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„Das Wasser ist in der Landschaft, was die Spiegel in einem Gebäude sind, was das Auge an dem menschlichen Körper ist. Es ist, die Vergnügungen der Fahrt und des Fischfangs nicht einmal gerechnet, so belebend, so erfrischend und fruchtbar an Einwirkungen, dass seine Gegenwart überall gefällt, und seine Abwesenheit auch in den schönsten Gegenden mit Bedauern empfunden wird.“

Bereits vom Geist der Aufklärung geprägt, der ein ganz neues Naturverständnis hervorbrachte, beschrieb Ende des 18. Jahrhunderts der Kieler Philosoph Christian Cay Lorenz Hirschfeld in seinem fünfbändigen Werk „Theorie der Gartenkunst“1 die Wirkung von Wasserflächen auf den Menschen. Die Schätze der Natur wurden nun nicht mehr ausschließlich unter dem Aspekt der Nutzbarkeit betrachtet, sondern erlangten zunehmend auch ästhetischen Wert. Hirschfeld machte sich Gedanken um die Empfindungen, die der Anblick von Wasserflächen verschiedenster Art beim Spaziergänger hervorrufen könne. Zum Thema Fluss beispielsweise formulierte er: „Das rege Wasser und die Ufer eines Flusses ergötzen das Auge; durch seine fortgehende Bewegung wird die Einbildungskraft beschäftigt, die mit ihm gleichsam dahin schwebt, ohne zu wissen, wohin sie geleitet wird, noch wo sie ruhen soll. […] Er gehört nicht für die einsame, melancholische Gegend; die muntere und reizende betrachtet ihn als ihr Eigenthum.“2 Als großer Liebhaber der englischen Landschaftsgärten, deren Gartenkünstler die Potenziale der Natur zu nutzen und durch Hinzufügungen zu steigern wussten, erschien es dem Gartentheoretiker wichtig, diese Impressionen zu katalogisieren und deren fachgerechte Anwendungen festzulegen.

Gewinnbringende Liaison – die Regnitz und der Hain Auch Bamberg verfügte gleich zu Beginn des 19. Jahrhunderts, und damit recht früh, über einen solchen Landschaftspark – den Theresienhain am linken Regnitzarm. Niemand Geringerer als der neue Landesherr Kurfürst Maximilian IV. Joseph und sein Minister Montgelas hatten die Anordnung zur Anlage eines Volksgartens an dieser Stelle gegeben. Der malerisch am Ufer entlang führende Weg nach Bug war jedoch schon zuvor als ab133


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Abb. 1: Rechts im Bild ist die Rückseite des Badehauses zu sehen, links, am gegenüber liegenden Ufer das so genannte Milchhäuschen. Am Ende des Flussabschnitts spiegelt sich die Concordia im Wasser. E. Neureuther, Ansicht eines Theils der Stadt Bamberg am Eingange des Theresienhains, 1821, Lithografie StadtAB, A 22 C I 48 / 3

wechslungsreicher Spazierweg vor den Toren der Stadt beliebt, wie zahlreiche, oft sehr eindrücklich verfasste Reiseberichte belegen. Im Jahr 1800 schrieb beispielsweise die 15-jährige Philippine Auguste Böhmer an Cäcilie Gotter3: „Gestern sind wir in Bug, einem sehr berühmten Vergnügungsort der Bamberger, gewesen, es ist ein Haus das eine schöne Lage am Wasser hat und wo ein großer Saal ist, wo alle Wochen 2 mal Musick und Tanz ist. […] Aber der Weg dahin ist sehr schön, stell Dir vor, man geht längst dem Flusse, der Rednitz heist, hin, zur rechten das Wasser und zur linken einen sehr schönen Eichenwald, auf der anderen Seite des Flusses eine Kette von schönen grünen Hügeln, die sich im Wasser spiegeln und oben mit niedlichen kleinen Gartenhäuserchen gekrönt sind.“ Als sich nun im Jahr 1803 und damit unmittelbar nach der Säkularisation für die neue Landesregierung die Chance bot, mit der Anlage eines Volksgartens das aufgebrachte Gemüt der Bamberger Bürger etwas zu besänftigen, geschah dies also nicht von ungefähr an dieser Stelle. Kein anderes Areal in Stadtnähe verfügte über solche Reize: einen Fluss, eine Auenlandschaft mit alten Eichen, begrünte, zum Teil durch barocke Terrassengärten gestaltete Hügel am gegenüberliegenden Ufer, und dies alles vor der Silhouette der Bergstadt gelegen. Die Ausgestaltung des Theresienhains nahm in den folgenden zwei Jahrzehnten Formen an, die durchaus mit dem berühmten Vorbild in München, dem Englischen Garten, konkurrieren konnten. Die Regnitz spielte dabei keinesfalls eine untergeordnete Rolle, denn die Staffagen und Einrichtungen des Volksgartens benötigten Wasser – der Monopteros, 1806 vom Schlossgarten Seehof hierher transloziert, 134


