinkunst erschöpft sich ja nicht in Kabarett, sondern mich haben immer all ihre Facetten interessiert – Kabarett, Theater, Musik, Zirkus – und am besten noch alles wild durcheinander vermanscht.“ Kleinkunst in Reinkultur eben, „und ihr Wunder, dass man mit ganz wenigen Mitteln ganz Großartiges auf die Bühne bringt.“

Wem die Stunde schlägt

Das ist auch der künstlerischen Leiterin gelungen und so hätte sie ihre Ära jetzt schön ruhig auslaufen lassen können, wenn nicht der Schaukelstuhl, bildlich gesprochen, ein letztes Mal eine zumindest holprige Bewegung vollführt hätte. So ging diesen März ein Schrei vor allem durch die Kulturszene, als die ÖVP mit der FPÖ trotz gegenteiliger Beteuerungen beider Seiten vor der Wahl ein Arbeitsübereinkommen

abschloss. In Folge beendete die Österreichische Filmakademie die Zusammenarbeit mit dem Land Niederösterreich und kehrte Grafenegg als bisherigem Veranstaltungsort der Filmpreis-Gala den Rücken. Künstlergrößen wie Josef Hader, Otto Lechner, Peter Turrini, Robert Menasse, Robert Schindel, Robert Palfrader uvm. warnten in einem offenen Brief vor einer Zusammenarbeit mit der „nationalistischen fremdenfeindlichen niederösterreichischen FPÖ“, und die IG Autoren beschloss bis auf weiteres einen Boykott offizieller Landesveranstaltungen. Selbst die NÖKU, die offizielle Landeskulturholding, sah sich zu „Klarstellungen“ genötigt samt Interview des mächtigen CEO Paul Gessl im ORF NÖ. Auch auf der Startseite der Bühne im Hof prangt seitdem ein Header, in dem u. a. vom Haus „als Ort der Begegnung, des Dialogs und der Vielfalt“ die Rede ist, und weiter heißt es: „Wir stehen für Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheit und geben Menschenfeindlichkeit und Diskriminierung auch weiterhin keine Chance.“ Hegt man tatsächlich die Befürchtung, dass es der freien „kritischen“ Szene quasi an den Kragen gehen könnte, oder ist das Statement eher als allgemeines Bekenntnis oder gar nur als Alibihandlung zu verstehen, weil das ein gewisses Besucherklientel eben gerne hören möchte? „Ich glaube nicht, dass sich unmittelbar etwas ändern wird. Das hat ja auch die Landeshauptfrau, in deren Händen die Kultur-Agenden liegen, versprochen“, räumt Wandl ein. Was sie aber sehr wohl ortet, sei eine gewisse Radikalisierung des öffentlichen Diskurses und ein Verschieben der Grenzen „was heute alles salonfähig geworden ist.“ Dass etwa die ÖVP mit einer FPÖ, „deren Vorsitzender vor wenigen Jahren noch mit der Liederbuch-Affäre für Schlagzeilen sorgte, koaliert, hätte ich mir nie vorstellen können“, so Wandl. Ebenso wenig, dass ein mittlerweile zum zweiten Landtagspräsidenten avancierter Politiker live im Fernsehen gegen Jugendliche mit Migrati-

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Ein besonderer Moment war, als Alfred Dorfer in die Bühne im Hof zurückgekehrt ist und meinte „Das ist wie Nachhausekommen!“
DANIELA WANDL

onshintergrund wettert. Wandl hält es da frei nach dem Motto „Wehret den Anfängen“, man muss hellhörig sein. „Einer meiner Schwerpunkte bei der Diplomprüfung als Theaterwissenschaftlerin beschäftigte sich mit dem Kabarett der Zwischenkriegszeit in den 20ern des vorigen Jahrhunderts. Damals war das Kabarett eine der letzten Bastionen, wo noch kritisches Denken, Hinterfragen, das verklausulierte Hinweisen auf Missstände möglich war, während die Medien schon gleichgeschaltet und zusehends zensuriert wurden.“ Heute blühen wieder demokratiefeindliche und diskriminierende Blüten, es sei eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft zu beobachten, die von gewissen Kreisen bewusst geschürt wird, „daher bin ich der festen Überzeugung, dass es Institutionen wie die Bühne im Hof braucht, um dem etwas entgegenzusetzen.“ Gerade der Kleinkunst komme eine besondere Bedeutung zu „weil die Kleinkünstlerinnen und -künstler ja sehr nah am Alltag der Menschen dran sind, so dass sie Dinge sehr klar anspre-

chen können und auch verstanden werden. Zudem erreichen sie viele Menschen, unser Publikum ist ja höchst heterogen.“ Soll heißen, dass es querbeet durch Schichten und Alter geht „und die Künstlerinnen und Künstler alle gleichermaßen zur kritischen Auseinandersetzung anregen, indem sie Missstände und Fehlentwicklungen aufzeigen. Das ist so immens wichtig!“

Wenn man Wandl so voll Leidenschaft und Esprit reden hört, kann man erahnen, wie schwer ihr der Abschied fallen muss im Wissen, diese wichtige Arbeit – zumindest in der Bühne im Hof – nicht mehr weiter fortsetzen zu können. Was sie jetzt dann machen wird? „Damit habe ich mich ehrlich gesagt noch nicht wirklich auseinandergesetzt, ich habe ja noch ein paar Veran-

staltungen abzuwickeln“, meint sie achselzuckend, fügt dann aber verschmitzt lächelnd hinzu. „Vielleicht schreibe ich ja ein Buch über meine Zeit hier“, was den einen oder anderen vielleicht nervös machen dürfte. Man erinnert sich noch an die Memoiren des ehemaligen Kulturstadtrates Siegfried Nasko, die einige vor den Kopf stießen und nach diversen Interventionen schließlich in einer entschärften Version noch einmal neu aufgelegt wurden – wobei Erinnerung eben immer persönliche Wahrnehmung und Aufarbeitung ist. Der eigene Lebensroman sozusagen. In jenem Daniela Wandls ist ab sofort ein acht Jahre starkes Kapitel über die Bühne im Hof verewigt. Einen symbolträchtigen Titel hätte ich übrigens schon parat: Der Schaukelstuhl.

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Ich habe, abgesehen von gesundheitlich erzwungenen Auszeiten, keine einzige Vorstellung in den letzten acht Jahren versäumt.
DANIELA WANDL

Der nostalgische Wein- und Genusszug

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DER FESTIVALSOMMER IN ST. PÖLTEN

Gleich fünf Festivals erwarten Musikbegeisterte heuer in der warmen Jahreszeit. Von Theater über Barockmusik bis zu Blues, Jazz und eine bunte Mischung von lokalen Künstler:innen ist für jeden Geschmack etwas dabei.

Den Start des Festivalreigens macht das Barockfestival von 10. bis 24. Juni mit dem Titel „When music gets under your skin“, denn Musik geht nicht nur ins Ohr, sondern auch unter die Haut. In sieben Konzerten zeigen das Huelgas Ensemble, das Radio.string. quartet, das Ensemble „zeitgeist, David Orlowsky und David Bergmüller sowie das BachWerkVokal, die Accademia del Piacere und Fahmi Alqhai die großen Emotionen in den barocken Werken. Mit dem Fetish Baroque von Michael Hell wird es sogar erotisch. www.barockfestival.at.

Romantische Nächte im Park

Von 30. Juni bis 16. Juli präsentiert das Sommer-Theater-Park-Festival auf der Freiluftbühne neben dem Theater des Balletts

heuer den Klassiker „Romeo und Julia“ sowie die Neuinszenierung „Sissi – Die Kaiserin“ von Michael Kropf. Weitere Unterhaltung bietet das Wunschkonzert von Wolfgang Gratschmaier sowie das Internationale Ballettmeeting und die Sommernachtsgala von Natalia Ushakova. www.sommertheaterpark.at.

Open-Air Festivals am Ratzersdorfer See Ein Festival, das nur von heimischen Acts aus der Region St. Pölten bespielt wird, ist das FeSTPval. Am 28. Juli geben lokale Künstler:innen Einblicke in die Vielfalt der St. Pöltner Musikszene. Von Pop, über BluesRock bis zu Garage Punk und Hard Rock ist für jeden etwas dabei. Das Line-up besteht aus Newcomern und etablierten Bands.

Heuer stehen Litha, SchikK, Salamirecorder, Slooga, Traincorn, Martin Rotheneder sowie das Tom Gomez Duo und DJ Lichtfels im Rampenlicht. Festivalfeeling am See inklusive, also Strohhut aufsetzen! www.close2fan.com. Am nächsten Tag, am 29. Juli hat die Stadt den Blues. Das Bluesfestival holt seit nunmehr 20 Jahren internationale Blues-Größen auf die Bühne am Ratzersdorfer See und lockt Gäste aus Nah und Fern. Zum Jubiläum spielen Bonaventura Amann, The Down Home Percolators, die Mikka Stokkinen Band sowie die Mojo Blues Band auf. Infos unter www.summerblues.at.

