MFG - Das Magazin / Ausgabe 50

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Kunstraub?

Den Politikern war bislang immer klar, dass nur eine vollwertige

für unausgewogen und unverhältnismäßig. Zum Vergleich: Der

Landeshauptstadt die Früchte und Effekte trägt, die man sich

gesamte Kulturbezirk hat uns ehemals 1 Milliarde Schilling ge-

von ihr erhofft. Es geht ja nicht um Krems oder St. Pölten, son-

kostet.

dern es geht um die Hauptstadt als Zentrum des Landes, das in selbstverständlich und unbedingt die kulturellen Einrichtungen

Was halten Sie prinzipiell von der Idee eines Hauses der Geschichte in St. Pölten?

Konkurrenz zu den anderen Hauptstädten steht – da gehören dazu! Stellen Sie sich vor, man beschließt etwa in Innsbruck ei-

Ein Museum lebt von Schätzen, von der Originalität, von der

nen Teil der Schätze nach Hall zu transferieren – das ist doch

Haptik. Welche Schätze zeigt man aber, wenn man diese jetzt

undenkbar.

nach Krems trägt? Es gibt ja keine Sammlung für ein Haus der

Wir sind Krems sicher nichts neidisch, aber man darf, nein man

Geschichte. Alle reden aktuell von der Ostarrichi-Urkunde und

muss umgekehrt verfechten und schützen, was die Hauptstadt

ähnlichem – nur, die liegt z. B. im bayrischen Nationalmuseum.

ausmacht – und zwar für Niederösterreich! Wenn man die

Für mich bleibt also der Befund, dass man mit dem nun ge-

Standorte Krems und St. Pölten weiterentwicklen möchte, so soll

planten Schritt eines der zwei Standbeine des Landesmuse-

man das tun, aber doch bitte nicht einen auf Kosten des an-

ums, nämlich die Kunst, mutwillig amputiert ohne etwas Gleich-

deren!

wertiges zu schaffen.

Wobei ja nicht das ganze Landesmuseum verlegt wird, sondern „nur“ die Kunstabteilung.

desmuseums seit jeher – von seinen Schätzen, sowohl was die

In St. Pölten kursiert mittlerweile eine Unterschriftenliste gegen die Pläne, viele, auch seitens des Landes hochdekorierte Persönlichkeiten, machen sich für den Verbleib der Kunstsektion im Landesmuseum stark. Glauben Sie, dass dies noch irgendetwas bewirken kann?

Kunst, als auch was die Natur betrifft. Hans Hollein hatte ganz

Also ich glaube immer daran, dass man noch etwas ändern

klar den Auftrag, ein Haus für Natur und für Kunst zu konzipieren

kann, solange nicht gebaut, geschweige denn geplant wird.

– und wie stolz waren wir nicht alle, dass Holleins einziger Mu-

Bislang besteht ja nur ein Grundsatzbeschluss des Landtages.

seumsbau in Österreich Realität wurde. Das war übrigens nicht

In dieser Phase ist es also durchaus noch möglich, eine ver-

zuletzt dem Landeshauptmann zu danken. Und jetzt möchte

nünftige, ausgewogene Entwicklung für Krems und St. Pölten

man das einfach amputieren – das versteht niemand.

voranzutreiben – ohne einem Standort etwas wegzunehmen.

Die ist aber ein Herzstück! Das Landesmuseum lebt ja – und das hat der Landeshauptmann selbst im Zuge der Eröffnung 2002 betont und das ist ja ursächlichste Bestimmung des Lan-

In diesem Sinne halte ich es mit Siegfried Ludwig, der zu mir

Den Kritikern an den Plänen wurde seitens der Landespolitik sowie Teilen der Beamtenschaft schnell der Begriff „Provinzialismus“ um die Ohren geschleudert. Ist da vielleicht etwas dran?

immer gesagt hat: „Herr Steiner, aufgeben tut man Briefe.“

Das ist eine Argumentation, die weit unter der Gürtellinie ist

als Nächstes? Landeshauptmann Erwin Pröll ist seinerzeit mit

Man muss die ganze Causa auch umfassender betrachten. Es geht um die Hauptstadt und ihre Funktion. Wenn man jetzt beginnt, die Kunst fortzutragen, wo hört es dann auf? Was kommt

und erst recht Widerstand erzeugt hat. Wir haben in Niederö-

der Realisierung des Kulturbezirks, mit der Umsetzung des Lan-

sterreich und mit dem Kulturbezirk, denke ich, sehr eindrucks-

desmuseums so viel gelungen. Ich glaube nicht, dass es in sei-

voll bewiesen, dass uns provinzielles Denken fern liegt. Auf dem

nem Sinn ist, das alles jetzt zunichte zu machen.

Weg zur Hauptstadt war Transparenz unsere oberste Maxime, wir waren stets bereit, die Dinge öffentlich und breit zu diskutieren. Wenn also etwas provinziell, kleinkariert und überholt ist, so bestenfalls die Vorgehensweise in dieser Angelegenheit, dass man solch weitreichende Pläne ohne vorangehenden Meinungsbildungsprozess völlig an der Öffentlichkeit vorbei schmiedete, um die Bürger dann vor vollendete Tatsachen zu stellen. Das ist ein unkultivierter Umgang mit den Bürgern, der bei Großprojekten dieser Dimension einfach nicht mehr vorkommen darf.

Weil Sie die Kosten ansprechen. Auch diese haben ja viele Kritiker auf den Plan gerufen. Dass man in Zeiten wie diesen um 38 Millionen Euro – wir sprechen also von über 500 Millionen Schilling in alter Währung – derartige Projekte hochziehen möchte, obwohl es schon ein intaktes Landesmuseum samt Kunstsammlung gibt, halte ich

KULTURBEZIRK. Hans Hollein (li), Erich Steiner (mi.) und Norbert Steiner (re.) vor der Baugrube des Landesmuseums.

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