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bedurfte eines Spiegels, um seine vollkommene Wirkung zu erlangen, und die Betreiber des 1815 von Ferdinand von Hohenhausen errichteten Badehauses waren zur Speisung der Wannen und Schwitzbottiche auf das Flusswasser angewiesen. (Abb. 1) Die Erweiterung des Theresienhains bis zur Südspitze gegenüber von Bug wurde schon bald in Betracht gezogen, nun jedoch nicht mehr auf Anweisung und mit dem Geld der Regierung in München, sondern unter städtischer Regie. Nach zahlreichen Verhandlungen mit den unterschiedlichen Grundeigentümern begann Ende der 1820er Jahre der Ausbau des Luisenhains, dessen erste Entwicklungsphase mit dem Bau einer Schutzhütte am Uferweg nach Bug im Jahr 1851 beendet war. Diese Unterstellmöglichkeit für Spaziergänger wurde neben eine Nepomuk-Statue platziert, die bereits im Jahr 1805 hier Aufstellung fand. Sie wird einem berühmten Bildhauer des Barock zugeschrieben – Johann Peter Benkert (1709-1769), der den Heiligen wohl für die Seesbrücke4 in Bamberg geschaffen hatte. An seinem neuen Platz übernahm Nepomuk quasi die Funktion eines Schutzheiligen für die Spaziergänger. Seine Aufstellung schon gut zwanzig Jahre vor dem Ausbau des Luisenhains mag ein Beweis sein für die Bedeutung des Mühlwörths als Wegsequenz nach Bug. In den folgenden Jahrzehnten erlangte der Hain größte Bedeutung für das gesellschaftliche Leben der Stadt. Hier fanden Stände übergreifende Begegnungen statt. Auf dem Festplatz an der Musikhalle wurden tagelange, großartige Veranstaltungen abgehalten, man lustwandelte in wohlgestalteter Natur, vornehmlich entlang der Ufer, dabei Abwechslung suchend von den engen Gassen der Stadt. Die Bamberger taten dies ganz im Sinn von Hirschfeld, der über Volksgärten schrieb: „Bewegung, Genuß der freyen Luft, Erholung von Geschäften, gesellige Unterhaltung ist die Bestimmung solcher Oerter“.5 Bei dieser Inszenierung von Natur spielte der Fluss die Hauptrolle, denn ohne die romantischen Empfindungen, hervorgerufen durch die visuelle Verknüpfung mit dem Wasser, ohne die Spiegelung des Himmels, der mächtigen Bäume und der grünen Hügel im sanft dahingleitenden Fluss und ohne die leichte Kühle, die das Wasser an heißen Sommertagen spendete, wäre ein Spaziergang vor den Toren der Stadt nur halb so reizvoll gewesen. Am Ende des Weges verlockte das Angebot der Ausflugsgaststätte in Bug zur Einkehr, und den Weg zurück flussabwärts nahm man nicht selten mit dem Boot. Zu ganz besonderen Anlässen fanden über Jahrzehnte hinweg immer wieder so genannte Wasserparthien statt. Sie stellten oftmals den Höhepunkt eines Sommerfestes dar und waren bis ins 20. Jahrhundert Tradition.

Kanonische Lichter und Fixsterne auf der Regnitz Am 30. August 1819 fuhr zur Abendstunde anlässlich einer Feierlichkeit des Gesellschaftsvereins „Museum“ ein Kahn Richtung Bamberg, vom dem es in allen erdenklichen Farben nur so funkte und sprühte. Man hatte das Boot mit einem aufwendigen Feuerwerk bestückt, das, begleitet von Dutzenden von anderen Kähnen, auf denen sich die illustre 135


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Abb. 2: Johann Fruhauf, Darstellung eines am 30sten August 1819 statthabenden Feuerwerkes auf einem eigens dazu decorirten Kahn von Bug nach Bamberg fahrend, unternommen von Museums-Mitgliedern, Lithografie Staatsbibliothek Bamberg, VC 255, Heller Nr. 1083

