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SWISS LEADER

Marc P. Bernegger

Marc P. Bernegger: vom JusStudenten zum erfolgreichen Internetunternehmer


Computerworld 20/4. Dezember 2015

www.computerworld.ch

Vom Start-up zum Erfolg

Die Digitalisierung bietet zahlreiche Chancen für neue Geschäftsideen. Als ehemaliger Webpionier und heutiger Investor weiss Marc P. Bernegger, was Start-ups zum Erfolg verhilft. INTERVIEW: MARK SCHRÖDER, FOTOS: SAMUEL TRÜMPY

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och als Jura-Student hat Marc P. Bernegger die erfolgreiche Webplattform Usgang.ch aus dem Nichts aufgebaut. Heute wäre das so nicht mehr möglich, wie er selbst sagt. Als Start-up-Investor kennt Bernegger allerdings auch die aktuellen Verhältnisse genau. Im Gespräch mit Computerworld erklärt er, unter welchen Bedingungen junge Unternehmen besonders gut gedeihen und warum wir in der Schweiz so viele LifestyleUnternehmer haben. Computerworld: Wie kam es zur Gründung von Usgang.ch und dem Riesenerfolg? Marc P. Bernegger: 1999 war das Internet noch eine Randerscheinung. Aber mein Schulkollege und ich haben realisiert, dass das Internet viel Potenzial hat. So entstand die Idee, eine Seite aufzusetzen. Damit wollten wir einerseits ein eigenes Bedürfnis befriedigen, andererseits auch anderen einen Service bieten. Allerdings konnte keiner von uns beiden eine Webseite programmieren, sodass Usgang.ch zunächst sehr handgestrickt war. Mit den ersparten 3000 Franken Sackgeld haben wir einfach mal angefangen. Wir hatten weder einen Business-Plan noch ein Geschäft im Sinn. CW: Welches Potenzial haben Sie 1999 für das Internet gesehen? Bernegger: Hauptsächlich die Möglichkeit, via Web Zugang zu Informationen zu bekommen, die vorher schlicht nicht verfügbar waren. Wir gingen von dem aus, was uns selbst fehlte. Im Rückblick war das ein klassisch unternehmerisches Vorgehen: Identifizieren eines Mangels und dessen anschliessende Beseitigung. CW: Wie realisiert man eine Seite wie Usgang.ch ohne Design- und Programmierkenntnisse? Bernegger: Die Seite war tatsächlich eine Eigenproduktion. Mit Microsoft FrontPage konnten wir ohne tiefgreifende Spezialkenntnisse die Seite selbst basteln. Das war unsere Rettung.

CW: Usgang.ch ist als Veranstaltungskalender gestartet. Bernegger: Ja, der klassische Anwendungsfall war: Leute besuchten am Freitag die Seite, um sich über Veranstaltungen am Wochenende zu informieren. Bald hatten wir jedoch montags mehr Besucher, denn die Benutzer wollten sich von den vergangenen Partys ein Bild machen und die Fotos anschauen. So vollzog sich relativ rasch die Entwicklung zum heutigen Party-Portal. Da ich selbst nicht fotografiere, suchten wir Partygäste, die Bilder knipsten, und auch professionelle Fotografen, die in den Ausgang gingen. CW: Damit hatten Sie aber noch kein Geld verdient. Wie erreichten Sie das? Bernegger: Wir merkten schnell, dass sich mit der Seite Geld verdienen lässt. Damals strebten die Handy-Provider in den Markt, die in Usgang.ch eine Plattform mit einer der grössten Reichweiten in der Schweiz hatten. Ausserdem hatten wir genau die Zielgruppe, welche die Handy-Anbieter erreichen wollten. Daneben waren die Gesetze zu Alkohol- und Tabakwerbung noch anders. Die dritte Erlösquelle waren die Clubs und Party-Veranstalter. Hier mussten wir zunächst noch Überzeugungsarbeit leisten, dass sie ihre Gäste mit einem Onlineinserat genauso erreichen wie mit den 10 000 Flyern, die sie bis anhin gedruckt hatten. CW: Wie kamen Sie von Usgang.ch zu Amiando? Bernegger: 2008 wurde Usgang.ch von Axel Springer übernommen. Damals war ich auf dem Absprung nach München, wo es zur Gründung von Amiando kam. Allerdings waren Usgang.ch und Amiando überhaupt nicht vergleichbar: Wir hatten von Anfang an Investoren und sind sehr schnell gewachsen. Innert eines Jahres hatten wir viel Geld, mit dem wir die Plattform aggressiv hochfahren konnten. CW: Aus der Perspektive eines Gründers: Welcher Ansatz ist zu empfehlen? Mit oder ohne Geschäftsmodell? Bernegger: Ein Fall wie Usgang.ch ist heute schlicht nicht mehr möglich, denn die Zeit ist ein kritischer Faktor