Landung am Planeten Frequency

Von 17. bis 19. August strömen rund 50.000 Menschen in die Landeshauptstadt, wenn FM4 beim größten Festival des Landes die Besucher:innen mit internationalen Top-Acts auf den Planeten Frequency katapultiert. Line-Up und Tickets unter www.frequency.at

Jazz in barockem Ambiente

Der Ausklang des Festivalreigens steht im Zeichen der Jazzmusik. Von 24. bis 26. August begeistern internationale Jazzmusiker:innen bei jeweils zwei Konzerten an drei Abenden im barocken Innenhof des Stadtmuseums mit den unterschiedlichen Facetten des Jazz. Heuer mit Jelena Popržan, Gina Schwarz, die Multiphonics 8, Yaron Herman, das Tuba Trio sowie Alpha Trianguli und Shake Stew. www.barockfestival.at/jazz-im-hof

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Die Band SchikK aus dem Pielachtal bringt mit einer Mischung aus Brass, Schlagzeug und Mundart-Texten beim FeSTPval richtiges Sommerfeeling mit an den See. Stadt St. Pölten – Fachbereich für Kultur und Bildung, Prandtauerstraße 2, 3100 St. Pölten, 02724/333 2601, kultur@st-poelten.gv.at,
www.st-poelten.at/freizeit/kultur

400 JAHRE STADTANSICHT DES MALERS BALDUIN HOYEL

SOMMERWOCHEN IN DER VOLKSHOCHSCHULE

2023 steht mit der großen Stadtansicht des Malers Balduin Hoyel ein außergewöhnliches Kunstwerk im Mittelpunkt des Interesses. Seine Entstehung im Auftrag der Stadt St. Pölten jährt sich heuer zum 400. Mal! Über Jahrhunderte wurde dieses Bild im Rathaus verwahrt und präsentiert, seit vielen Jahren gehört es zum Bestand des Stadtmuseums. Die Faszination des Bildes ergibt sich daraus, dass es Stadtporträt und Ereignisbild zugleich ist, denn der Maler nimmt auch Bezug auf die Belagerung durch aufständische Bauern 1597. Das Gemälde, das zugrunde liegende historische Ereignis, die Wahrnehmung des Bildes in der Stadtgeschichtsforschung, aber auch der Maler selbst sind Themen der Ausstellung im Stadtmuseum. Diese ist bis zur „Langen Nacht der Museen“ am 7. Oktober von Mittwoch bis Sonntag zwischen 10 und 17 Uhr zu sehen.

Seit dem Vorjahr gibt es in der Volkshochschule St. Pölten auch im Sommer ein abwechslungsreiches Programm. In den Monaten Juni und Juli erwarten Interessierte spannende Vorträge, Themensprachkurse, Workshops sowie Kreativ-, Tanz- und Bewegungskurse. Im ungewöhnlich spannenden naturwissenschaftlichen Vortrag über „Sex im All“ können Himmelsbegeisterte herausfinden, ob Fortpflanzung in der Schwerelosigkeit überhaupt möglich ist. Für Freunde internationaler Kulinarik gibt es einen Genussvortrag über Mexiko mit Verkostung von Spirituosen oder einen Vortrag über Kreta die griechischen Götter. Bewegungsfreudige kommen bei einem der vielen Tanzkurse auf ihre Kosten. Mit einem Italienisch- oder Griechisch-Kurs können Urlauber ihre Sprachkenntnisse auffrischen und erhalten beim Fotokurs wertvolle Tipps für das perfekte Festhalten ihrer Urlaubserinnerungen.

Das gesamte Programm finden Sie unter www.vhs-stpoelten.at

VERANSTALTUNGSTIPPS

16. Juni

Lastkrafttheater –Ein seltsames Paar

Südpark bei Musikschule St. Pölten, Maria-Theresia-Straße 23

15. Juli

Meisterkonzerte –Open Air Orchestergala

Südpark bei Musikschule St. Pölten, Maria-Theresia-Straße 23

Landestheater

25. Mai

Premiere – Dunkelblum

2. Juni

Premiere – Theater mit Horizont: Peter Pan

15. September

Premiere –Der Menschenfeind

Festspielhaus

3. Juni

Marcos Morau. Skånes Dansteater – Karneval der Tiere

16. Juni

Rachid Ouramdane. Corps extrêmes – Tanz

Stadtmuseum

10. & 17. Juni

Barockfestival

Märchenlesung für Kinder von 6 bis 10 Jahren

12. Juni

Ausstellungseröffnung

Rathausgalerie „99 Blickpunkte“ von Josef Benes

bis 30. September

Ausstellung Bisenz –Der Maler

Weitere Veranstaltungen finden Sie unter events.st-poelten.at

Stadtbücherei

2. Juni

Forscherkiste – Experimente für Kinder von 6 bis 9 Jahren

9. Juni

Bilderbuchkino –Vorleseabenteuer für Kinder von 4 bis 6 Jahren

musik.stp.live

www.st-poelten.at/freizeit/ aktivitaeten/innenstadt/ 17880-musik-liegt-in-der-luft

www.facebook.com/stpoelten

MFG 05 23 55 ADVERTORIAL
www.instagram.com/st.poelten www.twitter.com/st_poelten
STADT IM BILD VORTRÄGE, WORKSHOPS & CO.
Noch bis 1. Juli Konzerte von Künstler:innen aus der Region in der Fußgängerzone.

EIN MÄRCHEN IN PASSING

Wenn es stimmt, dass Antiquitäten weit mehr sind als nur rein funktionale, schnöde (Möbel)Stücke, sondern vor allem Nahrung für die Seele und fürs Auge, dann passt bereits die Anfahrt zur neuen „Hofgalerie Figl“ in Windpassing perfekt in diesen Gedankengang.

Denn die ist selbst schon ein Genuss und führt zwar vermeintlich aus der Stadt hinaus, aber direkt ins St. Pölten der Dörfer hinein. Stattersdorf, Harland, Altmannsdorf, Windpassing. Je weiter ich komme, umso mehr lichten sich die Häuserreihen zur Linken und Rechten und geben den Blick auf die Umgebung frei, die in sanften Hügeln gemächlich zum bewaldeten Horizont ansteigt. Nach dem wochenlangen Regen sind die Wiesen saftig grün wie selten und bilden einen herrlichen Kontrast zu den blühenden Rapsfeldern, die in sattem Gelb strahlen. Dazwischen tuckern Traktoren über die braunen Erdschollen der Felder, wo im Sommer Mais und Weizen geerntet werden wird. Das letzte Teilstück zwischen Altmannsdorf und Windpassing wird von der hoch thronenden Ochsenburg wie vor einer kitschigen Filmkulisse im Hintergrund eingenommen, wobei mein Weg zuletzt in Windpassing nach links abzweigt und nach rund 50 Meter über Kopfsteinpflaster bei der „Hofgalerie Figl“ endet. „Sie haben Ihr Ziel erreicht“, frohlockt mein Navi – ländliche Idylle pur, gerade einmal zehn Minuten von der Innenstadt entfernt.

Anton, der Zauberer

Ich kenne den alten Bauernhof, den die Familie Figl in den 80er-Jahren erworben hat, noch aus meiner Ju-

gendzeit. Der renovierte Wohntrakt strahlte schon damals für den Besucher eine romantische Heimeligkeit aus, während der ehemalige Wirtschaftstrakt in einer Art Dornröschenschlaf vor sich hindämmerte. Nun haben ihn die Figls wachgeküsst – und wie! Ich komme aus dem Staunen nicht heraus, als mich der Hausherr Anton Figl durch die Räumlichkeiten führt. Das sollen die modrigen, halbverfallenen alten Gemäuer aus meiner Erinnerung sein? Aus der alten Traktorgarage ist ein behaglicher Empfangsraum geworden, die ehemalige Werkstatt beherbergt jetzt einen wunderschönen Verkaufsraum, der Schweinestall ist zum Kaminzimmer mutiert und auch das alte Presshaus fügt sich elegant ins Gesamtensemble. „Mit der Restaurierungsidee bin ich ja schon gut zehn Jahre schwanger gegangen“, verrät Figl. Die Corona-Zeit hätte dann einen guten Anlass geboten, die Sache nachhaltig anzugehen. Architekten hätte der Antiquitätenhändler dafür keine gebraucht, „da reichte schon die eigene Fantasie aus, wie ich mir das vorstelle.“ Dafür legte eine großartige Arbeiterpartie mit der richtigen Grundeinstellung Hand an. „Der Polier hat immer gemeint:

Chef, es gibt keine Probleme, es gibt nur Lösungen!“ Und so war es tatsächlich, denn Herausforderungen taten sich bei den alten Gemäuern zuhauf auf. Teilweise wurden Decken neu eingezogen, ja ganze Gewölbebögen neu aufgebaut. Wände wurden begradigt oder vor den alten schiefen neue gerade hochgezogen. Zwei Jahre, was mir rekordverdächtig kurz erscheint, wurde niedergerissen, aufgemauert, verputzt, gehämmert, gebohrt, verlegt, was das Zeug hält. Herausgekommen ist ein

Antiquitäten sind nicht teuer! Wenn man sich den Lebenszyklus ansieht, ist das Gegenteil der Fall!

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WIND-

DÉJÀ-VU. Jahrzehntelang logierte

„Antiquitäten Figl“ in der Schreinergasse. Der ehemalige Verkaufsraum scheint in der neuen „Hofgalerie“ 1:1 wiedererstanden.

wahres Kleinod, in dem einige der schönsten Antiquitäten, die Anton Figl im Laufe der Jahre zusammengetragen hat, eine unvergleichliche Atmosphäre schaffen und Zeugnis seiner Leidenschaft und Liebe zum Alten ablegen. „Ich kaufe ja nur Stücke, die mir auch selbst gefallen. Bleibt etwas länger in unserem Besitz, ist es nicht verloren, sondern dann erfreue ich mich eben selbst daran.“ Zudem hat er vieles, was lange Zeit in den alten Scheunen geschlummert hat, nunmehr verbaut, wie etwa die alten Kehlheimerfliesen, die den gediegenen Steinboden bilden. Oder ein gotischer Fensterrahmen, den Figl kurzerhand zur Kamineinfassung umfunktioniert hat, als hätte dieser

nie eine andere Bestimmung in sich getragen. All das bildet den perfekten Rahmen für die Präsentation der schönen Einrichtungsgegenstände –massive Tische, Skulpturen, Bilder, Teppiche, alte Türen und Bauerntruhen. Es würde zu weit führen, jedes Teil einzeln zu beschreiben, aber ein alter Bauernkasten sei als Pars pro Toto für die Besonderheit der Schätze erwähnt. Er trägt die Beschriftung „1777“ und „Anna Catharina Prandtauerin“. „Es war reiner Zufall, dass ich ihn gefunden habe – ein Kollege aus Tirol machte mich darauf aufmerksam“, verrät Figl. „Aber es ist tatsächlich ein Kasten aus dem Geburtshaus Jakob Prandtauers, aus Stans in Tirol, der sich im Besitz ei-

ner Nachfahrin befand.“ Dank Figl ist das schöne Stück dem berühmten Baumeister, der in St. Pölten zu einem der berühmtesten Baumeister des Barock avancierte, sozusagen mit Verspätung nach Niederösterreich nachgereist.

