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8-2015
SPEZIAL
Magdeburger Mordsgeschichten
S
pektakuläre Mordsgeschichten passieren nicht nur im Magdeburger Polizeiruf. Es ist wirklich haarsträubend, was sich alles schon im alten Magdeburg zugetragen hat. Die Ottostadt ist ein Ort mit Filmcharakter und mörderischer Vergangenheit. Die öffentliche Stadtführung „Magdeburger Mordsgeschichten“ lässt wahre Kriminalfälle an „dunklen“ Orten der Stadt wieder aufleben. Der Stadtchronist kennt die Hintergründe zu den wahren Magdeburger Kriminalfällen, über die schon der Journalist Bernd Kaufholz in seinen zahlreichen Kriminalromanen wie „Der Ripper von Magdeburg“ oder „Tödlicher Skorpion“ schrieb. Hier Auszüge aus dem Repertoire der Stadtführer: ❒ Tatort Goldschmiedebrücke. In der öffentlichen Stadtführung lauschen die Zuhörer schauerlichen Begebenheiten, Orte des Grauens werden aufgesucht. Zum Beispiel der „Tatort Goldschmiedebrücke“, wo geschildert wird, wie Dr. Faust einen Kellnerjungen zu Magdeburg gefressen hat. ❒ Tatort Heiliggeistkirche. Aufzeichnungen der Geistlichen der Kirche über eine Kindsmörderin lassen einem den kalten Schauer über den Rücken laufen. Es begab sich zudem am 7. August des Jahres 1611. Großer Tumult und Gedränge am Krökentor: Menschenmassen umdrängen das vor dem Krökentor errichtete Schafott. Ein Ackerknecht steht vor dem Scharfrichter, dann läuft etwas schief … ❒ Rolands letzter Kampf. Auch über den Magdeburger Roland (Foto unten) gibt es eine Geschichte, die einen das Gruseln lehren kann. Mehr Informationen dazu gibt es beim Stadtrundgang „Magdeburger Mordsgeschichten“. ❒ Im Visier: Magdeburger Drehorte. Auch fiktive Tatorte können in dieser Führung auf Wunsch besucht werden: Beispielsweise die Drehorte, die schon für zwei Fälle im „Polizeiruf 110“ des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) für Hingucker sorgten. So ließen die Filmemacher im Sommer 2014 einen Teil des Katharinenturms, im Nordabschnitt des Breiten Weges, explodieren. ❒ Details zur Führung: Die öffentliche Führung „Magdeburger Mordsgeschichten“ findet jeden zweiten Freitag im Monat um 19 Uhr statt und dauert 1,5 Stunden. Erwachsene zahlen 6 Euro, Kinder die Hälfte, kostenlos mit der Magdeburg Tourist Card. Die Tickets sind bei der Tourist-Information erhältlich, Ernst-Reuter-Allee 12, Telefon 0391/83 80-4 03, www.magdeburg-tourist.de.