ZUR PERSON  MARC P. BERNEGGER  ist Unternehmer und Mitgründer der Internetfirmen Usgang.ch (gekauft von Axel Springer) und Amiando (gekauft von Xing). Der studierte Jurist ist bei diversen Beteiligungsgesellschaften in­ volviert und als FintechInvestor aktiv. www.bernegger.com

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geworden. Wer nicht die finanziellen Mittel hat, um schnell zu wachsen, wird von anderen überholt, welche die Lücke ebenfalls identifiziert haben. Wir haben bei Usgang.ch zuerst nur versucht, ein eigenes Bedürfnis zu befriedigen. Bei Amiando sind wir viel systematischer vorgegangen und hatten auch die Mittel dazu. Alle Amiando-Gründer hatten vorher schon eine Firma gegründet. Wir waren viel abgebrühter und mehr von Business-Plänen und Zahlen getrieben. CW: Benötigen Gründer heute unbedingt einen Business-Plan? Bernegger: Ganz am Anfang braucht es keinen BusinessPlan. Allerdings schadet es sicher nicht, die eigenen Ideen zu Papier zu bringen. Diese Arbeit sollte nicht zulasten der Realisierung gehen: Alle schönen Ideen auf dem Papier nutzen nichts, wenn sie nicht umgesetzt werden. CW: Wie sind die Gründungsbedingungen heute in der Schweiz? Bernegger: Teilweise ist das Gründen eine Mode geworden. Es gilt als hip, für ein Start-up zu arbeiten, weshalb auch einige ihre traditionellen Jobs aufgeben. Zudem können nur noch die wenigsten Menschen heute erwarten, dass sie nach der Ausbildung in eine Firma eintreten und sie erst verlassen, wenn die Pensionierung ansteht. Der grösste Treiber für Gründungen ist aber, dass die Eintrittshürden mittlerweile viel tiefer sind. Nahezu jeder kann mit einem Notebook eine App oder eine schöne Webseite bauen und ein Geschäft damit machen. Dank des Internets ist das Gründen auch globaler geworden: Jeder kann in Co-Working-Spaces oder im Café seine Idee umsetzen, wenn er nur einen Onlinezugang hat. CW: Welche Besonderheiten für Gründer hat die Schweiz im Vergleich mit Asien und den USA? Bernegger: Natürlich sind die Opportunitätskosten in der Schweiz viel höher als in anderen Ländern. So ist dann auch der Druck, aus einer Angestelltenposition in die Selbstständigkeit zu wechseln, relativ gering. Die Miss-

«Auch die Gründerszene

Markt, der von Angebot und Nachfrage ist ein

bestimmt wird» Marc P. Bernegger

erfolgskultur und Risikofreudigkeit sind zudem in der Schweiz nicht sehr ausgeprägt. Daneben ist das soziale Netz hierzulande sehr gut, sodass man auch vor der Erwerbslosigkeit keine grosse Angst haben muss. Besonders in der Schweiz zu beobachten sind aber auch LifestyleUnternehmer. Statt mit 50 Jahren in Frührente zu gehen, eröffnen sie noch ein Restaurant. Der Betrieb ist aber eher ein Beschäftigungsprogramm als ein Risiko, das man als Gründer auf sich nimmt. CW: Liegt es an der fehlenden Gründerkultur, dass Sie nicht so viel in der Schweiz investieren?

Bernegger: Unter anderem. Mir fehlen häufig aber auch die Visionen und grossen Ambitionen der Gründer. Sie sind zwar in der Schweiz schnell die Nummer eins. Aber die wenigsten denken darüber hinaus und wollen auch global etwas verändern. CW: Die Digitalisierung bietet neue Chancen. Was bedeutet in Ihren Augen die digitale Transformation? Bernegger: Zunächst einmal bedeutet es, dass klassische Prozesse innerhalb einer Firma digitalisiert werden – und damit die Effizienz steigt. Damit einhergeht, dass Technik den manuellen Prozess und teilweise auch den Menschen ablöst. Auch jenseits der Unternehmen werden Prozesse der realen Welt in die digitale Welt übersetzt. Diese Entwicklung sehe ich aber erst am Anfang. Langsam beginnen wir zu verstehen, wo uns der Computer überall helfen kann – und wo er uns ersetzen wird. Ein weiterer Effekt der Digitalisierung sind neue Geschäftsmodelle, die ohne Technik gar nicht möglich wären. Uber ist ein Beispiel. Hier ist die Digitalisierung das Werkzeug, um eine Funktion anzubieten, die bis anhin nicht in der realen Welt umgesetzt war. Ich erwarte, dass in diesem Bereich noch viel mehr geschieht, was wir heute noch gar nicht absehen können. CW: Ihr Spezialgebiet ist das digitale Banking. Wie kommt ein Jurist und Internetunternehmer in die Finanzindustrie? Bernegger: Die Finanzindustrie ist kein Lieblingsgebiet von mir, aber ich sehe hier einfach viel Potenzial durch die Digitalisierung – insbesondere in der Schweiz. Wenn ich andere Märkte mit dem hiesigen vergleiche, stelle ich fest, dass sich hierzulande noch recht wenig getan hat. Das ist bemerkenswert, weil die Schweiz doch beim E-Banking sehr früh dran war. Dann gab es aber wenig signifikante Weiterentwicklungen bei der Digitalisierung von Banken. Somit haben Schweizer Banken heute zwei Baustellen: Einerseits das Konsolidieren der historisch gewachsenen Prozesse und andererseits die Digitalisierung selbst. CW: Welche digitalen Finanzthemen haben Chancen in der Schweiz, welche bergen eher Risiken? Bernegger: Schwierig ist der Retail-Bereich, weil der Schweizer Markt sehr klein ist. Für die Digitalisierung des Retails kann der Markt gar nicht gross genug sein. Im Endkundengeschäft müssen sich lokale Player immer gegen den globalen Wettbewerb behaupten. Bei BackendProzessen hingegen spielt Swiss Quality eine grössere Rolle und die hohen Lebenshaltungskosten fallen nicht stark ins Gewicht. Im Private Banking zum Beispiel hat die Schweiz weltweit einen hervorragenden Ruf. Aber auch für Security – etwa Blockchain –, Neutralität und Datenschutz kann sie sich gut positionieren.