Tiroler Dachbodengeschichten Tirol und alte Bauernmöbel sind auch gute Ausgangspunkte, wenn man sich auf die Suche nach den Ursprüngen von Figls Sammelleidenschaft begibt. Zwar wird schon zuhause – „meine Eltern waren ja sehr kunstsinnig, in der Bibliothek meines Vaters standen zahlreiche Kunstbücher und Bildbände, in denen ich schmökerte“ – sein Faible für

TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: MARIUS HÖFINGER, ZVG, AGENTUR KLASAN MFG 05 23 57

Ästhetik geweckt, aber erst in Tirol verband sich dieses allgemeine Interesse mit ganz konkreten Objekten der Begierde, alten Möbeln und Einrichtungsgegenständen, die Figl u einer Art Jäger des verlorenen Schatzes werden lassen. „Mein Vater fuhr sein ganzes Leben lang, insgesamt 75 Jahre, nach Virgen in Osttirol.“ Im zarten Alter von vier Jahren begleitet der kleine Anton seinen Vater erstmals – 40 weitere Aufenthalte sollten folgen. „Ich hab mich mit den Kindern im Ort angefreundet und wir haben die alten Dachböden unsicher gemacht“, erinnert er sich. Für die Kleinen exklusive Zauberorte, „weil die Erwachsenen dort quasi nicht hinauf durften, weil das den Hausfrauen peinlich war, ‚weil es so ausschaut‘“, lacht Figl. Auf diesen Entdeckungsreisen erspäht der Bub jede Menge alte Möbel, die ihn in den Bann ziehen – Truhen, Kästen, Bilder, Spinnräder. „Irgendwann hab ich meinen Vater gefragt, ob ich nicht einmal etwas kaufen darf“, was der Senior aber zunächst ablehnt, „weil er meinte, man dürfe diese Stücke nicht entwurzeln, die gehörten doch hierher nach Tirol.“ Als dieselben Teile im Jahr darauf mittlerweile kaputt gegangen sind oder überhaupt vom Bauern entsorgt wurden, lässt sich der Vater doch umstimmen. „Mit 15 Jahren habe ich meine er-

sten drei Truhen in Tirol gekauft.“ Eine stellt er in einem der alten Stadtmauertürme in der St. Pöltner Promenade auf, „der meiner Mutter gehörte und wo wir Jugendliche ein Ritterzimmer einrichteten“, die beiden anderen verkauft er – der Beginn seiner Karriere als Antiquitätenhändler, auch wenn das der Jugendliche damals wohl noch gar nicht so am Plan hat.

Wiener Schulung, St. Pöltner Geschäfte Denn zunächst geht es auf die Uni nach Wien, wo Figl Welthandel studiert. Nebenbei verdient er sich mit dem Handeln von alten Möbeln aber bereits ein nettes Zubrot. Um noch tiefer in die Materie einzutauchen „und die Grundlagen des Geschäfts besser kennenzulernen“, arbeitet er zudem einmal in der Woche beim Wiener Galeristen E. H. Herzfeld in der Dorotheergasse. „Der war der einzige, der für junge Leute ein offenes Ohr hatte. Dort hab ich 100 Schilling in der Woche verdient und am Abend nach der Arbeit immer ein Abendessen bekommen, im Zuge

VORHER. Jahrelang schlummerten der ehemalige Schweinestall, die alte Werkstätte & Co. im Dornröschenscvhlaf, bis die Bagger auffuhren ...

dessen wir fachgesimpelt haben“, erinnert sich Figl zurück. Obwohl alles in gewisser Weise auf eine Karriere als Antiquitätenhändler und Galerist hinauszulaufen scheint, führt Figls Berufslaufbahn – familiär vorgeprägt – zunächst in eine andere Richtung: Der Kaufmann übernimmt 1968 das Ledergeschäft seiner Mutter in der St. Pöltner Marktgasse. Als gegenüber ein Geschäftslokal frei wird, gründet er zudem gemeinsam mit seiner Ehefrau Doris das „Flo Flo“, das für gut ein Jahrzehnt zu einer von St. Pöltens angesagtester Modeboutique avancieren sollte. Seiner Antiquitätenleidenschaft bleibt der Unternehmer freilich auch in dieser Zeit treu, bis sie schließlich gänzlich zum Hauptbusiness wird.

1985 ziehen sich die Figls nämlich aus der Modebranche zurück und eröffnen stattdessen ihre legendäre Galerie „Antiquitäten Figl“ in der Schreinergasse, die rasch zu einer der besten Adressen der Branche zählt. Über 30 Jahre lang halten die Figls dem Standort – zunächst an der Adresse Nummer 4, dann im gut dreimal so großen Geschäftslokal

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Der Polier hat immer gemeint:
„Chef, es gibt keine Probleme, es gibt nur Lösungen!“

gegenüber – die Treue und tragen nachhaltig dazu bei, dass die „feine Gasse“ zwischenzeitig als exklusivste Einkaufsstraße St. Pöltens gilt. 2022 sperrt Anton Figl aber das Geschäft zu und beschließt, die Galerie auf den Bauernhof zu verlegen – so etwas wie eine Art Nachhausekommen, wickelte er doch schon anno dazumal seine ersten Geschäfte von hier aus ab.

Die Hofgalerie

Wer heute in Windpassing den Verkaufsraum der „Hofgalerie“ betritt, erlebt so etwas wie ein Déjà-vu, weil dieser ident zu jenem in der Schreinergasse zu sein scheint. „Es ist sich einfach alles gut ausgegangen“, schmunzelt der Hausherr. Dem Besucher vermittelt diese Wiedererkennbarkeit ein angenehmes Gefühl von Kontinuität.

Warum man sich überhaupt aus der Innenstadt zurückgezogen hat, erklärt Figl mit dem veränderten Konsumentenverhalten. „Die klassische Laufkundschaft ist zusehends ausgeblieben.“ Viel würde heute bereits im Internet recherchiert, wo übrigens auch die Figls unter www. artfigl.at vertreten sind, erst im nächsten Schritt kommt man sich dann das Objekt der Begierde in natura anschauen. „Dazu bedarf es aber keiner durchgehenden Öffnungszeiten, sondern größtmöglicher Flexibilität.“ Die Figls haben daher nur an zwei Tagen, Mittwoch und Samstag, von jeweils 11-18 Uhr fix geöffnet, während man gegen telefonische Terminvereinbarung jederzeit in Windpassing willkommen ist. „Und man braucht auch keine Scheu zu haben

anzuklopfen, wenn man gerade vorort ist!“

Zurückgezogen hat man sich übrigens nicht nur aus der City, sondern auch aus dem Messegeschäft. „Früher waren wir ja auf allen großen Kunst- und Antiquitätenmessen vertreten – im Palais Ferstel, in der Residenz Salzburg, in der Hofburg, im Wiener Künstlerhaus, Schloss Laxenburg.“ Die Ausstellungen seien Orte gewesen, wo die Kunden direkt gekauft hätten oder wo zumindest Geschäfte angebahnt wurden. „Aber das rechnet sich heute nicht mehr.“ Zu mächtig sei die Konkurrenz der Auktionshäuser, wohin sich das Geschäft zusehends verlagert hätte. „Man braucht sich ja nur die Zahlen anzuschauen: Fanden früher vielleicht ein-, zweimal im Jahr Auktionen statt, so werden solche nun praktisch laufend durchgeführt.“

Auch im Hinblick auf die Sichtung des Marktes, das Auffinden attraktiver Ware, sei diese Konkurrenz massiv spürbar. „Viele Erben lassen die Häuser einfach von Auktionshäusern ausräumen und von diesen die Gegenstände verkaufen. Wenn dann die Abrechnung mit den hohen Provisionszahlungen eintrudelt, kommt für viele oft das große Erwachen.“

Hoch-Zeiten und Eyecatcher

Die Zeiten hätten sich jedenfalls geändert. „Die Hoch-Zeit des Antiquitätenhandels war eigentlich schon in den 60er Jahren!“ Damals hätte es in gutbürgerlichen Kreisen zum guten Ton gehört, „dass etwa jeder seine eigene Bauernstube hat, für die man dementsprechend Originale suchte.“ Geschmacklich seien die Häuser dabei bisweilen ein wildes Durcheinander gewesen, weil neben besagter Bauernstube vielleicht ein Biedermeier-Zimmer lag und ein dritter Raum daneben wiederum „modern“ eingerichtet war. Es sei auch gar nicht immer unbedingt die große Liebe zu alten Schätzen ausschlaggebend für den Kauf von Antiquitäten gewesen, sondern vielfach das damit verbundene Prestige.

