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Vom Schwäbischen Meer zur hohen See
Der Vorarlberger Vincent Cofalka ist auf den Weltmeeren zu Hause und bringt Urlaubshungrige in die schönsten Gegenden der Welt. Seine Leidenschaft zur Nautik hat er zufällig entdeckt. Ausleben darf er sie heute auf einem Kreuzfahrtschiff der Superlative: der AIDAcosma.
Ein Schiff so groß wie ein Vorarlberger Dorf in seiner Einwohnerzahl: Die AIDAcosma kann mehr als 5400 Gäste sowie 1400 Crewmitglieder aufnehmen und gleicht einem Mikrokosmos. Auf dem Kreuzfahrtschiff stehen 20 Decks mit 17 Bars und Clubs, 17 Restaurants, 15 Pools und viele weitere Annehmlichkeiten zur Verfügung. Der Wellness- und Funfactor ist enorm. Auch mit seinem Antrieb setzt der Ozeanriese Akzente: Er kann vollständig mit emissionsarmem Flüssigerdgas (LGN) betrieben werden. Erstaunlich ist allerdings ein anderes Detail: Gesteuert wird die AIDAcosma von einem Vorarlberger, dem 46-jährigen Wolfurter Vincent Cofalka.

Zufällige Berufswahl. „Von langer Hand geplant war der nautische Berufsweg nicht“, gibt Kapitän Cofalka schmunzelnd zu. Vielmehr sei er nach der Matura auf der Suche nach einem Studium gewesen. Dabei stolperte er über einen Flyer, der NautikStudiengänge bewarb. „Außerdem hat mir ein Bekannter von seiner Arbeit an Bord eines Schiffes erzählt.“ Die Faszination trifft ihn wie ein Blitz, der Funke hat gezündet. Der Vorarlberger lacht beim Gedanken an die damalige Geschichte, denn wie sich später herausstellen sollte, spann der vermeintliche Seefahrer ordentlich Seemannsgarn. Das zum Besten gegebene maritime Abenteuer war frei erfunden, der Bekannte war niemals auf einem Schiff gewesen. Im Nachhinein spielt das keine Rolle mehr, denn der „Schmäh“ bringt Vincent Cofalka auf Kurs.
Ein Ziel vor Augen. Der Vorarlberger packt seinen Seesack 1997 und geht an die Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven, 16 Jahre lebt er an der Nordseeküste. Hier absolviert er die Grundausbildung und schließt zwei Studiengänge erfolg- reich ab. Schnell wird ihm das Kommando über ein Frachtschiff übertragen. Er ist ganz in seinem Element, als sich ein Unwetter zusammenbraut: Die Wirtschaft gerät in stürmische Zeiten. Die Krise trifft die Schifffahrtsbranche hart. Cofalka ist 2010 persönlich betroffen. „Eigentlich wollte ich zu dem Zeitpunkt aufhören. Ich sah meine Zukunft an Land“, so der Kapitän. Aus dem ersonnenen Landgang wird allerdings nichts, denn AIDA Cruises holt den Vorarlberger noch im selben Jahr ins Boot. Mittlerweile hat der erfahrene Seemann das Ruder der AIDAcosma, ein Kreuzfahrtschiff der Heliosklasse, übernommen. Vom Stapel lief es erst im letzten Jahr. „Ich bin der Taufkapitän“, verrät er und kann nicht verbergen, dass er für Schiff und Beruf brennt.

Alltag an Bord. Cofalkas Aufgabengebiet ist mannigfaltig und mit dem eines Geschäftsführers eines Unternehmens mit 1400 Mitarbeitenden zu vergleichen. „Ich arbeite im operativen Umfeld. Ganz dem Zeitgeist entsprechend ist dieses hochvernetzt und wird durch künstliche Intelligenz unterstützt.“ Das bedeutet im Bereich der Wartungspläne, dass automatisiert ersichtlich wird, welche bzw. wie viele Ersatzteile benötigt werden. Über KI-gestützte Anlagentools kann außerdem die maximale Nachhaltigkeit erreicht werden. „Unsere neue Schiffsgeneration ist ganz vorne, was die Energieeffizienz im Sinne der Nachhaltigkeit angeht. Da sind wir ein bisschen wie Startrek.“ Auch gebe es auf der AIDAcosma Teppichböden, die Cradle to Cradle zertifiziert sind. „Die Teppichfliesen sind unbedenklich von der Herstellung bis zum Recycling und werden nach ihrer Nutzung in biologische oder technische Kreisläufe zurückgeführt.“ Ganz im Sinne des Cradle-to-Cradle-Prinzips, das sich an der Natur, die keine Abfälle erzeugt, orientiert.