MAGDEBURG KOMPAKT
„Das Spannende ist, wie so ein Täter tickt“ Als Autor auf den Spuren historischer Kriminalfälle war Bernd Kaufholz über Jahre und veröffentlichte mehrere Bücher. Birgit Ahlert unterhielt sich mit ihm darüber. Herr Kaufholz, Sie haben Erfahrungen mit Kriminalfällen in Magdeburg. Wie ergiebig ist die Stadt für einen Kriminalautoren? Die Landeshauptstadt ist zwar nicht riesengroß, aber es gab einige spektakuläre Fälle. Durch langjährige Recherche, angefangen durch Gerichtsberichterstattung, habe ich einiges entdeckt. Vor allem die früheren Fälle sind sehr interessant gewesen, spätere nicht mehr so spektakulär - Kriminalisten mögen da eine andere Auffassung haben. An welche spektakulären Fälle denken Sie? An den großen Brand im Großen Haus, dem jetzigen Opernhaus, beispielsweise. Der Täter wurde bis heute nicht gefunden. Und natürlich an das ehemalige Haxenhaus, dem wohl größten Fall, den es gab. Drei Tote in den 1970er Jahren und der Täter mordete in den 1990er Jahren noch einmal, eine 17-jährige Gymasiastin in Brandenburg. Damals wurde er für Totschlag verurteilt, 1994, darüber haben alle den Kopf geschüttelt. Er erhielt sozusagen zwei Jahre „Rabatt“, weil er zu DDR-Zeiten schon im Gefängnis saß. Inzwischen ist er wieder frei, wurde 2012 aus der Haft entlassen. Er bekam keine Sicherheitsverwahrung. Unglaublich. Und dann war da der Mörder vom Rotehornpark in den 1970er Jahren. Es hat 10 Jahre gedauert, bis der ergriffen wurde – und das passierte nur aus Zufall. Abends waren Frauen der Bonbonfabrik in Rothensee nach der Spätschicht überfallen worden. Die Polizei entwickelte ein Täterprofil und fasste den jungen Mann aus Wolmirstedt schließlich. Der gestand dann völlig unerwartet Morde im Rotehornpark und im Herrenkrug. Der Tod das Managers der Kastelruther Spatzen in Magdeburg schaffte es sogar ins Fernsehen, in die Liste der spektakulärsten Fälle Deutschlands. Er ist noch immer ungeklärt. Warten Sie auf mein neues Buch, da wird der Fall „nebenbei“ aufgeklärt. Nach jetzigem Stand wird es „Das Vermächtnis des Kommissars“ heißen und 2016 erscheinen. Der Fall bietet den Hintergrund. Auch in Ihrem vorigen Buch, im Kriminalroman
Bernd Kaufholz ist Jahrgang 1952 (Skorpion), geboren in MD (wohnt heut im JL), verheiratet, Zerspanungsfacharbeiter und Journalist, bis 2012 bei der Volksstimme, 19 Jahre Chefreporter. Jetzt im öffentliche Dienst tätig. Buchautor seit 1999, erster Roman: „Tödlicher Skorpion“ (2014).
„Tödlicher Skorpion“, gab es eine wahre Geschichte – den Fall des Unternehmers Paul Saib, der 2001 in seinem Haus erschossen aufgefunden wurde. Sie schreiben über Verwicklungen von Politik, Wirtschaft, Sport und Justiz… Es mag Ähnlichkeiten im Buch geben, aber ich verweise auf Seite vier des Buches: „Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und unbeabsichtigt.“. Natürlich schreibt ein Autor auch immer aus Sicht seiner eigenen Erfahrungen und erfindet daraus neue Geschichten. Doch in diesem Buch haben sich Leute erkannt, an die ich gar nicht gedacht hatte … Warum haben Sie nach Ihren neun Büchern über authentischer Fälle zum fiktiven Schreiben eines Kriminalromans gewechselt? Weil die interessanten historischen Fälle abgehandelt waren. Sie reichen bis in die 80er Jahre. Danach ginge es mehr um Kleinkriminalität oder überschnitt sich mit Persönlichkeitsrechten. Was war für Sie leichter: authentisch oder fiktiv zu schreiben? Bei den authentischen Fällen gibt es Tatsachen und die Grundinformationen werden in literarische Form gebracht. Dabei ist es interessant zu schauen, wie so ein Täter tickt. Fiktives Schreiben ist eigentlich das Schlimmste, was es für einen Journalisten gibt, der sonst über Tatsachen berichtet. Weil man sich alles selbst ausdenken muss. Ich hatte die Grundidee; alles andere zu erfinden, war eine Herausforderung. Mir war es wichtig, einen besonderen Typ Ermittler zu kreiieren. Als Krimifan weiß ich: Über diese Person finden die Leser zur Geschichte. Mit Tanja Papenburg ist mir das wohl ganz gut gelungen. Sie waren mit Ihrem „Tatort Magdeburg“ sogar auf der Theaterbühne im Schauspielhaus. Wird es eine Fortsetzung geben? Das ist für die nächste Spielzeit angedacht, ja. Dann kommen die Fälle jeweils mit einem gewissen Augenzwinkern auf die Bühne.