Auch die Zeiten, als man ganze Häuser von oben bis unten mit Antiquitäten vollstellte, seien vorüber, „wenngleich wir das früher natürlich öfter erlebten.“ Sohn Florian, der sich in der Zwischenzeit zu uns gesellt hat, erinnert sich etwa an einen Kunden „der die gesamte Einrichtung bei uns kaufte. Als wir ihn fragten, wohin wir die Ware liefern sollen, meinte er aber ‚Ich habe noch kein Grundstück und noch kein Haus.‘“ So standen die schönen Teile

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EIN MÄRCHEN IN WINDPASSING
NACHHER. Innerhalb von nur zwei Jahren verwandelten die Figls den ehemaligen Wirtschaftstrakt in ein unvergleichliches Kleinod, „Die Hofgalerie“.

sechs Jahre lang im Lager „bis er ein Haus gebaut hatte. Aber er hatte eine klare Vorstellung der Einrichtung und wollte die schönen Stücke eben jetzt, da sie am Markt waren, unbedingt sichern und sich das Haus um seine Möbel bauen!“

Heute richte man sich dahingegen in der Regel modern ein, auch weil es der jüngeren Generation im Hinblick auf Antiquitäten oftmals schlicht an Wissen fehlt. Dennoch ortet Anton Figl aktuell bei manch jungen Erwachsenen durchaus ein gewisses Antiquitäten-Revival. „Der Trend geht dahin, dass man sich zwar modern einrichtet, dann aber ganz bewusst ein, zwei schöne alte Stücke als Kontrast, als Eyecatcher dazu sucht.“ Dies würde in der Regel ganz gut miteinander harmonieren „weil Qualität verträgt sich immer mit Qualität, egal ob modern oder alt!“

Wer billig kauft, kauft teuer

Mit einem hartnäckigen Vorurteil wollen die Figls diesbezüglich auch aufräumen: „Antiquitäten sind nicht teuer! Wenn man sich den Lebenszyklus ansieht, ist das Gegenteil der Fall!“ So sei es in der heutigen Wegwerfgesellschaft üblich, Möbel nach ein paar Jahren komplett auszutauschen. „Die landen dann meist am Sperrmüll, weil sie gar nicht so lange

„DIE HOFGALERIE“ ANTIQUITÄTEN & BILDERGALERIE

DKFM. ANTON FIGL 3104 Windpassing/St. Pölten Karl Eichinger Straße 3

erinnern, als Professor Leopold anno dazumal für 3.000/4.000 Schilling jede Zeichnung, die ihm untergekommen ist, aufgekauft hat und dafür belächelt wurde. Heute sind sie 300.000 Euro und mehr wert!“ Wobei Anton Figl den reinen Fokus auf monetären Wertzuwachs zwiespältig betrachtet, weil man den Einrichtungsgegenständen damit häufig die Seele raubt. Figl senior geht es vor allem auch um die Seele, die Aura, die Schönheit, welche Antiquitäten ausstrahlen. „Antiquitätenkauf soll ein Akt der Lebensfreude und des Vertrauens sein, und die tägliche Freude, die ein geliebtes Stück seinem Besitzer jeden Tag vermittelt, ist durch Geld nicht aufzuwiegen! Das ist schon etwas Besonderes!“

Schöne Stücke und Veltliner

Öffnungszeiten Mittwoch & Samstag 11–18 Uhr und nach telefonischer Vereinbarung www.artfigl.at

halten. Schöne alte Möbel begleiten dich hingegen dein ganzes Leben lang und du kannst sie an die nächsten Generationen vererben.“ Die Stücke seien dabei nicht nur eine Freude zum Anschauen, sondern auch wertstabil „während du etwa bei einem Auto schon nach einem Jahr einen Wertverlust von 30% hast“, versucht Florian Figl die Relationen klar zu machen. Manche Käufer würden Antiquitäten auch als Wertanlage betrachten und sich auf Sicht eine saftige Rendite erhoffen „was auch möglich ist. Ich kann mich noch gut

Besonders wie die „Hofgalerie“, wo man solche Seelen-Stücke finden kann, „so man in die richtige Richtung fährt“, lacht Florian Figl. Es sei nämlich schon vorgekommen, dass angesagte Besucher verzweifelt angerufen hätten, sie könnten die Galerie nicht finden. „Nur, die waren in Wimpassing. Wir sind aber in Windpassing bei Harland, nur acht Kilometer von der City St. Pölten entfernt.“ Eingebettet in ein grandioses, ländliches Ambiente, das perfekt zu den gehandelten Waren passt. Und zur Gastfreundschaft der Figls. „Wer vorbeikommt, kriegt ein Glas Veltliner“, verspricht Anton Figl. Vor allem wartet aber das unvergessliche Erlebnis der Hofgalerie, die in ihrer Homogenität und Liebe zum Detail selbst schon wieder als Gesamtkunstwerk betrachtet werden muss. So oder so fährt man nach dem Besuch also reicher nachhause, im Idealfall ja vielleicht als glücklicher Besitzer eines neuen, schönen alten Stückes, das man schon so lange für daheim gesucht hat „und das einem fortan ein Leben lang Freude bereiten wird!“

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EIN MÄRCHEN IN WINDPASSING
Telefon & Email +43 664 300 54 65 oder +43 664 541 82 58 artfigl@aon.at
FAMILY AFFAIRS. Anton Figl mit Sohn Florian, der 1995 in den Betrieb eingestiegen ist, und Schwiegertochter Tanja Figl.

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VERANSTALTUNGEN

TERZERHAUS 2023

SHOWGRILLEN

Jedes Wochenende ab 03. Juni

FRÜHSCHOPPEN

So, 25. Juni mit Live-Musik

SUNDAY BRUNCH

So, 09. Juli & So, 06. August

GRILLABEND

Sa, 26. August mit Live-Musik

JAZZ AM BERG

Sa, 17. Juni - Open Air Konzert

©Seppi Gallauer; ©istock.com/Alexander Raths; ©NB/knipserl.at; ©Bergbahnen Mitterbach/Lindmoser

DIESER SOMMER WIRD EIN HIT

Auch diesen Sommer dürfen wir uns wieder auf zahlreiche hochkarätige Sommerfestivals freuen, die das kunstsinnige Herz mit Theater, Oper, Operette, Kino, Lesungen und vielem mehr verwöhnen. Die Besucherinnen und Besucher haben also wieder die – absolut schöne – Qual der Wahl. MFG präsentiert eine kleine Auswahl an Highlights und wünscht schon jetzt allen herrliche Sommerabende bei wolkenlosem Himmel sowie spannende und vergnügliche Stunden.

31. Juli – 11. August

„IL TURCO IN ITALIA“ IN KIRCHSTETTEN

Belcanto hautnah! Ist das Credo, wenn Rossinis turbulente Komödie im Festsaal von Schloss Kirchstetten zu erleben ist. Der türkische Fürst Selim geht auf Reisen um die europäischen Sitten kennen zu lernen. Natürlich alles andere als frei von kulturellen Komplikationen.

www.schloss-kirchstetten.at

16. – 20. August

3X ORCHESTER-OPENAIR

Eine Symbiose aus Licht, Musik & barockem Ambiente – der würdige Rahmen für einmalige Konzert-Erlebnisse. 16. 8. Klassik unter Sternen – Amerikanische Nacht; 17.8. Schlager Classics – Lissi & Herr Timpe mit den Weinviertler Philharmonikern; 19. 8. Symphonic Rock.

www.schloss-kirchstetten.at

12. Juli – 20. August OPER IM STEINBRUCH – CARMEN

Habanera, Blumenarie, Torero-Lied, Seguidilla, Schmugglerquinte – all diese tönenden Meisterwerke finden ihren Widerhall in der wilden wie sanften Landschaft des Steinbruchs St. Margarethen, der so zum Gleichnis wird für die faszinierendste Figur der Opernbühne: Carmen.

www.operimsteinbruch.at

22. Juni – 6. August SOMMERNACHTSKOMÖDIE

Bei Nina Blums Sommernachtskomödie Rosenburg feiert am 22. Juni „Shakespeare in Love“ Premiere. Als Hollywoodfilm erntete die Komödie rund um Romeo und Julia sieben Oscars und Weltruhm. Auf der Rosenburg ist die Theaterfassung zu sehen: Shakespeare goes Waldviertel.

www.sommernachtskomoedie.at

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FOTOS SHUTTERSTOCK,
PILLER,
HESZ, ADRIAN PFEFFER, ENNEVI –COURTESY OF FONDAZIONE ARENA DI VERONA
EINE VERANSTALTUNG DER NÖ FESTIVAL UND KINO GMBH IN KOOPERATION MIT Ö1 WWW.GLATTUNDVERKEHRT.AT
PATRICK
ANDREAS TISCHLER,MARTIN
27. Festival 14.–30.7.2023

SOMMER 2023

DER GRAF VON LUXEMBURG

Operette von Franz Lehár

16.6. – 20.8., Sommerarena

CABARET

von JOE MASTEROFF / FRED EBB / JOHN KANDER

7.7. – 25.8. , Stadttheater

FRÜHJAHRSPARADE

Operette von Robert Stolz

30.7. – 27.8., Sommerarena

Bühne Baden, Theaterplatz 7, 2500 Baden

T +43 2252 22522

www.buehnebaden.at

Sieglinde Feldhofer, Iurie Ciobanu DER GRAF VON LUXEMBURG

Foto: Lalo Jodlbauer | Entgeltliche Anzeige

15. Juli – 5. August OPER BURG GARS – AIDA

Im Sommer 2023 verwandelt sich die Burg Gars in den berühmten ägyptischen Tempel am Nil zur Zeit der Pharaonen. Im 210. Geburtsjahr des Ausnahmekomponisten steht Giuseppe Verdis „Aida“ auf dem Spielplan. Zusätzlich zur Oper als Herzstück lockt die OPER BURG GARS heuer mit einem umfassenden Veranstaltungsprogramm, von Otto Lechner über JOSH. und Omar Sarsam bis hin zum kolossalen Chorkonzert Carmina Burana & Carmina Austriaca.

www.operburggars.at

16. Juni – 9. September ARENA DI VERONA – OPERA FESTIVAL

Zum 100-jährigen Jubiläum lädt Europas berühmtestes Opernfestival zum unvergleichlichen Operngenuss in die weltberühmte Arena di Verona. Insgesamt stehen mit Aida, Carmen, Il Barbiere di Siviglia, Rigoletto, La Traviata, Nabucco, Tosca und Madama Butterfly gleich acht Blockbuster der Opernliteratur am Programm, allesamt wieder in legendären Inszenierungen mit berühmten Sängern, dem grandiosen Orchester sowie Chor und Ballett der Arena di Verona.