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Gesellschaft befand, langsam und unter großem Beifall auf das „Wasserschloss Concordia“ zuglitt. Vom Ufer des Hains aus genossen geschätzte vier- bis fünftausend Zuschauer das Lichterfest, und von einem Begleitschiff ertönte liebliche Musik. Das ganze Ausmaß des prachtvollen Spektakels lässt sich einer Zeichnung6 (Abb. 2) entnehmen, die dem Programm beigefügt war. Die Beschreibung listet insgesamt zwölf Abläufe auf, unter anderem „121 Lichter mit Schlägen auf beiden Seiten des Kahns, kanonische Lichter mit 300 Leuchtkugeln, 2 Pyramiden mit Fixsternen, 6 Rohre mit Feuer-Regen“ und zum Abschluss gar eine „dreifache Fontäne mit doppeltem Feuerrad.“ Ein tags darauf erschienener Artikel im „Fränkischen Merkur“7 beschreibt den Ablauf des Festes. Gegen Abend hatten sich die Spaziergänger in Bug eingefunden. „Vor dem Gasthofe unter obstbeladenen Bäumen waren alle Tische besetzt. […] Die junge Welt schickte sich inzwischen zum Tanze an, und die übrigen unterhielten sich durch angenehme Gespräche und die herrliche Aussicht. Allerlei Gattungen Eßwaaren und gutes Getränk waren im Überfluß vorhanden. Indessen war die Sonne hinter den Bergen versunken, die Dämmerung gab Zeichen zum Aufbruche, welches aufsteigende Raketen und Freudenschüsse bestätigten. Viele Kähne drängten sich herbei, um die Gesellschaft nach Bamberg zu führen. […] Schon näherte man sich der Stadt und die Menschenmasse hatte sich dem Fluße entlang auf dem Fußpfade bei dem auf Säulen ruhenden Badehaus


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vorbeigewälzt, welches soeben der Mond mit seinem sanften Lichte magisch überzog. Auf einmal sprühte ein Kahn ringsum Feuer von sich, blaue, gelbe und rothe Flammen ergötzten das Auge, worauf ein tausendfaches Bravo erschallte. […]“ Ganz wichtig war dem Autor die Feststellung, dass „dieses Fest, welches an keine religiöse oder politische Vorstellung geknüpft war“ für sich selbst spreche, denn es trüge „den Charakter der gemüthlichen Fröhlichkeit“. Auch vermerkt er ausdrücklich, dass es keinen Unterschied der Stände beim geselligen Beisammensein in Bug gegeben habe – ein wichtiger Aspekt in dieser nachabsolutistischen Zeit, in der das aufstrebende Bürgertum durch Aufhebung von gesellschaftlich bedingten Zwängen zunehmend an Selbstbewusstsein gewonnen hatte.

Barockpalais und Feenschloss – die Concordia Endpunkt all dieser Wasserfahrten war das barocke Palais von Ignaz Tobias Böttinger, das sich mit seinem Garten so einzigartig dem Fluss zuwendet. Seinen heutigen Namen Concordia verdankt es einer Gesellschaft, die sich 1826 gegründet hatte, zunächst unter dem Namen „Wintergesellschaft zum Grünewald“. Vier Jahre später wurde sie in „Concordia“ umgetauft, und bereits im Jahr 1834 gelang es den Vorständen, das Palais zu erwerben, das im Jahr darauf bezogen werden konnte. In der Festschrift aus dem Jahr 18858 finden sich zahlreiche Hinweise auf Wasserfahrten zwischen Bug und der Concordia. Deren feierlicher Abschluss fand immer im Garten und in den Sälen des barocken Schmuckstücks statt, das zu diesen Anlässen im Glanz Hunderter von Lichtern zu einem wahren Feenschloss9 mutierte.