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CW-Redaktor Mark Schröder im Gespräch mit Marc P. Bernegger CW: Wünschen Sie sich mehr Engagement der Schweizer Politik oder des Bundes? Bernegger: Grundsätzlich muss die Politik die optimalen Rahmenbedingungen schaffen. Andererseits ist es auch wünschenswert, dass sie sich nicht zu stark einmischt, denn jede neue Vorschrift erschwert der Wirtschaft das Handeln. Durch mehrere von Start-ups getriebene Initia­ tiven verschaffen sich Gründer in Bern Gehör für grundlegende Fragen wie Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen, Bewertung von Gründeraktien in der Steuererklärung oder Exit-Regelungen. Eine andere Frage ist, ob sich das Silicon Valley als Vorbild für die Schweiz eignet. Venture Capital war dort früher staatlich getrieben. Hierzulande gibt es Vorschläge, dass zum Beispiel die Pensionskasse einen «Zukunftsfonds» einrichtet, um Start-ups besser zu fördern. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass Geld wahllos verteilt wird. CW: Muss die Wirtschaft mehr Gründer unterstützen? Oder die Investoren? Bernegger: Letztendlich ist auch die Gründerszene ein Markt, der von Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Die grossunternehmensfreundliche Politik fördert allerdings nicht gerade das Gründertum. So saugt eine Firma wie Google in einem Markt mit begrenzten (Personal-)Ressourcen auch potenzielle Kandidaten auf, die den Innovationsstandort sonst allenfalls in Start-ups voranbringen würden. Die Unternehmen könnten verpflichtet werden, einen Ausgleich für das absorbierte Personal zu schaffen. CW: Wie bewerten Sie das Engagement der Wirtschaft in Inkubatoren, Wettbewerben und Gründer-Communi-

tys? Ist das PR, wie einer Ihrer Investorenkollegen jüngst sagte? Bernegger: An der Aussage ist schon ein Quäntchen Wahrheit dran. Es gibt derzeit ein Überangebot an Events und Initiativen. Wenn sich die Jungunternehmer nur noch an den Wettbewerben präsentieren, besteht die Gefahr, dass ihre eigentliche Arbeit auf der Strecke bleibt. Wer gute Produkte liefert, bekommt automatisch Aufmerksamkeit und auch Preise. Für Akzeleratoren und Inkubatoren gilt das Gleiche: Sie haben eine Berechtigung, wenn sich die Gründerideen nur mithilfe von Dritten realisieren lassen. Allerdings kenne ich wenige wirklich erfolgreiche Unternehmen, die aus solchen Fabriken stammen. CW: Was erwarten Sie von einem Gründer, wenn Sie eine Beteiligung erwägen? Bernegger: Interessant ist ein Projekt, bei dem ein Jungunternehmer ein Bedürfnis identifiziert hat und mit «Feuer» an der Realisierung arbeitet. Wenn er während­ dessen herausfindet, dass sich mit seiner Lösung auch ein Geschäft aufziehen lässt, ist er auf dem richtigen Weg. Um das Ziel zu erreichen, wird dieser Gründertyp viel mehr Engagement und einen grösseren Leidensdruck aufbringen als einer, der ohne diese Passion agiert. CW: Welches Start-up gefällt Ihnen aktuell besonders? Oder anders gefragt: Haben Sie einen Investitionstipp? Bernegger: Eine konkrete Firma habe ich nicht. Es gibt aber einige Themen, die jetzt spannend werden. Eines ist sicher der 3D-Druck, ein anderes Blockchain und ein drittes das Internet of Things. Hier entstehen erst jetzt konkrete Anwendungsfälle, obwohl man schon lange darüber berichtet.

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