Die Brücke der AIDAcosma ist der atemberaubende Arbeitsplatz von Kapitän Vincent Cofalka, der die Verantwortung für sein Schiff, die Crew sowie die Gäste an Bord trägt.


Cofalka privat. Ein Kreuzfahrtkapitän trägt große Verantwortung. „Während der Zeit an Bord hab ich auch im Schlaf immer ein Ohr am Schiff“, so der Vater von zwei Buben. „Eltern von Kleinkindern kennen das Phänomen“, spielt er auf die sofortige Reaktionsfähigkeit bei nächtlichen Geräuschen des Nachwuchses an. „Wenn ich nach einem regulären Einsatz, der drei Monate dauert, wieder in Vorarlberg bin, muss ich erst wieder in ein anderes Mindset finden.“ Bereits nach einer Woche habe er sich akklimatisiert und kann die drei freien Monate genießen. Loslassen könne er sein Schiff und die Arbeit problemlos. Schließlich trage während seiner Abwesenheit eine andere Brückencrew die volle Verantwortung für die AIDAcosma. Das gibt ihm den Freiraum, sich in private Projekte zu vertiefen. Klassisch in Urlaub fährt er nicht. Wer beruflich den Orient bereist oder das Mittelmeer abfährt und in Häfen von Katar bis Sardinien ankert, sehnt sich nach anderen Aktivitäten als dem Erkunden fremder Länder. „In meiner Freizeit verbringe ich gerne Zeit mit meiner Familie. Ich besuche auch meine Freunde, die in ganz Europa verteilt sind“, erzählt der Seefahrer. Er gehe auch gerne wandern, die Berge habe er vermisst, als er im flachen Ostfriesland lebte. Als Lebensraum schätze er das Ländle ganz besonders. Das war allerdings nicht immer so.


Resümee. „Mit Anfang 20 wollte ich dringend weg. Vorarlberg empfand ich damals als sterbenslangweilig“, gesteht der Wolfurter. Inzwischen habe er viel von der Welt gesehen, auch Flecken abseits des Tourismus. Die dabei gewonnene Erkenntnis: „Im globalen Vergleich schneidet Vorarlberg ziemlich gut ab, was die Lebensqualität, samt Infrastruktur, medizinischer Versorgung usw. angeht.“ Ein Wohnsitz in der Karibik, reizt ihn weniger. Palmen, Strand und immerwährender Sonnenschein – das sei nichts für ihn. „Ich brauche die Jahreszeiten und die habe ich daheim. Sogar einen See habe ich hier“, zeigt sich der Nautiker glücklich mit seiner Homebase. Das Schwäbische Meer hat nämlich durchaus Exklusives zu bieten: „Steht man in Bregenz an der Molo, kann man im Sommer die Sonne im Bodensee versinken sehen. Der Sonnenuntergang im Wasser ist an keinem anderen Punkt bzw. See in Österreich erlebbar.“ Als weiteres Unikum nennt er die historischen Schiffe am Bodensee. „Wir haben hier zwei Juwele: den Schaufelraddampfer Hohentwiel und die MS Oesterreich, das einzig verbliebene Art-Déco-Schiff der Welt.“
Vincent Cofalka bezeichnet sich als heimatverbunden. Das zeigt er auch auf internationalen Gewässern, das Vorarlberger Wappen hat seinen fixen Platz auf der Brücke. „Wer es auf der AIDAcosma sieht, weiß, ich bin im Einsatz“, sagt der Kapitän und betont, dass er sich immer freue, auch Landsleute an Bord begrüßen zu dürfen. Vom Schwäbischen Meer zum Urlaub auf die hohe See. Warum eigentlich nicht? Yvonne Tscherner