Kaiserlich-königlicher Besuch und Turnvater Jahn Zum VI. Bayerischen Kreisturnfest am 27. und 28. August 1882 war hoher Besuch zugegen: der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm. Nach einem großartigen Empfang am Bahnhof nahm der Prinz standesgemäß Logis in der Residenz. Auf ihn wartete in den Tagen seiner Anwesenheit ein umfangreiches Programm, dessen Höhepunkt die Wasserfahrt von Bug zur Concordia werden sollte. Das Bamberger Tagblatt10 veröffentlichte am 28. August einen Aufruf an alle „geschätzten Bewohner der vom Concordiagebäude bis zur k. Residenz führenden Straßen, zwischen 9 Uhr und 10 Uhr Nachts gefälligst zu illuminiren“. Friedrich Wilhelm wurde mit kleinem Gefolge durch den Hain geleitet, wo er das „für ihn bereitgestellte prächtig dekorirte und illuminirte Schiff“ bestieg, wie die Zeitung am 29. August berichtete.11 „Dem Schiffe, auf dem sich S. k. k. Hoheit befand, folgte ein großes gleichfalls vorzüglich illuminirtes Schiff mit vielen Hunderten von Turnern, diesem ein Schiff mit dem Gesammtausschusse des Turnerfestes und des Festkomites, dann eine große Anzahl kleinere dekorirte Schiffe. […] Die Höhen des linken Regnitzufers waren prächtig mit Lichtern geschmückt, so dass man sich förmlich in eine Feenwelt versetzt glaubte. Einen wahrhaft zauberischen Reiz bot u. A. der Anblick des in der Wolfschlucht bengalisch beleuchteten 137


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VILLA CONCORDIA ohann Ignaz Tobias Böttinger (1675-1730) gehörte der Schicht zielstrebiger Bürgerlicher an, denen es gelang, im Dienste des Hofes Karriere zu machen. Er schlug eine Beamtenlaufbahn ein, trat schon mit 24 Jahren nach abgeschlossener Ausbildung einschließlich Kavalierstour in die Dienste des Fürstbischofs Lothar Franz von Schönborn und gelangte am Hof zu einer herausgehobenen Position. Er war Gesandter beim Kreistag, das heißt, er vertrat im Fränkischen Reichskreis die Interessen des Hochstifts und wirkte an der Verwaltung mit. Als Hofrat bei

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Die Villa Concordia vom anderen Regnitzufer aus gesehen Foto: Monika Meinhart 2008

der Obereinnahme war er mitverantwortlich für die Finanzierung des Heeres. Er ließ in Bamberg kurz nacheinander zwei außergewöhnliche Palais errichten, ab 1709 das so genannte Böttingerhaus in der Judenstraße, das ihm zu Repräsentationszwecken diente und in dem er seine Geschäftspartner empfing; und ab 1716 als Wohnhaus für seine große Familie das Wasserschloss an der Regnitz, das heute den Namen „Villa Concordia“ trägt. Das Besondere an diesem zweiten Palais ist, dass sich die Hauptfassade und Schauseite von der Stadt abwendet, mit Blick auf die

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Regnitz und in die Landschaft. Als Vorbild dürften venezianische Villen entlang der Brenta gedient haben, die ebenfalls die Gartenseite bevorzugt behandeln. Zwei Flügel sind rechtwinklig zueinander angeordnet, die Gartenfront des Nordflügels ist durch plastisches Dekor hervorgehoben und damit als eigentliche Hauptfassade gekennzeichnet. Die ganze Anlage legt Wert auf Privatheit, denn das Haus verwehrt mit seiner Rückfassade zur Straße jeden Einblick, und öffnet sich frei zum Fluss und zum Garten. Dieser ist in zwei Terrassen gestaffelt. Von einem Zwischenpodest führen zwei Treppenläufe auf die untere Terrasse, sie umschließen eine Kaskade mit Wasserspeiern und Muscheln als Auffangbecken. Zur Regnitz hin wird der Garten durch eine Mauer und ein Gittertor abgeschlossen. Die Privatbauten Böttingers gehen weit über das Maß des Zweckmäßigen oder gar Notwendigen hinaus. Wichtig war dem bürgerlichen Bauherrn die Repräsentation. Böttinger wollte dem Adel beweisen, dass er in seiner Leistung ebenbürtig war. Für seine Residenz an der Regnitz engagierte er den Hofarchitekten und Erbauer von Schloss Pommersfelden, Johann Dientzenhofer. Der vom „Bauwurmb“ besessene Fürstbischof Lothar Franz von Schönborn unterstützte private Bauinitiativen, weil er derart prunkvolle Bauvorhaben als Zierde der Stadt ansah. So bekam Böttinger beispielsweise das Bauholz zum halben Preis. Eva Schurr