Information: Telefon +43 (0)2682/719 - 8000; www.schlossspiele.com

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2023

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Samstag, 29. Juli | Ratzersdorfer See

Einlass: 17:00 Uhr, Beginn: 18:00 Uhr

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STARKE FRAUEN AUF DER BÜHNE DER SOMMERSPIELE MELK

Die Sommerspiele Melk werfen heuer einen Blick in die Kristallkugel, entführen ins antike Griechenland und bekommen Besuch von starken Frauen aus der Geschichte und der Gegenwart. Mit der Premiere von „Kassandra und die Frauen Trojas“ am 14. Juni startet wieder ein bunter Programmreigen mit zahlreichen Highlights. Während die legendäre Königstochter Kassandra ihren Blick auf die Geschichte zeigt, sorgen Götter und Sagenwesen bei der Musikrevue „One Vision“ für ausgelassene Stimmung. Den Geheimnissen einer mysteriösen Glaskugel ist „Berni Bernstein“ in der Kinderrevue auf der Spur.

Frühstück bei uns

Auf eine hochkarätige Gesprächsrunde können sich die Besucher:innen beim „Frühstück bei uns“ am 02.07. freuen. Philosophin Lisz Hirn, die ehem. ORF-Korrespondentin Susanne Scholl, Autorin Nava Ebrahimi und Fridays for Future Aktivistin Paula Dorten werfen einen weiblichen Blick auf die Welt und unseren Alltag und reden darüber was berührt, bewegt, aufregt und zum Nachdenken bringt.

Frauen verschaffen sich Gehör

Wild wird es am 10.08. beim Konzert „Female Noise“ wenn My Ugly Clementine und Dives die Bühne in der Wachauarena Melk stürmen.

Alle Scheinwerfer sind dann auf zwei Bands gerichtet, die es in der österreichischen Indie-Pop-Szene verdienen, als glänzende Juwelen bezeichnet zu werden, außerdem als emanzipatorisch und laut. Die Musikerinnen schaffen es, fröhlich-punkige Lockerheit mit Empowerment und Sichtbarmachung von Geschlechterklischees schwerelos zu kombinieren. Mit im Gepäck haben My Ugly Clementine und Dives natürlich auch Songs von ihren neuen Alben. An diesem Abend bringt geballte Frauenpower die Wachauarena zum Beben. Kassandra wäre stolz.

Infos & Karten

Wachau Kultur Melk GmbH

Jakob-Prandtauer-Straße 11, A-3390 Melk +43 2752 540 60, office@wachaukulturmelk.at sommerspielemelk.at

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FOTO MALA KOLUMNA
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Fotos: Ralph Larmann, Roxanne de Roode, George Holz 02.07.23 25.06.23 09.07.23 TICKETS: 02742 71400, vaz.at, Raiffeisenbanken, oeticket.com, noen.at/ticketshop VAZ ST. PÖLTEN Beth Hart
Jones Suzanne Vega

ODYSSEUS & ROBINSON

ICH MARKENSCHWEIN

In meiner Prada-bedeckten Brust schlummern zwei Herzen. Das eine möchte den Louis-Vuitton-Store anzünden, das andere davor noch ein paar Designer-Jacken rausretten. Meine Generation hat den Kapitalismus vererbt bekommen und während sie ihn hasst, liebäugelt sie immer wieder mit dem Prinzip Angebot und Nachfrage.

Ich ertappe viele meiner Freunde und mich mit jedem Blick in unsere Kleiderschränke dabei, Heuchler zu sein. Der Kapitalismus ist böse, aber die Hose von Yves Saint Laurent – und wehe sie ist fake!

Aber warum liegt uns an Marken so viel? Auf der einen Seite ist es sicher der Spaß daran, auszusehen, als seien wir im Ersten Bezirk gerade aus der Wohnungstür getreten. Denn gleichzeitig wissen nur wir, dass der Weg mit der U3 gerade ein deutlich weiterer war. Luxusmode wird zur Absurdität. Wir kaufen das teure Zeug günstig auf Flohmärkten oder knüpfen es einer älteren Dame via „willhaben“ ab, weil sie nicht weiß, wie viel der alte Staubmantel wert ist. Welche Rolle spielt schon die Zurschaustellung von Marken, wenn auch der Soziologie-Student damit angeben kann?

In diesem Protest liegen aber zwei traurige Wahrheiten. Erstens sind wir im Kapitalismus gefangen und müssen es uns darin richten. Ich schlafe besser, wenn mein Kleiderschrank auch als Sparbuch durchgeht. Und auch wenn wir uns über Marken und Menschen, die dafür tausende Euro ausgeben, lustig machen, sind wir doch deren Opfer. Denn leider fühlt es sich irgendwie gut an, wenn wir zumindest so aussehen, als wären wir gerade in der Kärntnerstraße aufgewacht.

St. Pölten am Meer? Immerhin finden sich hier neuerdings zwei der berühmtesten Seefahrer der Literaturgeschichte, Odysseus und Robinson, quasi als geschmeidige Gastroadressen wieder, die uns vor allem an entspannten Sommertagen und lauen Abenden das Leben versüßen. Odysseus, eindrucksvoll per Video auf Facebook dokumentiert, ist nach langer Irrfahrt endlich am Viehofner See angekommen – Erwin Nolz hat dort nämlich einen Teil der Seedose zur „Odyssee­Bar“ umfunktioniert. Wer die Traisen Richtung Süden bis

Höhe Stattersdorfer Steg hinaufschwimmt, radelt oder spaziert, trifft inmitten lauschiger, schattenspendender Bäume auf den zweiten „Gestrandeten“. Das „Robinson‘s“ (älteren Indigenen als Robinson Buffet ein Begriff), das jahrelang – wie es sich für Schiffbrüchige gehört – als verschollen galt, ist dank Ricardo Zanot jetzt endlich wieder ein lauschiger Hafen für Radlfahrer, Spaziergänger und Chiller. Mag ja sein, dass St. Pölten nicht am Meer liegt, aber das heißt ja noch lange nicht, dass es nicht ein guter Ort zum Stranden ist.

SUPERSHERIFF

– alles auf die Knie“, trällerten dereinst Drahdiwaberl. Gar so gefährlich ist es bei René Grohs zwar nicht, aber auch „Honorary Deputy Sheriff“ darf er sich nun hochoffiziell nennen. So wurde ihm nun – nachdem er bereits zum Ehrenbürger von ELVIS Geburtsstadt Tupelo ernannt worden war – vom dazugehörigen Bezirk Lee County diese weitere Ehre zuteil. Für Grohs eine weitere Anerkennung seines unermüdliches Engagements, die Geschichte des King hochzuhalten, „wobei das ja nicht nur ein persönliches Faible, sondern eigentlich eine Lebenseinstellung ist“, so der Supersheriff. Damit das Ganze ein Gesicht

Supersheriff

hat, wurde ihm auch gleich ein originaler Stetson Sheriff­Hut samt Badge von den Amis mitgeliefert. Also, wer René in nächster Zeit sieht – besser nicht aufmucken, denn wie wusste Drahdiwaberl: „Wie Clint Eastwood – frogt ned, schießt gut!“

68 FOTOS: ADOBE STOCK, ODYSSEE, RENÉ GROHS
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THE GAME BEGIN

KOSTENFREI PROBEN

Die kostenfreien Proberäume haben bei uns schon eine lange Tradition“, weiß der dafür verantwortliche Leiter des Freiraums und Jugendkoordinator der Stadt Wolfgang Matzl, „schon im ehemaligen Frostl-Areal und im Karmeliterhof, wo René Voak maßgeblich beteiligt war, probten Bands gratis.“ Seit 2009 stehen bei der MBA-Mülldeponie neun Proberäume zur Verfügung. „Pro Raum sind zwei bis vier Bands drin, die Zahl der Bands und Projekte wechselt dabei ständig. Ein Raum ist als Tonstudio für einen DJ/Producer vergeben, einer für die Musikschule. Es ist ein ziemlich cooles Biotop“, so Matzl weiter, der ab und dann bei den im Grunde selbstverwalteten Räumlichkeiten nachschaut, ob alles in Ordnung ist. „Der Wolfgang ist unser Ansprechpartner, mit ihm steht und fällt alles“, erzählt Tim Sklenitzka von „Aeons Of Ashes“, „die Proberäume sind sicher mit ein Grund, warum die Szene in St. Pölten so vielfältig und erfolgreich ist.“ Momentan wird aber die Warteliste immer länger. „Lange Zeit

PROBERÄUME. Luxuriös sind sie nicht, aber dafür umso wichtiger für die Musikszene.

