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Andrea Berlinger Schwyter

Weltmarktführer und Krisenmeister

Die Berlinger & Co. AG aus dem Toggenburg gewinnt im Oktober den Export Award 2020 von Switzerland Global Enterprise und setzt sich gegen die Sensirion AG aus Stäfa sowie die Storz Medical AG aus Tägerwilen durch.

Mitten im idyllischen Ganterschwil steht die Berlinger & Co. AG. Das Familienunternehmen hat vor 150 Jahren als erste Weberei in der Region gestartet und führt heute HightechProdukte der Temperaturüberwachung von Pharma- undMedizinalprodukten sowie zum sicheren Transport und der Aufbewahrung von Dopingproben im Spitzensport. Berlinger hat es geschafft, sich in diesem schwierigen Umfeld zu beweisen und mit einer bemerkenswerten Internationalisierungsstrategie sowie hervorragendem Risikomanagement Weltmarktführer zu werden. Für diese Internationalisierungsstrategie wurde das Unternehmen mit dem Export Award 2020 von Switzerland Global Enterprise ausgezeichnet. Wir haben Andrea Berlinger Schwyter, die das Familienunternehmen gemeinsam mit ihrem Mann Daniel SchwyterBerlinger in der sechsten Generation leitet, zum Interview getroffen.

«Wäre damals die Weberei nicht abgebrannt, dann gäbe es uns heute nicht.»

Andrea Berlinger, Sie haben den Export Award 2020 gewonnen. Hätten Sie damit gerechnet?

Nein, ich war sehr überrascht. Die Konkurrenz war sehr stark, und wir waren die kleinsten Teilnehmer. Umso mehr haben wir uns dann darüber gefreut – der Preis ist sehr speziell für uns.

Weshalb?

Weil wir es als Team geschafft haben, aus einer Krisenzeit wieder aufzustehen und weiterzumachen. So ein Preis motiviert unheimlich, gibt Kraft, weiterzumachen und nicht aufzugeben, wenn es mal schwierig wird. Das zeigt uns, dass sich harte Arbeit lohnt und immer Licht am Ende des Tunnels ist.

Johann Georg Berlinger legte vor 155 Jahren den Grundstein der Firmengeschichte, damals als Weberei. Heute stehen sie für innovative Technologie- und Handelsprodukte. Können Sie uns durch die wichtigsten Etappen der Berlinger & Co. AG führen?

1865 hätte wahrscheinlich niemand gedacht, dass wir heute für innovative Technologie- und Handelsprodukte sowie für international standardisierte Dopingkontrollsysteme stehen. In diesem Jahr wurde die erste mechanische Baumwollweberei der Region gegründet. 1902 war wohl das prägendste Ereignis unserer Firmengeschichte: Ein Grossbrand zerstörte die Weberei bis auf die Grundmauern. Aber so tragisch das auch war, so wichtig war dieses Ereignis für die restliche Entwicklung von Berlinger. Durch clevere Diversifikation gelang es Karl Egli sowie Liselotte und Jürg Berlinger, die Textilkrise zu überstehen. 1998 und 1999 wurde die Berlinger Special AG und Q-tag AG gegründet. Zehn Jahre später übernahmen mein Mann und ich das Unternehmen. 2014 wurde unser Büro- und Produktionsgebäude fertiggestellt und wir haben das Sotftware-Unternehmen Antaris Solutions B.V. aus Holland übernommen. Schon 2008 haben wir uns entschieden, dass wir uns langfristig auf Anti-Doping-Produkte und Temperaturüberwachungssysteme fokussieren möchten.

Sie arbeiten bereits in der sechsten Generation des Familienunternehmens. War Ihnen schon immer klar, dass Sie ins Business einsteigen wollen?

Ich habe zuerst in der Hotellerie gearbeitet; die Arbeit hat mir viel Freude gemacht. Irgendwann kam aber der Punkt, wo ich mich entscheiden musste, und zwar, ob ich ins Familiengeschäft einsteigen will. Schon als Jugendliche habe ich immer wieder im Betrieb gejobbt und so wusste ich, was mich erwartet. Dann habe ich vor bald dreissig Jahren beschlossen, einzusteigen. Es ist ein Privileg, wenn man die Werte des Unternehmens prägen kann. Und in einen Familienbetrieb investiert man automatisch mehr Herzblut.