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Bildes des Turnvaters Jahn und der Gesang der dasselbe umstehenden Sängerschar sowie die Illumination der Gebäudlichkeiten der Concordia. Die wirklich gelungene Wasserfahrt lockte aber auch eine unabsehbare Menschenmenge auf die beiden Regnitzufer. Auf einen Knäuel zusammengedrängt war die auf dem Mühlwörth sich befindliche Menschenmenge und es ist nur zu verwundern, dass es dortselbst ohne Unfall abging.“ Durch herausragende Beleuchtungskunst zeichnete sich besonders ein Garten am linken Regnitzufer aus: der barocke Terrassengarten der Familie Baptist Reindl, die in einer Art Tagebuch12 alle wichtigen Ereignisse festgehalten hat – von den Aufenthaltszeiten im Häuschen und Ernteerträgen der Obstbäume bis hin zu den Illuminationen des Gartens anlässlich der Wasserfahrten. Der Garten war, wie sein nördlich daran anschließendes Pendant, die Engelsburg, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an dieser sehr prominenten Stelle im Weichbild der Stadt entstanden. Schon von Weitem entfalteten die beiden Anlagen mit ihren auf der Anhöhe stehenden Lusthäuschen ihre Wirkung auf die Schiffer, die sich Bamberg näherten. Zumindest im Garten der Villa Reindl sind bis heute diese Strukturen erhalten geblieben, die deutliche Analogien zum Terrassengarten von St. Michael aufweisen. So wurde auch hier das Element einer Kornelkirschenhecke als Einfassung der Terrassenkante gewählt. In regelmäßigen Abständen ragen kugelig geformte Hochstämme der gleichen Art aus dieser Hecke, die noch zu Reindls Zeiten als Träger der Beleuchtung dienten. So beschreibt der Verfasser der Aufzeichnungen für das Turnerfest im Jahr 1882 die Illumination wie folgt: „Beleuchtung der Brustbeerenhecke13 und der Fenster, Turnerzeichen auf dem Häuschen, auf der mittleren Terrasse Friedrich Wilhelmkrone, anlässlich der Anwesenheit des dt. Kronprinzen, auf der zweiten untersten Terrasse Kindergruppe mit deutschen und bayerischen Fahnen.“

Der Wasser-Corso für den Bayerischen Prinzregenten, lebende Bilder und weitere Parthien Zu einer regelrechten Wasserparade sahen sich die Bamberger veranlasst, als Prinzregent Luitpold 1898 zur feierlichen Grundsteinlegung für sein Denkmal auf dem Domplatz in der Stadt weilte. Der Einladung war ein ausführliches Programm14 beigelegt (Abb. 3 und 4): Auf dem Weg von Bug nach Bamberg glitten die Schiffe an drei „lebenden Bildern“ vorbei. Bild eins, genannt „Die Veroneser Klause“, stellte die sieg- und hilfreiche Unterstützung Friedrich Barbarossas durch den Wittelsbacher Otto I. im Jahr 1155 dar. Das Programm war ergänzt durch ein martialisches Gedicht. Bild zwei hatte Franken zum Thema, und zwar „Die Huldigung der Ströme des Frankenlandes“; und mit Bild drei wurde ein Ausflug in die griechische Mythologie gewagt – „Amphitrite, die Gemahlin des Poseidon, die Beherrscherin der Meere, auf einem von Tritonen gezogenen Muschelwagen“ posierte im Monopteros für den Prinzregenten. Das Organisationskomitee hatte also weder Mühe noch Kosten gescheut, dem Prinzregenten die Fahrt so interessant wie möglich zu gestalten. Mit den „lebenden Bildern“ lag man im Trend der damaligen Zeit. Sie wa139