Junge Band, wenig Mittel, dafür umso mehr faszinierende Musikideen – das könnte in St. Pölten funktionieren, vorausgesetzt, man ergattert einen der „24/7“ kostenlos zur Verfügung stehenden Proberäume. Denn die gibt’s, im Gegensatz zu den meisten anderen Städten, hier angeboten. Allein, die Warteliste wird zurzeit immer länger.

haben wir alle Anfragen unterbringen können, aber seit einem Jahr füllt sich die Warteliste. Wir denken schon über neue Proberäume nach, wir haben den Bedarf erkannt und arbeiten daran, vielleicht im Löwenhof, aber momentan ist es noch zu früh, darüber konkret Auskunft zu geben“, möchte Matzl die Pläne der Kulturverwaltung nicht vorwegnehmen.

Zwei neue Proberäume geplant Im Sonnenpark am Spratzerner Kirchenweg wird begonnen, die beiden Häuser zu renovieren. „Im rechten Haus, das wir mit dem Bund und einem Crowdfunding herrichten, sind neben einem Club und einem Veranstaltungsraum zwei Proberäume und ein offenes Studio geplant. Aber in der ersten Phase werden wir es gerade schaffen, den schwarzen Raum und die Heizung zu machen“, sagt Andreas Fränzl von Lames, „dabei wäre es wichtig, solche Räume zu haben, wo sich die Szene generationenübergreifend treffen kann, wo ein Austausch zwischen Künstlerinnen und Künstlern stattfindet, als sozialer Knotenpunkt. Das war schon im FrostlAreal Grundtradition. Irgendwie herrscht ja in St. Pölten diesbezüglich ein Lokalnotstand.“

Beim linken Haus, das vor allem der bildenden Kunst zur Verfügung stehen soll und dessen Instandsetzung je zur Hälfte von Stadt und Land finanziert wird, können der

24|7
„INVENTAR“. Florian Hartl, Drummer der „Adrenaline Kings“ bespielt seit Beginn einen der Proberäume.

weiße Saal, das Dach, die Fenster und die Heizung renoviert werden.

Austausch zwischen den Bands

Den Austausch gibt es in den Proberäumen bei der MBA-Deponie. „Es ist schon Platz auch für gegenseitige Begegnungen oder Equipment Sharing. Unsere Sängerin July Fellner haben wir hier als ‚growlende‘ Metal-Voice entdeckt“, streicht Tim Sklenitzka den Wert der Proberäume hervor, „wir sind schon seit Beginn dabei und haben uns schon einen Mittelklassewagen erspart.“ Bands wie „Salami Recorder“, „The Attic“ oder „House of Riddim“ nützen ebenfalls die Möglichkeit, rund um die Uhr zu proben und Neues zu entwickeln. Pech haben zurzeit die Bands, die sich auf der Warteliste befinden. Aber auch trist schaut es bei geeigneten, zu mietenden Räumlichkeiten in und rund um St. Pölten aus. Davon weiß etwa der bekannte „Stromgitarrist“

Thomas „Matzi“ Matzinger vom „BnB Project“ ein Lied zu singen: „Etwas Brauchbares zu finden ist nicht einfach, meist bleiben da nur alte, aufgelassene Ställe und Schuppen übrig.“ Dabei wäre das auch im Interesse der Stadtverantwortlichen, wie Wolfgang Matzl erwähnt: „Wäre natürlich auch gedacht, dass sich arrivierte Bands Proberäume selbst mieten.“

Vieles würde fehlen

„Viel Musik würde aus St. Pölten fehlen, hätte es dieses Angebot der Stadt nicht gegeben“, sagt Florian Hartl, Drummer der Hard RockFormation Adrenaline Kings, „wenn ich das erzähle, fragen mich Bands aus allen Teilen Österreichs, ob das wahr ist, rund um die Uhr, kostenlos proben zu können. Hartl, der mit dem Profact-Team schon Produktionen wie „The Wall“ und „Jesus Christ Superstar“ stemmte, spricht klare Worte: „Da kann man eigentlich nur Danke an die Zuständigen der Stadt, allen voran Wolfgang Matzl sagen.“ Hartl war auch schon dabei als noch im Karmeliterhof Kellerräume zur Verfügung gestellt wurden, „nach der Renovierung wurde uns dann die Alternative bei der MBA-Deponie angeboten. Wir können den Proberaum auch phasenweise als Aufnahmestudio verwenden.“

Glücklich, die drinnen sind Glücklich schätzen dürfen sich also die Bands, die zurzeit von den Proberäumen profitieren, die Gruppen und Künstlerinnen und Künstler auf der Warteliste haben weniger davon. „24/7“ kostenfrei proben zu können, weckt natürlich Begehrlichkeiten, bedeutet aber ebenso einen enorm wichtigen Input für die St. Pöltner Musikszene.

EIN MÄRCHEN

Wir tragen gelbleuchtendes Gewand und arbeiten im Straßenbau. Da helfen uns viele Menschen, Männer und Frauen. Gemeinsam schwitzen wir und schnaufen laut. Manchmal sind wir alleine, schnaufen leise und lächeln trotzdem. Wir bauen Straßen und wollen uns jederzeit erreichen oder uns in einem Kaffeehaus treffen, offline, ohne Strom im Bauch, aber mit lachen und reden. So mit Mund und Zunge und Ohren und Malakofftorte. Wenn wir Glück haben, zeigen uns die Omas vor, wie man das am besten macht, wir müssen es aber immer wieder üben. Wir riechen nach Menschen und bauen geduldig Straßen, zum Beispiel von St. Pölten nach Stattersdorf, das ist nicht weit, also im Geografieunterricht. Leider haben wir noch keinen Herzunterricht mit vielen Übungen im Freien. Dort könnten uns Vögel und Bäume weiterhelfen. Wir bauen bei Regen und Sonne, im Sommer und im Winter, essen Tiefkühlspinat, Fleischlaberl, oder Erdbeeren mit Schlagobers und Zucker. Wir arbeiten 24 Stunden am Tag, Mamas oft zusätzlich die ganze Nacht, also 36 Stunden am Tag.

Das regt zwar die Mathematiker und Physiker auf, aber das ist den Mamas wurscht. Die Babys müssen später ja auch Straßen bauen, von St. Pölten nach Barcelona, Venedig, Bangkok, Rom oder nach Mošcenice. Das ist ein kleines Dorf oberhalb von Mošcenicka Draga in Kroatien. Von dort oben sieht man alles. Die Mamas und Babys müssen aber vorher hinzeigen, dass wir es sehen. Beton und Asphalt und Zement haben wir nicht, wir haben nur uns.

TEXT: ANDREAS REICHEBNER | FOTOS: ANJA BENEDETTER MFG 05 23 71 24|7
KOLUMNE ROUL STARKA AEONS OF ASHES. Die bekannte Metal-Band mit u. a. Tim Sklenitzka, Markus Chmelar, July Fellner, Clemens Nolz und Christopher Feiertag probt auch bei der MBA-Deponie. FOTO ADOBE STOCK

JAKOB DUSEK

ICH KANN DAVON LEBEN, VIELMEHR LEBE ICH ABER DAFÜR!

Die Fliehkräfte, Adrenalinschübe und der Kampf Mann gegen Mann haben es Jakob Dusek angetan. Sein WM-Titel im Snowboard Cross hat seinen Hunger freilich nicht gestillt. Im Gegenteil.

Was macht ein Profi-Snowboarder im Sommer, wenn kein Weltcup ist? Viel! Snowboard-Cross-Weltmeister Jakob Dusek (26) von UNION Trendsport St. Pölten zumindest. Der Herzogenburger besucht die Polizeischule in Graz, trainiert im Olympiastützpunkt in Linz und fährt landauf landab Mountainbike-Rennen, bis er von Innsbruck aus wieder mit den ersten Schneetrainings beginnen kann. Dazwischen schaut er nach Möglichkeit gerne daheim in Herzogenburg vorbei, wo er sich

auch Zeit für ein Gespräch mit dem „MFG“ nahm. Zum Café am Rathausplatz reiste er von seiner ehemaligen Schule in Oberwölbling aus an. Dort durfte Dusek den Kindern ein wenig über seine Karriere erzählen: „Das hat Riesenspaß gemacht. Es sind auch viele ehemalige Lehrer von mir gekommen.“ Ein bisschen bekannter ist er seit seinem WMTitel in Bakuriani in Georgien am 1. März geworden: „Auf Instagram und Facebook habe ich gleich jede Menge Nachrichten bekommen. Geändert hat sich in meinem Leben aber nichts. Wenn sich die Leute mit mir mitfreuen, taugt mir das besonders. Das Empfangs-Fest hier in Herzogenburg war ein Wahnsinn.“

Freude beim Freude bereiten Seinen 2. Platz beim Heim-Weltcup auf der Reiteralm reiht Dusek selbst weit oben ein: „In Kanada gratulieren dir bei einem Erfolg die Kollegen, was sehr schön ist. Wenn du deine Familie, Verwandte und deine Freude bei einem Rennen hast, ist das schon was ganz Besonderes.“ Konkreten Karriereplan hat er keinen, bestimmte Ziele schon. „Eine Medaille bei Olympia, aber auch der Gesamtweltcup ist natürlich reizvoll. Wer nach zehn Rennen vorne ist, der ist einfach der Beste!“

In der Saison 2021/22 kletterte er in der Gesamtwertung schon einmal aufs Podest, wurde hinter dem

Deutschen Martin Nörl und dem Vorarlberger Alessandro Hämmerle Dritter.

