LEADER März 2021

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Wirtschaft

«Bio» als Geschäftsmodell Marlene und Bruno Schweizer leisten auf ihrem Bauernhof in Brunnadern Pionierarbeit: Sie bauen die erste Bio-Trutenzucht der Schweiz auf. Und schon jetzt steht fest: Das Interesse an Bio-Trutenküken ist gross. Denn dadurch entfällt für den Biomarkt bald der Import von befruchteten Eiern oder eintägigen Küken aus dem Ausland.

Der Bio-Hof von Bruno und Marlene Schweizer und ihren drei Buben liegt auf über 850 Meter über Meer. Rundum Natur pur. Bis 2019 arbeitete Bruno Schweizer, der auf dem Hof im Toggenburg aufgewachsen ist, auswärts als Zaunbauer. Seit 2011 gehört der Hof der Familie, sie hält Aufzucht- und Mastrinder, wenige Schweine und Ziegen. Seit 25 Jahren wird der Betrieb nach Bio-Richtlinien geführt. Das Fleisch ihrer Tiere verkaufen die Schweizers direkt ab Hof. Seit letztem Herbst leben 50 Truthennen und zehn Truthähne mit auf dem Hof. «Anfangs war die Idee, Truten zu mästen und das Fleisch zu verkaufen. Uns störte aber der Gedanke, konventionelle Küken zu kaufen, sie nach Bio-Richtlinien zu mästen und dann als Bio-Fleisch zu verkaufen», erzählen Marlene und Bruno Schweizer. Dies wäre mit einer Bewilligung erlaubt gewesen, solange keine Bio-Küken vorhanden sind.

«Für das Frühjahr sind wir bereits ausverkauft.» Elterntiere nach Bio-Richtlinien «Wir wollten keine halben Sachen, also müssen auch die Küken sowie deren Elterntiere nach Bio-Richtlinien gehalten werden», betont Bruno Schweizer. Zudem sei es ihnen wichtig zu wissen, wie die Elterntiere gehalten wurden. «Das ist im Moment sehr intransparent», so Schweizer. Die Schweizers entschieden sich für Kelly-Bronze-Truten aus England. Die Rasse ist ausgesprochen robust und geeignet für die Weidehaltung. «Es war aber sehr schwierig, überhaupt an Elterntiere zu kommen», erklärt Marlene Schweizer. Aktuell kontrollieren drei Konzerne den Markt an Truten-Elterntieren – Kelly sei ein eher kleiner Züchter, der eigenständig geblieben ist. Dass Bruno und Marlene Schweizer die Ersten sind, die sich in der Schweiz an eine Bio-Trutenzucht heranwagen, erstaunt sie selber. Aber: «Es ist nicht so einfach, weil keine Erfahrung vorhanden ist», erklärt Bruno Schweizer. TrutenLEADER | März 2021

eier ausbrüten sei eine heikle Angelegenheit und die Kükenaufzucht sehr aufwendig. «Schlussendlich muss sehr viel Zeit, Energie und Geld investiert werden, ohne zu wissen, ob das Geschäftsmodell funktioniert», so Bruno Schweizer. Sogar Bio-Organisationen hätten ihnen nahegelegt, «doch etwas Einfacheres zu machen». Wissen selber aneignen Was die Trutenzucht anbelangt, mussten sich Bruno und Marlene Schweizer denn auch viel Wissen selber aneignen, da es in der Schweiz an Know-how fehlt. «Wir versuchen, uns stets an der Natur zu orientieren, um möglichst das natürliche Verhalten und somit das Wohlbefinden der Truten zu stärken», sagt Marlene Schweizer. Einiges konnten sie im Internet abfragen oder in Fachliteratur nachlesen. Das sein denn auch die grösste Herausforderung für sie: «Es gibt weder einen Tierarzt noch einen Futterberater noch sonnst wer, der irgendwas über die Trutenzucht weiss», so Bruno Schweizer. «Als wir die Eintagsküken von England importiert haben, ist eine Kantonstierärztin vorbeigekommen, um die Tiere zu kontrollieren. Sie musste aber zugeben, dass sie keine Ahnung über Truten habe», gibt Marlene Schweizer ein Beispiel. Aktuell gibt es in der Schweiz auch keine Richtlinien für BioElterntiere. Um sicherzustellen, dass ihre Bio-Trutenküken auch als solche zertifiziert werden, orientieren sich Marlene und Bruno Schweizer an den Richtlinien für die Bio-Mast – dies sei mit Bio-Suisse so abgesprochen. «Im Moment ist es ein bisschen ein Herausfinden, was die Tiere wirklich brauchen », so Bruno Schweizer. Gerade im Winter, wenn nur begrenzt Weide vorhanden sei, gehen sie beispielsweise davon aus, dass die Tiere mehr Platz brauchen, als dies die MastRichtlinien erahnen lassen. Ehrgeiziges Geschäftsmodell Das Geschäftsmodell von Marlene und Bruno Schweizer sieht vor, dass sie in den acht Monaten zwischen März und Oktober jeweils rund 3 000 Küken aufziehen und an BioMastbetriebe verkaufen. «Im ersten Jahr ist das sicherlich


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