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ren bei Veranstaltungen beliebt, weil man mit ihnen berühmte Gemälde oder ganze Szenerien nachstellen konnte.15 Zwei Jahre darauf schloss der 25. Juristentag in Bamberg mit einer festlichen Wasserfahrt, wiederum ergänzt mit gestellten Szenen.16 Dieses Mal wählten die Veranstalter den Einzug des Kaiserpaares Heinrich und Kunigunde in Bamberg als erstes Bild, im Druidentempel gruppierten sich die drei Göttinnen Diana, Hebe und Ceres und auf der Höhe der Concordia posierten auf einem breitseitig gestellten Schiff des Ruderclubs Bamberg die Göttin „Pallas Athene mit Genien, Krieg und Frieden verkörpernd“. Auch dieses Mal wurden die Bilder ergänzt durch themenbezogene Beleuchtung der angrenzenden Gärten und Hügel. Am Ende der Fahrt belebte „eine mächtige Fontäne, die sich in Farben wiederspiegelt, den Prospekt.“ Zu diesem Anlass, wie zu zahlreichen anderen auch, fand im Übrigen am Michelsberg tags zuvor ein großes Gartenfest statt. Garten, Bürgerspital und Kirche waren glänzend illuminiert, und die umliegenden Höhen glühten durch bengalische Feuer. Mit großem Überschwang ist der Bericht des Bamberger Tagblatts17 über eine Wasserfahrt verfasst, die zur Generalversammlung des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins im Jahr 1905 komponiert wurde: „Die ganze Hügelkette am linken Flussufer und der ganze Hainsaum bildete eine Serie von Bildern und Lichteffekten. Kaiser Max auf der Martinswand war das erste und das größte Bild. […] Arrangiert haben das Bild HH. M.-R. Welsch […] und Kunstmaler Riedhammer. An der Militärschwimmschule stellten Soldaten Turner-Pyramiden. […] Marmorgruppenbild, gestellt vom Turnverein (1860), dann einige Schiffslängen talwärts brennender Obelisk mit dem Gruße an den D. u. Oe. Alpenverein. Beim Passieren an der Martinswand ertönt hehrer Gesang. Heilige Stille verbreitet sich über das Gewässer. Schier andächtig lauscht alles dem Gebete des Volkes, das für den gefährdeten Kaiser um Rettung flehte. […] „Es braust ein Ruf, wie Donnerhall“ ertönte es vom Sängerschiff und der Ruf brauste fort und pflanzte sich fort von Schiff zu Schiff. Das war ein Jubel und eine Begeisterung. Weiter talwärts, am linken Ufer die Villa Reindl, die trotz ihrer früheren vorzüglichen Darbietungen bei solchen Gelegenheiten, sich auch diesmal überbot: Edelweiß im großen Stern, Edelweiß in kleinen Sternen, ein wunderbares Bild, das zu lebhaften Beifallskundgebungen hinriß. Mittlerweilen: Kanonendonner und Gewehr-Geknatter, vom nächsten Berge, von der Villa Fessenmayer. Der Freund des Frhrn. von Tanera und der Illustrator der Tanera’schen Kriegswerke, Herr Geschichtsmaler Zimmer, hat ein Schlachtenbild nach seiner originellen Art gestellt. Mit Erstürmung der Höhen endete das naturgetreue Gefecht und drüben von den Schiffen klang es wieder aus den tausenden Kehlen: „Fest steht und treu die Wacht am Rhein“. Die Flottille nimmt nun die kleine Biegung und vor ihr erstrahlt ein Feenschloß, die Concordia, und ihre Umgebung, die Mühlen Eckert und Clostermayer, eine Fontäne im Flusse im elektrischen Farbenspiel. Wahrlich, wohl für jeden ein unvergeßlicher Anblick!“ Die Beleuchtung der Mühlen, die der Berichterstatter beschreibt, wurde von den Mühlenbesitzern als willkommene Gelegenheit genutzt, ihre für Bamberg so wichtigen Gebäude 140


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in besonderem Glanz zu zeigen. Im Nachlass der Eckertsmühle befindet sich ein solches Beleuchtungsrad.18 Es hat einen Durchmesser von ca. 1,80 m und ist vermutlich eigens für diesen Zweck in Form eines Wagenrads konstruiert worden. Sowohl an den Speichen als auch am Reifen sind große Schrauben montiert, die als Halterungen für Beleuchtungs- oder Feuerwerkskörper dienten. Es ist anzunehmen, dass sich das Rad nach dem Entzünden der Lichter zur Steigerung des Effekts drehte.

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Abb. 3 und 4: Einladung und Programm zum Wasser-Corso am 3. Juli 1898 StadtAB, B. S. 8436

Feuerlöscher und Feuerwerkskünstler Die Bamberger Bürger wussten zu feiern in dieser Zeit! Der Bayerische Feuerwehrtag im Jahr 1910 wurde zum Anlass genommen, ein mehrtägiges Volksfest mit Abendprogramm und Leistungsschauen der Feuerwehren zu veranstalten. Erneut waren der Michelsberg und der Hain Schauplatz und Vergnügungsort, an denen abends Beleuchtung und Feuerwerk zum Einsatz kamen. Da die Veranstalter allesamt zu Feuerwehren gehörten, wurde das Programm des Festes auf dem Michelsberg sogar um Illuminationen entfernt liegender Hügel wie der Giechburg und des Kreuzberges ergänzt. Über die am nächsten Tag veranstaltete Wasserfahrt, die gleichsam Höhepunkt und Abschluss der Festlichkeit bildete, schwelgte der Berichterstatter im Bamber141


