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Kunst als Lebenselixier
„Die Kunstrettet mich!“
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Tânia Maria Rodrigues-Peters ist auf vielen Bühnen unterwegs, liebt Kinder, lanciert Sozialprojekte und schöpft aus einer schier unendlichen kreativen Kraft. Dabei kennt die Künstlerin die Schattenseiten des Lebens genauso wie die hellen Tage.
Text: Simone Fürnschuß-Hofer Fotos: Petra Rainer, Alexandra Serra
Tânia Maria Rodrigues-Peters gilt als künstlerisches Multitalent: In ihr Werk als Schriftstellerin, Malerin, Glas-Bildhauerin, Schauspielerin und Performerin fließt viel von ihrem eigenen Leben ein.
Das Kind sei nicht kommunikativ und habe keinen Sinn für Kunst und Ästhetik, so die vernichtende Beurteilung an jener katholischen Privatschule, die Tânia Maria Rodrigues-Peters in ihrer Kindheit in Brasilien besuchte. Erst vor wenigen Jahren erinnert sich die heute in Hohenems lebende Künstlerin an das schlechte Zeugnis von damals und stellt mit Genugtuung fest, wie sehr sich ihre Lehrer geirrt hatten. Nicht nur, dass sie viel zu erzählen hat, alles an ihr kommuniziert, angefangen von den Haaren, über die Augen, Gestik, Mimik bis hin zur Kleidung. Wohl auch nicht zufällig fiel die Wahl ihrer Studienfächer auf Kommunikationswissenschaften und Bildende Kunst. „Ich denke, dass es da einen Zusammenhang mit diesem harten Urteil in meiner Kindheit gibt“, so Tania nachdenklich. Ein Trotzreflex? Oder eher ein „Jetzt erst recht“? Das wisse sie gar nicht so genau, aber ihr Schaffen zeige eines: „Höre nie auf diejenigen, die dir sagen, was du nicht kannst!“ Alles, was sie heute tut, egal ob privat, beruflich oder ehrenamtlich, ist der Kunst gewidmet. Neben ihrer Malerei hat sie sich in der Glaskunst alle Fertigkeiten zugelegt, die es braucht, um Skulpturen aus diesem ausdrucksstarken, aber schwer zu zähmendem Werkstoff hervorzubringen. Das sei ein Knochenjob, gleichsam schweißtreibend und schmutzig wie wundervoll. Ihre Objekte tragen Namen wie „Gaya“, „Sol“ oder „Tiefer See“ und geben Einblick in die fantastische Welt von Signora Rodrigues-Peters. 100 Prozent handmade und 100 Prozent made in Vorarlberg.
Social und sozial aktiv
Als Ausländerin, die weder perfektes Deutsch noch Dialekt spreche, sei sie stolz auf das, was sie geschafft habe, betont Tânia. Wie zum Beweis zählt sie auf, was sie in ihrem Leben bereits alles umgesetzt hat, untermauert es mit Fotos, Auszeichnungen und Anekdoten. Geradezu als habe sie Angst, man könnte es ihr ansonsten womöglich nicht abnehmen. Die Fülle ist tatsächlich unglaublich. Ihre Lebenserzählung mit all den Ausbildungen, Engagements und Projekten ließe sich auf mindestens drei Biografien aufteilen. Zusätzlich zu den erwähnten Studienfächern hat sie in Brasilien ein Schauspielstudium und eine pädagogische Ausbildung absolviert, zehn Jahre als Lehrerin und als Schauspielerin am Theater gearbeitet. Parallel dazu probierte sie sich in unterschiedlichen bildenden Künsten aus. Kinder, so sagt sie, liebt sie über alles, ihnen widmet sie viele Geschichten, die in ihr schlummern – meist wecke sie eine Idee aus dem Schlaf. Sechs davon hat sie bereits erfolgreich in Buchform gebracht. Aktuell schreibt sie am Manuskript „Rettet die Fantasie“, ihrer ersten Publikation für Teenager, die im Dezember dieses Jahres veröffentlicht werden soll.