Andrea Berlinger Schwyter:

Licht am Ende des Tunnels.

Gibt es auch Nachteile?

Ja, man ist in einem Familienunternehmen weniger anonym. Aber das kann ja auch ein Vorteil sein.

Sie haben sich strategisch auf zwei Geschäftsfelder ausgerichtet. Weshalb diese zwei?

Es sind die profitabelsten Unternehmensfelder. Wir waren an einem Punkt, wo wir uns gesagt haben: Jetzt müssen wir uns fokussieren und spezialisieren. Die Zahlen haben für sich gesprochen, und so haben wir in diese beiden Nischenmärkte investiert. Sie wiesen das grösste Wachstumspotenzial auf.

«Wir wollen Hilfe bieten können, wenn ein Corona-Impfstoff auf den Markt kommt.»

2018 war Berlinger im Zusammenhang mit der Olympia und manipulierbaren Dopingtest-Flaschen in den Schlagzeilen. Wie haben Sie diese Krise gemeistert?

Es war eine herausfordernde Zeit. Plötzlich war unser Name in so vielen Medien! Da ist man im ersten Moment überfordert und bangt um das Unternehmen. Aber ich habe gelernt, dass man Situationen immer aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten soll. Wäre damals die Weberei nicht abgebrannt, dann gäbe es uns heute nicht. Alles passiert aus einem bestimmten Grund, und so haben wir alles daran gesetzt, dass unsere Produkte noch besser und Sicherheitslücken geschlossen werden. Eine Krise ist immer eine Chance, etwas besser zu machen oder gar Neues entstehen zu lassen.

Das ist Ihnen gelungen. Sie sind noch immer weltweit führender Produzent von Dopingkontroll- und Temperaturüberwachungssystemen. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Natürlich ist die gute Beziehung zu den Kunden sehr wichtig, aber auch jene im Team muss stimmen. Es bringt nichts, wenn man super Produkte hat, aber die Mannschaft dahinter nicht motiviert ist. Auch zu den Lieferanten muss man ein gutes Verhältnis und gute Kommunikation pflegen. Erfolg ist ein Zusammenspiel aus vielen Faktoren.

Sie pflegen die Beziehungen zu Ihren Kunden im «Berlinger-Stil». Wie sieht dieser aus?

Uns ist es wichtig, dass wir Partnerschaften langfristig und sorgsam pflegen. Wir bauen auf nachhaltige Geschäfte und haben immer im Hinterkopf, wofür wir unsere Arbeit eigentlich machen. Das sind nämlich zwei wertvolle ethische Tätigkeiten: fairer Sport und Patientensicherheit.

In Ihre Produkte wird weltweit grosses Vertrauen gesetzt. Fühlt man sich mit dieser Verantwortung manchmal nicht etwas überfordert?

Nein, das Vertrauen ist Teil des Erfolgserlebnisses. Mir war es immer wichtig, dass ich etwas mache, das über mein eigenes Wohl hinausgeht und einen Mehrwert bietet.

Nun steht die Welt gerade Kopf. Wie hat sich die CoronaKrise auf Berlinger ausgewirkt?

Der professionelle Sport ist im Stillstand. Das hat sich stark auf das Anti-Doping Geschäft ausgewirkt. Bei den Temperaturüberwachunssystemen hingegen sieht es anders aus: Impfstoffe sind ja sehr temperatursensibel, und dort kommt unsere Technologie in den Einsatz. Wir sind stolz darauf, Lieferant für die etabliertesten nationalen und internationalen Gesundheitsorganisationen zu sein. Wir haben jahrzehntelange Erfahrung in der Unterstützung der Integrität von Impfstoffen. Wir leiten zurzeit alles in die Wege, dass wir Hilfe bieten können, wenn ein Corona-Impfstoff auf den Markt kommt. Dafür haben wir eigens ein Covid-19-Gremium gegründet.

Text: Miryam Koc Bild: Marlies Thurnheer

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