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Abb. 5 und 6: Programm zur Fahrt der tausend Wunder im Jahr 1925 StadtAB, B. S. 8436

ger Tagblatt:19 „Behäbig und breit schaukelten sich auf dem Rücken der Regnitz die zur Fahrt bestimmten Transportschiffe. Guirlanden und Reiser, bunte Wimpel und Fahnen und farbige Lampions verliehen den Kolossen anmutigere Formen. […] Dunkler und dunkler wards, aber erst, als grau in grau die Dämmerung hereingebrochen, wurde das Zeichen zur Abfahrt gegeben und leise glitten die Schiffe mit ihrer schweren Last dahin. Es war ein prächtiges Bild! […] Sausend fuhren Feuerwerkskörper in die dunkle Nacht und überschütteten die nachtschlafende Gegend mit einem Feuerregen goldener oder farbiger Kugeln. […] Das erste Bild an der Wolfsschlucht war […] eine getreue Kopie zu dem bekannten Bilde Hübner-Witthofts: „Glückliche Rettung“. Die überaus glückliche Inszenierung, die den natürlichen Hintergrund geschickt auszunutzen verstand, und die prächtige Darstellung aller Mitwirkenden verdienten wohl die spontanen Jubelrufe […]. Herr Theaterregisseur Piortowski hat bei dem Bilde, wie wir erfahren, seine Kunst als Regisseur in den Dienst gestellt.“ Der Monopteros galt wohl durch seine antikisierende Form als bester Platz für Götterdarstellungen und beherbergte eine Gruppe griechischer Priester um ihren Ältesten. „Ein unglücklicher Zufall wollte es, dass der von Herrn Schlachtenmaler Zimmer vorzüglich gruppierte Huldigungsakt vor einer Kolossalfigur der Germania infolge Versagens der Beleuchtung nur wenig sichtbar wurde. Das 4. Bild: Huldigung vor dem Regenten war von Herren der Freiw. Feuerwehr und ihren Damen gestellt und konnte reichlichsten Beifalls sich erfreuen.“ 142


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Und zum wiederholten Male war es die Beleuchtung im Garten der Villa Reindl, die diesen Beifall in Jubeln übergehen ließ: „Wie ein Märchen aus tausend und einer Nacht mutete auch dieser „Zaubergarten“ an mit seinen hellschimmernden Terrassen und den glitzernden Ornamenten, die oben vom Feuerwehrwappen gekrönt wurden.“

Eine Kristallwasserfahrt ohne Zukunft Zur ersten Wasserfahrt nach dem Krieg riefen im Jahr 1925 die beiden Ruderclubs und die Gesellschaft Concordia auf. Anlass gab die Gewerbe- und Industrieausstellung. Nun wurden Prospekte (Abb. 5 und 6) gedruckt und verteilt, die auch auswärtige Besucher in die Stadt locken sollten. „Ein Traum aus 1001 Nacht – In Festschiffen zur Kaiser- und Bischofsstadt“, so lautete der Titel.20 Eine Schiffskarte konnte für 3 Mark erworben werden, eine Zuschauerkarte für den Hain und den Leinritt kostete lediglich 1 Mark. Vier bis fünf so genannte Feuerwerksfronten mit je einer Größe von ca. 40 Quadratmetern wurden abgebrannt. Auch lebende Bilder gab es erneut, diesmal in vaterländisch-sportlichem Ton, wie der Zeitungsbericht21 vermerkt. Der Verzauberung durch Lichteffekte tat das allerdings keinen Abbruch, denn die „Kristallwasserfahrt“ war eine märchenhafte Inszenierung aus griechischen Feuern, die den Hain „grüngolden leuchten“ ließen; ein „Verwandlungswasserfall verschmolz seine glänzenden Fluten mit den dunklen Wassern der Regnitz. Als die „Lebenden Bilder des Ruderclubs im sterbenden Feuerschein verblassten,“ wurde das schimmernde Wasserschloss Concordia sichtbar, in dessen Garten und Räumen mit einem großen Fest die Veranstaltung und ein wunderbarer Sommertag ihren Abschluss fanden. 143


