4 minute read

Roger Stadler

Den US-Markt aus Altstätten erobert

Die Icotec AG hat im Februar in den USA mit der Vermarktung ihres Implantatsystems für die Halswirbelsäule begonnen. Das System wird bei Tumorpatienten eingesetzt und ist in Europa bereits zugelassen und erprobt. Icotec-CEO Roger Stadler erklärt, was dafür nötig war und was diese Zulassung bedeutet.

Das Icotec-Implantat (Anterior Cervical Plate) ist ein hochfestes, röntgendurchlässiges Implantat, das hohen mechanischen Anforderungen standhält und Artefakte in Röntgen, CT und MRT minimiert.

Roger Stadler, nach der Zulassung der US-Behörde Food and Drug Administration kann Ihr Implantatsystem nun auch in den USA vertreiben werden. Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?

Die Freigabe unserer Halswirbelplatte durch die Behörden in den USA ist ein weiterer wichtiger Meilenstein beim Aufbau unseres Kernmarktes, den USA. Sie bestätigt auch die hervorragende Arbeit, die unser gesamtes Team erbringt. Es ist sehr anspruchsvoll, mit solch neuen und innovativen Produkten die FDA-Zulassung zu erlangen. Wir haben in den letzten Jahren konsequent das Portfolio für die Behandlung von Tumorerkrankungen der Wirbelsäule auf- und ausgebaut.

Warum gerade die USA?

Der US-Medtech-Markt als der mit Abstand weltgrösste war schon immer in unserem Hauptfokus. Wir sind nach und nach daran, unsere Produkte, die wir auch in Europa zugelassen haben, in den Staaten beim FDA zu registrieren. Die Halswirbelplatte komplettiert weiter unser Portfolio in den USA. Wir können damit auch hier den Patienten mit einer Tumorerkrankung an der Halswirbelsäule eine komplette Lösung anbieten.

Was ist alles notwendig, um in den USA eine Zulassung für Implantatsysteme zu erhalten?

Übergeordnet braucht es einen koordinierten und effizienten Teamapproach. Sie müssen sich vorstellen, dass bei einer solchen Zulassung nicht nur alle Dokumente der Implantate sauber geführt sein müssen, sondern auch alle Schritte bei der Entwicklung, in unserer Produktion wie auch bei unseren Lieferanten und unserem Vertrieb – alles muss detailliert geprüft und notiert werden.

Und Tests gehören da sicher auch dazu?

Genau. Ausführliche Tests der Produkte und Erfahrungen aus klinischen Studien sind selbstverständlich. Es kommen aber auch noch Aspekte wie das Prüfen der Verpackungen bezüglich Transportsicherheit oder Lagerfähigkeit hinzu. Zuletzt braucht es Top-Experten vor Ort in den Staaten, die uns unterstützen und die Brücke zu den US-Behörden bilden.

Hatte die Corona-Pandemie in den vergangenen Monaten auch Auswirkungen auf Ihre Arbeit?

Absolut! Unsere Implantate werden bei Notfall-Operationen primär eingesetzt. Deshalb mussten wir die Firma maximal aufrecht halten. Schwierig war, dass unsere Aussendienstkollegen oft gar nicht in die Spitäler reindurften und somit das Unterstützen der Ärzte nicht möglich war.

Roger Stadler:

Portfolio konsequent ausgebaut.

«Es ist sehr anspruchsvoll, mit neuen Produkten in den USA eine Zulassung zu erlangen.»

Die Corona-Situation in den USA wird die Sache auch nicht einfacher gemacht haben.

Das ist so. In den USA ist die Situation sehr fragmentiert von Staat zu Staat und bezüglich der Entwicklung ziemlich unübersichtlich. Unser Team, intern wie auch im Aussendienst, machte und macht einen fantastischen Job beim Bewältigen dieser komplexen Situation. Ein grosses Dankeschön allen!

Was ist denn das Besondere an Ihren Implantaten?

Unsere Produkte sind alle aus kohlefaserverstärktem Kunststoff hergestellt. Man kennt solche Materialien von modernen Bikes, aus der Formel 1 oder aus der Luftfahrt. Diese sind gleich fest wie metallische Implantate aus Titan oder Stahl. Nur dass sie einen entscheidenden Vorteil mitbringen: Sie sind «durchlässig» für Strahlen der Bildgebung, beispielsweise für Röntgenstrahlen, CT oder MRI, aber auch für Strahlen der Tumortherapie.

Und wo liegen weitere Vorteile gegenüber herkömmlichen Implantatsystemen?

Unsere Implantate aus High-Tech Kunststoff verursachen in der Bildgebung keine Schatten, sog. Artefakte, und in der Wirbelsäulen-Tumorbehandlung eröffnen sie neue Möglichkeiten bei der Strahlentherapie. Dank unseren Implantaten können Planung und Durchführung einer Strahlentherapie stark vereinfacht und verbessert werden. Der grösste Vorteil aber liegt darin, dass bei Verwendung unserer Implantate Tumorzellen, die nach der Strahlentherapie noch aktiv sind, sofort detektiert werden können und der Patient – falls notwendig –sogleich weiter behandelt werden kann. Dieses «Sehen» und Finden von noch aktiven Tumorzellen wäre bei metallischen Implantaten stark eingeschränkt.

«Planung und Durchführung einer Strahlentherapie werden damit stark vereinfacht und verbessert.»

Wo, ausser in den USA, ist dieses System bereits im Einsatz?

Wir vertreiben unsere Produkte weltweit, auf allen Kontinenten. In den USA, in Deutschland, der Schweiz und Österreich vertreiben wir direkt. Das heisst, dass unsere Kollegen im Vertrieb direkt mit den Kliniken und den behandelnden Radioonkologen und Chirurgen im Kontakt stehen und diese intensiv bei ihrer Arbeit zum Wohle der Patienten unterstützen. In weiteren internationalen Märkten – in Europa, aber auch in Australien, Neuseeland oder Singapur – werden unsere Produkte über Distributionspartner vertrieben.

«Schwierig war, dass unsere Aussendienstkollegen oft gar nicht in die Spitäler reindurften.»

Die Icotec AG mit Sitz in Altstätten entwickelt und produziert innovative, hochfeste Implantate aus kohlefaserverstärktem Kunststoff für die operative Versorgung von Patienten in den Bereichen Wirbelsäule und Unfallchirurgie. Seit der Gründung im Jahr 2000 und auf Basis eines von Icotec entwickelten Verfahrens – Injection Molding CFM (Composite Flow Molding) – hat sich das Ostschweizer Unternehmen zum weltweiten Marktführer im Bereich von kohlefaserverstärkten Implantaten für Erkrankungen der Wirbelsäule entwickelt.

Text: Patrick Stämpfli Bild: Marlies Thurnheer, zVg

This article is from: