MFG - Das Magazin / Ausgabe 73

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TEXT: MICHAEL MÜLLNER | FOTOS: BARBARA OBERNIGG, © 2020 AMC NETWORK ENTERTAINMENT LLC. ALL RIGHTS RESERVED

Quarantäne wird es Frau und Herr Österreicher weder an Gulaschsuppe noch an Klopapier mangeln. Doch halt, hier lassen wir den Spaß kurz beiseite und nehmen Zombies und Corona-Panik zum Anlass, um seriös zu werden. Es gibt nämlich wirklich so etwas wie einen Plan B. Sirenen der Seligen Peter Puchner ist KatastrophenschutzBeauftragter der Stadt St. Pölten, Zivilschutz ist sein Thema. Und obwohl jeden Samstag, Punkt 12 Uhr mittags, im Stadtgebiet die Sirenen heulen und somit jeder Bürger wöchentlich einen „friendly reminder“ bekommt, wissen die meisten erstaunlich wenig dazu. Hier möchte Puchner ansetzen. In den letzten Monaten wurde vermehrt über Zivilschutz berichtet, vor allem ein drohender Blackout wird intensiv behandelt. Überlegt man sich eine Risikoeinschätzung für St. Pölten, so erkennt man rasch, dass wir auf einer Insel der Seligen leben. Aus anderen Weltregionen bekannte katastrophale Naturereignisse wie Dürre, Erdbeben, Vulkanausbrüche, Tsunamis und Wirbelstürme – long time, no see in beautiful Austria. Auch Lawinen stehen im Traisental nicht an der Tagesordnung. Unter der Vielzahl an möglichen Bedrohungen drängt sich der Blackout also geradezu auf. Wer den Blackout im Griff hat, hat auch bei den meisten anderen – weit weniger realistischen – Szenarien gute Karten. Welcome to the Blackout Einen Stromausfall kennen wir alle. Ärgerlich, weil der Strom genau dann weg ist, wenn man ein spannendes Fußballmatch im Fernsehen sehen möchte oder das Essen noch am Herd steht. Doch für gewöhnlich ist nach wenigen Minuten, spätestens am nächsten Morgen, wieder alles normal. Nur die blöden Uhren muss man alle neu stellen. Das ist kein Blackout. Erst, wenn der Stromausfall überregional ist, womöglich sogar den ganzen Kontinent erfasst, und wir von mehreren Tagen ohne Strom sprechen, dann ist es ein echter Blackout – und dann wird es spannend. Elektrischer

Strom ist für uns nämlich eine Selbstverständlichkeit. Er ist billig und immer verfügbar. Die wenigsten von uns kennen eine Welt ohne ihn. Doch dass der Strom aus der Steckdose kommt, ist eine Kunst. Ins Netz muss genau so viel Strom eingespeist werden, wie wir Konsumenten verbrauchen. Solange alles mit einer Frequenz von 50 Hertz läuft, ist das System safe. Aber die Toleranz ist minimal: Schwankt die Frequenz um mehr als 0,2 Hertz, dann bricht das Netz zusammen. Peter Puchner zeigt auf einer Grafik einen plötzlichen Knick nach unten: „Am 7. Oktober 2019 hatten wir um 21:00 Uhr nur 49,82 Hertz. Das österreichische Stromnetz stand unmittelbar vor einem Blackout. Das Netz wird immer gestresster und instabiler, es braucht ein Vielfaches der Kosten, um die Frequenz in der nötigen Bandbreite zu halten. Die Frage ist also nicht, ob es zu einem Blackout kommt – sondern wann.“ Kein Anschluss unter dieser Nummer Wenn es so weit ist, dann sollte man vorbereitet sein. Und diese Vorbereitung geht weit über eine geladene Powerbank für das Smartphone hinaus. Stellen wir ein paar Überlegungen an. Fällt der Strom in Österreich und seinen Nachbarländern aus, dauert es (gefühlt) ewig, bis das System wie-

der hochfahren kann. Egal ob aufgrund technischen Versagens oder Cybercrime und Terrorismus – eine Zeit lang wird es ungemütlich. Jene Kraftwerke, die ohne Strom hochfahren können, sind als erstes an der Reihe um wieder Strom ins Netz zu speisen. Der Reihe nach werden mehr und mehr Erzeuger wieder ans Netz geschlossen. Die meisten Kraftwerke brauchen nämlich selbst Strom, um überhaupt Strom erzeugen zu können. Tricky. Doch zurück zur geladenen Powerbank für das Handy. Die nutzt uns wenig, weil mit dem Stromausfall auch die Kommunikationswelt zusammenbricht. Mobiltelefonie, Internet und Festnetz sind aus – der Strom fehlt ja nicht nur in den eigenen vier Wänden, sondern auch in den Masten und Servern der Unternehmen, die die Technik bereitstellen. Falls Sie Geheimagent sind und ein Satellitentelefon haben: Glückwunsch. Zumindest, sofern die SIM von einem Provider ist, der seinen Server nicht in Österreich hat. Am besten gleich auf einem anderen Kontinent. Achja, wen wollen Sie mit dem Satelliten-Telefon eigentlich anrufen? Hilfreich wäre es jetzt also, hätte man im Vorfeld ein Offline-Szenario mit seinen Liebsten entworfen, bei dem im Notfall jeder weiß, was er unternimmt, bis dass man sich wieder von Angesicht zu Angesicht besprechen kann.

WENN DAS LICHT AUSGEHT. Elektrischer Strom hält unsere Gesellschaft am Laufen, ein Blackout bringt alles zum Stehen. Wenn es finster wird, ist es zu spät für Vorbereitungen. MFG 03.20

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