Migros-Magazin-27-2021-d-BL

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26 | 5.7.2021 | AUSFLÜGE

«Herr Etter, wie lebt es sich in einem Schloss?»

Das «Instauglichste»: Chillon VD Schloss Chillon, mit dem Genfersee und den Dents du Midi im Hintergrund, bietet ein perfektes Motiv fĂŒr jeden Instagram-Account: zum Land hin eine Festung und auf der Seeseite eine fĂŒrstliche Residenz. Wenn sich dann noch ein eleganter alter Dampfer ins Bild schiebt, bekommt man garantiert viele Likes. Doch es wĂ€re schade, es bei dieser oberflĂ€chlichen Postkartensicht zu belassen und die faszinierende Geschichte des Schlosses zu vernachlĂ€ssigen. Von unterirdischen GĂ€ngen ĂŒber die Kapelle und die grossen ZeremonienrĂ€ume bis zur Spitze des Turms ist Chillon eine Welt fĂŒr sich – und scheint wie aus der Zeit gefallen.

Mit Cumulus-Bons erkunden AusflĂŒgler jetzt viele Schlösser gĂŒnstiger. Olivier Etter wohnt gar in einem: Der Schlosswart von Chillon erzĂ€hlt, wie die Balken knarren und TĂŒren versperrt bleiben – an Geister glaubt er aber nicht. Text: Manu Enggist, Pierre Wuthrich

GĂŒnstiger in Schlösser und Burgen Bis 31. Dezember kann man einen blauen CumulusBon im Wert von 5 Franken gegen ­einen Gutschein von 10 Franken fĂŒr den Eintritt in eines der Schlösser ­eintauschen, die ­Mitglied im Verein der Schweizer Schlösser sind. Der Gutschein gilt ab einem Eintrittspreis von Fr. 20.–. Info: www.migmag.ch/ schloss

lebt. Da die ganze Anlage unter Denkmalschutz steht, wurde die Wohnung in einer grossen Box gebaut, die an der Wand und unter der Decke hĂ€ngt. Nur die erste Etage ist direkt mit den Schlossmauern verbunden. Es ist reiner Zufall, dass Etter vor 13 Jahren das Stelleninserat fĂŒr den Schlosswart in einer welschen Tageszeitung sieht. Der Lausanner befindet sich zu diesem Zeitpunkt in einer Art Sabbatical. Zuvor hat er ĂŒber ein Jahrzehnt im BĂŒro eines SchuhhĂ€ndlers gearbeitet. «Obwohl ich zuvor nie im Schloss Chillon war, wollte ich die Stelle. Irgendwie hat mich dieser Ort angezogen.» Das Bewerbungsschreiben verfasst der gelernte VerkĂ€ufer mit FĂŒller und Tinte. «Ich dachte mir, dass dies zu so einem alten GemĂ€uer passt.» Als er zum Vorstellungs­ gesprĂ€ch eingeladen wird, geht er als Erstes in eine Bibliothek und liest ­alles, was er ĂŒber das Schloss finden kann. «Die neue Stelle feierte ich aber erst, als ich meine Probezeit ­bestanden hatte. Da habe ich ĂŒber 30 Freunde ins Schloss eingeladen.» Eine Besuchsliste fĂŒr Freunde

Überhaupt komme seine Wohnung im Freundeskreis sehr gut an. «Weil der Andrang so gross war, musste ich am Anfang eine Liste erstellen, wer wann zu Besuch kommen kann. Zum GlĂŒck hat die Wohnung ein kleines

Abgesehen von der Wohnung hat er einen normalen Hausabwartsjob: Olivier Etter

Bilder: Jeremy Bierer, Getty Images

E

s sei nun mal so, dass sich Menschen an alles gewöhnen, sagt Olivier Etter. Der 54-JĂ€hrige versucht ernst zu bleiben, wĂ€hrend er das sagt. Dann verzieht sich sein Mund zum Grinsen. «Aber natĂŒrlich weiss ich meine Wohnung zu schĂ€tzen.» Braun gebrannt und barfĂŒssig steht Etter in seiner KĂŒche. Zur Linken ein kleines Fenster, nicht grösser als ein halber Quadratmeter. Hier ist sein Lieblingsplatz. Denn wenn er den Kopf durch die Öffnung schiebt, sieht er auf den Genfersee, und schaut er senkrecht hinunter, blickt er auf die Wellen, die tosend ­gegen die mĂ€chtigen Schlossmauern prallen. «Ich muss jedes Mal daran denken, wie lange diese Mauern schon Wind und Wetter trotzten.» Olivier Etter ist einer von fĂŒnf Schlosswarten des Schlosses Chillon, das auf der kleinen Felseninsel Île de Chillon am Ostufer des Genfersees in der Gemeinde Veytaux VD liegt. Sein Job verlangt es, dass er in einer der exklusivsten UnterkĂŒnfte lebt, die es in der Schweiz gibt. Etters 136 Quadratmeter grosse Wohnung befindet sich direkt ĂŒber dem Souvenirshop, erstreckt sich ĂŒber drei Etagen und hat einen lĂ€nglichen, hölzernen ­Balkon zum Innenhof. Gebaut wurde sie vor 35 Jahren, weil die Schlossverwaltung wollte, dass der ­Sicherheit wegen dauerhaft jemand im GebĂ€ude


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