
3 minute read
Ich bin nicht unsichtbar”
28 |
Wie schwierig oder wie leicht ist es, vor einem Geschäft zu stehen und die marie zu verkaufen? Was erlebt man alles und mit wie vielen Menschen kommt man in Kontakt? Zwei Leser und eine Leserin unserer Straßenzeitung haben sich auf ein Experiment eingelassen und verkauften drei Stunden lang die marie.
Advertisement
Text und Fotos: Daniel Furxer
Peter Windhager in Götzis
9Uhr vormittags, es regnet, es ist kalt. Alles andere als sommerliche Temperaturen. Peter Windhager steht vor dem Spar-Markt in Götzis und hält ein paar marie-Zeitungen in der Hand. Die Menschen huschen an ihm vorbei. Viele schauen, dass sie so trocken wie möglich ins Geschäft kommen. „Die Menschen waren sehr kurz angebunden, habe ich gemerkt. Wenn jemand mit mir gesprochen hat, dann waren es vor allem Frauen. Eine Frau hat mir ein Gebäck gekauft, weil sie das immer für den marie-Verkäufer mache, wie sie mir danach mitteilte.“ So schildert Peter rückblickend seine Erfahrungen. Viele haben die Zeitung am 15. Juli, am Tag, an dem Peter verkaufte, bereits erworben. „Einige haben mir dann ein kleines Trinkgeld zugesteckt.“ Zu seiner Motivation, warum er das gemacht hat, meint er: „Ich wollte einfach einmal die Erfahrung machen, wie es ist, auf der anderen Seite der Wohlstandsgesellschaft zu stehen. Für mich sind die drei Stunden trotz allem schnell vergangen. Aber natürlich weiß ich nicht, wie es sich anfüllt, jeden Tag hier zu stehen.“
Peter verkaufte in drei Stunden drei Zeitungen und bekam sieben Euro Trinkgeld. Das Geld für die verkauften Zeitungen und das Trinkgeld bekommt der Verkäufer, der normalerweise an diesem Standort steht.
Standortwechsel: Hofer in Alberschwende. Es ist 7.30 Uhr und ein sehr sonniger Tag kündigt sich an. Werner Fuchsberger steht mit seinen Zeitungen bereit. Doch niemand will ihm eine abkaufen. „Ich habe die Menschen sehr freundlich gegrüßt und sie haben freundlich zurückgegrüßt. Aufgrund meiner Freundlichkeit habe ich nur positive Erfahrungen mit den Leuten gemacht. Auf meine Frage, ob sie eine marie kaufen wollen, hat ein Drittel gesagt, dass sie diese schon haben, ein Drittel hatte kein Interesse und die anderen haben sich dazu nicht geäußert.“ Nach zweieinhalb Stunden hat Werner noch keine Zeitung verkauft. In der letzten halben Stunde kaufte ihm jemand eine Zeitung ab. „Ich habe zusätzlich 90 Cent Trinkgeld bekommen.“ Natürlich, Zweck des Rollentausches war es nicht, so viele Zeitungen wie möglich zu verkaufen oder viel Trinkgeld zu bekommen. Es ging vor allem um die Begegnung und wie man sich in der Haut eines/r marie-Verkäufers/in fühlt.
Letze Station: Spar-Markt in Rankweil. Cornelia Giesinger hat sich, wie Werner Fuchsberger und Peter Windhager, spontan auf die Anzeige in der marie gemeldet, die Straßenzeitung für drei Stunden zu verkaufen. „Meine Vorstellung war, dass ich mit der marie in der Hand für die Menschen ‚unsichtba-

Godgift mit Werner Fuchsberger in Alberschwende Cornelia Giesinger in Rankweil

rer‘ werde und die meisten einen Bogen um mich machen. Dem war aber nicht so.“ Cornelia erzählt, dass sie vor ein paar Jahren in Dublin einen großen Bogen um Leute gemacht habe, die „Big Issue“ geschrien haben. Erst später habe sie erfahren, dass „The Big Issue“ die Straßenzeitung von England und Irland ist. „Meine Zurückhaltung habe ich dann bereut. Gerne hätte ich jemandem eine Zeitung abgekauft. „Ich war beim Verkaufen der marie nicht unsichtbar. Die Leute haben mich alle sehr freundlich gegrüßt, ich habe einen kläffenden Hund beruhigt und auf die Inlineskates eines Mädchens aufgepasst, während sie einkaufen war.“ Cornelia teilt die Beobachtung der Kunden, dass die marie zum Straßenbild in Vorarlberg dazugehört und die Verkäufer*innen meist freundlich und hilfsbereit sind.
Verkauft hat Cornelia eine Zeitung und bekam 8,50 Euro Trinkgeld.
Cornelia merkt abschließend an: „Ich bin mir bewusst, dass ich nur im Ansatz spüren konnte, wie es sich für die echten Verkäufer*innen anfühlt. Ich bin mit meinem Aussehen und meinem Dialekt ein klar erkennbarer Teil der Vorarlberger Mehrheitsgesellschaft. Und ich weiß nicht, wie es ist, wenn ich auf diese einzelnen Münzen der Vorbeigehenden angewiesen bin, um meine Grundbedürfnisse zu stillen.“
Buchverlosung
Die GewinnerInnen sind ermittelt. Doris Kerber aus Ludesch, Nicole Gächter aus Altach und Margit Hecht aus Rankweil dürfen sich über ein Flora-Kartenset samt Buch von Magdalena Türtscher freuen. Das wunderbar gestaltete Werk mit 33 ausgewählten heimischen Pflanzenwesen und ihren Botschaften ist aber auch käuflich zu erwerben. Im Internet unter magma-zeug.com