MFG - Das Magazin / Ausgabe 73

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MFG KULTUR

Jesus brachte das Licht zur Erde. Seine Jünger machten daraus die Flamme. EMIL MARIO VACANO

FREUNDSCHAFT. Mit dem Literaten Emerich Graf von Stadion verband Vacano eine lange Beziehung.

ein paar unverrückbare Fakten und viel Fiktion vor, da er selbst ein Meister darin war, seine Biografie immer wieder ein wenig abzuändern, sich selbst gleichsam neu zu erfinden. In der „Allgemeinen Deutschen Biographie“ von 1895 lesen wir unterm Eintrag „Vacano, Emil(e)“ gleich im ersten Satz: „Emil(e) Mario (eigentlich Emil Alois Ferdinand) V., in den letzten Jahren bisweilen Emil V.-Freiberg, Romanschriftsteller, geboren am 16. November 1840, während einer Reise seiner Eltern zu Schönberg an der mährisch-schlesischen Grenze, ist eine der seltsamsten Literaturgestalten des 19. Jahrhunderts“. Nach der Matura in Lemberg ging Emil(e) zum Zirkus, wo er als Seiltänzer und Kunstreiter auftrat, Letzteres sehr oft in Frauenkleidung. Allerdings war dies damals keine Seltenheit: Da man Frauen bestimmte Stunts nicht ausführen lassen wollte, steckte man gerne junge Männer, die nicht gerade über eine Schwarzeneggersche Körperlichkeit verfügten, in feminines Gewand. 1859 verließ Vacano den Zirkus und trat eine Zeit lang als Schauspieler auf, ehe er zur Literatur fand. Sein erstes Buch, „Mysterien des Welt- und BühnenLebens“, in der Theater- und Zirkuswelt angesiedelt, zeigte schon jenen 52

Schreibstil, der sein gesamtes Werk durchziehen sollte: ein leichter Tonfall und eine oft verspielte Erzählweise mit autobiografischen Einsprengseln, die scheinbar die Oberflächlichkeit feierten, bei genauerer Betrachtung jedoch durchaus in Gefühlstiefen wie auch Abgründe führten, wie etwa in seinem Schlüsselroman über Ludwig II., „König Phantasus“. Mit Emerich Graf von Stadion, der sich ebenfalls literarisch betätigte, verband ihn eine lange Beziehung, wobei die Lesarten ihrer Freundschaft differieren. Der Historiker Wolfram Setz, der 2014 im Männerschwarm-Verlag

die definitive Biografie über Vacano herausbrachte, ging zuerst von der Homosexualität des Schriftstellers aus – eine Annahme, die er im Zuge der Recherchen mehr und mehr relativierte. Geschlechtergrenzen scheinen bei Vacano eher unbestimmt und nicht so leicht fassbar zu sein. Dass ihn der männliche Körper faszinierte, kann man in vielen seiner Texte nachlesen. Und auch der eigene Körper dürfte ihm gefallen haben, wie er in „Die Kunst der Schönheit“ in charmanter Eitelkeit zugibt: Da zählt er die „acht wahrhaft schönen Männer“ auf, die er in seinem Leben gesehen

Ach, die Meisten von uns gehen auch zu Grunde am verbrannten … Maule. EMIL MARIO VACANO


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