Vorbilder hatte Dusek nicht wirklich. Als junger Bub fand er den Österreicher Markus Schairer recht gut, sah dessen Weltmeister-Fahrt 2009 im TV. Dem Amerikaner Nick Baumgartner, der 2022 mit 40 Jahren Olympiasieger in Peking wurde, zollt Dusek auch großen Respekt. „Fahren kann ich also lang genug“, lacht er und wird fast philosophisch, „reich werde ich nicht werden. Aber wer hat schon die Möglichkeit das zu machen, was ihm Spaß macht. Ich kann davon leben, vielmehr lebe ich aber dafür.“

Start am Annaberg

Die ersten Male regelmäßig auf dem Snowboard stand Dusek auf dem Annaberg. Bei den NÖ Landesschulmeisterschaften roch er Lunte. Davor war er auch auf Alpin-Ski unterwegs: „Da kann ich mich aber nur mehr daran erinnern, dass irgendwelche Hasen auf meinen Ski gepickt sind. Das muss also sehr früh gewesen sein.“ Mit dem Wechsel in die Ski-Handelsschule Schladming stellte er die Weichen erstmals in Richtung Profikarriere. Seit 2020 drückt Dusek jedoch schon wieder die Schulbank, nämlich jene der Polizei. „Das tut nach einer langen Weltcupsaison richtig gut. Da komme ich raus aus unserer Bubble und kann komplett abschalten“, sagt er. In den nächsten Wochen wird er sich vornehmlich in Linz im Olympiazentrum aufhalten und mit Sportwissenschafter Andreas Prem arbeiten. Im August wird dann wieder in den Wettkampfmodus hoch geschalten, spätestens am Mountainbike beim „Chili 3-Länder Enduro Race“ in Nauders.

72 TEXT: THOMAS SCHÖPF | FOTO: MATTHIAS STREIBEL
WELTMEISTER. Jakob Dusek hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht und ist regierender Snowboard-Cross-Weltmeister.

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ZUM HÖREN

WHAT MATTERS MOST BEN FOLDS

Einer meiner ganz großen Musikhelden hat es geschafft nach acht Jahren wieder ein Album aufzunehmen, welches mit Irrsinn und Tragik gleichermaßen untersucht, während es mit Hoffnung und Verzweiflung, Dankbarkeit und Verlust, Identität und Perspektive rechnet. Das klingt im ersten Moment schwer verträglich, wird aber durch seine unglaublich vertrauliche Stimme und dem Piano leicht zugänglich gemacht.

2 2HOLLIS

Emo, aber tanzbar. So in etwa lässt sich das neue Album „2“ vom Hyperpop-Artist 2hollis finden. Eigentlich hat der US-Amerikaner damit begonnen mittelalterliche Melodien mit Emo-Trap-Elementen zu paaren – inklusive Kettenhemdästhetik auf seinem InstagramKanal. Jetzt verzerrt er seine Melodien zur Unkenntlichkeit und legt EurodanceSynthesizer darüber. Klingt verrückt. Ist es auch.

ZUM SCHAUEN

THE WHALE

DARREN ARONOFSKY

Charlie bringt über 300 Kilo auf die Waage und will sein Leben verändern. Als sein Lover, für den er vor Jahren seine Ex-Frau und TeenagerTochter im Stich gelassen hat, stirbt, beschließt er sich mit seiner Tochter wieder in Verbindung zu setzen. Da sein Gesundheitszustand immer kritischer wird, setzt er alles daran, um sich und die Zukunft seiner Tochter zu retten.

DAS RÄTSEL

Ein weltbekannter Schriftsteller steht kurz vor der Veröffentlichung des letzten Teils seiner weltweit erwarteten Trilogie. Um Vorab-Veröffentlichungen im Netz zu verhindern, werden die Übersetzer des Buches einen Monat lang zu ihrer Arbeit in einem Bunker eingesperrt. Und doch werden irgendwie die ersten Seiten des Romans ins Internet geleaked ...

AS WE SPEAK

Finden sich musikalische Kapazundas für eine Kollaboration zusammen, dann ist das auch immer ein bisschen riskant. Das Match könnte lauten: Protzige, selbstverliebte Werkschau versus Raum für Interaktion und Dialog? Glücklicherweise gelingt Fleck (Banjo), Meyer (Kontrabass), Hussain (Tabla) und Chaurasia (Flöte) auf „As We Speak“ zweiteres ganz großartig: Erfrischende, instrumentale Weltmusik.

VIBRATION FEAT. ARCO SUBFOCUS

Wenns mit Blick auf die aufziehende FestivalSaison ein bisschen Disco Drum&Bass sein soll, würde ich Subfocus‘ Vibration wärmstens ans Herz legen. Nick Douwma, in den 2000er-Jahren tonangebender Innovator und Überschreiter eingeschliffener GenreGrenzen, besinnt sich in den letzten Jahren eher auf bewährte Rezepte mit eingängigen Vocals. Manche würden sagen, hier fehlt es an Mut. Mir persönlich schmeckt es.

ZUM SPIELEN

Christoph Schipp

DEAD ISLAND 2

„Dead Island 2“ ist das ideale Spiel für die schnelle Session zwischendurch. Die Story ist mit rund 20 Stunden Spielzeit sehr übersichtlich und es macht Spaß, Zombies mit Feuer, Strom und Säure zu erledigen. Auch die schicken Schauplätze, das motivierende Erkunden und die angenehm cringefreien Charaktere, die uns durch die Story begleiten, sind eine positive Überraschung.

EA SPORTS PGA TOUR

Nach acht Jahren kehrt „EA Sports PGA Tour“ zurück und überzeugt mit beeindruckender Grafik und Physik. Das Gameplay ist dank Schlagvariationen und Anpassungen angenehm anspruchsvoll. Mit verschiedenen Tools, die beim Lernen helfen, und einem herausfordernden Karrieremodus, ist dieses Spiel sowohl für erfahrene Golfer als auch für Neulinge geeignet.

THE PATH OF THE CLOUDS

Auf ihrem mittlerweile neunten Solo-Album gibt sich die Dark Country/ Dream Folk-Sängerin noch um einiges düsterer als auf ihren Vorgängeralben. Die Instrumentation kommt oftmals krachiger und ungeschliffener als früher rüber. Auch textlich ist eine beinahe hoffnungslose Wehmut zu spüren, mit gelegentlich ungewohnt aggressiven Einsprengseln. Kopfkino für sehr, sehr dunkle Stunden.

THE RAVEN, THE JOKER AND THE MACHINE CHAOS INSIDE

Auf ihrem lang erwarteten zweiten Album glänzt das Trio aus Niederösterreich mit modernem Progressive Metal. Und das in jeglicher Schattierung von zart bis hart. Textlich setzt sich Andy („The Joker“) größtenteils mit ernsteren Themen auseinander. Was dabei nicht fehlt, ist aber auch immer eine gehörige Portion Ironie. Dies sieht man vor allem bei den Videos und Shows der Band.

LESEN

DIE INKOMMENSURABLEN

Sommer 1918 in Wien, 36 Stunden vor Ausbruch des 1. Weltkrieges: Gemeinsam durchpflügen die Mathematikerin Klara, der Adelsspross Adam und der Tiroler Pferdeknecht Hans die fiebrige Stadt. Ihre Schicksale sind mit einer rätselhaften Psychoanalytikerin verbunden. Die Protagonisten taumeln schlaflos durch eine von Angstlust berauschte Gesellschaft.

Russland führt Krieg und steht demnach im Rampenlicht. Schon 2012 weckten Pussy Riot das Interesse von Norma Schneider, die sich seither intensiv mit der russischen Gegenwartskultur auseinandersetzt und Einblicke in zwei Welten liefert. Putins Ideologie trifft auf mutige Underground-Gegenkultur, die für ein freies Russland kämpft.

Manshee | C. Schumacher ZUM H. Fahrngruber | M. Müllner Manshee | mikeSnare | Thomas Fröhlich | Thomas Winkelmüller | Rob.STP | Michael Reibnagel (von links nach rechts)
RÉGIS ROINSARD
RAPHAELA EDELBAUER
PUNK STATT PUTIN NORMA SCHNEIDER
BÉLA FLECK, EDGAR MEYER, Z. HUSSAIN, R. CHAURASIA
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FOTOS ZVG
DEEP SILVER DAMBUSTER STUDIOS
EA TIBURON
MARISSA NADLER

HIGHLIGHT

THOMMY TEN & AMÉLIE VAN TASS

11. JUNI Es ist die bislang erfolgreichste Zauber-Tournee, die Österreich je gesehen hat. Die Weltmeister der Magie Thommy Ten & Amélie van Tass, die u. a. mit dem Award der Academy Of Magical Arts, sozusagen dem Zauber-Oscar, in Hollywood ausgezeichnet wurden, präsentieren ein letztes Mal ihre Erfolgsshow „Zweifach zauberhaft“ im VAZ. Amélie wird etwa ihre mentalmagischen Fähigkeiten im Wassertank unter Beweis stellen. Thommy präsentiert seine grandiosen Illusionen. Wer am 11. Juni keine Zeit hat – am 1. September sind die Magier auch Open Air auf der Donaubühne Tulln zu sehen!

BISENZ DER MALER

BIS 30. SEPTEMBER 60 Jahre

Alexander Bisenz: Der im Mai 2021 verstorbene St. Pöltner war nicht nur einer der populärsten Kabarettisten Österreichs, sondern hat sich Ende der 90er-Jahre mit der bildenden Kunst ein zweites Standbein geschaffen. Sohn Alexander Bisenz Junior hat für die Schau Bilder mit einem großen Variantenreichtum zur Verfügung gestellt.