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Das Festkomitee hegte zwar die Absicht, diese Kristallwasserfahrt zu einer jährlich wiederkehrenden Einrichtung werden zu lassen. Tatsächlich vergingen jedoch zehn Jahre, bis der Verschönerungsverein Bamberg nach den wirtschaftlich harten Zeiten sich anschickte, mit Pfingstwasserfahrten an die alte Tradition anzuknüpfen. Doch lediglich im Jahr 1935 fand, in vergleichsweise reduzierter Form, eine letzte Fahrt auf dem Abschnitt zwischen Bug und der Concordia statt. Der eigentliche Höhepunkt war in diesem Jahr bereits das am Pfingstsonntag veranstaltete Feuerwerk am Alten Rathaus und der Fischerei. Damit war die Hauptattraktion vom südlichen Abschnitt der Regnitz auf die Wasserfläche innerhalb der Stadt verlegt worden. Das war das Ende der großen Wasserfahrten von Bug nach Bamberg, die schon bald in Vergessenheit gerieten. Heute wie damals fließt der linke Regnitzarm entlang der begrünten Hügel der Stephaniter Gefilde und verbindet Bug und Bamberg mit seinem Wasserband. Noch immer kann die Regnitz, wie in einem Bericht der Bamberger Ostmark aus dem Jahr 192522 beschrieben, „sich auf ihrem Weg durch Bamberg sicherlich nicht über Eintönigkeit und Langeweile beklagen.“ Und noch immer ist „ihr ganzer Weg, von Bug bis dort, wo sie die Stadt wieder verlässt […] ein Mosaik von lebendigen Bildern, die zusammen ein großartiges Gemälde stellen würden.“ Bei der Lektüre der begeistert und in der anschaulichen Sprache der früheren Zeit formulierten Berichte kommt etwas Wehmut auf: Der Gesamteindruck einer solchen Wasserfahrt muss unvergleichlich gewesen sein. Bengalisch beleuchtete Hügel und Gärten, geschmückte Häuschen am Mühlwörth, große Beleuchtungsräder an den Mühlen, als Höhepunkt die mit Hunderten von Lichtern in Szene gesetzte Barockfassade der Concordia, ihr mit Lampions verzauberter Garten – und alles spiegelte sich im Wasser, das in der Verbindung mit Lichterglanz eine ganz eigene Magie entwickelte. Solch eine lebendige Inszenierung würde wohl auch die Menschen unserer technisierten, ständig beleuchteten und nie dunklen Zeit erreichen. Ein Wunsch regt sich im Innern … __________ 1 Christian Cay Lorenz Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, Leipzig 1779-1785, Band 1, 1779, S. 200. 2 Hirschfeld (wie Anm. 1), Band 2, 1780, S. 108. 3 Ulrich Pedrelli, Bamberg in alten Reisebeschreibungen, Düsseldorf 1991, S. 118. 4 Breuer, Hain, S. 399. 5 Hirschfeld (wie Anm. 1), Band 5, 1785, S. 68. 6 Freundlicher Hinweis von Thomas C. Reiser, Bamberg. 7 StAB, MFZ 2, Fränkischer Merkur vom 31. August 1819. 8 Geschichte der Gesellschaft Concordia in Bamberg, Festschrift 1885, S. 15 f., freundliche Überlassung Frau Irene Hottelmann-Schmidt, Bamberg. 9 StAB, MFZ 3, Bamberger Tagblatt vom 26. Juli 1905. 10 StAB, MFZ 3, Bamberger Tagblatt vom 28. August 1882. 11 StAB, MFZ 3, Bamberger Tagblatt vom 29. August 1882. 12 Freundliche Überlassung durch Herrn Herbert Brauner, Bamberg. 13 Anderer Name für Kornelkirschenhecke. 14 StadtAB, B. S. 8436. 15 Die Mode kam im Frankreich des späten 18. Jahrhunderts auf (sog. Tableaux vivants). 16 StAB, MFZ 3, Bamberger Tagblatt vom 12. und 13. September 1900. 17 StAB, MFZ 3, Bamberger Tagblatt vom 26. Juli 1905. 18 Eintragung im Tagebuch von Babette Eckert, geb. Uhl: 1881: 11. September Beleuchtung der Mühle während des Lehrerfestes. Dank an Frau Irene Hottelmann-Schmidt für die Überlassung. 19 StAB, MFZ 3, Bamberger Tagblatt vom 16. und 17. August 1910. 20 StadtAB, B. S. 8436. 21 StAB, MFZ 3, Bamberger Tagblatt vom 8. und 9. August 1925. 22 StadtAB, B.S. 8436.

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