Wo Tânia auch hingeht, lernt sie Menschen kennen. Sie habe eben Glück mit den Leuten, sagt sie und setzt nach: „Ich rede mit allen gleich. Egal ob König oder Kind.“ Vielleicht also doch weniger Glück als vielmehr eine charmante Prise Nonchalance. Tânia Maria Rodrigues-Peters ist aber nicht nur eine Netzwerkerin mit gleichsam prall gefülltem Terminkalender wie Instagram-Account, sie ist auch eine unermüdliche und tatkräftige Botschafterin für soziale Themen. Seit 2014 trommelt die Macherin jährlich – die Pandemiezeiten ausgenommen – ihr Netzwerk an Kunstschaffenden und Sponsoren zu „Kunst ohne Grenze V“ herbei und realisiert Vernissagen, deren Erlöse sie zur Gänze sozialen Projekten für Kinder zuführt. Noch >>
„FÜR DIE EINEN BEDEUTET ERFOLG VIEL GELD ZU HABEN, FÜR DIE ANDEREN BERÜHMT ZU SEIN. ICH DENKE AN EINE ANDERE ART VON ERFOLG: MIT GUTEM GEWISSEN SCHLAFEN ZU KÖNNEN, INNEREN FRIEDEN ZU HABEN. UND ICH KANN IN DIESEM SINNE SAGEN, DASS ICH ERFOLG HABE.“
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dieses Jahr wird für die CliniClowns gesammelt. Tânia hat sich eines geschworen: „Bis zum letzten Atemzug meines Lebens werde ich mit meinen Projekten Kinder unterstützen.“ Gleich zweifach wurde sie vom Land Vorarlberg mit einem Anerkennungspreis für ihr soziales Engagement gewürdigt. In Brasilien erhielt sie eine Auszeichnung für ihr Ehrenamt für ältere Menschen und Kinder. Und auch ein Ausflug in die Filmbranche war von Erfolg gekrönt: Der Kurzfilm „Die Graue Frau“ – basierend auf ihrer Idee – wurde beim „International Fusion Film Festival“ in London als „Bester experimenteller Kurzfilm“ prämiert. Sozial eingestellt sei sie immer schon gewesen, habe sich als Vierzehnjährige bereits ehrenamtlich engagiert. Gemeinsam mit ihrem Bruder wuchs Tânia in São Paulo auf. Finanziell sei es ihnen gut gegangen. Natürlich hätten die Eltern Pläne für sie gehabt bzw. Idealvorstellungen, sie aber habe immer die Unabhängigkeit angestrebt und sich bereits mit 23 Jahren eine eigene Wohnung finanziert. Mit Anfang 30 verlagerte sie den Lebensmittelpunkt nach Europa, um sich mit ihrem damaligen Partner eine Existenz aufzubauen. Nachdem sie erst in Berlin in einer Modeboutique gejobbt hatte, servierte sie neun Jahre lang in einem kleinen nordspanischen Dorf „arte culinario“. „Alles im Leben ist Kunst, auch das Kochen“, sagt sie und erinnert sich gerne an die Zeit, in der sie das Restaurant führte, drei Kinder bekam und hunderte spanische Bücher verschlang, um sich der Sprache zu bemächtigen. „Sie nannten mich „Sonne“, sagt sie lachend und resümiert: „Eine insgesamt gute Zeit.“
„ICH MÖCHTE, DASS MEINE KINDER STOLZ AUF MICH SIND, UND ICH FREUE MICH ZU WISSEN, DASS MANCHE KINDER AM ANDEREN ENDE DER WELT LÄCHELN, WENN ICH IHNEN HELFE KONNTE. DAS IST EIN UNBESCHREIBLICHES GLÜCK.“
Licht und Schatten
Viel hat sich seitdem ereignet, beruflich wie auch privat. Nicht nur Erfreuliches. Inzwischen ist Tânia geschieden. Sie wird zurückhaltender in ihren Schilderungen, möchte das Private nicht öffentlich breittreten. Die ernsthafte und traurige Seite hinter der grundgestimmt fröhlichen Frau kommt zum Vorschein: „Stark zu sein ist oft keine Wahl, sondern der einzige Weg. Die Kunst rettet mich! Immer wieder. Ohne Kunst wäre vieles für mich nicht möglich.“ Die tieftraurigen Momente kenne sie zur Genüge, sie habe gegen Schmerzen gekämpft, wisse, was es bedeute, alles zu verlieren. „Aber das zeigt dir auch den Wert für die kleinen Dinge. Auch daraus schöpfe ich: aus Liebe, Freundschaft, den Farben.“ Und aus der Tiefe ihrer Erlebnisse, die sie wiederum in Kunst zu verwandeln vermag: Szenen aus dem Leben, in unterschiedlichsten Techniken von Öl, über Acryl bis Tinte aufs Papier gebracht. Oder müh- und heilsam in eine Skulptur gegossen. Ihre Experimentierfreude kennt keine Grenzen. Sie träumt, riskiert, denkt groß. Nennt ihre aktuelle Kunstausstellung „Universum“. Nebenbei designt sie auch noch Modeschmuck, setzt fortwährend neue Projektideen um, knüpft an ihren Netzwerken und kennt Gott und die Welt. Ihr Heimatkosmos sei inzwischen Vorarlberg, dieser Region gehöre ihr Herz, Wien sei ihre Geliebte. Und was ist mit Brasilien? „Okay, meine zweite Geliebte“, gesteht sie ihrem Geburtsland mit glockenhellem Lachen immerhin noch Seitensprung-Qualitäten zu. Wen wundert’s da noch, dass ihre Lieblingsspeise Käsknöpfle sind und sie sich gar in der Kunst des Schuhplattelns versteht.