MFG - Das Magazin / Ausgabe 72

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TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: MATTHIAS KÖSTLER, JOHANNES REICHL

die Behörde ebenso relevant sind wie für die Bauwerber. De Buck geht es bei der Besetzung des Baubeirates dabei weniger um klingende Namen, „also etwa Stararchitekten, die sich für unfehlbar halten, sondern es bedarf Persönlichkeiten, die im Sinne der Zukunftsperspektive der Stadt kompromissfähig sind und das große Ganze im Auge behalten.“ Lenkung notwendig Überfällig sei ein solches Gremium allemal, „weil qualitätsvoller Städtebau ohne Lenkungsmaßnahmen schlicht nicht funktioniert.“ Es liege in der Natur der Sache, dass viele Bauwerber „überhaupt wenn wir von Großprojekten reden“ die bislang weite Leine weidlich ausgenützt haben. Der Umstand, dass viele Bauträger gar nicht aus der Stadt kommen, „sondern oft Fonds, Immobilienentwickler, externe Genossenschaften etc. dahinterstecken, die oft keine Bindung zur Stadt aufweisen und daher ihr gegenüber auch keine wie immer geartete Verpflichtung empfinden“, macht die Sache nicht unbedingt leichter. „Viele haben nur die Projektmaximierung im Sinn“, soll heißen, sie möchten die Flächen bis zum Exzess ausreizen, um wirtschaftlich maximalen Profit herauszuholen. Wobei de Buck mittlerweile seine Zweifel hegt, ob ob der Größe mancher Projekte diese Rechnung wirklich aufgehen kann, „weil wir allmählich an einen Punkt kommen, wo die verlangten Preise nicht die Wirklichkeit – und zwar auch nicht die prognostizierte – abbilden, sondern deutlich überzogen sind.“ Eine Überhitzung des Marktes scheint auf Sicht also nicht ausgeschlossen, wenn man nicht gegensteuert, „wobei manche Bauwerber ihre Projekte bereits redimensionieren.“ Für die Kommune seien Großprojekte wie etwa der Hypo Campus mit über 420 geplanten Wohneinheiten, die Verwertung der WWE-Gründe

BAUBOOM. Großprojekte wie z. B. „Leben am Fluss/Wohnen am Park“ mit geplanten 420 Wohnungen stellen auch eine riesengroße infrastrukturelle Herausforderung dar.

mit rund 800 geplanten Wohnungen oder auch die Projekte Glanzstoff/ Glanzstadt, wo auf Sicht bis zu 1.500 Wohnungen entstehen könnten, aufgrund des Bevölkerungsanstieges in diesen Stadtteilen jedenfalls eine Riesen-Herausforderung. „Es geht ja nicht nur um die Wohnung an sich, sondern die Menschen brauchen auch attraktive Räume zum Verweilen, weshalb etwa gut gestaltete Höfe so wichtig wären.“ Wenn dafür aber aus Gier wenig Platz bleibt, ist die Stadt doppelt gefordert „weil angesichts dieser Bevölkerungszahlen auch nahe Erholungsgebiete wie die Traisen oder die Seen an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen werden, weshalb wir zusätzliche Flächen schaffen müssen.“ Und da spricht man noch gar nicht – womit wir quasi beim 1x1 der Stadtplanung ankommen – vom ganzen nach sich ziehenden Infrastruktur-Rattenschwanz, also von Kindergärten und Schulen, von Nahversorgung und Freizeitmöglichkeiten, vom Verkehr, der wiederum auch Aspekte wie Radwege und Öffis berücksichtigen muss. Aus 60 mach 1 Der enorme und unübersehbare Ent-

Ein solches Gremium ist notwendig, weil Städtebau ohne Lenkungsmaßnahmen schlicht nicht funktioniert. JENS DE BUCK

wicklungsschub der Stadt „den die Politik ja im Sinne eines gesunden und nachhaltigen Wachstums durchaus befürwortet,“ hat jedenfalls einen derartigen Entwicklungsdruck nach sich gezogen, dass die Forderung nach einer noch stärkeren Kanalisierung im Hinblick auf Fragen wie Volumina, ästhetische Gestaltung, Ortsbildpflege etc. „die ja per Gesetz in die Kompetenz der Kommunen fallen“, laut geworden ist. „Zurecht“, wie de Buck überzeugt ist, „denn in all diesen Fragen geht es letztlich auch um die Identität der Stadt, ihr Erscheinungsbild – und da ist der Gestaltungsbeirat ein wichtiger Mosaikstein eines behutsamen, auf Qualität angelegten Umgangs.“ Ein anderer, unmittelbar verwobener Bereich betrifft die Neuerstellung des Bebauungsplanes. „Aus dem historischen Regulierungsplan von 1936 wurden in den vergangenen drei Jahrzehnten inzwischen knapp 60 Teilbebauungspläne erstellt.“ Diesen gilt es nun zu einem einzigen zu fusionieren und zu digitalisieren „um im 21. Jahrhundert anzukommen.“ Innenstadtverdichtung z. B. verlangt neue Lösungen, die die alte Norm vielleicht sprengen „und das, um vielleicht einem Missverständnis vorzubeugen, wollen wir auch gar nicht verhindern bzw. ist das auch nicht Aufgabe des Gestaltungsbeirates. Es geht dabei ja nicht nur um den Erhalt MFG 11.19

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