STADTMUSEUM | AUSSTELLUNG

KONSTANTIN WECKER

30. JUNI Er ist noch immer der unbeugsame Rebell und unermüdliche Mahner, eine kritische Stimme gegen die Mächtigen und für den Frieden. Mit Bühnenpartner Jo Barnikel präsentiert Konstantin Wecker auf der Open Air Bühne sein Programm „Solo zu zweit“ und ist dabei mit kraftvollen Tastenklängen und feinfühliger Poesie auf der Suche nach dem Wunderbaren.

CINEMA PARADISO | KONZERT

FREQUENCY FESTIVAL

17.-19. AUGUST Auch heuer gastiert mit dem Frequency wieder DAS Open Air Spektakel in St. Pölten. Ein Musikfest, das mittlerweile seit über einem Jahrzehnt in der niederösterreichischen Landeshauptstadt stattfindet. Mit dabei u. a. Imagine Dragons, Die Ärzte, Kraftklub, Macklemore, Armin Van Buuren, Limp Bizkit, Central Cee, Alligatoah, K.I.Z. uvm.

VAZ ST. PÖLTEN | FESTIVAL

3. JUNI Bei der letzten Fasten Your Seatbelts-Show vor dem Sommer wartet ein besonderes 6-Deck-DJ-Set von niemand Geringerem als DJ BLACKLEY aus England auf die Partycrowd. Besonderes Highlight: Bei der einzigartigen 360°-Show treten die DJs in der Mitte der Tanzfläche auf. Ein Setup, das bei DnB Allstars, Boiler Room und anderen beliebt ist.

ORCHESTERGALA

16. JULI Ein tolles „Überraschungskonzert“ mit Instrumentalstücken von Mozart und Beethoven beschließt die „Meisterkonzerte“-Saison, bei dem internationale Solistinnen und Solisten nach erfolgreich absolvierten Probespielen gemeinsam mit dem Vienna International Orchestra unter der Leitung von Robert Lehrbaumer konzertieren dürfen.

6. JUNI Wie wird das Leben auf dem Planeten Erde in 200 Jahren aussehen? Das Bürger*innentheater des Landestheaters Niederösterreich entwirft eine positive ScienceFiction, indem es eine Reise in die weit entfernte Zukunft unternimmt, in der die Menschen gelernt haben, im Einklang mit der Natur und ihren Ressourcen zu leben.

14. JUNI Bereits zum siebten Mal wird zum Tanz in den Sommer ins VAZ geladen. Für die musikalische Umrahmung sorgt die Band Red Devils, die mit einem riesigen Musikrepertoire von allen Tanz- und Lateinstandards bis zu Oldies und Kultschlagern für beste Unterhaltungen sorgt. Ein vergnügliches Muss für alle, die gerne das Tanzbein schwingen!

20. SEPTEMBER Alphaville, größter deutscher Synth-PopExport und Schöpfer der legendären 80s-Hymnen „Big in Japan“, „Sounds like a Melody“ und „Forever Young“, wagen den Schritt ins Symphonische. Alphaville blicken auf 40 Jahre Band-Geschichte zurück und nehmen das zum Anlass, ihre größten Hits in die symphonische Welt zu exportieren.

| PARTY
FYS 360° SHOW
WAREHOUSE
KONZERTHAUS
KONZERT
ALPHAVILLE WIENER
|
PARK
AM BEISPIEL DER KOHLRABI EHEM. KAUFHAUS LEINER | THEATER TANZ IN DEN SOMMER VAZ ST. PÖLTEN | TANZ SO 02.07.23 // 20:00 BETH HART SA 11.11.23 // 19:30 GERNOT KULIS SA 05.08.23 // 07:00 OLDTIMER- & TEILEMARKT SO 25.06.23 // 20:00 TOM JONES SO 09.07.23 // 20:00 SUZANNE VEGA VAZ ST. PÖLTEN KONZERTE | EVENTS | MESSEN | KONGRESSE
DER MUSIKSCHULE | KONZERT
Foto: Hans Leitner
Tickets im VAZ St. Pölten, ticket@nxp.at, www.vaz.at, 02742/71 400 in allen Raiffeisenbanken, Geschäftsstellen von www.oeticket.com und unter www.noen.at/ticketshop
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FOTO Sebastian KonoPIX

AUSSENSICHT

NOT IN MY BACKYARD – NICHT IN MEINER NACHBARSCHAFT!

GEORG RENNER

Die gute Nachricht zuerst: Noch nie in der Geschichte waren Österreichs Bürgerinnen und Bürger so engagiert, wenn es um die Gestaltung ihres gemeinsamen Lebensraums geht. Die schlechte: Für jedes unsinnige Vorhaben, das so verhindert worden ist, gibt es mindestens ein anderes, das in Summe gesellschaftlich sinnvoll wäre, aber ebenfalls wegen Protesten nicht stattfinden kann. Windkraftwerksbetreiber wissen, wovon die Rede ist.

Nicht immer ist es so eindeutig, wer auf der falschen Seite der Geschichte steht. Des einen Mannes NIMBY (ein „not in my backyard“-Aktivist) ist des anderen Mannes Freiheitskämpfer, könnte man sagen: Die umstrittene S34 etwa wäre B20-Anrainern eine Entlastung, für die betroffenen Bauern im Westen der Stadt dagegen eine Zumutung. Wer jetzt sagt, dass Verhinderer zu viele Rechte haben, verkennt die Lage: Diese Rechte und Verfahren gibt es eben genau dazu, abzuwägen, welche Interessen den Vorrang haben sollen – jene von Nachbarn und Umweltschützern oder jene der Bauherren, an deren Projekte meistens ebenfalls öffentliches Interesse besteht.

Mit dem EU-Beitritt und dem aus der Union kommenden UVP-Recht haben Bürgerinitiativen plötzlich weitreichendes Gehör gefunden: Sie können bei Behörden ihre Bedenken einbringen, Gutachten beantragen und Projekte ganz zu Fall bringen. Das ist grundsätzlich eine gute Errungenschaft. Politik und Projektwerber sind so gezwungen, auf Anrainer und gesellschaftliche Anliegen Rücksicht zu nehmen – und genau zu argumentieren, warum ihr Bau nötig ist.

Nichts mehr zu bauen kann genausowenig eine Option sein wie diese Rechte abzuschwächen. Was es braucht, sind kompetente, flotte Behörden, damit Verfahren keine Jahrzehnte dauern, auf der einen Seite. Auf der anderen geht es darum, potenzielle Gegner möglichst früh an Bord zu holen, indem man ihre Anliegen ernst nimmt, sie einbezieht und aufklärt, was sie von dem Projekt haben. Das ist ein Lern- und Umdenkprozess – hat aber die Chance, am Ende ein gutes, besseres Projekt genehmigt zu bekommen, mit dem alle einverstanden sind.

Irgendwann muss ich recherchieren, wie viele Haushalte man mit dem Strom versorgen hätte können, der nicht erzeugt wurde, weil Bürgerinitiativen den Bau von Windparks verhindert haben.

These: Es sind sehr viele. Wer nach Initiativen sucht, die gegen den Strom aus der Luft mobil machen, wird schnell fündig. Sie alle haben dasselbe Motto: Stromproduktion gerne, aber sicher nicht vor unserer Haustüre.

Für solche Initiativen hat sich ein spöttisches Kürzel eingebürgert: NIMBY − „not in my backyard“. Die NIMBYs haben einen Lauf: In den drei westlichsten Bundesländern steht überhaupt kein Windrad, im Rest des Landes geht der Ausbau oft nur schleppend voran.

Und nicht nur bei der Windkraft legen sich die NIMBYs quer: Kaum werden Pläne von Wohnhausanlagen oder neuen Straßenabschnitten bekannt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich eine Initiative findet, die das Projekt torpediert. Es wäre allerdings zu einfach, Bürgerinitiativen pauschal als Querulanten abzukanzeln. Letztlich verwirklichen die Aktivisten nur eines: Ihr demokratisches Recht auf freie Meinungsäußerung.

Die Befürworter von sauberem Strom könnten sich einmal fragen: Warum gibt es eigentlich fast nur Initiativen von Gegnern? Und es ist auch kein Naturgesetz, dass Bürgermeister und Landeshauptleute vor jeder Initiative in die Knie gehen. Manchmal lohnt es sich, umstrittene Projekte durchzuboxen.

Eine Ironie der Geschichte ist jedenfalls, dass die Bundesregierung unter grüner Beteiligung den NIMBYs eines ihrer wichtigsten Instrumente beschnitt: Prüfverfahren über die Umweltverträglichkeit von Bauvorhaben wurden beschleunigt – Einsprüche sind nun nicht mehr so leicht möglich. Eine sinnvolle Sache. Bloß ist die NIMBY-Dichte unter den Grünen selbst sehr hoch. Die Partei war gegen Projekte wie Eisenbahn-Tunnel oder das Murkraftwerk in Graz. Umweltschutz war der Partei oft wichtiger als Klimaschutz. Ministerin Leonore Gewessler tickt da zum Glück anders. Vielleicht weiß sie, wie viel grüner Strom durch NIMBYs verhindert wurde.

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„Des einen Mannes NIMBY ist des anderen Mannes Freiheitskämpfer.“
JAKOB WINTER Aufgewachsen in St. Pölten, emigriert nach Wien, Redakteur beim „profil“.
„Warum gibt es eigentlich nur Bürgerinitiativen von Windkraft-Gegnern?“
Der Wilhelmsburger arbeitet als Journalist bei der „Kleinen Zeitung“. FOTOS: LUIZA PUIU, ALEXANDRA UNGER

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VERSÖHNUNG. „Jetzt beginnt die Aktion Gräben zuschütten“, ließ die Landeshauptfrau kurz nach der Landtagswahl wissen. Dafür hat sie sich den richtigen Partner mit an Bord geholt. Dessen bevorzugtes Füllmaterial: verbale Handgranaten.

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